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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 09.12.2003
Aktenzeichen: 1 U 20/01
Rechtsgebiete: StPO, ZPO, BGB


Vorschriften:

StPO § 170 Abs. 2
ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2
ZPO § 355 Abs. 1
ZPO § 511
ZPO § 511 a Abs. 1
BGB § 31
BGB § 242
BGB § 249 a. F.
BGB § 276
BGB § 278
BGB § 823
BGB § 847 Abs. 1 a. F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

1 U 20/01 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 09.12.2003

verkündet am 09.12.2003

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 11. November 2003 durch den Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und den Richter am Landgericht ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 20. Juni 2001 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) - Az.: 13 O 422/00 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

Die Beschwer des Klägers beträgt 237.696,64 €.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

A.

Der am 01.09.1997 geborene Kläger, gesetzlich vertreten durch seine Eltern, nimmt die Beklagte zu 1) als behandelnde Frauenärztin seiner Mutter R...F...(nachfolgend Mutter) und den Beklagten zu 2), Mitbetreiber eines medizinischen Labors in ... ,auf Zahlung von Schmerzensgeld und Schmerzensgeldrente aus Arzthaftung in Anspruch; darüber hinaus begehrt er die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten für sämtliche materiellen und künftigen immateriellen Schäden, die ihm im Zusammenhang mit seiner Geburt am 01.09.1997 entstanden sind bzw. noch entstehen werden.

Die am 25.06.1964 geborene Mutter des Klägers, eine Zeugin J..., die bereits im Jahre 1991 eine Tochter geboren hatte, begab sich am 27.12.1996 in die Behandlung der als Frauenärztin in ... selbständig niedergelassenen Beklagten zu 1). Dabei diagnostizierte die Beklagte zu 1) eine Schwangerschaft (4. SSW) der Mutter mit dem späteren Kläger. In der Folgezeit untersuchte die Beklagte zu 1) die Mutter mehrfach. Am 16.01.1997 erfolgte eine serologische Untersuchung sowie eine Ultraschalluntersuchung. Eine weitere Ultraschalluntersuchung folgte am 17.02.1997. Unter dem 14.03.1997 veranlaßte die Beklagte zu 1) im Hinblick auf die Angabe der Mutter, ihre Mutter - also die Großmutter des Klägers - habe aufgrund einer Toxoplasmoseerkrankung eine Totgeburt gehabt, einen sogenannten Tripel-Test. Hierfür wurde der Mutter Blut entnommen, das durch die Beklagte zu 1) an ein ärztliches Labor in ... zur Untersuchung gegeben wurde, welches vom Beklagten zu 2) gemeinsam mit den Dres. B..., Sch.. und S... betrieben wird. Unter dem 19.03.1997 wurde seitens des Labors ein Bericht zur pränatalen Risikoeinschätzung erstellt. Ausweislich dieses Berichts ergab die Blutuntersuchung einen AFP-Wert der Mutter von 37.30 IU/mL, 1.21 Mittelwert-Vielfaches. Zum Punkt "Neuralrohrdefekt Risikoeinschätzung" heißt es in dem Bericht: "AFP-Ergebnis 1.21 MoM Interpretation: negativ". Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Berichts verwiesen (Bl. 34 d. A.).

Weitere Ultraschalluntersuchungen folgten am 14.03.1997, am 14.04.1997, am 12.05.1997 und am 23.06.1997. Dabei wurden Ausdrucke der Ultraschallbilder gefertigt. Diese Ausdrucke befinden sich bei den Behandlungsunterlagen. Die Beklagte zu 1) verzeichnete die Diagnosen in ihren Behandlungsunterlagen in der sog. Ultraschalldiagnostik (Bl. 33 d. A.). Unter dem 12.05.1997 vermerkte sie in der Zeile: "Mißb. Schäd/WS HWS, LWS, BWS".

Am 09.07.1997, 23.07.1997, 07.08.1997 und am 22.08.1997 folgten weitere Ultraschalluntersuchungen. Die letzte Untersuchung der Mutter durch die Beklagte zu 1) wurde am 29.08.1997 vorgenommen. An diesem Tage wurde die Mutter in der geburtshilflichen Abteilung des Krankenhauses ... aufgenommen. Am 01.09.1997 wurde sie um 0.35 Uhr vom Kläger entbunden. Es handelte sich um eine ca. 5 Stunden dauernde Vaginalentbindung aus I. Hinterhauptlage. Bei der Geburt des Klägers wurde eine Spaltbildung seines Rückenmarkes (Spina bifida) mit 8 x 8 cm großem Hautdefekt entlang der unteren Brustwirbelsäule (Meningomyelocele) entdeckt. Der Kläger wurde in die Kinderklinik des Klinikums ... verlegt und dort gegen 12.40 Uhr notoperiert, wobei die offene Wunde am Rücken verschlossen wurde. Ausweislich des Entlassungsberichts vom 30.10.1997 wurde eine offene Thorakulumbal-Meningomyelocele diagnostiziert, die bei der Operation verschlossen wurde. Nach dieser Operation zeigten sich erhebliche Wundheilungsstörungen. Es erfolgten noch zwei weitere Operationen, und zwar am 25.09.1997 eine Verschiebeplastik sowie am 02.10.1997 eine freie Spalthauttransplantation. In den Tagen nach der Geburt stellte sich beim Kläger zusätzlich ein Hydrozephalus internus heraus. Am 14.09.1997 erfolgte eine ventrikulo-peritoneale Ableitung aufgrund des Hydrozephalus internus mit zunehmender Drucksymptomatik. Nach der Ableitung zeigte sich ausweislich des Entlassungsberichts vom 30.10.1997 relativ rasch eine deutliche Erweiterung des linken Seitenventrikels im Vergleich zum rechten, der gut drainiert war. Dieser Befund wurde im Entlassungsbericht als kontrollbedürftig, aber nicht als behandlungsbedürftig bewertet. Der Kläger wurde ausweislich des Entlassungsberichts in einem guten Allgemeinzustand aus dem Klinikum ... entlassen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Entlassungsbericht verwiesen, der in Ablichtung zur Akte gelangt ist (Bl. 139 d. A.).

Am 24.11.1997 schrieb Y... D... an die Eltern des Klägers einen Brief, worin folgendes geschildert wird: "Anfang August ... sprach eine Mitschülerin in einem lockeren Gesprächskreis von einer Zeugin J... aus dem Gebiet .... Die Frau sei schwanger und bei ihrem Kind wurde ein offener Rücken festgestellt. Aber aufgrund ihrer Überzeugung als Zeugin J... weigerte sie sich die Schwangerschaft abzubrechen". Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Briefes verwiesen, der in Ablichtung zur Akte gelangt ist (Bl. 40 d. A.). Mit Schreiben vom 01.07.1999 teilte Y... D...den Namen der Mitschülerin mit. Wegen der diesbezüglichen Einzelheiten wird auf den Inhalt des Schreibens vom 01.07.1999 Bezug genommen, das in Ablichtung zur Akte gelangt ist (Bl. 41 d. A.).

