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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 08.04.2003
Aktenzeichen: 1 U 26/00
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, EGBGB


Vorschriften:

ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2
ZPO § 287
ZPO § 511 a. F.
ZPO § 511 a Abs. 1 a. F.
BGB § 31
BGB § 89
BGB § 242 a. F.
BGB § 249 ff. a. F.
BGB § 252 a. F.
BGB § 276 a. F.
BGB § 278
BGB § 284 Abs. 1 Satz 2
BGB § 285
BGB § 288 Abs. 1 Satz 1
BGB § 291 a. F.
BGB § 823 a. F.
BGB § 831
BGB § 831 Abs. 1
BGB § 847 Abs. 1 a. F.
EGBGB Art. 229 § 1 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

1 U 26/00 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 08.04.2003

verkündet am 08.04.2003

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 11. Februar 2003 durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ...

für Recht erkannt:

Tenor:

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das am 9. November 2000 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam - 31 O 271/98 - abgeändert.

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 25.000,- EUR nebst 4 % Zinsen seit dem 21. Januar 1999 zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche materiellen und künftigen immateriellen Schäden aus der fehlerhaften Arztbehandlung in der Zeit vom 22. Juni bis 2. Juli 1995 zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

II. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Zwangsvollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Der Wert der Beschwer der Beklagten beträgt 30.000,- EUR.

Tatbestand:

Die Klägerin nimmt die Beklagte als Trägerin des Kreiskrankenhauses B... wegen der ärztlichen Behandlung anläßlich ihrer Geburt auf Ersatz materiellen und immateriellen Schadens in Anspruch. Sie erhebt den Vorwurf, die Ärzte der Beklagten hätten eine angeborene Hüftfehlbildung (Luxationsdysplasie) übersehen bzw. fehlerhaft diesbezüglich keine alsbaldige Abklärung veranlaßt.

Die Klägerin wurde am 22. Juni 1995, gegen 1.00 Uhr, im Krankenhaus der Beklagten geboren. Die Entbindung erfolgte aus Beckenendlage (Fußlage) durch Kaiserschnitt und verlief ohne Komplikationen. Bei der Neugeborenenuntersuchung der Klägerin durch die Ärztin Dipl.-Med. K... wurden keine Besonderheiten festgestellt. Eine Minute, fünf Minuten und zehn Minuten nach der Geburt wurde ein Apgar-Score von 10 Punkten ermittelt. Die Extremitäten zeigten sich frei beweglich. Eine (Erst-)Untersuchung der Hüfte ist nicht dokumentiert. Am 2. Juli 1995, dem Tag der Entlassung aus der stationären Behandlung, führte die im Krankenhaus der Beklagten tätige und in eigener Praxis als Kinderärztin niedergelasse Kinderärztin Dr. St... eine Hüftuntersuchung durch. Frau Dr. St... war nicht hauptberuflich im Krankenhaus der Beklagten angestellt, nahm aber am kinderärztlichen Bereitschaftsdienst des Kreiskrankenhauses B... teil und wurde von dem Krankenhaus regelmäßig mit der Abschlußuntersuchung der neugeborenen Kinder beauftragt. Bei der Hüftuntersuchung gelangte Frau Dr. St... zu der Feststellung einer "straffen Hüfte". Im Entlassungsbefund erfolgte unter der Rubrik "Extremitäten, Hüfte, Füße" die Eintragung: "sehr straff. Im Kinderuntersuchungsheft vermerkte Dr. St... auf der Rückseite des zweiten weißen Blattes zum "Entlassungsstatus": "Hüfte sehr straff - baldige orthop. Kontrolle/breite Windelung empfohlen". Frau Dr. St... empfahl der Mutter der Klägerin, ihr Kind breit zu wickeln, die Mütterberatung bei einem nachbehandelnden Kinderarzt wahrzunehmen und das Kind einem Orthopäden vorzustellen. Am 11. Juli 1995 suchte die Mutter der Klägerin mit ihrem Kind die Kinderärztin Dr. E... auf, die (bei der U2-Untersuchung) "straffe Hüften" feststellte, "breites Windeln" empfahl und die Untersuchung durch einen Orthopäden veranlaßte. Diese Untersuchung wurde am 26. Juli 1995 durch den Facharzt für Orthopädie Dipl.-Med. F... durchgeführt. Die Sonographie ergab den Befund einer beiderseitigen Hüftluxation (Stufe III A bis IV nach Graf mit Abduktionshemmung 45- beiderseits). Der Orthopäde Dipl.-Med. F... verordnete der Klägerin eine Spreizbandage und konsultierte im Vorfeld einer in Aussicht genommenen Operation der Klägerin den Orthopäden Prof. Dr. Sch..., der die Klägerin am 16. August 1995 untersuchte. Prof. Dr. Sch... hielt hiernach fest: "Keine Abspreizbehinderung (...). Ortolani angedeutet positiv. Keine Luxationsgeräusche". Nach weiteren Untersuchungen durch die Kinderärztin Dr. E... am 24. August 1995 und den Orthopäden Dipl.-Med. F... am 25. August 1995 wurde die Klägerin zur stationären Behandlung in die Orthopädische Klinik Oberlinhaus P... eingewiesen, wo eine hohe Dysplasieluxation beiderseits - links mehr als rechts - festgestellt wurde. Während des ersten stationären Aufenthalts vom 30. August bis 9. Oktober 1995 wurde die Hüftfehlbildung der Klägerin zunächst mit einer Overheadextension und ab dem 12. September 1995 mit Lorenzgips [Gips in maximaler Beuge-Abspreizstellung der Hüften] behandelt. Nach Gipswechsel und weiteren stationären Aufenthalten in der Klinik Oberlinhaus in der Zeit vom 6. bis 8. November und vom 7. bis 11. Dezember 1995 zeigte sich keine Stabilisierung der Hüften, so daß die Klägerin zur Weiterbehandlung in das Oskar-Helene-Heim in B... überwiesen wurde. Dort erfolgte im Rahmen eines stationären Aufenthalts vom 3. bis 8. Januar 1996 am 4. Januar 1996 beidseits eine sogenannte "blutige Reposition" der luxierten Hüftgelenke; dabei zeigte sich intraoperativ eine sehr kleine Pfanne mit ausgeprägter Reluxationstendenz. Die Sehne des Musculus iliopsoas wurde durchtrennt, die dicke Gelenklippe (Limbus) halbiert und der Hüftkopf in die sehr flache Pfanne eingestellt. Die Ruhigstellung der Hüften erfolgte wiederum im Lorenzgips, nachdem der Versuch, die Hüften in der weniger belastenden Sitz-Hock-Stellung zu halten, fehlgeschlagen war und zur Reluxation geführt hatte. Vom 2. bis 14. September 1998, 20. bis 30. Oktober 1998, 28. April bis 6. Mai 1999, 10. Juni bis 16. Juni 1999 und 1. bis 10. November 1999 mußte sich die Klägerin weiteren stationären Behandlungen im Oskar-Helene-Heim unterziehen. In 1998 und 1999 wurden hüftnahe Osteotomien der Oberschenkelknochen und pfannenverbessernde Eingriffe vorgenommen; in 1999 erfolgte die Metallentfernung aus den Oberschenkeln. Die Klägerin steht wegen der Hüftfehlbildung seit 1995 unter ambulanter kinderärztlicher Kontrolle.

