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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 14.03.2007
Aktenzeichen: 1 Ss 6/07
Rechtsgebiete: StPO
Vorschriften:
StPO § 349 Abs. 4 |
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss
1 Ss 6/07 Brandenburgisches Oberlandesgericht
In der Strafsache
wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr
hat der 1. Strafsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Thaeren-Daig, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Bachnick und den Richter am Oberlandesgericht Heck am 14. März 2007 gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Tenor:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil der 4. kleinen Strafkammer des Landgerichts Neuruppin vom 16. August 2006 mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Neuruppin zurückverwiesen.
Gründe:
I.
Das Amtsgericht Neuruppin verhängte gegen den Angeklagten mit Urteil vom 3. März 2006 wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Straßenverkehr eine nicht zur Bewährung ausgesetzte Freiheitsstrafe von acht Monaten, ordnete die Entziehung der Fahrerlaubnis an und setzte eine Sperre für deren Neuerteilung von fünf Jahren fest. Auf die hiergegen eingelegte Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Neuruppin mit Urteil vom 16. August 2006 das angefochtene Urteil unter Verwerfung des Rechtsmittels im Übrigen im Rechtsfolgenausspruch abgeändert und eine sechsmonatige Freiheitsstrafe sowie eine Sperrfrist von zwei Jahren verhängt. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er das Verfahren beanstandet und die Verletzung materiellen Rechts rügt. Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg ist dem Rechtsmittel in ihrer Antragsschrift vom 15. Januar 2007 beigetreten und hat beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Revision hat Erfolg.
Das Landgericht hat angenommen, dass der Angeklagte seine Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt hat, und hat infolgedessen keine eigenen Feststellungen zum Tatvorwurf getroffen. Die auf die Sachrüge von Amts wegen - ohne Bindung an die rechtliche Beurteilung der Berufungsbeschränkung durch das Landgericht - gebotene Prüfung, ob die Strafkammer über alle Bestandteile des erstinstanzlichen Urteils entschieden hat, die von der Berufung erfasst wurden (vgl. Meyer-Goßner, StPO 49. Aufl. § 327 Rdnr. 9, § 352 Rdnr. 4 m.w.N.), ergibt indes, dass die Berufung des Angeklagten nicht wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt war.
Der Wille eines Rechtsmittelführers, nur einen bestimmten Teil eines Urteils anzufechten, kann nur dann angenommen werden, wenn er in der Rechtsmittelerklärung eindeutig und zweifelsfrei zum Ausdruck kommt; wegen der Unwiderruflichkeit der Erklärung und ihrer sonstigen weit reichenden Folgen sind dabei strenge Anforderungen zu stellen. Ist die Erklärung unklar und führt auch ihre Auslegung zu keinem eindeutigen Ergebnis, darf eine Rechtsmittelbeschränkung nicht angenommen werden (vgl. BGHSt 29, 359, 365; OLG Düsseldorf VRS 76, 447; Kammergericht, Beschl. v. 20. August 1999 - (4) 1 Ss 95/99 (41/99), zit. aus juris, m.w.N.).
Der damalige Verteidiger des Angeklagten hat im Schriftsatz vom 11. Mai 2006 u.a. darum gebeten, eine Berufungsbegründung nachreichen zu dürfen. Weiter heißt es in dem Schriftsatz: "Auf Grund des eindeutigen Tatgeschehens wird sich die Berufung auf das Strafmaß beschränken." Im Termin zur Berufungshauptverhandlung hat der Angeklagte erklärt, dass sein Verteidiger aus Kostengründen den Termin nicht wahrnehme und er zur Verhandlung ohne Verteidiger bereit sei. Nach Erörterung der persönlichen Verhältnisse des Angeklagten wurde sodann unter Bezugnahme auf den Berufungsschriftsatz vom 6. März 2006, der neben der Einlegung des Rechtsmittels keine weiteren Ausführungen enthält, lediglich die Rechtzeitigkeit der eingelegten Berufung festgestellt.
Bei dieser Sachlage lässt sich eine wirksame Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch nicht feststellen. Die Formulierung im Schriftsatz der Verteidigung vom 11. Mai 2006 ist nicht hinreichend eindeutig. Dem Wortlaut nach liegt es nahe, die Erklärung so auszulegen, dass eine Berufungsbeschränkung zunächst lediglich angekündigt wird. Eine unmissverständliche, zweifelsfreie Bekundung, dass eine Beschränkung bereits verbindlich erklärt werden soll, lässt sich dem nicht entnehmen.
Hinzukommt, dass gegen den Angeklagten ohne Verteidiger verhandelt worden ist und ausweislich des Protokolls der Hauptverhandlung, das auch keinerlei Bezugnahme auf den entsprechenden Verteidigerschriftsatz erkennen lässt, die Frage der Berufungsbeschränkung nicht Gegenstand der Erörterung gewesen ist. Die bestehenden Zweifel am Inhalt der Erklärung im Schriftsatz vom 11. Mai 2006 sind mithin nicht geklärt worden. Da der Angeklagte in der Berufungshauptverhandlung nicht von einem Rechtsanwalt vertreten wurde, lässt auch die Nichtabgabe weiterer prozessualer Erklärungen durch den nicht rechtskundigen Angeklagten keine Rückschlüsse auf eine Berufungsbeschränkung zu. Entsprechendes gilt auch für die von ihm ausweislich des Protokolls geäußerte Bitte um eine Bewährungsstrafe (vgl. hierzu OLG Stuttgart, Beschl. v. 23. September 1999 - 4 Ss 493/99, zit. aus juris).
Die nur eingeschränkte, lediglich die Rechtsfolgen betreffende Entscheidung des Landgerichts führt daher zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung und Neuverhandlung der Sache. Die mit der erneuten - auch die Kosten der Revision betreffenden - Entscheidung befasste Berufungsstrafkammer wird eigene Feststellungen zum Tatvorwurf zu treffen und - gegebenenfalls - im Rahmen der Strafzumessung und bei der sich womöglich erneut stellenden Frage einer Strafaussetzung zur Bewährung u.a. den seit dem Urteil vom 16. August 2006 entstandenen weiteren Zeitablauf zugunsten des Angeklagten zu berücksichtigen haben.
Ende der Entscheidung
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