Aufgrund der Strafanzeige der Eltern des Klägers gegen die Beklagte zu 1) vom 23.09.1997 leitete die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) ein Ermittlungsverfahren gegen die Beklagte zu 1) wegen fahrlässiger Körperverletzung und Urkundenfälschung ein (Az.: 244 Js 295/97). In dem Ermittlungsverfahren wurden die Behandlungsunterlagen der Mutter des Klägers in der Privatwohnung der Beklagten zu 1) sichergestellt. Ferner holte die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) ein gerichtsärztliches Gutachten des Med.-Rat Priv.-Doz. Dr. med. W. M... vom 20.03.1998 (Bl. 44-55 der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte), ein ergänzendes Gutachten des Frauenarztes MR. Priv.-Doz. Dr. med. H...H... vom 24.03.1999 (Bl. 80-87 der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte) sowie ein gerichtsärztlich-gynäkologisches Ergänzungsgutachten des Med.-Rat Priv.-Doz. Dr. med. W. M... vom 29.12.1999 (Bl. 147 - 149 der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsakte) ein. Das Ermittlungsverfahren ist gemäß § 170 Abs. 2 StPO durch Verfügung vom 04.07.2000 eingestellt worden.

Der Kläger hat behauptet, die Beklagte zu 1) habe Kenntnis von dem offenen Rücken bereits vor seiner Geburt gehabt, dies aber seiner Mutter verschwiegen. Dies folge aus dem Schreiben von Y... D...vom 24.11.1997 und vom 01.07.1999 und den Umständen, daß seine Mutter zum Zeitpunkt der Schwangerschaft Zeugin J... gewesen sei und im August/September 1997 im Krankenhaus von ... kein weiterer Fall von Spina bifida bekanntgeworden sei. Der Kläger hat ferner geltend gemacht, die Beklagte zu 1) habe bei Ausnutzung der ihr zur Verfügung stehenden diagnostischen Mittel die Mißbildung jedenfalls erkennen müssen. Insbesondere auf dem Ultraschallbild vom 14.04.1997 (Bl. 153 d. A.) sei der Neuralrohrdefekt zu erkennen. Dieses Bild weise einen daumendickgroßen "weißen Fleck" genau in der Körperregion auf, die dem Neuralrohrdefekt zuzuordnen sei. Zudem hätte die Ultraschalluntersuchung in einer anderen Darstellungsebene durchgeführt werden müssen. Davon ausgehend, daß ein Neuralrohrdefekt auch bei normalen AFP-Werten entstehen könne, bestehe stets Veranlassung, die Wirbelsäule, soweit medizintechnisch machbar, per Ultraschall zu untersuchen. Der Beklagte zu 2) habe den AFP-Wert aufgrund einer Fehlmessung falsch ermittelt. Aufgrund der Art und Schwere der eingetretenen Mißbildung habe ein höherer als der angegebene Wert festgestellt werden müssen, nämlich ein Wert, der 2,5 MoM überschreite.

Der Kläger hat behauptet, infolge des durch den Geburtsvorgang ausgeübten Drucks auf die freigelegten Nervenwurzeln sei sein Rückenmark derart geschädigt worden, daß es zur Lähmung gekommen sei. Dies habe durch eine Operation noch im Mutterleib, eine Schnittentbindung bzw. eine bessere Vorbereitung der Geburt zur Ermöglichung einer früheren (sofortigen) Operation verhindert werden können. Wenn die Spina bifida vor seiner Geburt auf den Ultraschallbildern von der Beklagten zu 1) erkannt worden wäre bzw. die Beklagte zu 1) seinen Eltern diesen Befund nicht verschwiegen hätte bzw. der Beklagte zu 2) eine korrekte Laboruntersuchung vorgenommen hätte, wäre der Schaden somit (weitgehend) abgewendet worden. Im Hinblick auf die Gefahr von Rückenmarksschäden und Infektionen durch den Geburtsvorgang bei einer Vaginalentbindung sei eine Schnittentbindung angezeigt gewesen, jedoch fehlerhaft unterblieben. Ergänzend hat der Kläger behauptet, daß bei ihm auch eine Blaseninkontinenz vorliege, so daß er täglich 4 - 5 Mal katheterisiert werden müsse. Es bestehe eine große Wahrscheinlichkeit einer lebenslangen Querschnittslähmung und einer Frühsterblichkeit.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn zu Händen seiner Eltern R... und T...F...,

a) ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit für den Zeitraum bis zur letzten mündlichen Verhandlung sowie

b) eine monatliche Schmerzensgeldrente in Höhe von 2.000,00 DM ab dem 01.09.1997 zu zahlen,

2. festzustellen, daß die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihm sämtliche materiellen und nach der letzten mündlichen Verhandlung entstehenden immateriellen Schäden, die ihm als Folge von Fehlern im Vorfeld und bei Geburt am 01.09.1997 entstehen, zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben geltend gemacht, die im Rahmen des Tripel-Tests erfolgte Feststellung des AFP-Wertes sei lediglich ein Ausgangspunkt für die erfolgte Risikoeinschätzung. Der Rückschluß, der MoM-Wert lasse eine unmittelbare Aussage über das Bestehen oder Nichtbestehen eines Neuralrohrdefektes zu, sei nicht zulässig. Statistisch ergebe sich ein Neuralrohrdefekt bei 2 - 3 von 1000 Geburten. Zudem halte der Beklagte zu 2) aufgrund der im Labor vorgenommenen Qualitätskontrolle und -sicherung eine derartige Fehlmessung für ausgeschlossen.

Das Landgericht hat im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 30.05.2001 die Erklärung des Prozeßbevollmächtigten des Klägers zu Protokoll genommen, daß die in dem Ermittlungsverfahren gegen die Beklagte zu 1) eingeholten Sachverständigengutachten inhaltlich unstreitig gestellt würden. Diese Gutachten sind zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht gemacht worden.

Durch sein am 20.06.2001 verkündetes Urteil, auf das ergänzend Bezug genommen wird, hat die 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) die Klage abgewiesen und zur Begründung ihrer Entscheidung im wesentlichen ausgeführt: Es könne dahin stehen, ob der Körper oder die Gesundheit des Klägers verletzt worden seien. Jedenfalls fehle es an einem Behandlungsfehler der Beklagten zu 1). Die im Ermittlungsverfahren eingeholten Gutachten hätten nachvollziehbar ergeben, daß der Beklagten zu 1) kein Fehlverhalten unterlaufen sei. Auf den Ultraschallaufnahmen sei der Neuralrohrdefekt nicht zu erkennen gewesen. Aufgrund des Ergebnisses des MoM-Wertes des Tripel-Tests sowie der unauffälligen Familienanamnese habe für die Beklagte zu 1) auch keine Veranlassung für weitere Maßnahmen bestanden. Der Kläger habe nicht hinreichend substantiiert vorgetragen, daß die Beklagte zu 1) vor der Geburt Kenntnis vom "offenen Rücken" des Klägers gehabt habe. Ein etwaiger Behandlungsfehler der Beklagten zu 1) sei zudem nicht ursächlich für die Lähmungserscheinungen des Klägers geworden. Durch die medizinischen Sachverständigen im Ermittlungsverfahren sei festgestellt worden, daß die jetzige Schädigung des Klägers nicht Folge einer unterbliebenen Schnittentbindung sei. Auch ein Anspruch gegen den Beklagten zu 2) bestehe nicht. Es könne insoweit dahinstehen, ob ein Fehlverhalten vorliege, da es an der Kausalität eines etwaigen Fehlers für den Eintritt eines Schadens fehle.