Die Klägerin hat geltend gemacht, die Ärzte im Krankenhaus der Beklagten hätten fehlerhaft die angeborene Luxationsdysplasie der Hüften übersehen. Bei der Neugeborenenuntersuchung nach der Geburt sei eine bildgebende Untersuchung der Hüften fälschlich unterlassen worden. Die Ärztin Dr. St... habe trotz bestehender Verdachtsmomente - Feststellung "sehr straffer" Hüften und Geburt aus Beckenendlage - keine Anzeichen für eine Hüftdysplasie erkannt und falsche Ratschläge zur Weiterbehandlung erteilt, indem sie der Kindesmutter bei der Entlassung am 2. Juli 1995 empfohlen habe, das Kind - erst - nach sechs Wochen einem Orthopäden vorzustellen. Richtigerweise hätte eine orthopädische Behandlung sofort veranlaßt werden müssen, zumal bereits ein angedeutetes positives Ortolani-Zeichen [d. h. ein fühl- oder sichtbares Einschnappen des Hüftkopfes in die Gelenkpfanne] vorgelegen habe. Wegen der eingetretenen Verzögerungen sei eine unblutige Reposition der Hüften nicht mehr möglich gewesen. Bei ordnungsgemäßer Diagnose und Therapieempfehlung wären die blutige Reposition der Hüften vom 4. Januar 1996 und die weiteren stationären Aufenthalte vermieden worden. Wegen der bis zum 31. Dezember 1997 erlittenen erheblichen physischen und psychischen Beeinträchtigungen und des hieraus entstandenen Schadens für die gesamte frühkindliche Entwicklung sei ein Schmerzensgeld von mindestens 50.000,- DM angemessen. Da nicht absehbar sei, ob und wann eine Heilung der Hüftdysplasie eintreten werde, seien weitere Folgeschäden zu befürchten.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld für den Zeitraum vom 22. Juni 1995 bis 31. Dezember 1997 nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

2. festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihr sämtliche materiellen und immateriellen Schäden aus der fehlerhaften Arztbehandlung zu zahlen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Zulässigkeit der Klageanträge angezweifelt und einen Fehler bei der Behandlung der Klägerin in Abrede gestellt. Hierzu hat sie ausgeführt, bei der Neugeborenenuntersuchung nach der Geburt der Klägerin habe sich kein Befund ergeben, der nähere Kontrollen veranlaßt hätte. Für eine Hüftdysplasie habe bis zur Entlassung der Klägerin aus der stationären Behandlung am 2. Juli 1995 kein Anhalt vorgelegen, insbesondere auch kein Ortolani-Zeichen. Mit der Diagnose einer "straffen Hüfte" sei lediglich zum Ausdruck gebracht worden, daß die Hüfte der Klägerin nicht spielend leicht auf die Unterlage habe abduziert werden können. Dabei handele es sich um ein sehr häufiges Phänomen, das gerade auch bei hüftgesunden Kindern festzustellen sei und nicht auf eine Anomalität der Hüfte hinweise. Hätten sich Anzeichen für eine mögliche Hüftdysplasie gezeigt, so wären diese auch dokumentiert worden. Die angeborene Hüftdysplasie habe sich erst später, nach der Entlassung vom 2. Juli 1995, herausgestellt. Am 2. Juli 1995 habe die Ärztin Dr. St... der Mutter der Klägerin empfohlen, ihr Kind in der vierten Lebenswoche, spätestens aber in der sechsten Lebenswoche, einem Orthopäden vorzustellen. Wegen des mit einer Geburt aus Beckenendlage verbundenen Risikos von Hüftfehlbildungen sei der Rat erteilt worden, die Klägerin breit zu wickeln. Die Empfehlungen der Ärztin Dr. St... bei der Entlassung am 2. Juli 1995 seien somit ordnungsgemäß gewesen. Im übrigen hätte eine frühere Diagnose und Behandlung der angeborenen Hüftdysplasie zu keinem günstigeren Verlauf geführt, insbesondere auch nicht die blutige Reposition verhindern können. Die Beklagte hat ferner gemeint, die Verantwortung für die die sach- und kunstgerechte Behandlung der Hüftdysplasie liege bei den ambulant nachbehandelnden Ärzten.

Das Landgericht hat aufgrund seines Beschlusses vom 6. Juli 1999 zur Frage der ordnungsgemäßen Behandlung der Klägerin im Krankenhaus der Beklagten Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Wegen der weiteren Einzelheiten und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt des Beweisbeschlusses und das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Dr. med. Hü... vom 10. Januar 2000 verwiesen.

Durch sein am 9. November 2000 verkündetes Urteil, auf das ergänzend Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen ausgeführt: Zwar sei ein - möglicherweise sogar schwerer - Behandlungsfehler erwiesen. Denn die Ärzte des Krankenhauses der Beklagten hätten es fehlerhaft unterlassen, frühzeitig eine Ultraschalluntersuchung der Hüften der Klägerin vorzunehmen, um im Hinblick auf die vorliegenden Verdachtsmomente eine zuverlässige Diagnose zu erlangen und hierauf ggfs. frühzeitig eine orthopädische Behandlung der Klägerin veranlassen zu können. Die Beweisaufnahme habe jedoch auch ergeben, daß sich dieser Fehler nicht ausgewirkt, insbesondere keinen Körper- oder Gesundheitsschaden für die Klägerin nach sich gezogen habe. Unter Mitberücksichtigung des Umstandes, daß das Krankenhaus der Beklagten über kein Sonographiegerät verfügt habe, sei es durch den Fehler nur zu einer geringen Verzögerung des Behandlungsbeginns gekommen. Die Erstuntersuchung durch den nachbehandelnden Orthopäden sei noch innerhalb des - günstigsten - Zeitraums der Frühestdiagnose erfolgt. Der Fehler habe somit nicht zu einer Verschlechterung der Behandlungsmöglichkeiten geführt.

Gegen dieses ihr am 16. November 2000 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit Eingang vom 18. Dezember 2000, einem Montag, Berufung eingelegt und ihr Rechtsmittel - nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 5. März 2001 durch Verfügungen des Senatsvorsitzenden vom 19. Januar und 15. Februar 2001 - mit Schriftsatz vom 5. März 2001, eingegangen am selben Tage, begründet.

