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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 28.09.2004
Aktenzeichen: 1 U 14/04
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, EGBGB


Vorschriften:

ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2
ZPO § 286 Abs. 3 n. F.
ZPO § 287
ZPO § 288 Abs. 1 Satz 1
ZPO § 348
ZPO § 348 Abs. 3
ZPO § 348 Abs. 3 Nr. 1
ZPO § 348 Abs. 3 Nr. 2
ZPO § 513
ZPO § 529
ZPO § 529 Abs. 1
ZPO § 546
BGB § 823
BGB § 831
BGB § 837 a. F.
BGB § 847 Abs. 1 a. F.
EGBGB Art. 229 § 8 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

1 U 14/04 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 28.09.2004

verkündet am 28.09.2004

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 28. September 2004 durch

den Präsidenten des Oberlandesgerichts ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 12. März 2004 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) - 17 O 449/03 - teilweise abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 3.000,00 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 2. Mai 2003 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz tragen die Klägerin zu 7/8 und die Beklagte zu 1/8; die Kosten des Berufungsverfahrens fallen zu 3/4 der Klägerin und zu 1/4 der Beklagten zur Last.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte aus dem Gesichtspunkt der Arzthaftung auf Schmerzensgeld in Anspruch.

Die Klägerin litt unter Neurodermitis mit nässend-infiltrierten Herden und heftigem Juckreiz. Diese Beschwerden verstärkten sich während ihrer Schwangerschaft Ende 2001/Anfang 2002. Am 8. Februar 2002 wurde die Klägerin deswegen zur stationären Behandlung in der Klinik der Beklagten (Bereich: Hautklinik) aufgenommen. Die Behandlung der Neurodermitis erfolgte mittels Salben, Bädern und UVA-Lichtbestrahlung. Am 19. Februar 2002 war infolge eines Versehens des Klinikpersonals der H1-Filter in dem Bestrahlungsgerät nicht geschlossen, sodass die Klägerin anteilig mit UVB-Strahlen bestrahlt wurde. Die Klägerin befand sich zu dieser Zeit in der 27. Schwangerschaftswoche. Infolge der UVB-Bestrahlung erlitt die Klägerin Verbrennungen - ähnlich einem starken Sonnenbrand (Dermatitis solaris) - an 90 % der Hautoberfläche, davon auf 60 % der Hautoberfläche Verbrennungen I. Grades und auf 30 % der Hautoberfläche Verbrennungen II. Grades mit anschließender Blasenbildung bis zu einem Durchmesser von 4 cm. Noch am 19. Februar 2002 wurde die Klägerin - zwecks besserer Betreuungsmöglichkeit - auf die intensivmedizinische Station der Klinik der Beklagten verlegt. Es bestand keine akute Gefahr für die Klägerin oder die Leibesfrucht. In den folgenden Tagen litt die Klägerin unter Schmerzen, Übelkeit und Erbrechen. Gegen die Schmerzen erhielt sie u. a. im Abstand von 4 Stunden Dipidolor injiziert. Am 26. Februar 2002 wurde die Klägerin wegen vorzeitiger Wehentätigkeit von der Intensivstation in die Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe des Krankenhauses der Beklagten verlegt; an diesem Tage wurden ihr noch einmal Schmerzmittel verabreicht. Am 1. März 2002 wurde die Klägerin aus der Stationären Behandlung entlassen. Danach traten keine auf die UVB-Bestrahlung vom 19. Februar 2002 zurückführbare Folgebeschwerden mehr auf. Am 9. Mai 2002 kam es zur - komplikationsfreien - Geburt einer gesunden Tochter.

Mit Schreiben vom 1. April 2003 forderte die Klägerin die Beklagte zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 25.000,00 € auf. Am 22. August 2003 zahlte die Versicherung der Beklagten ein Schmerzensgeld von 3.000,00 €.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin die Zahlung eines weiteren Schmerzensgeldes und die Feststellung der Einstandspflicht der Beklagten für alle künftigen immateriellen Schäden begehrt.