Gegen dieses ihm am 02.07.2001 zugestellte Urteil hat der Kläger mit Eingang vom 02.08.2001 Berufung eingelegt und sein Rechtsmittel - nach auf rechtzeitigen Antrag hin erfolgter Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 04.10.2001 - mit Schriftsatz vom 04.10.2001, eingegangen an demselben Tage, begründet.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger seine Ansprüche weiter. Er vertieft und wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen.

Der Kläger rügt, daß das Landgericht dem bereits in der I. Instanz gestellten Beweisantrag, Beweis durch Sachverständigengutachten zu erheben, nicht nachgegangen sei und sich bei seiner Entscheidung allein auf die in dem Ermittlungsverfahren eingeholten Gutachten gestützt habe. Diese Gutachten hätten die Frage unbeantwortet gelassen, ob bei der Lage des Klägers im Mutterleib und unter Berücksichtigung des zur Verfügung stehenden Ultraschallbildes sowie des Ausmaßes der vorhandenen Schädigung der Neuralrohrdefekt für die Beklagte zu 1) erkennbar gewesen sei. Hätte die Beklagte zu 1) die Ultraschalldiagnostik nach allen Regeln der ärztlichen Kunst vorgenommen, wäre der Defekt zu erkennen gewesen. Da die Beklagte zu 1) die Spina bifida vor seiner Geburt auf den Ultraschallbildern nicht erkannt und es deswegen unterlassen habe, seine Eltern zu unterrichten bzw. diese Diagnose seinen Eltern verschwiegen habe, sei hier die indizierte Schnittentbindung unterblieben. Infolge dessen sei er seit seiner Geburt unterhalb seines Brustbereiches gelähmt und blaseninkontinent. Er behauptet, bis zur Geburt nicht querschnittsgelähmt gewesen zu sein. Seine Mutter habe während der Schwangerschaft - auch noch kurz vor der Geburt - seine Fußtritte gegen die innere Bauchdecke feststellen können und auch sein Vater habe beim Auflegen der Hand auf den Bauch der Mutter seine Tritte bis zur Geburt bemerkt. Für die Mutter sei eine Unterbrechung der Schwangerschaft bei früherer Kenntnis vom Defekt aus Glaubens- und Gewissensgründen nicht in Betracht gekommen. Allerdings hätte sie sich bei Kenntnis aller Tatsachen für eine Schnittentbindung entschieden. Die Beklagte zu 1) habe grob fehlerhaft die nötige pränatale Diagnostik vernachlässigt, insbesondere eine Fruchtwasseruntersuchung unterlassen und den Tripel-Test zu früh veranlaßt.

Der Kläger behauptet des weiteren, der Beklagte zu 2) habe die Blutprobe seiner Mutter selbst getestet und auch den Befundbericht unterzeichnet. Die Untersuchung der am 14.03.1997 entnommenen Blutprobe sei erst am 19.03.1997 erfolgt und damit nicht unverzüglich. Der Beklagte zu 2) habe das Blut nicht kühl gelagert und für die Auswertung der Untersuchungsergebnisse eine Software angewandt, die eine fehlerhafte Risikoeinschätzung zur Folge gehabt habe. Zudem habe der Beklagte zu 2) eine Beurteilung des Risikos abgegeben, obwohl ihm erkennbar gewesen sei, daß das Schwangerschaftsalter nicht hinreichend genau bestimmt gewesen sei. Dem Beklagten zu 2) hätte bekannt sein müssen, daß diese Faktoren dazu führen, daß es zu abweichenden Testergebnissen kommen könne und daher eine weitere Messung empfehlen müssen bzw. nicht von einem sicheren negativen Ergebnis ausgehen dürfen.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn zu Händen seiner Eltern R... und T... F...,

a) ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit sowie

b) eine monatliche Schmerzensgeldrente in Höhe von 2.000,00 DM ab dem 01.09.1997 zu zahlen.

2. festzustellen, daß die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, ihm sämtliche materiellen und nach der letzten mündlichen Verhandlung entstehenden immateriellen Schäden als Folge von Fehlern im Vorfeld und bei Geburt am 01.09.1997 zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen im wesentlichen die angefochtene Entscheidung. Der Beklagte zu 2) führt ergänzend aus, daß nicht er, sondern Dipl.-Med. Sch...die Blutprobe der Mutter des Klägers untersucht, die Auswertung vorgenommen und den Bericht erstellt habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die in beiden Rechtszügen eingereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.

Die Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) (244 Js 295/97), die Behandlungsunterlagen des Städtischen Krankenhauses .../Abteilung Frauenheilkunde, die Behandlungsunterlagen des Klinikums ...Klinik für Kinder- und Jugendheilkunde, die Behandlungsunterlagen des Klinikums ...Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe und die Behandlungsunterlagen der Beklagten zu 1) haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Der Senat hat aufgrund seines Beschlusses vom 16.01.2002 (Bl. 381 - 383 d. A.) Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Der Sachverständige Prof. Dr. St... hat unter dem 07.03.2003 ein gynäkologisch-geburtshilfliches Gutachten erstellt, das er unter dem 21.07.2003 schriftlich ergänzt und im Termin vom 26.08.2003 mündlich erläutert hat. Des weiteren hat der Senat aufgrund des Beschlusses vom 14.10.2003 (Bl. 685 - 686 d. A.) Beweis erhoben durch Vernehmung der Beklagten zu 1) als Partei. Wegen der Einzelheiten und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Beweisbeschlüsse und der schriftlichen Sachverständigengutachten auf die Sitzungsniederschriften vom 26.08. und 11.11.2003 Bezug genommen.

B.

I.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist gemäß §§ 511, 511 a Abs. 1 ZPO [a. F.] (i.V.m. § 26 Nr. 5 EGZPO) an sich statthaft und form- und fristgerecht bei dem zuständigen Brandenburgischen Oberlandesgericht eingelegt und begründet worden (§§ 516, 518 f. ZPO, § 119 Abs. 1 Nr. 3 GVG [a. F.]).

II.

In der Sache selbst ist das Rechtsmittel allerdings nicht begründet.