Die Klägerin wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie führt ergänzend aus: Frau Dr. St... habe die Kindesmutter nicht auf das Erfordernis einer "baldigen" Vorstellung bei einem Orthopäden hingewiesen. Entgegen der Annahme des Landgerichts hätte eine sofortige Einleitung der konservativen Therapie den Eintritt der Luxation und die blutige Reposition abwenden können. Den ihr obliegenden Gegenbeweis habe die Beklagte nicht erbracht.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung

1. die Beklagte zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

2. festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihr sämtliche materiellen und künftigen immateriellen Schäden aus der fehlerhaften Arztbehandlung in der Zeit vom 22. Juni bis 2. Juli 1995 zu zahlen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie nimmt Bezug auf ihr erstinstanzliches Vorbringen und entgegnet im übrigen: Mit einer "straffen Hüfte" sei hier - lediglich - die geringgradige Vorstufe einer Abspreizbehinderung gemeint gewesen. Die Therapieempfehlungen der Ärztin Dr. St... bei der Entlassung am 2. Juli 1995 seien daher nicht zu beanstanden. Im übrigen hätten die Hüftluxation und die blutige Reposition nicht verhindert werden können.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die in beiden Rechtszügen eingereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.

Der Senat hat aufgrund seiner Beschlüsse vom 8. August 2001, 14. Februar 2002 und 12. März 2002 ergänzend Beweis erhoben zu der Frage, ob bei der Behandlung der Klägerin im Krankenhaus der Beklagten ein - ggfs. schwerer (grober) - Behandlungsfehler unterlaufen ist und ob - und ggfs. in welcher Weise - dieser sich auf den weiteren Behandlungsverlauf ausgewirkt haben könne, durch Vernehmung der Zeugin Dr. St... und durch Einholung von Gutachten der Sachverständigen Dr. med. K... und Prof. Dr. med. M.... Wegen der Einzelheiten und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Inhalt der Beweisbeschlüsse, auf die Sitzungsniederschriften vom 14. November 2001 und 11. Februar 2003 sowie auf die schriftlichen Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. M... vom 17. Oktober 2002 und 31. Januar 2003 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung führt auch in der Sache selbst zum Erfolg.

I. Die Berufung ist zulässig. Sie ist gemäß §§ 511, 511 a Abs. 1 ZPO [a. F.] (in Verbindung mit § 26 Nr. 5 EGZPO) an sich statthaft und form- und fristgerecht bei dem zuständigen Brandenburgischen Oberlandesgericht eingelegt und begründet worden (§§ 516, 518 f., 222 Abs. 2 ZPO, § 119 Abs. 1 Nr. 3 GVG [a. F.]).

II. Die Berufung ist auch begründet.

1. Die Klage ist zulässig.

Für den Antrag auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes gemäß § 847 Abs. 1 BGB [a. F.] bedarf es anerkanntermaßen keiner Bezifferung, sondern - neben der Darlegung der für die Ermittlung des angemessenen Schmerzengeldbetrages erforderlichen Tatsachen - lediglich der Angabe der ungefähren Größenordnung oder eines Mindestbetrages, um dem Bestimmtheitserfordernis nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zu genügen (BGHZ Bd. 132, S. 341, 350 f.; BGH NJW 1992, S. 311 f.; Senat, NJW-RR 2000, S. 24, 25 = OLG-NL 1999, S. 125, 128; VersR 2000, S. 1283, 1284; vgl. auch - teilweise noch großzügiger - Palandt/Thomas, BGB, 61. Aufl. 2002, § 847 Rdn. 14; Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl. 2002, § 253 Rdn. 14 f. m.w.Nw.). Der grundsätzlich einheitliche Schmerzensgeldanspruch darf allerdings nicht auf mehrere Zeitabschnitte in der Vergangenheit aufgeteilt werden; das Schmerzensgeld wird vielmehr auf der Grundlage sämtlicher Folgen, soweit sie bereits eingetreten oder sonst erkennbar sind, bemessen. Möglich ist - nur - eine Aufteilung auf bisher eingetretene und etwaige künftige immaterielle Folgen (immaterieller Vorbehalt), sofern die künftige Entwicklung nicht übersehbar ist und weitere Beeinträchtigungen in Zukunft möglich sind (vgl. BGH NJW-RR 1989, S. 1367; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1996, S. 927; NJW-RR 2001, S. 890, 892 f.; OLG Oldenburg, NJW-RR 1988, S. 615; OLG Celle, VersR 1973, S. 60, 61; OLG Karlsruhe, VersR 1971, S. 1068; s. auch OLG Frankfurt/Main, VersR 1995, S. 1061; Palandt /Thomas, aaO., § 847 Rdn. 11). Diesem Erfordernis hat die Klägerin auf entsprechenden Hinweis des Senats indes genügt, indem sie - zulässigerweise - ihr Schmerzensgeldbegehren im Klageantrag zu 1) auf alle "bisherigen" Folgen bezogen und den Feststellungsantrag [Klageantrag zu 2)] zur gebotenen Abgrenzung (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) hinsichtlich der immateriellen Schäden auf die "zukünftigen" Folgen beschränkt hat. Unter Berücksichtigung der vorgenannten Korrektur ergeben sich keine Bedenken gegen die Zulässigkeit des Feststellungsantrags. Das erforderliche Feststellungsinteresse (§ 256 Abs. 1 ZPO) ist schon dann gegeben, wenn die Entstehung eines Schadens - sei es auch nur entfernt - möglich, aber noch nicht vollständig gewiß ist und der Schaden daher noch nicht abgeschätzt, insbesondere noch nicht abschließend beziffert, werden kann (s. BGH NJW 1984, S. 1552, 1554; NJW-RR 1988, S. 445; NJW 1991, S. 2707, 2708; Senat, NJW-RR 2000, S. 24, 25 = OLG-NL 1999, S. 125, 128; VersR 2000, S. 1283, 1284; Baumbach/Hartmann, ZPO, 60. Aufl. 2002, § 256 Rdn. 77 ff, 79, 81; Zöller/Greger, aaO., § 256 Rdn. 7 a, 8). Diese Voraussetzung ist vorliegend angesichts der noch andauernden ärztlichen Behandlung, möglicher weiterer stationärer Aufenthalte mit Ungewisser Erfolgsprognose und bisher noch nicht voraussehbarer weiterer Leiden, insbesondere vor dem Hintergrund eines gesteigerten Arthroserisikos, zu bejahen.

2. Die Klage ist auch in der Sache selbst gerechtfertigt. Die Klägerin hat gegen die Beklagte wegen fehlerhafter Behandlung ihrer Hüftfehlbildung einen Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld und auf Ersatz des mit dem Behandlungsfehler zusammenhängenden materiellen Schadens.

a) Die Anspruchsgrundlage folgt hinsichtlich des materiellen Schadensersatzes aus positiver Vertragsverletzung (§§ 242, 276, 278, 249, 252 BGB [a. F.]) sowie aus §§ 823, 831, 249 ff. BGB [a. F.] und hinsichtlich des begehrten Schmerzensgeldes aus §§ 823, 831, 847 Abs. 1 BGB [a. F.].

