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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 28.01.2008
Aktenzeichen: 1 Ss 96/07
Rechtsgebiete: StPO, ZPO
Vorschriften:
StPO § 37 Abs. 1 | |
StPO § 345 Abs. 1 S. 2 | |
StPO § 346 Abs. 2 | |
ZPO §§ 166 ff. | |
ZPO § 181 | |
ZPO § 418 Abs. 1 |
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss
1 Ss 96/07 Brandenburgisches Oberlandesgericht
In der Strafsache
wegen Betruges
hat der 1. Strafsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch
die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Thaeren-Daig, die Richterin am Oberlandesgericht Michalski und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Weckbecker
am 28. Januar 2008
beschlossen:
Tenor:
Der Beschluss der 6. kleinen Strafkammer des Landgerichts Potsdam vom 24. September 2007 wird aufgehoben.
Die Sache wird zur Zustellung des Urteils der 6. kleinen Strafkammer des Landgerichts Potsdam vom 6. Juli 2007 an das Landgericht Potsdam zurückgegeben.
Gründe:
I.
Das Amtsgericht Potsdam - Strafrichter - verurteilte den Angeklagten am 9. März 2007 wegen Betruges zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen zu je 20,00 € unter Einräumung von Ratenzahlung. Der Angeklagte soll eine Honorarvereinbarung über 500 € abgeschlossen haben, ohne in der Lage gewesen zu sein, den Betrag bei Fälligkeit zu zahlen. Die gegen die Entscheidung eingelegt Berufung verwarf die 6. kleine Strafkammer des Landgerichts Potsdam mit Urteil vom 6. Juli 2007 als unbegründet. Gegen dieses Urteil legte der Angeklagte mit Schreiben vom 13. Juli 2007, eingegangen bei Gericht am selben Tag, Revision ein. Das mit Gründen versehene Urteil ist am 25. Juli 2008 mit der richterlichen Verfügung zur förmlichen Zustellung an den Angeklagten vom 23. Juli 2007 auf der Geschäftsstelle eingegangen. Die Postzustellungsurkunde wurde von der Deutschen Post AG unter dem Datum des 3. August 2007 mit dem Vermerk zurückgereicht: "Zustellung nicht möglich, da Grundstück verschlossen". Am 7. August 2007 verfügte die Richterin abermals die förmliche Zustellung des Urteils an den Angeklagten. Die Postzustellungsurkunde, durch den Postzusteller am 11. August 2007 gezeichnet, wurde mit dem Vermerk zurückgereicht, dass eine Übergabe der Postsendung nicht möglich gewesen und die Ersatzzustellung durch Niederlegung in der Postfiliale 39 in 14109 Berlin erfolgt sei. Die Zustellungssendung ist nicht an das Landgericht zurück gereicht worden.
Am 24. September 2007 hat die 6. kleine Strafkammer des Landgerichts Potsdam die Revision des Angeklagten gegen das Berufungsurteil vom 6. Juli 2007 als unzulässig verworfen, da Revisionsanträge und Revisionsbegründung nicht bei Gericht angebracht worden sind. Der Beschluss ist dem Angeklagten am 26. September 2007 zugestellt worden.
Mit Schreiben vom 1. Oktober 2007 hat der Angeklagte sinngemäß Antrag auf Entscheidung des Revisionsgericht gem. § 346 Abs. 2 StPO gestellt und zugleich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Der Angeklagte führt hierzu aus, dass er das landgerichtliche Berufungsurteil nicht erhalten habe. Er habe sich vom 28. Juli 2007 bis zum 26. August 2007 nicht in Berlin aufgehalten und für diesen Zeitraum einen Antrag auf Postlagerung bei der Post AG gestellt. Zur Glaubhaftmachung fügt der Angeklagte seinem Schreiben eine Kopie des Postlagerungsauftrags bei. Mit weiterem Schreiben 1. Dezember 2007 übersendet der Angeklagte eine Kopie über die amtsgerichtliche Genehmigung der Ortsabwesenheit vom 30. Juli bis zum 24. August 2007 im eigenen Insolvenzverfahren sowie einen auf den Namen des Angeklagten lautenden Flugschein von Tegel nach Izmir und zurück mit Flugdaten 29. Juli 2007 (Hinflug) und 25. August 2007 (Rückflug).