1. Die Klage ist zulässig. Für den Antrag auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes gemäß § 847 Abs. 1 BGB [a. F.] bedarf es anerkanntermaßen keiner Bezifferung, sondern - neben der Darlegung der für die Ermittlung des angemessenen Schmerzensgeldbetrages erforderlichen Tatsachen - lediglich der Angabe der ungefähren Größenordnung oder eines Mindestbetrages, um dem Bestimmtheitserfordernis nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zu genügen (BGHZ Bd. 132, S. 341, 350 f.; BGH NJW 1992, S. 311 f.; Senat, NJW-RR 2000, S. 24, 25 = OLG-NL 1999, S. 125, 128; vgl. auch Palandt/Thomas, BGB, 61. Aufl. 2002, § 847 Rdnr. 14; Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl. 2002, § 253 Rdnr. 14 f. m.w.N.). Das erforderliche Feststellungsinteresse (§ 256 Abs. 1 ZPO) ist schon dann gegeben, wenn die Entstehung eines Schadens - sei es auch nur entfernt - möglich, aber noch nicht vollständig gewiß ist und der Schaden daher noch nicht abgeschätzt, insbesondere noch nicht abschließend beziffert werden kann (s. BGH NJW 1984, S. 1552, 1554; NJW-RR 1988, S. 445; NJW 1991, S. 2707, 2708; Senat, NJW-RR 2000, S. 24, 25; Zöller/Greger, a.a.O., § 256 Rdnr. 7 a, 8). Diese Voraussetzung ist angesichts der noch dauernden Behandlung sowie im Hinblick auf vorstellbare Aufwendungen des Klägers aufgrund der von ihm behaupteten Lähmung seit der Geburt unterhalb des Brustbereiches sowie der Blaseninkontinenz zu bejahen.

2. Die Klage ist jedoch insgesamt unbegründet. Die Beklagten haften dem Kläger weder vertraglich noch deliktsrechtlich auf Schadensersatz. Den ihm obliegenden Nachweis eines Behandlungs- bzw. Untersuchungsfehlers der Beklagten hat der Kläger nicht erbracht.

Es läßt sich nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme vor dem Senat - unter Mitberücksichtigung der im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren eingeholten Gutachten - nicht feststellen, daß die Mutter während ihrer Schwangerschaft mit dem Kläger durch die Beklagte zu 1) fehlerhaft behandelt worden ist. Insbesondere steht nicht fest, daß die Beklagte zu 1) bei Ausnutzung der ihr zur Verfügung stehenden diagnostischen Mittel die Mißbildung des Klägers hätte erkennen müssen. Schließlich konnte nicht nachgewiesen werden, daß die am 14.03.1997 auf Veranlassung der Beklagten zu 1) der Mutter des Klägers entnommene Blutprobe durch das ärztliche Labor in ..., das vom Beklagten zu 2) zusammen mit den Dres. B..., Sch... und S...betrieben wird, fehlerhaft untersucht und unter dem 19.03.1997 ein fehlerhafter Bericht zur pränatalen Risikoeinschätzung erstellt worden ist.

a) Nach Art. 229 Abs. 5 Satz 1 EGBGB beurteilt sich hier die Rechtslage nach den bis zum 01.01.2002 geltenden Vorschriften des BGB. Die Anspruchsgrundlage ergibt sich hinsichtlich des materiellen Schadensersatzes aus positiver Vertragsverletzung (§§ 242, 276, 278, 249 BGB [a. F.]) sowie aus §§ 823, 249 ff. BGB [a. F.] und hinsichtlich des begehrten Schmerzensgeldes aus §§ 823, 847 Abs. 1 BGB [a. F.].

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme kann nicht davon ausgegangen werden, daß die Beklagte zu 1) vor der Geburt Kenntnis von dem Neuralrohrdefekt des Klägers hatte, die Ultraschalluntersuchung unter Mißachtung der Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen über die ärztliche Betreuung während der Schwangerschaft und nach der Entbindung (Mutterschafts-Richtlinien) in der Fassung vom 10. Dezember 1985, geändert am 14. Dezember 1995, Stand 1. April 1996 (im folgenden Mutterschafts-Richtlinien), vorgenommen und den Tripel-Test zu einem medizinisch nicht vertretbaren Zeitpunkt angeordnet hat oder sonst ein Versäumnis bei der pränatalen Diagnostik unterlaufen ist. Auch kann nicht davon ausgegangen werden, daß das unter dem 14.03.1997 der Mutter des Klägers entnommene Blut durch den Beklagten zu 2) fehlerhaft untersucht und das Ergebnis der Untersuchung fehlerhaft bewertet worden ist.

b) Die Darlegungs- und Beweislast für eine Pflichtverletzung des Arztes und deren Ursächlichkeit für den eingetretenen Körper- bzw. Gesundheitsschaden trägt grundsätzlich der Geschädigte (so BGHZ Bd. 89, S. 263; Bd. 99, S. 391; BGH NJW 1987, S. 705; NJW 1988, S. 2949; Münch.Komm./Mertens, BGB, 3. Aufl. 1997, § 823 Rdnr. 406). Diesen Nachweis hat der Kläger weder im Hinblick auf die Beklagte zu 1) noch im Hinblick auf den Beklagten zu 2) erbracht. Beweiserleichterungen unter dem Gesichtspunkt eines schweren ("groben") Behandlungsfehlers - d. h. eines fundamentalen Verstoßes gegen allgemein anerkannte ärztliche Regeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse, der aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint und einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf - kommen dem Kläger nach Lage des Falles nicht zugute.

aa) Nach der Beweisaufnahme in der ersten Instanz ist ein Fehler der Beklagten zu 1) nicht erwiesen.

Für die Beweiswürdigung war das Landgericht nicht gehindert, die von der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) im Ermittlungsverfahren eingeholten Gutachten - das gerichtsärztliche Gutachten durch Med.-Rat Priv.-Doz. Dr. med. W. M... vom 20.03.1998, eine Ergänzung zu diesem Gutachten durch den Frauenarzt MR Priv.-Doz. Dr. med. H... H... mit Gutachten vom 24.03.1999 sowie ein gerichtsärztlich-gynäkologisches Ergänzungsgutachten durch Med.-Rat Priv.-Doz. Dr. med. W. M...vom 29.12.1999 - zu berücksichtigen. Soweit im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 30.05.2001 (Bl. 180 d. A.) die Erklärung des dortigen Prozeßbevollmächtigten des Klägers protokolliert worden ist, die in dem Ermittlungsverfahren gegen die Beklagte zu 1) eingeholten Sachverständigengutachten würden inhaltlich unstreitig gestellt, besagt dies lediglich, daß die tatsächlichen Anknüpfungspunkte für die Begutachtung unstreitig seien. Darin ist nicht zugleich auch die Erklärung zu sehen, der Kläger gehe auch von der fachlichen Richtigkeit und Aussagekraft der Gutachten aus. Mithin war vom Landgericht zu prüfen, ob die Gutachten zu den Streitfragen Aussagen enthalten und diese inhaltlich nachvollziehbar sind. Durch die Berücksichtigung der Ergebnisse der im Ermittlungsverfahren eingeholten Gutachten hat das Landgericht nicht gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme verstoßen. Nach § 355 Abs. 1 ZPO erfolgt die Beweisaufnahme vor dem Prozeßgericht. Dieser Grundsatz stellt kein Gebot der Heranziehung des sachnächsten Beweismittels dar (vgl. Zöller/Greger, a.a.O., § 355 Rdnr. 1). Die im Ermittlungsverfahren eingeholten Gutachten durften als Urkundsbeweis in den Prozeß eingeführt und verwertet werden (vgl. BGH VersR 1981, S. 1127, 1128; Zöller/Greger, a.a.O., § 355 Rdnr. 4 und § 373 Rdnr. 9). Dahin stehen kann in diesem Zusammenhang die Frage, ob das Landgericht von den Gutachten hätte abweichen dürfen, ohne eine neue Begutachtung anzuordnen, da es den Ausführungen in den Gutachten gefolgt ist.