Sie hat ein Schmerzensgeld von insgesamt 25.000,00 € für angemessen erachtet und hierzu ausgeführt: Die vorzeitige Wehentätigkeit am 26. Februar 2002 sei wohl auf die UVB-Bestrahlung zurückzuführen. Sie habe während der Zeit vom 19. Februar bis 1. März 2002 unter Schmerzen gelitten und unter starken Ängsten wegen der Auswirkungen der UVB-Bestrahlung und der Schmerzmittelgabe auf das ungeborene Kind. Es sei nicht auszuschließen, dass aus der UVB-Bestrahlung Spätfolgen bei ihr und ihrem Kind resultieren.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie ein (weiteres) angemessenes Schmerzensgeld, mindestens weitere 22.000,00 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 20. Februar 2002 zu zahlen;

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr sämtliche zukünftige immaterielle Schäden aus dem Vorfall vom 19. Februar 2002 im Klinikum Uckermark GmbH in Schwedt (Oder) zu zahlen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die weitere Schmerzensgeldforderung der Klägerin für deutlich übersetzt und den gezahlten Betrag von 3.000,00 € für angemessen gehalten.

Mit seinem am 12. März 2004 verkündeten Urteil, auf das ergänzend Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Beklagte verurteilt, an die Klägerin weitere 12.000,00 € (somit insgesamt: 15.000,00 €) Schmerzensgeld nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 2. April 2003 zu zahlen, und die weitergehende Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt: Der Feststellungsantrag sei unzulässig, da die Klägerin die Gefahr künftiger Schadensfolgen nicht hinreichend dargetan habe. Wegen der schweren Folgen der UVB-Bestrahlung und des groben Verschuldens der Klinik sei ein Schmerzensgeld von insgesamt 15.000,00 € angemessen.

Gegen dieses ihr am 29. März 2004 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit Eingang vom 20. April 2004 Berufung eingelegt. Nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 29. Juni 2004 hat sie ihr Rechtsmittel mit Eingang vom 23. Juni 2004 begründet. Sie hält das zuerkannte Schmerzensgeld für deutlich überhöht. Weder seien schwere Folgen eingetreten noch habe ein grobes Verschulden vorgelegen. Der unterbliebene Verschluss des H1-Filters sei auf ein Augenblicksversagen des Personals zurückzuführen. Durch die UVB-Bestrahlung habe die Klägerin keine wirkliche "Verbrennung", sondern eine bloße Lichtdermatose erlitten, die folgenlos verheilt sei. Dies rechtfertige kein Schmerzensgeld von mehr als 3.000,00 €.

Die Beklagte beantragt,

die Klage unter teilweise Abänderung des angefochtenen Urteils insgesamt abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung und macht geltend, dass das Berufungsgericht nicht zur Überprüfung der landgerichtlichen Schmerzensgeldbemessung befugt sei.

II.

Die zulässige Berufung hat zu einem großen Teil Erfolg. Der Klägerin steht - lediglich - ein weiteres Schmerzensgeld von 3.000,00 € zu.

1. Die Berufung der Beklagten ist zulässig, insbesondere an sich statthaft und form- und fristgerecht bei dem zuständigen Brandenburgischen Oberlandesgericht eingelegt und begründet worden (§ 511 Abs. 1 und 2 Nr. 1, §§ 517, 519, 520 ZPO, § 119 Abs. 1 Nr. 2 GVG).

2. Das Rechtsmittel ist auch insoweit begründet, als sich die Beklagte gegen die Verpflichtung zur Zahlung eines Schmerzensgeldbetrages von mehr als insgesamt 6.000,00 € wendet.