Der Klägerin stehen wegen der Fehler bei ihrer stationären Behandlung im Krankenhaus der Beklagten eigene vertragliche Schadensersatzansprüche zu. Für die Annahme, daß zwischen der Klägerin selbst - ggfs. vertreten durch ihre Eltern - und der Beklagten ein Vertrag abgeschlossen worden ist, ergibt sich zwar kein Anhalt. Die Klägerin war jedoch im Vorfeld und während der Geburt - also schon vor Erlangung der eigenen Rechtsfähigkeit (§ 1 BGB) - nach den Grundsätzen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter (§§ 328, 242 BGB) in den Schutzbereich des Vertrags zwischen ihrer Mutter und der Beklagten einbezogen mit der Folge, daß ihr insoweit bereits eigene vertragliche Ansprüche erwachsen konnten (s. BGHZ Bd. 86, S. 240, 253; Bd. 106, S. 153, 162; BGH VersR 1992, S. 1263; Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, 9. Aufl. 2002, Rdn. 122 m.w.Nw.; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 4. Aufl. 2001, S. 3,6 m.w.Nw.). Zwischen der - bei der AOK B... gesetzlich krankenversicherten - Mutter der Klägerin und der Beklagten ist ein sogenannter "totaler Krankenhausvertrag" abgeschlossen worden. Dieses Vertragsverhältnis bestand allein mit der Beklagten; die behandelnden Ärzte sind nicht Vertragspartner, sondern Erfüllungsgehilfen und Verrichtungsgehilfen bzw. Organe des Krankenhausträgers (s. BGH NJW 1978, S. 1681; Senat, NJW-RR 2000, S. 24, 25 = MedR 2000, S. 85, 86 = OLG-NL 1999, S. 125, 128; NJW-RR 2000, S. 398, 399 = VersR 2000, S. 1283, 1284; Palandt/Heinrichs, aaO., § 278 Rdn. 26; Palandt/ Putzo, aaO., vor § 611 Rdn. 19; Palandt/Thomas, aaO., § 831 Rdn. 7 m.w.Nw.). Für die Zeit der stationären Behandlung nach der Geburt kann entweder von einem Fortbestand des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten der Klägerin oder aber von dem Zustandekommen eines echten Vertrags zugunsten der Klägerin (§ 328 BGB) ausgegangen werden (s. BGH NJW 1984, S. 1400; Palandt/Heinrichs, aaO., § 328 Rdn. 22; Geiß/Greiner, aaO., S. 36; Laufs/ Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, 2. Aufl. 1999, S. 356).

Während Chefärzte, die eigenverantwortlich und weitgehend weisungsfrei die ihnen unterstellte Abteilung in einem Krankenhaus leiten, als verfassungsmäßig berufene Vertreter (Organe) des Krankenhausträgers anzusehen bzw. haftungsrechtlich als solche zu behandeln sind, so daß der Krankenhausträger für ihr Verschulden deliktsrechtlich gemäß §§ 89, 31 BGB - ohne Möglichkeit der Exkulpation gemäß § 831 BGB - einzustehen hat (s. etwa BGHZ Bd. 77, S. 74, 75 ff; Bd. 95, S. 63, 67; Bd. 101, S. 215, 218; BGH NJW 1972, S. 334; Senat, NJW-RR 2000, S. 24, 25 = MedR 2000, S. 85, 86 = OLG-NL 1999, S. 125, 128; NJW-RR 2000, S. 398, 399 = VersR 2000, S. 1283, 1284; Palandt/Heinrichs, aaO., § 89 Rdn. 6; Münch.Komm.-Stein, BGB, Bd. 5, 3. Aufl. 1997, § 831 Rdn. 6; Münch.Komm.-Mertens, aaO., § 823 Rdn. 463), haftet der Krankenhausträger für die übrigen angestellten Ärzte und das sonstige Pflegepersonal deliktsrechtlich nach § 831 BGB (s. BGH NJW 1959, S. 2302, 2303; NJW 1988, S. 2298, 2300; Senat, aaO.; Palandt/Thomas, aaO., § 831 Rdn. 7; Münch.Komm.-Stein, aaO., § 831 Rdn. 33; Münch.Komm.-Mertens, aaO., § 823 Rdn. 464). Auf eine Exkulpation nach § 831 Abs. 1 BGB hat sich die Beklagte nicht berufen.

Dementsprechend hat die Beklagte für Behandlungsfehler der Kinderärztin Dr. St... gemäß § 278 BGB und § 831 BGB einzustehen. Freilich war Frau Dr. St... damals als niedergelassene Kinderärztin in eigener Praxis tätig, also nicht hauptberuflich im Krankenhaus der Beklagten angestellt. Sie war vom Kreiskrankenhaus B... jedoch regelmäßig mit der Abschlußuntersuchung der neugeborenen Kinder betraut. Die Hinzuziehung eines niedergelassenen, frei praktizierenden Arztes zur Erfüllung eigener Behandlungspflichten der Klinik im Rahmen eines "totalen Krankenhausvertrages" begründet kein selbständiges Vertragsverhältnis zwischen dem (Konsiliar-)Arzt und dem Patienten. Der (Konsiliar-)Arzt wird vielmehr als Erfüllungsgehilfe im Sinne von § 278 BGB im Rahmen der Erfüllung der vertraglichen Pflichten des Krankenhauses tätig, so daß das Krankenhaus für seine Fehler vertraglich nach § 278 BGB haften muß (s. Geiß/Greiner, aaO., S.15 m.w.Nw.; Steffen/Dressler, aaO., Rdn. 70, 93 m.w.Nw.; Palandt/Heinrichs, aaO., § 278 Rdn. 26). Eine deliktsrechtliche Haftung der Klinik für den hinzugezogenen (Konsiliar-) Arzt nach § 831 BGB wird hingegen unter Hinweis auf die fehlende Weisungsabhängigkeit des Arztes im allgemeinen abgelehnt (s. OLG Stuttgart, VersR 1992, S. 55, 57; Geiß/Greiner, aaO., S. 28; Steffen/Dressler, aaO., Rdn. 93; Palandt/Thomas, aaO., § 831 Rdn. 8; etwas anders wohl: OLG Oldenburg, VersR 1989, S. 1300). Im vorliegenden Fall hat die Beklagte indes nicht in Abrede gestellt, daß Frau Dr. St... als "ihre" (Krankenhaus-) Ärztin tätig geworden ist; sie wurde ersichtlich regelmäßig als Kinderärztin für die Abschlußuntersuchung der im Krankenhaus der Beklagten neugeborenen Kinder hinzugezogen, gewissermaßen anstelle eines sonst (hauptberuflich) anzustellenden "eigenen" Krankenhaus-Kinderarztes. Bei einer solchen Lage gilt für die Haftung des Krankenhauses für ärztliche Fehler nichts anderes als bei Tätigwerden eines im engeren Sinne (hauptberuflich) "angestellten Krankenhausarztes". Frau Dr. St... war fortdauernd mit festen Aufgaben in den Dienstbetrieb des Krankenhauses integriert. Jedenfalls in bezug auf die Abschlußuntersuchung der Neugeborenen entsprach ihre Stellung damit der eines (hauptberuflich) angestellten Krankenhausarztes. Dies rechtfertigt die Anwendung von § 831 BGB. Andernfalls hätte das Krankenhaus die Möglichkeit, sich durch die fortdauernde regelmäßige Übertragung wesentlicher Behandlungsaufgaben auf hinzugezogene selbständig niedergelassene Ärzte der deliktsrechtlichen Haftung nach § 831 BGB zu entziehen, was nicht gebilligt werden könnte. Zu berücksichtigen ist zudem, daß dem (Kassen-)Patienten in solchen Fällen regelmäßig weder bekannt ist noch bekanntgegeben wird, daß er es nicht mit einem (hauptberuflich) angestellten Krankenhausarzt, sondern mit einem selbständig niedergelassenen, "nur" hinzugezogenen (Konsiliar-)Arzt zu tun hat und dies bezüglich der deliktsrechtlichen Haftung Auswirkungen auf die Passivlegitimation haben kann. Wird dieser Punkt vom beklagten Krankenhaus - wie hier - auch im Prozeßverlauf nicht klargestellt, so muß sich das Krankenhaus insoweit haftungsrechtlich nach § 831 BGB behandeln lassen.