Mit Verfügung vom 7. Dezember 2007 hat der Senat im Freibeweisverfahren eine Auskunft bei der Deutschen Post AG über Umstände der Zustellung der Urteilsausfertigung am 11. August 2007 eingeholt. In dem Antwortschreiben vom 23. Januar 2008 heißt es hierzu: "Das Grundstück war verschlossen. Der Zusteller konnte deshalb das Schriftstück nicht in den Hausbriefkasten einlegen. Er hat das Schriftstück am Zaun des Grundstücks befestigt. Das Schriftstück wurde nicht in der Postfiliale hinterlegt und wurde folglich auch nicht abgeholt."
II.
1. Der Antrag auf Entscheidung des Revisionsgerichts ist gem. § 346 Abs. 2 StPO statthaft und zulässig, insbesondere frist- und formgerecht eingelegt worden.
Der Antrag hat Erfolg. Das Landgericht durfte die Revision des Angeklagten nicht wegen Versäumung der Revisionsbegründungsfrist als unzulässig verwerfen, weil die Frist zur Begründung der Revision noch nicht zu laufen begonnen hat.
Gemäß § 345 Abs. 1 S. 2 StPO beginnt die Monatsfrist zur Begründung der Revision mit der Zustellung des Urteils. Zu einer ordnungsgemäßen Zustellung des Urteils ist es jedoch nicht gekommen. Dem Angeklagten ist zwar - worauf die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg in ihrer Stellungnahme vom 19. November 2007 zu Recht hinweist - vorzuwerfen, dass er in Kenntnis der zu erwartenden Zustellung der Ausfertigung des Berufungsurteils keine hinreichenden Vorkehrungen für den Zugang des Schriftstücks während seiner Ortsabwesenheit getroffen hat (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 50. Aufl. 2007, § 44 Rdnr. 14 m.w.N.), darauf kommt es letztlich jedoch nicht an. Denn die Zustellung der Ausfertigung des Berufungsurteils vom 6. Juli 2007 an den Angeklagten ist nicht wirksam erfolgt.
Die bei den Akten befindliche Zustellungsurkunde vom 11. August 2007, die eine Zustellung durch Niederlegung bekundet, genießt zwar die Beweiskraft des § 418 Abs. 1 ZPO, lässt jedoch den Gegenbeweis zu (§ 418 Abs. 2 ZPO). Im vorliegenden Fall bestanden Zweifel an der Richtigkeit der Zustellungsurkunde (vgl. BerlVerfGH NStZ-RR 2001, S. 337), da das zuzustellende Schriftstück nicht an das Landgerichts Potsdam zurückgesandt wurde. Nach der im Freibeweisverfahren von der Post AG erlangten Auskunft ist es zu der in der Zustellungsurkunde vom 11. August 2007 dargelegten Ersatzzustellung durch Niederlegung gem. § 37 Abs. 1 StPO iVm. § 181 ZPO gerade nicht gekommen. Vielmehr hat der Postzusteller die zuzustellende Abschrift des Berufungsurteils lediglich "am Zaun des Grundstücks" befestigt, was nicht den Förmlichkeiten einer Urteilszustellung gem. § 37 Abs. 1 StPO iVm. §§ 166 ff. ZPO genügt.
Die Sache ist daher unter Aufhebung des landgerichtlichen Beschlusses vom 24. September 2007 zur Zustellung des Urteils der 6. kleinen Strafkammer des Landgerichts Potsdam vom 6. Juli 2007 an das Landgericht Potsdam zurückgegeben.
2. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand geht ins Leere, da mangels wirksamer Urteilszustellung keine Frist zur Begründung der Revision in Gang gesetzt worden ist.
3. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, da das KVGKG hierfür keine Gebühr vorsieht und Auslagen nicht entstehen (Meyer-Goßner, StPO, 50. Aufl. 2007, § 346 Rdnr. 12).
Ende der Entscheidung
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