a) Das angefochtene Urteil unterliegt keinem Verfahrensmangel. Dass das Landgericht durch den Einzelrichter entschieden hat, stand im Einklang mit § 348 ZPO und ist hier nicht zu beanstanden. Zwar ist in Arzthaftungssachen sorgfältig zu prüfen, ob die dem originären Einzelrichter angefallene Sache gemäß § 348 Abs. 3 Nr. 1 - 2 ZPO der Kammer zu übertragen ist, und kann in der unterbliebenen Übertragung im Einzelfall ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG liegen (vgl. Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, 9. Aufl., 2002, Rdnr. 631 b). Die vorliegende Sache hat indes keine besonderen rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten und weist, bezogen auf die I. Instanz, auch keine Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auf, sodass es nicht geboten war, den Rechtsstreit gemäß § 348 Abs. 3 ZPO der Kammer zu übertragen.

b) Die Klage auf Zahlung eines weiteren Schmerzensgeldbetrages ist zulässig. Für den Antrag auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes gemäß § 837 BGB [a. F.] bedarf es anerkanntermaßen keiner Bezifferung, sondern - neben der Darlegung der für die Ermittlung des angemessenen Schmerzensgeldbetrages erforderlichen Tatsachen - lediglich der Angabe der ungefähren Größenordnung oder eines Mindestbetrages, um dem Bestimmtheitserfordernis nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zu genügen (s. BGHZ Bd. 132, S. 341, 350 f.; BGH NJW 1992, S. 311 f.; BGH NJW 2002, S. 3769 f.; Senat, NJW-RR 2000, S. 24, 25 = OLG-NL 1999, S. 125, 128; VersR 2000, S. 1283, 1284; NJW-RR 2003, S. 1383, 1384 = MedR 2004, S. 226, 228 = VersR 2004, S. 1050, 1051; Zöller/Greger, ZPO, 24. Aufl. 2004, § 253 Rdnr. 14, 14 a; Baumbach/Hartmann, ZPO, 62. Aufl. 2004, § 253 Rdnr. 56; Palandt/Heinrichs, BGB, 63. Aufl. 2004, § 253 Rdnr. 28). Dem ist hier entsprochen.

c) Die Klage ist - lediglich - in Höhe eines weiteren Schmerzensgeldbetrages von 3.000,00 € begründet.

Die Anspruchsgrundlage ergibt sich aus §§ 823, 831, 847 Abs. 1 BGB [a. F.] in Verbindung mit Art. 229 § 8 Abs. 1 EGBGB. Die Haftung der Beklagten ist dem Grunde nach zwischen den Parteien unstreitig. Der Klägerin steht ein Schmerzensgeld von insgesamt 6.000,00 € zu, sodass ihr die Beklagte noch weitere 3.000,00 € zu zahlen hat.

Die Bemessung des Schmerzensgeldes erfolgt gemäß § 287 ZPO nach billigem Ermessen des Gerichts anhand einer typisierenden Betrachtungsweise vergleichbarer Fälle unter Berücksichtigung der Genugtuungs- und Ausgleichsfunktion des Schmerzensgeldes, der Art und Dauer der eingetretenen Folgen, des Maßes des Verschuldens des Schädigers, eines etwaigen Mitverschuldens des Geschädigten und der wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten (s. dazu BGHZ [GrZS] Bd. 18, S. 149, 150 ff., 157 ff.; BGHZ Bd. 128, S. 117, 119, 120 f.; Senat, NJW-RR 2000, S. 24, 27 = MedR 2000, S. 85, 88 = OLG-NL 1999, S. 125, 130; Palandt/ Thomas, BGB, 61. Aufl. 2002, § 847 Rdnr. 4, 6, 10 f.; Münch.-Komm.-Stein, BGB, Bd. 5, 3. Aufl. 1997, § 847 Rdnr. 3 ff., 18 ff. m.w.N.).