Nach dem Inhalt dieser drei Gutachten ergeben sich keine Anhaltspunkte für einen schadensursächlichen Behandlungsfehler der Beklagten zu 1). Der Gutachter PD Dr. M... ist zu der Einschätzung gekommen, der bei der Tripel-Diagnose mitgeteilte AFP-Wert 1.21 MoM sig-nalisiere kein Risiko für Neuralrohrdefekte. Auch der Sachverständige PD Dr. H...ist zu diesem Ergebnis gelangt. Nachvollziehbar erscheint die Bewertung des Sachverständigen PD Dr. H..., die Blutentnahme in der 16. Schwangerschaftswoche sei zum "korrekten Termin" erfolgt, da das Neuralrohr bereits mit der 4. Schwangerschaftswoche geschlossen sei. Dies deckt sich mit den ausführlichen Ausführungen von PD Dr. M..., das AFP - ein Glycoprotein, welches ausschließlich in der fetalen Leber produziert werde - könne in der 16. - 18. Schwangerschaftswoche im mütterlichen Serum festgestellt werden. PD Dr. M... hat des weiteren ausgeführt, daß die Beklagte zu 1) die Mutter des Klägers gemäß der in den Mutterschafts-Richtlinien vorgeschriebenen Anzahl ultraschalluntersucht hat. Weiter hat er beschrieben, daß zwar gravierende Mißbildungen grundsätzlich in der Ultraschalldiagnostik erkennbar seien, aber im vorliegenden Fall die Aufnahmen technisch in einem Zustand seien, der einen Neuralrohrdefekt nicht diagnostizieren lasse. PD Dr. M... hat weiter angegeben, der Kläger habe sich auf dem Ultraschallbild vom 14.04.1997 in einer Position befunden, in der der Defekt eigentlich hätte gesehen werden müssen, sich aber tatsächlich nicht erkennen lasse. Danach ergibt sich, daß die Beklagte zu 1) bei den vorgesehenen Ultraschalluntersuchungen regelrechte Aufnahmen erzeugt hat, die den Kläger in Positionen zeigen, die eine Rückenbildansicht zulassen, einen Defekt - zumindest aus technischen Gründen - aber dabei nicht erkennen lassen. Der Gutachter PD Dr. H... wurde von der Staatsanwaltschaft mit der Untersuchung betraut, ob auf den Ultraschallbildern während der Schwangerschaft die Spina bifida des Klägers erkennbar gewesen sei. In seinem Gutachten hat er ausgeführt, der Kläger habe sich auf dem Bild vom 14.04.1997 (Bild 17) in der 20. Schwangerschaftswoche in dorso-posteriorer Lage befunden. Der Schallkopf habe präzise seitlich angelegen, so daß eine Beurteilung durch die Beklagte zu 1) möglich gewesen sei. Der Gutachter hat anhand der Aufnahme weder einen Defekt der Wirbelsäule noch eine Verziehung des Wirbelkanals erkannt. Auch den Schädel des Klägers im Zeitpunkt der Aufnahme des Bildes hat er in seiner Knochenstruktur, nach Größenmaß und Inhalt als unauffällig beschrieben. Hinsichtlich der untersuchten Ultraschallbilder hat der Gutachter weiter ausgeführt, es befinde sich darauf jeweils kein Hinweis für eine Meningomyelocele.

bb) Auch die Beweisaufnahme in der zweiten Instanz hat keinen durchgreifenden Anhalt für einen Arztfehler der Beklagten zu 1) ergeben.

Der vom Senat beauftragte Sachverständige Prof. Dr. S. M...-H..., Chefarzt einer geburtshilflichen-gynäkologischen Krankenhausabteilung, hat - unter Auseinandersetzung mit den im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren eingeholten Gutachten - in seinem schriftlichen Gutachten vom 07.03.2003, das er unter dem 21.07.2003 schriftlich ergänzt und im Termin vom 26.08.2003 unter Berücksichtigung des weiteren Vorbringens des Klägers mündlich erläutert hat, überzeugend dargelegt, daß die Mutter des Klägers während ihrer Schwangerschaft durch die Beklagte zu 1) nicht fehlerhaft behandelt worden ist. Der Sachverständige hat bei der Beurteilung der von der Beklagten zu 1) mit dem in ihrer Praxis vorhandenen Ultraschallgerät angefertigten 39 Ultraschallbilder einleuchtend beschrieben, daß das im Zeitpunkt der Untersuchung der Mutter des Klägers im Jahre 1997 eingesetzte Ultraschallgerät ein für pränatale Untersuchungen zugelassenes und zeitentsprechendes Gerät gewesen sei. Erst zeitlich nachfolgend sei eine Verbesserung der sonogaphischen Geräte eingetreten, die es ermögliche, neben dem Neuralrohrdefekt auch indirekte Hinweise auf einen solchen Defekt - etwa das Hinweiszeichen Lemon Sign - diagnostizieren zu können. Bei der Beurteilung der mit dem hier verwendeten Gerät angefertigten 39 Ultraschallaufnahmen ist der Sachverständige zum nachvollziehbaren Ergebnis gekommen, die Beklagte zu 1) habe mit den angefertigten Bilddokumentationen der Biometrie und ggfs. kontrollbedürftiger Befunde den Mutterschafts-Richtlinien, (Stand: 01.04.1996) genügt. Die Aufnahmequalität sei zur Interpretation der einzelnen Meßwerte ausreichend, auch seien die geforderten Einzelparameter entsprechend den Mutterschafts-Richtlinien ermittelt worden. Diese Ausführungen hat der Sachverständige in seinem Zusatzgutachten und durch seine mündliche Erläuterung im Termin vom 26.08.2003 plausibel ergänzt, indem er eine Zuordnung von einzelnen Bilddokumenten zu den nach den Mutterschafts-Richtlinien geforderten Untersuchungspunkten bzw. Einzelparametern zur "Biometrie II" sowie "Hinweiszeichen für Entwicklungsstörungen" vorgenommen hat. Bei dieser Zuordnung hat er ausgeführt, daß die Untersuchungen von Beginn der 29. bis zum Ende der 32. Schwangerschaftswoche erfolgt seien und sich auf den Dokumentationsbildern Nr. 30, 32 und 33 nachvollziehbar ablesen lassen.