b) Frau Dr. St... hat im Zusammenhang mit der Abschlußuntersuchung der Klägerin am 2. Juli 1995 weder für eine umgehende sonographische Hüftuntersuchung Sorge getragen noch die Mutter der Klägerin auf das dringende Erfordernis einer alsbaldigen Vorstellung des Kindes bei einem Orthopäden sowie einer sonographischen Hüftkontrolle hingewiesen. Hierin liegt nach den Umständen des Falles ein schwerer ("grober") ärztlicher Behandlungsfehler.

Im einzelnen:

aa) Im Zusammenhang mit der Neugeborenenuntersuchung der Klägerin und im weiteren Verlauf der stationären Behandlung im Krankenhaus der Beklagten ist eine Befundung der Hüften der Klägerin nicht dokumentiert worden, so daß davon ausgegangen werden muß, daß eine (gesonderte) Hüftuntersuchung - zunächst - unterblieben ist. Lediglich für die Untersuchung am Entlassungstag, dem 2. Juli 1995 - also erst zehn Tage nach der Geburt der Klägerin -, ist die Feststellung einer "sehr straffen" Hüfte dokumentiert, jedoch eine Kontrollsonographie weder (auch: mangels vorhandener Geräte) vorgenommen noch durch Heranziehung einer geeigneten dritten Stelle veranlaßt worden.

Nach den Regeln der ärztlichen Kunst ist eine sonographische Hüftuntersuchung geboten, wenn Anhaltspunkte vorliegen, die den Verdacht auf eine Hüftdysplasie oder gar eine Hüftgelenksluxation aufkommen lassen. Hierin stimmen sämtliche vorliegenden medizinischen Sachverständigengutachten überein (Gutachten Dr. Be... vom 20. Dezember 1996; Gutachten Prof. Dr. He... vom 3. April 1997; Gutachten Dr. Hü... vom 10. Januar 2000). Solche Verdachtsmomente waren hier - ebenfalls nach durchgängiger Einschätzung aller beteiligten Sachverständigen - gegeben, insbesondere in Gestalt des Befundes einer "sehr straffen" Hüfte nach Geburt aus Beckenendlage (Gutachten Dr. Be... vom 20. Dezember 1996; Gutachten Prof. Dr. He... vom 3. April 1997; Gutachten Dr. Hü... vom 10. Januar 2000). Der Sachverständige Dr. Hü... hat in seinem Gutachten vom 10. Januar 2000 zwar darauf hingewiesen, daß es in der Medizin streitig sei, ob eine bloße Abspreizhemmung in den ersten Lebenstagen ein Indiz für eine Hüftdysplasie darstelle. Andererseits deutet die Feststellung eines "angedeuteten" positiven Ortolani-Zeichens - noch - am 16. August 1995 durch den Orthopäden Prof. Dr. Sch... darauf hin, daß dieses Indiz bereits seit der Geburt der Klägerin vorgelegen und schon seitdem eine ungünstige anatomische Situation bestanden habe. Jedenfalls wäre nach der Geburt aus Beckenendlage und angesichts der Diagnose einer "sehr straffen" Hüfte auch nach Meinung des Sachverständigen Dr. Hü... die kurzfristige diagnostische Abklärung eines Verdachts auf Hüftdysplasie nötig gewesen. Vor diesem Hintergrund hätte Frau Dr. St... eine umgehende sonographische Hüftuntersuchung entweder selbst veranlassen oder die Mutter der Klägerin nachdrücklich hierzu anhalten müssen.

bb) In Anbetracht der bestehenden Verdachtsmomente hätte der Hinweis der Ärztin Dr. St... im Näheren dahin gehen müssen, daß die Klägerin - zur näheren Untersuchung und weiteren Behandlung - sobald wie möglich einem Orthopäden vorzustellen sei. Demgegenüber hat Frau Dr. St... aber nach der eigenen Darstellung der Beklagten lediglich empfohlen, das Kind in der vierten, spätestens in der sechsten Lebenwoche, einem Orthopäden vorzustellen. Dieser Rat zur Konsultation eines Orthopäden in der vierten oder gar erst nach der sechsten Lebenswoche ist indes von den beteiligten Sachverständigen übereinstimmend als medizinisch inadäquat und somit als Fehler angesehen worden (Gutachten Dr. Be... vom 20. Dezember 1996; Gutachten Prof. Dr. He... vom 3. April 1997; Gutachten Dr. Hü... vom 10. Januar 2000). Das Krankenhaus ist verpflichtet, den Patienten (hier: die Mutter der Klägerin) und die nachbehandelnden Ärzte auf den Entlassungsbefund (hier: "sehr straffe" Hüfte) und die sich daraus für die Nachbehandlung ergebenden besonderen therapeutischen Konsequenzen, etwa auch die Notwendigkeit und ggfs. Eilbedürftigkeit bestimmter Kontrolluntersuchungen, hinzuweisen (vgl. BGH MDR 1988, S. 40, 41 - VersR 1988, S. 82, 83; OLG Oldenburg, NJW-RR 1994, S. 1054; Steffen/Dressler, aaO., Rdn. 243; Palandt/Thomas, aaO., § 823 Rdn. 69).

cc) Unter Berücksichtigung der Ausführungen der in der Berufungsinstanz hierzu näher befragten Sachverständigen Dr. K... stellt sich das Versäumnis, die Mutter der Klägerin nicht nachdrücklich auf das dringende Erfordernis einer alsbaldigen sonographischen Hüftuntersuchung und einer umgehenden Vorstellung des Kindes bei einem Orthopäden hingewiesen zu haben, als schwerer ("grober") Behandlungsfehler dar.