Inwieweit die Ausübung des danach eröffneten tatrichterlichen Ermessens durch das Berufungsgericht im Rahmen des durch das Zivilprozessreformgesetz neu gestalteten Berufungsrechts überprüfbar ist, ist in der Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt. Unter Hinweis auf §§ 513, 546 ZPO wird teilweise vertreten, dass die Ermessensentscheidung der I. Instanz der Nachprüfung durch das Berufungsgericht im Allgemeinen entzogen sei und nur auf echte Ermessensfehler hin überprüft werden könne (OLG Braunschweig, GesR 2004, S. 282, 283; OLG München, NJW 2004, S. 959). Dieser Auffassung neigt der Senat allerdings nicht zu. Es spricht nach Meinung des Senats viel dafür, dass das Berufungsgericht nach eigenem Ermessen über den einzelfallangemessenen Schmerzensgeldbetrag befinden darf und muss. In § 513 ZPO wird nicht allein auf § 546 ZPO, sondern auch auf § 529 ZPO Bezug genommen. Danach obliegt dem Berufungsgericht neben einer Rechtsfehlerkontrolle auch die Würdigung des nach § 529 Abs. 1 ZPO berücksichtigungsfähigen Tatsachenstoffes (vgl. BGH NJW 2004, S. 1876 ff.; BGH NJW 2004, S. 2152 ff.; BGH NJW 2004, S. 2751, 2752 ff.; Gaier, NJW 2004, S. 2041 ff.; Gehrlein, MDR 2004, S. 661, 664 f.). Die Berufung ist keine "Unterrevisionsinstanz"; sie dient der umfassenden Kontrolle der vorinstanzlichen Entscheidung sowohl auf Rechtsfehler als auch - nach Maßgabe des § 529 Abs. 1 ZPO - in tatsächlicher Hinsicht (vgl. BGH NJW 2004, S. 2751, 2752 ff.; Gaier, NJW 2004, S. 2041 f.). Das Berufungsgericht hat hierbei nicht nur die in dem erstinstanzlichen Urteil wiedergegebenen Tatsachenfeststellungen, sondern den gesamten aus den Akten ersichtlichen Prozessstoff zu beachten (BGH NJW 2004, S. 1876, 1879; BGH NJW 2004, S. 2152, 2155; BGH NJW 2004, S. 2828, 2829; Gaier, NJW 2004, S. 2041, 2042, 2044). Bei seiner Würdigung des Tatsachenstoffes ist das Berufungsgericht auch unabhängig davon, ob die Berufungsbegründung entsprechende Verfahrensrügen enthält oder nicht (s. BGH NJW 2004, S. 1876, 1878; Gaier, NJW 2004, S. 2041, 2042, 2043). Hiernach kommt dem Berufungsgericht - in dem durch § 529 Abs. 1 ZPO eröffneten Rahmen - die Befugnis und die Pflicht zur Überprüfung des angefochtenen erstinstanzlichen Urteils auch in Bezug auf die Würdigung des Tatsachenstoffes zu; Maßstab für das Berufungsgericht ist die richtige, sachgerechte Entscheidung des Einzelfalles (BGH NJW 2004, S. 2751, 2753). geht es - etwa bei der Auslegung eines Vertrages oder, wie hier, der Bemessung des Schmerzensgeldes - um eine vom Gericht zu entscheidende Frage, bei der rechtliche Beurteilung und Tatsachenwürdigung eng miteinander zusammenhängen und ineinandergreifen, so ist das Berufungsgericht befugt und verpflichtet, diese Frage selbst zu entscheiden, und an die Beurteilung durch das erstinstanzliche Gericht nicht gebunden (s. für die Vertragsauslegung: BGH NJW 2004, S. 2751, 2752 f.). Diese Erwägungen sprechen dafür, dass das Berufungsgericht ohne Bindung an die Ermessensausübung des erstinstanzlichen Gerichts - freilich im Rahmen seiner Bindung an Tatsachenfeststellungen gemäß § 529 Abs. 1 ZPO - selbst über die Bemessung des im Einzelfall angemessenen Schmerzensgeldes befinden darf und muss.

Die Frage ist hier aber letztlich nicht entscheidungserheblich und bedarf deshalb vorliegendenfalls keiner abschließenden Klärung. Weicht der erstinstanzlich zuerkannte Schmerzensgeldbetrag nämlich - wie hier - auffällig und beträchtlich von bislang für vergleichbare Fälle zuerkannten Beträgen ab, ohne dass dies eine rechtfertigende Grundlage findet, "vergreift" sich das vorinstanzliche Gericht also gewissermaßen offensichtlich in der Größenordnung des Schmerzensgeldes, so liegt darin ein echter Ermessensfehler, wie er auch nach der den Entscheidungsrahmen des Berufungsgerichts enger ziehenden Auffassung durch das Berufungsgericht korrigiert werden kann und muss.