Mithin steht fest, daß die nach den Mutterschafts-Richtlinien geforderten Untersuchungen von der Beklagten zu 1) tatsächlich an der Mutter des Klägers vorgenommen worden sind. Den getätigten Aufnahmen kommt auch Aussagekraft für die Diagnose zu, die die Beklagte zu 1) getroffen hat. In diesem Zusammenhang hat der Sachverständige erläutert, daß die Aufnahmequalität der von der Beklagten zu 1) gefertigten Bilddokumentation zur Interpretation der einzelnen Meßwerte ausreichend gewesen sei und die geforderten Einzelparameter - im Rahmen der sonographischen Diagnostik - entsprechend den Mutterschafts-Richtlinien (Stand: 01.04.1996) ermittelt worden seien. Eingehend auf die Qualität der ausgedruckten Ultraschallaufnahmen, die vom Sachverständigen als "überstrahlt" bezeichnet worden sind, ist der Sachverständige zum Ergebnis gekommen, daß die Ultraschallaufnahme vom 14.04.1997 (Bild 17) und die Ultraschallaufnahme vom 12.05.1997 (Bild 27) jeweils die fetale Rückenpartie zeigen und einen Neuralrohrdefekt nicht erkennen lassen. Der Sachverständige hat weiter ausgeführt, daß auf der Ultraschallaufnahme vom 12.05.1997, welches die Kopfumrisse des Klägers gut erkennen lasse, der Hinweis auf ein sogenanntes Lemon Sign fehle. Der Sachverständige hat im Termin vom 26.08.2003 den Aussagewert der Ultraschallbilder vom 14.04.1997 (Bild 17) und vom 12.05.1997 (Bild 27) - insbesondere für die Untersuchung des Wirbelsäulenbereichs - weiter erläutert. Unter Bezugnahme auf die Aufnahme Nr. 17 vom 14.04.1997 hat er ausgeführt, die Wirbelsäule des Klägers sei hier weitgehend - bis auf den unteren Teil - abgebildet, insbesondere sei von der Aufnahme der Bereich erfaßt, in dem beim Kläger nach der Geburt der Defekt festgestellt worden sei. Soweit auf einer - vom Vater des Klägers im Termin vom 26.08.2003 vorgelegten - weiteren Ultraschallaufnahme vom 14.04.1997 ein "weißer Fleck" zu erkennen gewesen sei, handele es sich, so die einleuchtenden Ausführungen des Sachverständigen, um einen Schallschatten, der zwar in dem Bereich liege, in dem auch der Defekt gelegen haben müsse, aber nichts über das Vorhandensein eines Defekts aussage.

Der Sachverständige hat ferner nachvollziehbar angegeben, daß es nach den Mutterschafts-Richtlinien (Stand: 01.04.1996) im Jahre 1997 (noch) nicht geboten gewesen sei, daß der behandelnde Arzt - ohne Verdachtsmoment - jeden einzelnen Wirbel des Fötus zu untersuchen habe. Die Feststellung einer Meningomyelocele im Ultraschall mache die Untersuchung eines jeden einzelnen Wirbels erforderlich. Auf der Aufnahme Nr. 17 und der Aufnahme Nr. 27 sei die Wirbelsäule des Klägers zwar zu erkennen, nicht aber die einzelnen Wirbelkörper. Zwar seien bei einer dynamischen Bildbetrachtung normalerweise die einzelnen Wirbelkörper sichtbar, diese Darstellung der einzelnen Wirbelkörper sei aber im Zeitpunkt der Untersuchung nicht nach den Mutterschafts-Richtlinien gefordert gewesen. Wiederholt hat der Sachverständige ausgeführt, daß auf den vorliegenden Ultraschallaufnahmen keine Meningomyelocele zu erkennen sei. Diese Einschätzung des Sachverständigen steht inhaltlich nicht im Widerspruch zu seiner Ausführung, daß unter optimalen Bedingungen der später beim Kläger vorgefundene Defekt - insbesondere bei einer weiterführenden speziellen Ultraschalluntersuchung - sichtbar gewesen wäre.

Ein Versäumnis der Beklagten zu 1) bei der Durchführung der Ultraschalluntersuchungen ergibt sich danach nicht. Der Sachverständige hat überzeugend dargelegt, daß eine Meningomyelocele durch eine Ultraschalluntersuchung im Rahmen der Stufe 1-Diagnostik, wie von der Beklagten zu 1) hier vorgenommen, nicht stets festgestellt werden müsse und daß im vorliegenden Falle eine weiterführende - spezielle - Ultraschalluntersuchung nicht angezeigt gewesen sei. Unter Bezugnahme auf verschiedene Auffassungen in der medizinischen Literatur hat der Sachverständige ausgeführt, daß nach wissenschaftlichen Untersuchungen aus dem Jahre 1995 nur 40 % der Meningomyelocele-Fälle vor der Geburt diagnostiziert worden seien, sofern keine AFP-Bestimmung zuvor vorgenommen worden sei, und daß nach weiteren wissenschaftlichen Untersuchungen in 10 - 20 % der aufgetretenen Fälle eine Meningomyelocele eingetreten sei, obwohl vor der Geburt ein negativer AFP-Wert ermittelt worden sei. Diese Auffassung findet ihren Niederschlag in der medizinischen Literatur. Die Frage der Erkennbarkeit einer Meningomyelocele sei abhängig von der Lage des Kindes und der Qualität des Ultraschallgerätes. Eine Meningomyelocele sei mit Flüssigkeit gefüllt und lasse sich nur schwer vom Fruchtwasser unterscheiden, da beides auf einem Monitor eines Ultraschallgerätes schwarz erscheine. Kindsbewegungen, variierende Fruchtwassermengen zwischen Kindskörper und Gebärmutterwand sowie Schallschatten können dazu führen, daß ein solcher Defekt, wie er beim Kläger nach der Geburt festgestellt worden ist, auch bei einer regelgerecht vorgenommenen Ultraschalluntersuchung nach den Mutterschafts-Richtlinien (Stand: 01.04.1996) im Rahmen der Stufe 1-Diagnostik nicht erkannt wird.

Nach Lage des Falles bestanden keine Verdachtsmomente, eine - über die Stufe 1-Diagnostik hinausgehende - weiterführende Ultraschalluntersuchung vorzunehmen bzw. der Mutter des Klägers eine solche weiterführende Ultraschalluntersuchung durch einen anderweitigen Arzt anzuraten. Dies haben die hier hinzugezogenen Sachverständigen übereinstimmen so bestätigt.

Ein Verdachtsmoment läßt sich nicht schon aus der Tatsache ableiten, daß die Beklagte zu 1) anstelle der 3 nach den Mutterschafts-Richtlinien vorgeschriebenen Ultraschalluntersuchungen hier insgesamt etwa 6 bis 9 Ultraschalluntersuchungen vorgenommen hat. Die Beklagte zu 1) hat in ihrer Vernehmung als Partei bekundet, daß sie in ihrer Praxis bei jeder Schwangerschaft 6 - 9 Ultraschalluntersuchungen durchführt. Ein Verdachtsmoment folgt auch nicht aus der Tatsache, daß die Beklagte zu 1) unter dem 14.03.1997 einen sog. Tripel-Test veranlaßte. Anlaß für diesen Test war die Angabe der Mutter des Klägers, daß ihre Mutter - also die Großmutter des Klägers - aufgrund einer Toxoplasmoseerkrankung eine Totgeburt gehabt habe. Hieraus ergibt sich kein Anhalt für einen Verdacht auf das Vorliegen eines Neuralrohrdefekts.