Ein schwerer ("grober") Behandlungsfehler ist ein eindeutiger, fundamentaler Verstoß gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse, der nach den Umständen des konkreten Falles aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint und einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf (s. BGHZ Bd. 85, S. 212, 215 ff; BGH NJW 1995, S. 1611, 1612 f.; NJW 1996, S. 1589, 1590 f.; S. 2428; NJW 1997, S. 796, 797; NJW 1998, S. 814, 815; S. 1782, 1783; NJW 1999, S. 860, 861; S. 862; NJW 2001, S. 2792 f.; S. 2794; S. 2795, 2796; Senat, NJW-RR 2000, S. 24, 26 = MedR 2000, S. 85, 88 = OLG-NL 1999, S. 125, 129 f.; Palandt/Thomas, aaO., § 823 Rdn. 170; Münch.Komm.-Mertens, aaO., § 823 Rdn. 409; Zöller/Greger, aaO., vor § 284 Rdn. 20 a; Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, 9. Aufl. 2002, Rdn. 522 ff.). So aber liegt es hier.

Nach den überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen Dr. K... hätte in Anbetracht der Geburt aus Beckenendlage und der Feststellung einer "sehr straffen" Hüfte bereits im Zusammenhang mit der "U2-Untersuchung" innerhalb von 3-10 Tagen nach der Geburt - jedenfalls innerhalb der ersten 15 Tage nach der Geburt - eine sonographische Kontrolle erfolgen müssen; stand dem Krankenhaus - wie hier - eine solche Möglichkeit nicht zur Verfügung, so hätte es eine Sonographie (innerhalb des genannten Zeitraums) durch eine dritte Stelle entweder selbst veranlassen oder doch zumindest die Kindesmutter auf dieses Erfordernis und die Eilbedürftigkeit nachdrücklich hinweisen müssen. Die aus dem Eintrag zum "Entlassungsstatus" im Kinderuntersuchungsheft ersichtliche Empfehlung ["baldige orthop. Kontrolle/breite Windelung empfohlen"] genügte insoweit nicht und richtete sich ausweislich der Zeugenaussage der Ärztin Dr. St... auch nur an den weiterbehandelnden Kinderarzt. Gegenüber der Mutter selbst war nach der Darstellung der Beklagten nur von einer Vorstellung bei einem Orthopäden in der vierten, spätestens in der sechsten Lebenswoche die Rede. Nach Auffassung der Gutachten der Sachverständigen Dr. Hü... und Dr. K... sowie der vorgelegten außergerichtlichen Gutachten war hier jedoch eine alsbaldige Kontrollsonographie zweifelsfrei geboten. Nachdem der empfohlene Zeitraum für die "U2-Untersu-chung" bereits verstrichen war und die Feststellung einer "sehr straffen" Hüfte nach Geburt aus Beckenendlage eine sofortige Abklärung auf Vorliegen einer Hüftanomalie (-luxation oder -dysplasie) erforderte, stellt es sich als schwerwiegender Behandlungsfehler dar, daß es seitens des beklagten Krankenhauses verabsäumt worden ist, spätestens bei der Entlassung der Klägerin am 2. Juli 1995 eine umgehende sonographische Untersuchung der Hüften der Klägerin zu veranlassen oder doch zumindest die Mutter auf das dringende Erfordernis einer umgehenden sonographischen Hüftuntersuchung nachdrücklich hinzuweisen. Das diesbezügliche Versäumnis hätte nach Einschätzung der Sachverständigen Dr. K... "schlechterdings nicht passieren" dürfen. Nach übereinstimmender Meinung aller beteiligten Sachverständigen muß bei Verdacht auf Hüftfehlbildung "so früh wie möglich" reagiert werden. Hierzu bedurfte es baldmöglichst einer Vorstellung des Kindes bei einem Orthopäden und einer sonographischen Hüftuntersuchung. Daß hierauf nicht als dringlich hingewiesen wurde, erweist sich als schwerer ("grober") Behandlungsfehler, der unter den hier gegebenen Umständen nicht mehr verständlich erscheint und einem sorgfältigen Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf.

c) Zugunsten der Klägerin ist davon auszugehen, daß die Hüftdysplasie bei ordnungsgemäßer Behandlung (zutreffender Beratung) durch eine sofort anschließende konservative Therapie noch behoben worden wäre, ihr ohne den hier unterlaufenen schweren ("groben") Behandlungsfehler also die "blutige Reposition" vom 4. Januar 1996 sowie die nachfolgenden stationären Aufenthalte, operativen Eingriffe und Folgeschäden erspart geblieben wären.

Erweist sich ein schwerer ("grober") Behandlungsfehler als generell geeignet, den eingetretenen Schaden zumindest mitursächlich herbeizuführen, so ist es Sache des Anspruchsgegners des Geschädigten (Arzt oder Krankenhausträger) zu beweisen, daß es an der Kausalität zwischen der Pflichtverletzung und dem (Körper- oder Gesundheits-)Schaden fehlt; es kommt in diesem Sinne auf der Kausalitätsebene zu einer Beweislastumkehr (s. etwa BGHZ Bd. 85, S. 212, 215 ff.; BGH NJW 1987, S. 705; NJW 1988, S. 2303, 2304; NJW 1988, S. 2948; NJW 1988, S. 2949, 2950 f.; NJW 1993, S. 2375, 2376 f.; NJW 1995, S. 1611, 1612 f.; NJW 1996, S. 1589, 1590 f.; NJW 1996, S. 2428; NJW 1997, S. 796, 797; NJW 1998, S. 814, 815; NJW 1998, S. 1782, 1783; NJW 1999, S. 861, 862; NJW 1999, S. 862; Senat, NJW-RR 2000, S. 24, 26 = MedR 2000, S. 85, 88 = OLG-NL 1999, S. 125, 129 f.; Palandt/Thomas, aaO., § 823 Rdn. 170; Münch.Komm.-Mertens, aaO., § 823 Rdn. 409; Zöller/Greger, aaO., vor § 284 Rdn. 20 a). Die Annahme der Schadenskausalität des schweren Fehlers entfällt nur, wenn ein Kausalzusammenhang mit dem eingetretenen Körper- oder Gesundheitsschaden "ganz unwahrscheinlich" ist (s. dazu BGHZ 129, 6, 12; 138, 1, 8; BGH NJW 1988, 2949, 2950 f.; NJW 1995, 778, 779; NJW 1997, 794, 795; NJW 1997, 796, 797; NJW 1998, 1782, 1784; Palandt/Thomas, aaO., § 823 Rdn. 170; Geiß/Greiner, aaO., S. 146; Steffen/Dressler, aaO., Rdn. 520 m.w.Nw.). So liegt es hier jedoch nicht.

