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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 30.11.2007
Aktenzeichen: 1 Ss 95/07
Rechtsgebiete: StPO
Vorschriften:
StPO § 258 Abs. 3 | |
StPO § 349 Abs. 4 | |
StPO § 354 Abs. 2 |
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluß
1 Ss 95/07 Brandenburgisches Oberlandesgericht
In der Strafsache
wegen unerlaubten Besitzes von Munition
hat der 1. Strafsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch
die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Thaeren-Daig, den/die Richter am Oberlandesgericht Dr. Bachnick und die Richterin am Oberlandesgericht Michalski
am 30 . November 2007
einstimmig beschlossen:
Tenor:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts der 9. kleinen Strafkammer des Landgerichts Potsdam vom 5. Juli 2007 mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Potsdam zurückverwiesen.
Gründe:
I.
Das Amtsgericht Königs Wusterhausen sprach den Angeklagten mit Urteil vom 4. Juli 2006 von dem ihm in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Potsdam vom gemachten Vorwurf des unerlaubten Besitzes von Munition - nämlich 19 Kleinkaliberpatronen PM 6,35 und drei Kleinkaliberpatronen LAPUA 6,35 - frei. Auf die hiergegen gerichtete Berufung der Staatsanwaltschaft hat die 9. kleine Strafkammer des Landgerichts Potsdam den Angeklagten wegen der angeklagten Tat (vom 8. November 2005) zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten unter Vollstreckungsaussetzung zur Bewährung verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, die eine Verletzung formellen (Nichterteilung des letzten Wortes) und materiellen Rechts geltend macht.
II.
Das Rechtsmittel hat bereits mit der erhobenen Verfahrensbeanstandung insgesamt Erfolg.
Die Verfahrenslage, die den gerügten Rechtsverstoß begründen soll, war dergestalt, dass dem Rechtsmittelführer nach den Schlussvorträgen der Staatsanwaltschaft und des Verteidigers das sog. letzte Wort erteilt worden war, ehe der Angeklagte und sein Verteidiger die (sodann protokollierte) Erklärung abgaben, "dass sie mit der außergerichtlichen Einziehung der sichergestellten Patronen einverstanden sind". Sodann zog sich das Gericht zurück und verkündete nach seinem Wiedererscheinen im Verhandlungssaal das angegriffene Urteil, ohne dem Rechtsmittelführer nochmals das letzte Wort erteilt zu haben.
Dieses Vorgehen der Strafkammer erweist sich tatsächlich als rechtsfehlerhaft.
Ein Wiedereintritt in die Beweisaufnahme, die eine erneute Gewährung des letzten Wortes erfordert, liegt auch dann vor, wenn lediglich auf die rechtliche Möglichkeit einer Nebenfolge hingewiesen wird (BGH NStZ 1987, 36; Meyer-Goßner, StPO, 50. Aufl., § 258 Rz. 29). Im vorliegenden Fall ist ein Wiedereintritt in die Beweisaufnahme dadurch erfolgt, dass das Tatgericht die Erklärung des Angeklagten, dass er mit einer außergerichtlichen Einziehung der sichergestellten Munition einverstanden, nach dessen Schlusserklärung entgegengenommen und protokolliert hat. Infolge dessen hätte dem Angeklagten im Anschluss daran nochmals das letzte Wort erteilt werden müssen, bevor das Urteil verkündet worden ist. Dass dies unterlassen worden ist, begründet einen Verstoß gegen § 258 Abs. 3 StPO (vgl. OLG Hamm StV 2001, 264).
Der Senat kann nicht ausschließen, dass das angefochtene Urteil auf dem skizzierten Rechtsfehler beruht (§ 267 Abs. 3 StPO). Anhand der protokollierten Erklärung des Rechtsmittelführers lässt sich der Schluss ziehen, dieser habe sich zu dem (zuvor bestrittenen) Eigentum an den der Einziehung unterliegenden Gegenständen bekannt, die zudem noch Objekt einer vorsätzlichen Straftat gewesen sind (vgl. § 74 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 StGB). Hierin liegt u.a. auch ein (wenn auch schwaches und in den Entscheidungsgründen des angegriffenen Urteils nicht verwertetes) Indiz für bestehenden Tatvorsatz des Angeklagten. Der Angeklagte konnte vor dem Hintergrund, dass seine Erklärung zur außergerichtlichen Einziehung der Munition von der Strafkammer offenkundig "erfragt" worden war, auch einschätzen, dass sein Freispruch für das Berufungsgericht nicht nahelag. Unter diesen Umständen kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Kammer aufgrund eines neuerlichen "letzten Wortes" des Angeklagten die Schuld- und Straffrage anders als geschehen beurteilt hätte.
Das angegriffene Urteil unterlag danach der Aufhebung und die Sache der Zurückverweisung an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts, §§ 349 Abs. 4, 354 Abs. 2 StPO.
Abschließend bemerkt der Senat folgendes:
Auch auf die vom Angeklagten erhobene Sachrüge hätte jedenfalls die tatgerichtliche Rechtsfolgenentscheidung nicht bestehen bleiben. Das Landgericht teilt insofern nicht mit, ob und ggf. wann die früheren Verurteilungen des Angeklagten in Rechtskraft erwachsen sind, weshalb offen bleibt, ob
- mit der wegen Betruges ausgesprochenen Geldstrafe von 90 Tagessätzen eine Gesamtstrafe zu bilden ist, weil der entsprechenden, am 7. November 2005 erfolgten, Verurteilung durch das Amtsgericht Rostock eine tatgerichtliche Hauptverhandlung in II. Instanz gefolgt sein kann, wobei weiterhin unklar ist, ob die erkannte Strafe etwa schon vollstreckt oder in anderer Weise erledigt worden ist;
- die Strafkammer zurecht den Umstand zum Nachteil des Angeklagten gewertet hat, er habe die verfahrensgegenständliche Tat "während laufender Bewährung" aus dem Urteil des Amtsgerichts Westerstede vom 9. April 2003 begangen; in diesem Zusammenhang fehlen auch Angaben zur vom Amtsgericht ausgesprochenen Dauer der Bewährungszeit, die möglicherweise nur zwei Jahre betragen haben kann (§ 56 a Abs. 1 S. 2 StGB) und dann hier bereits abgelaufen gewesen sein könnte;
- insbesondere die Verurteilung durch das Amtsgericht Westerstede vom 9. April 2003 unverändert bestehen geblieben ist oder ob insofern Rechtsmittel eingelegt und zur Änderung von Schuld- und / oder Rechtsfolgenausspruch in der Berufungs- bzw. Revisionsinstanz geführt haben.
Diese Auslassungen lassen eine umfassende revisionsgerichtliche Prüfung der von der Berufungsstrafkammer getroffenen Rechtsfolgenentscheidung nicht zu, was sich seinerseits als durchgreifend rechtsfehlerhaft darstellt.
Ende der Entscheidung
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