Der Sachverständige Prof. Dr. M...-H... hat weiter überzeugend ausgeführt, daß der hier gewählte Zeitpunkt der Blutentnahme für den Tripel-Test in einem Bereich gelegen habe, in dem die sichersten Aussagen aus diesem Test getroffen werden können. Zwar hat er in seinem schriftlichen Gutachten vom 07.03.2003 den Zeitpunkt der Blutentnahme für die Alpha-Feto-Protein-Bestimmung als einen frühen, aber noch zu akzeptierenden Zeitpunkt bezeichnet. Im Termin vom 26.08.2003 hat der Sachverständige seine diesbezüglichen Ausführungen indes ergänzt und nähere Angaben über die wissenschaftliche Diskussion um den als "richtig" bewerteten Zeitraum und den Stand dieser Diskussion im Jahre 1997 mitgeteilt. Dabei ist der Sachverständige zutreffend von folgenden tatsächlichen Grundlagen ausgegangen: Am 14.03.1997 wurde der Mutter des Klägers auf Veranlassung der Beklagten zu 1) Blut für den Tripel-Test abgenommen. Rechnerisch befand sich die Mutter des Klägers zu dieser Zeit in der 16 + 1 Schwangerschaftswoche, sonographisch in der 14 + 2 Schwangerschaftswoche; mithin führte die sonographische Untersuchung zu der Diagnose, die Schwangerschaft sei 2 Wochen jünger als zuvor rechnerisch ermittelt. Bei seinen weiteren Ausführungen hat sich der Sachverständige sodann auf den Bericht zur dritten Konsensustagung 1996 (Bl. 412 d. A.) bezogen, in dem die Auffassung vertreten worden ist, der "Tripel-Test solle so früh wie möglich (14 + 0 SSW) durchgeführt" werden. Des weiteren hat er Bezug genommen auf eine im Jahre 2002 veröffentlichte Quelle in der medizinischen Literatur , in der für einen Tripel-Test die 15. bis 17. Schwangerschaftswoche als Validiierungszeitraum bezeichnet worden ist. Damit erscheint die Schlußfolgerung des Sachverständigen, der gewählte Zeitpunkt der Blutentnahme für einen Tripel-Test bei der Mutter des Klägers sei medizinisch vertretbar, nachvollziehbar.

Das Ergebnis des Tripel-Tests hat - unter Berücksichtigung der Ausführung des Sachverständigen - keine Anhaltspunkte für die Beklagte zu 1) ergeben, den Test eventuell wiederholen zu müssen. In diesem Zusammenhang kann dahin stehen, ob eine Laboruntersuchung des am 14.03.1997 abgenommenen Blutes bereits vor oder erst am 19.03.1997 erfolgt ist. Der Sachverständige hat überzeugend dargestellt, daß es für die Validität der Blutuntersuchung und die Feststellung des AFP-Wertes irrelevant ist, wenn zwischen der Entnahme der Blutprobe bei der Mutter des Klägers am 14.03.1997 und der Untersuchung der Blutprobe (17. bzw. 19.03.1997) einige Tage verstrichen sind. Entscheidend für die Validität sei vielmehr die Aufbewahrung und der Transport der Blutprobe. Bei genügender Kühlung, d. h. bei einer geschlossenen Kühlkette, sei der Zeitablauf unproblematisch. Zudem sei die Ermittlung des AFP-Wertes deutlich weniger anfällig für Temperaturschwankungen als die Ermittlung des HCG-Wertes. Soweit der Kläger hiernach behauptet hat, die seiner Mutter entnommene Blutprobe sei durch den Beklagten zu 2) nicht kühl gelagert und zudem sei bei der Auswertung eine Software angewandt worden, die eine fehlerhafte Risikoeinschätzung zur Folge gehabt habe, handelt es sich um eine Behauptung "ins Blaue hinein", die nicht hinreichend substantiiert worden ist (§ 138 ZPO). Für diese Behauptungen liegen nach dem Sach- und Streitstand keine Anhaltspunkte vor. Allein aus der Tatsache, daß ein negativer AFP-Wert in dem Befundbericht ausgewiesen worden ist, ergibt sich nicht, daß die Lagerung oder die Untersuchung des Blutes im Labor, das vom Beklagten zu 2) mitbetrieben wird, fehlerhaft erfolgt ist. Dann bestand auch für die Beklagte zu 1) kein Anhalt, an der Richtigkeit der Untersuchung zu zweifeln.

Zur Frage der Folsäureapplikation in der frühen Schwangerschaft und zu dem diesbezüglichen Diskussionsstand im Jahre 1997 hat der Sachverständige ausgeführt, daß die fehlende Applikation von Folsäure (Folsäuremangel) - auch schon vor der Schwangerschaft - lediglich ein Faktor von zahlreichen verschiedenen Faktoren sei, die zur Entwicklung eines Neuralrohrdefektes führen können. Hieraus ergebe sich im Umkehrschluß, daß selbst ein Unterlassen der Verordnung von Folsäure nicht zur Schlußfolgerung führen könne, gerade darin liege die Ursache für den später eingetretenen Neuralrohrdefekt.

Nach alledem ist nicht nachgewiesen, daß die Mutter des Klägers während ihrer Schwangerschaft mit dem Kläger durch die Beklagte zu 1) fehlerhaft behandelt worden ist. Insbesondere kann nicht davon ausgegangen werden, daß die Beklagte zu 1) bei Ausnutzung der ihr zur Verfügung stehenden diagnostischen Mittel die Mißbildung des Klägers hätte erkennen müssen oder daß der Zeitpunkt für die Entnahme des Blutes der Mutter am 14.03.1997 für die Durchführung des sogenannten Tripel-Tests in einem medizinisch nicht zu vertretenden Zeitpunkt erfolgt sein sollte.