Die bis zum Abschluß der ersten Instanz beteiligten Gutachter haben übereinstimmend vertreten, daß eine Behandlung der Hüftdysplasie in den ersten sechs Lebenswochen deutlich bessere Erfolgsaussichten hat als danach (Gutachten Dr. Be... vom 20. Dezember 1996; Gutachten Dr. Hü... vom 10. Januar 2001; vgl. auch Gutachten Prof. Dr. He... vom 3. April und 18. Juli 1997). Die außergerichtlich erstatteten Gutachten von Prof. Dr. He... vom 3. April und 18. Juli 1997 führen aus, daß bei rechtzeitiger zutreffender Diagnostik und hieran anknüpfender ordnungsgemäßer Therapie (Behandlung mit Spreizbandage und Spreizhöschen) "im weiteren Verlauf die Entwicklung einer Luxation mit nachfolgender Immobilisierung im Lorenz-Gips und/oder blutiger Reposition nicht mehr erforderlich gewesen" wäre und die zu erwartenden Folgeschäden mit hoher Wahrscheinlichkeit vermieden oder wesentlich gemindert worden wären. Demgegenüber hat sich der erstinstanzliche gerichtliche Sachverständige Dr. Hü... in seinem Gutachten vom 10. Januar 2000 tendenziell dahingehend geäußert, daß sich die hier in Rede stehenden Fehler letztlich wohl nicht ausgewirkt hätten, da die gebotene Vorstellung bei einem Orthopäden noch in den ersten sechs Lebenswochen erfolgt sei, wobei der Sachverständige Dr. Hü... freilich gleichzeitig zu erkennen gegeben hat, daß er sich diesbezüglich nicht ganz sicher sei. Vor diesem Hintergrund hat der Senat zur Frage der (negativen) Kausalität im Berufungsverfahren den orthopädischen Sachverständigen Prof. Dr. M... hinzugezogen. Danach ist die Kausalität des festgestellten schweren ("groben") Behandlungsfehlers für den Körper- und Gesundheitsschaden der Klägerin nach Überzeugung des Senats weder ausgeschlossen noch "ganz unwahrscheinlich":

Der Sachverständige Prof. Dr. M... hat zunächst die - offenbar allgemein geteilte - Ansicht bestätigt, daß die Behandlung von Luxationshüften so früh wie möglich beginnen sollte, da ein frühzeitiger Behandlungsbeginn die Erfolgsaussichten steigere und die voraussichtliche Behandlungsdauer verringere. Freilich erscheint es nach Einschätzung von Prof. Dr. Ma... angesichts der sich aus dem konkreten Behandlungsverlauf ergebenden anatomische Voraussetzungen "zweifelhaft", ob ein früherer Beginn der konservativen Behandlung "unbedingt von Erfolg gekrönt" worden wäre. Hätte bei der Klägerin nach der Geburt (zunächst) eine sogenannte "IIIer-Hüfte" vorgelegen, wären die Chancen für eine konservative Therapie recht gut gewesen. Lag jedoch - worauf nach Meinung des Sachverständigen deutlich mehr hinweist - (bereits) eine sogenannte "IVer-Hüfte" vor, so wäre die "blutige Reposition" mit den weiteren Folgebehandlungen und -beschwerden nach seiner Auffassung "mit großer Wahrscheinlichkeit" bzw. "höchstwahrscheinlich" nicht abzuwenden gewesen. In seiner mündlichen Anhörung vor dem Senat im Termin vom 11. Februar 2003 hat der Sachverständige Prof. Dr. M... hierzu näher erläutert, daß die aus seiner Sicht "äußerst geringe" Wahrscheinlichkeit des Behandlungserfolgs einer konservativen Therapie bei einer (anfänglichen) "IVer-Hüfte" immerhin noch mit bis zu oder etwa 10 % zu bemessen sei. Dies war nach dem Verlauf der Anhörung des Sachverständigen nicht etwa (nur) abstrakt auf IIIer- und IVerHüften im allgemeinen, sondern konkret (auch) auf die anatomischen Verhältnisse der Klägerin (Drehung des Oberschenkelkopfs um 90S und nach innen umgeschlagene Hüftgelenkslippe) bezogen. An der bis zu 10 %igen Erfolgswahrscheinlichkeit einer alsbald einsetzenden konservativen Behandlung hat der Sachverständige auch auf mehrmalige Nachfrage des Senats und der Parteien festgehalten. Eine Erfolgschance von immerhin 10 % rechtfertigt aber nicht die Annahme, daß die Kausalität im Rechtssinne "ganz unwahrscheinlich" ist, so daß hier die mit der Feststellung eines schweren ("groben") Behandlungsfehlers verbundene Beweislastumkehr zum Tragen kommt. Dies gilt erst recht bei Mitberücksichtigung der von der Klägerin vorgelegten Privatgutachten von Prof. Dr. Sch... vom 23. Dezember 2002, Prof. Dr. He... vom 27. Dezember 2002 und PD Dr. M... vom 13. Januar 2003. Nach deren Ansicht wäre bei einer früheren Diagnose und Therapie ("Sofortbehandlung") die Luxation und die blutige Reposition vermeidbar gewesen.

Vor diesem Hintergrund bedurfte es nicht zusätzlich noch einer - von den Parteien angeregten - Klärung der Frage, ob bei der Klägerin (anfänglich) eine sogenannte "IIIer-Hüfte" oder eine "IVer-Hüfte" vorgelegen hat, im Wege einer genaueren Auswertung der gegen Ende der letzten mündlichen Verhandlung überraschend präsentierten Sonogramme. Bei einer "IIIer-Hüfte" wäre die Erfolgswahrscheinlichkeit unzweifelhaft gegeben. Aber auch bei einer "IVer-Hüfte" wäre der Erfolg einer sofort einsetzenden konservativen Therapie - wie ausgeführt -mit bis zu 10 % nicht "ganz unwahrscheinlich" oder gar "ausgeschlossen" gewesen. Somit kommt es hier im Ergebnis nicht darauf an, ob (anfänglich) eine "IIIer-Hüfte" oder eine "IVer-Hüfte" vorlag. Der Senat sieht sich aus diesen Gründen nicht gehalten, in diesen nun schon mehr als 4 1/2 Jahre währenden Prozeß in eine nochmalige Beweisaufnahme einzutreten.