Für den vorliegenden Fall sind zu berücksichtigen der erhebliche Umfang der Hautverbrennungen der Klägerin (90 % der Hautoberfläche), insbesondere auch der Verbrennungen II. Grades (30 %) mit Blasenbildung, ferner die Schmerzen und das Unwohlsein für die Dauer von etwa 7 - 8 Tagen (19. bis 26. Februar 2002) und die damit verbundene Verabreichung von Schmerzmitteln, weiter die Dauer des stationären Aufenthalts vom 19. Februar bis zum 1.März 2002, davon vom 19. bis 26. Februar 2002 auf der intensivmedizinischen Station und nicht zuletzt die nachvollziehbare Angst der Klägerin um ihre Leibesfrucht und das nicht unerhebliche Verschulden des Klinikpersonals. Auf der anderen Seite muss aber auch in die Waagschale fallen, dass objektiv zu keinem Zeitpunkt eine akute Gefahr für die Klägerin und ihre Leibesfrucht bestanden hat, dass die Verbrennungen folgenlos ausgeheilt sind, dass sich die Verbrennungen in einem Rahmen gehalten haben, wie sie bei einem großflächigen starken Sonnenbrand auftreten können und dass sich die Klägerin ohnehin (nämlich wegen der Behandlung der Neurodermitis) in stationärer Behandlung befand. Der - gebotene - Vergleich mit Schmerzensgeldbeträgen, die für Verbrennungen bislang in der Rechtsprechung zuerkannt worden sind (s. dazu Slizyk, Beck'sche Schmerzensgeldtabelle, 4. Aufl. 2001, S. 724 - 730 m.w.N.), zeigt allerdings ein sehr differentes Bild. Mehr als 5.000,00 € sind jedoch regelmäßig nur für deutlich schwerere Verletzungen, als sie hier bei der Klägerin eingetreten sind, zugesprochen worden, z. B. für Fälle mit Verbrennungen III. Grades, hinzutretenden weiteren erheblichen Verletzungen, langandauernden stationären Behandlungen und verbleibenden Folge- bzw. Dauerschäden. Unter Mitberücksichtigung der Geldentwertungsrate und einer vom Senat mitgetragenen Tendenz zur verhaltenen Anhebung von Schmerzensgeldbeträgen erscheint hier ein Schmerzensgeld von insgesamt 6.000,00 € angemessen, sodass der Klägerin noch ein weiterer Betrag von 3.000,00 € zuzusprechen ist. Das Landgericht hat mit der Zuerkennung eines Schmerzensgeldes von insgesamt 15.000,00 € den Rahmen des Vertretbaren ohne dies rechtfertigende Gründe weit überschritten. Seine insoweit ermessensfehlerhafte Entscheidung bedarf deshalb der Korrektur durch das Berufungsgericht.

Der Zinsanspruch ist gemäß § 288 Abs. 1 Satz 1, § 286 Abs. 3 BGB (n. F.) ab dem 2. Mai 2003 (=30 Tage nach dem vermuteten Zugang der Zahlungsaufforderung vom 1. April 2003) in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz gerechtfertigt.

3. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 92 Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 1 ZPO, § 708 Nr. 10, § 711, 713, 542 ff. ZPO, § 26 Nr. 8 EGZPO und § 543 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 ZPO. Für die Zulassung der Revision hat der Senat keinen Anlass gesehen, da die hier angesprochene grundsätzliche Rechtsfrage (Streit über die Reichweite der Überprüfung der erstinstanzlichen Schmerzensgeldbemessung durch das Berufungsgericht) für die Entscheidung der Sache letztlich nicht erheblich ist.

Ende der Entscheidung

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