Schließlich hat der Kläger auch nicht bewiesen, daß die Beklagte zu 1) bereits vor seiner Geburt Kenntnis von dem offenen Rücken gehabt, dies aber der Mutter des Klägers verschwiegen habe. Der Kläger hat für diese Behauptung Beweis angeboten durch Vernehmung der Zeugen Y... D... und K...L.... Der Senat ist diesen Beweisangeboten nicht nachgegangen, da auch dann, wenn unterstellt wird, daß die Zeugen das in ihr Wissen Gestellte zeugenschaftlich bestätigen, die Behauptung des Klägers nicht bewiesen wäre. Denn danach steht (jedenfalls) nicht fest, daß mit der im Gespräch zwischen den beiden Zeuginnen erwähnten schwangeren Zeugin J... aus dem Gebiet ... gerade die Mutter des Klägers gemeint war oder nur gemeint sein konnte. Auch ergibt eine "gerüchteweise" Mitteilung "vom Hörensagen" keinen Beweis für die behauptete vorherige Kenntnis der Beklagten zu 1). Die von dem Kläger beantragte Vernehmung der Beklagten zu 1) als Partei hat im übrigen ergeben, daß die Beklagte zu 1) vor der Geburt keine Kenntnis von einer Fehlbildung des Klägers gehabt hat. Anhaltspunkte für eine solche Kenntnis der Beklagten zu 1) lassen sich nicht daraus ableiten, daß die Beklagte zu 1) während der Untersuchung der Mutter des Klägers in den Unterlagen in der gefertigten Ultraschalldiagnostik (Bl. 33 d. A.) unter dem 12.05.1997 in der Zeile "Mißb. SchädWS: HWS, LWS, BWS" vermerken ließ. Die Beklagte zu 1) hat bei ihrer Vernehmung als Partei überzeugend bekundet, daß durch ihre Mitarbeiterin die Eintragung in der Spalte "Mißb. SchädWS" irrtümlich erfolgt sei. Die Dokumentation besage nur, daß bei der Untersuchung HWS, LWS und BWS angesehen worden seien, nicht jedoch, daß hier Mißbildungen festgestellt worden seien; letzteres wäre deutlich ausführlicher dokumentiert worden. Es wäre auch unverständlich und einem Arzt wesensfremd, würde er die (gravierende) Mißbildung eines Fötus erkennen, der schwangeren Patientin aber verschweigen und Möglichkeiten einer Beseitigung oder Milderung der Fehlbildung bewußt vergeben. Ein derartiges Verhalten wäre in keiner Weise erklärlich und kann auch für den vorliegenden Fall geradezu ausgeschlossen werden.

Letztlich ergeben sich auch für eine Manipulation der Behandlungsunterlagen keine Anhaltspunkte. Allein die Tatsache, daß die Unterlagen über die Behandlung der Mutter des Klägers in der Privatwohnung der Beklagten zu 1) vorgefunden und durch die Staatsanwaltschaft beschlagnahmt worden sind, rechtfertigt nicht die Annahme einer Manipulation der Unterlagen. Es fehlt insoweit an einem schlüssigen, einer Beweisaufnahme zugänglichen Vortrag des Klägers. Für ein derartiges grob rechtswidriges und für einen Arzt grob standeswidriges Verhalten bedarf es der Darlegung hinreichender konkreter verdächtiger Anhaltspunkte. Eine solche Darlegung ist durch den Kläger aber nicht erfolgt.

cc) Ein Fehler des Beklagten 2) hat der Kläger ebenfalls nicht zu beweisen vermocht. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht nicht fest, daß die am 14.03.1997 entnommene Blutprobe durch das ärztliche Labor in ..., das vom Beklagten zu 2) zusammen mit den Dres. B...d, Sch... und S... betrieben wird, fehlerhaft untersucht oder unter dem 19.03.1997 seitens des Labors ein fehlerhafter Bericht zur pränatalen Risikoeinschätzung erstellt worden ist.

Bedenken bestehen bereits hinsichtlich der Passivlegitimation des Beklagten zu 2). Nach dem bisherigen Sach- und Streitstand ist nämlich nicht erwiesen, daß der Beklagte zu 2) selbst die Blutprobe untersucht bzw. den vom 19.03.1997 datierten Befundbericht unterzeichnet hat. Allerdings könnte eine Haftung des Beklagten zu 2) auch für den Fall in Betracht kommen, daß er selbst nicht gehandelt hat, nämlich nach § 31 BGB i.V.m. der Haftung für die Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (vgl. Palandt/Thomas, BGB, 62. Aufl., § 831 Rdnr. 8 und Palandt/Sprau, a.a.O., § 714 Rdnr. 6 und 13). Diese Frage kann hier indes offenbleiben, da ein schadenskausaler Fehler bei der Untersuchung der Blutprobe und bei der Anfertigung des Befundberichts nicht festgestellt worden ist.

Der Sachverständige hat nachvollziehbar ausgeführt, daß die unter dem 14.03.1997 der Mutter des Klägers entnommene Blutprobe zu einem medizinisch vertretbaren Zeitpunkt entnommen worden ist. Davon ausgehend bestand keine Veranlassung, den Zeitpunkt der Entnahme der Blutprobe im Befundbericht besonders zu bemerken. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme besteht auch kein Anhalt dafür, daß die Blutprobe fehlerhaft ausgewertet, insbesondere der AFP-Wert aufgrund einer Fehlmessung ermittelt worden sei. Eine etwaige Fehlerhaftigkeit der Ermittlung ergibt sich nicht bereits aufgrund der Art und Schwere der beim Kläger eingetretenen Mißbildung. Der Sachverständigen hat einleuchtend dargelegt, daß nach wissenschaftlichen Untersuchungen bei 10 bis 20 % der Meningomyelocelen zuvor ein negativer AFP-Wert vorgelegen habe. Es kann dahin stehen, ob die Blutprobe im Labor, das auch durch den Beklagten zu 2) betrieben wird, bereits am 17.03.1997 oder erst am 19.03.1997 untersucht worden ist. Auch wenn die Untersuchung der Blutprobe erst am 19.03.1997 erfolgt sein sollte, wäre dies - nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen - irrelevant für die Validität der Blutuntersuchung und die Feststellung des AFP-Wertes. Entscheidend ist allein die Aufbewahrung und der Transport der Blutprobe. Bei genügender Kühlung, d. h. einer geschlossenen Kühlkette, ist der Zeitablauf unproblematisch. Soweit der Kläger hierauf behauptet hat, der Beklagte zu 2) habe die Blutprobe nicht kühl gelagert und eine Software angewandt, die eine fehlerhafte Risikoeinschätzung zur Folge gehabt habe, handelt es sich um ein bloßes Vorbringen "ins Blaue hinein" (§ 138 ZPO). Für die Behauptungen liegen nach dem Sach- und Streitstand keine Anhaltspunkte vor. Allein aus der Tatsache, daß ein negativer AFP-Wert in dem Befundbericht ausgewiesen worden ist, ergibt sich nicht, daß die Lagerung oder die Untersuchung des Blutes im Labor fehlerhaft erfolgt ist. Der Antrag des Klägers, den Beklagten zu 2) als Partei zu vernehmen, stellt demnach einen unzulässigen Ausforschungsbeweis dar. Hierdurch soll der Beklagte zu 2) zur Verschaffung von Erkenntnissen veranlaßt werden, die dem Kläger einen substantiierten Vortrag erst ermöglichen könnten.

c) Ist sonach kein ärztliches Fehlverhalten festzustellen, so bedurfte die - offene - Frage der haftungsbegründenden Kausalität keiner weiteren Aufklärung.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf § 97 Abs. 1 und auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO (n. F.) [i.V.m. Art. 53 Nr. 3 ZPO - RG].

Für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 ZPO (n. F.) [i.V.m. Art.53 Nr. 3 ZPO - RG; § 26 Nr. 7 EGZPO] hat der Senat keinen Anlaß gesehen. Die Sache hat als Einzelfallentscheidung keine grundsätzliche Bedeutung. Die Zulassung der Revision ist auch nicht zur Fortbildung des Rechtes oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.

Ende der Entscheidung

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