Unter danach gebotener Zugrundelegung einer nicht ganz unwahrscheinlich erfolgreichen konservativen Behandlung ist zugunsten der Klägerin davon auszugehen, daß es ohne den festgestellten schweren ("groben") Behandlungsfehler weder zu der "blutigen Reposition" vom 4. Januar 1996 noch zu den sich daran anschließenden (stationären) Folgebehandlungen, Beschwerden und (dauernden) Beeinträchtigungen gekommen wäre. Dies hat der Sachverständige Prof. Dr. M... - zur Überzeugung des Senats - als bis zu 10 % wahrscheinlich und damit nicht ganz unwahrscheinlich bestätigt.

d) Die Haftung der Beklagten entfällt auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines etwa fehlenden Zurechnungszusammenhangs. Der schadensersatzrechtlichen Verantwortung der Beklagten stehen etwaige (Behandlungs-)Fehler der nachbehandelnden Ärzte, insbesondere der Kinderärztin Dr. E... und des Orthopäden Dipl.-Med. F..., nicht entgegen. Das Dazwischentreten einer Zweitursache, insbesondere auch in Gestalt des Handelns eines Dritten, unterbricht den Zurechnungszusammenhang gegenüber der Erstursache nur, wenn die Erstursache für die Zweitursache völlig bedeutungslos gewesen ist, das dazwischentretende Verhalten des Dritten also etwa völlig ungewöhnlich und unsachgemäß war, so daß bei wertender Betrachtung ein nur "äußerer", gleichsam "zufälliger" Zusammenhang zwischen der Erstursache und der Zweitursache besteht. Hat sich demgegenüber das Schadensrisiko der Erstursache, d. h. die hierdurch geschaffene Gefahrenlage, in der Zweitursache noch verwirklicht, so bleibt der Zurechnungszusammenhang zwischen der Erstursache und dem Schadenseintritt erhalten (s. BGHZ Bd. 106, S. 313, 316 f.; BGH NJW 1989, S. 767, 768; NJW 1992, S. 1381, 1382, NJW 1997, S. 865, 866; NJW 2000, S. 947, 948; Palandt/Heinrichs, BGB, 61. Aufl. 2002, vor § 249 Rdn. 73, 74 ff; Münch.Komm.-Oetker, BGB, Bd. 2, 4. Aufl. 2001, § 249 Rdn. 127 ff, 136 ff, 150 ff; Münch.Komm.-Mertens, BGB, Bd. 5, 3. Aufl. 1997, § 823 Rdn. 16). Diese allgemeinen Grundsätze gelten im wesentlichen auch für die Arzthaftung (s. BGH NJW 1986, S. 2367 f.; Steffen/Dressler, aaO., Rdn. 243 ff. m.w.Nw.). Der Zurechnungszusammenhang entfiele hier demzufolge nur dann, wenn feststeht, daß sich der Fehler des Krankenhauses der Beklagten auf die weitere Behandlung der Klägerin nicht ausgewirkt hätte, weil er durch das Verhalten der weiterbehandelnden Ärzte gleichsam neutralisiert worden ist. Dies ist hier aber nicht der Fall. Denn eine etwaige den nachbehandelnden Ärzten anzulastende weitere Verzögerung der sonographischen Abklärung und konservativen Behandlung der Hüftdysplasie würde sich nicht als völlig ungewöhnlich und neutralisierend, sondern eher als Fortwirkung der Fehler des Krankenhauses der Beklagten darstellen.

e) Für die der Beklagten nach den vorstehenden Ausführungen haftungsmäßig anzulastenden Körper- und Gesundheitsschäden der Klägerin steht ihr ein Schmerzensgeldbetrag von 25.000,- EUR zu.

Die Bemessung des Schmerzensgeldes erfolgt gemäß § 287 ZPO nach billigem Ermessen des Gerichts anhand einer typisierenden Betrachtungsweise vergleichbarer Fälle unter Berücksichtigung der Genugtuungs- und Ausgleichsfunktion des Schmerzensgeldes, der Art und Dauer der eingetretenen Folgen, des Maßes des Verschuldens des Schädigers, eines etwaigen Mitverschuldens des Geschädigten und der wirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten (s. dazu BGHZ [GrZS] Bd. 18, S. 149, 150 ff., 157 ff; BGHZ Bd. 128, S. 117, 119, 120 f.; Senat, NJW-RR 2000, S. 24, 27 = MedR 2000, S. 85, 88 = OLG-NL 1999, S. 125, 130; Palandt/Thomas, BGB, 61. Aufl. 2002, § 847 Rdn. 4, 6, 10 f.; Münch.Komm.-Stein, BGB, Bd. 5, 3. Aufl. 1997, § 847 Rdn. 3 ff., 18 ff. m.w.Nw.). Gewisse Orientierung geben für den vorliegenden Fall gerichtliche Entscheidungen, die für schwerere Hüftgelenksbeeinträchtigungen je nach Fall Beträge zwischen 25.000,- DM und 60.000,- DM zuerkannt haben (s. Slizyk, Beck'sche Schmerzensgeld-Tabelle, 3. Aufl. 1997, S. 286 - 288 m.w.Nw.). Die Entscheidung des OLG Hamburg vom 6. Juni 1980 (1 U 115/79), die für die viermonatige Verzögerung der Behandlung einer Hüftdysplasie bei einem 2 Monate alten Mädchen einen Schmerzensgeldbetrag von - nur - 2.000,- DM zugesprochen hat (s. Hempfing, Ärztliche Fehler - Schmerzensgeld-Tabellen, Rdz. 57), wird den hier zu berücksichtigenden Beeinträchtigungen der Klägerin erkennbar nicht gerecht und hat daher als Orientierungsvorgabe außer Betracht zu bleiben. Die Klägerin hat in 1996 bis 1999, also über vier Jahre hinweg, eine Reihe von stationären Krankenhausaufenthalten und operativen Eingriffen durchstehen müssen. Aufgrund der langandauernden stationären Behandlung sind bei ihr, wie einfühlbar ist und durch schulärztliche Bescheinigung vom 27. März 2001 bestätigt wird, Verzögerungen im psychosozialen und emotionalen Bereich aufgetreten, so daß der Schulbesuch um ein Jahr zurückgestellt werden mußte. Die Hüftbehandlung ist - bei Einbeziehung laufender Kontrolluntersuchungen - noch nicht vollständig abgeschlossen. Gegenwärtig leidet die Klägerin noch unter Schmerzen beim Hüpfen auf einem Bein. Auch kann sie ihre Beine nicht so hoch bekommen wie andere Kinder. Nach den Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. M..., der die Klägerin auf Ersuchen des Senats ärztlich untersucht hat, bestehen Einschränkungen bei der Streck-, Beuge- und Abspreizfähigkeit der Hüftgelenke und eine Fehlstellung beider Schenkelhälse. Es befinden sich reizlose bis zu 15 - 20 cm lange Operationsnarben an den Beinen, vor allem an den beiden Oberschenkeln. Der Gang der Klägerin ist derzeit zwar unauffällig und schmerzfrei. Im Laufe des Wachstums kann nach Einschätzung des Sachverständigen jedoch ein weiterer operativer Eingriff nötig werden, um die Winkelverhältnisse an den Oberschenkelknochen zu verändern. Möglicherweise können (dann) auch muskuläre Insuffizienzen auftreten, die bis zum (dauernden) Hinken führen können. Für spätere Zeiten besteht nach den Ausführungen von Prof. Dr. M... ein deutlich erhöhtes Arthroserisiko und die Zahl der ausgetragenen Schwangerschaften sollte zwei nicht übersteigen. Die schwerwiegenden Belastungen, die die Klägerin seit Anfang 1996 auf sich nehmen mußte, und die andauernden Beeinträchtigungen - zu denen als Folge des auf Seiten der Beklagten unterlaufenen schweren ("groben") Behandlungsfehlers davon auszugehen ist, daß sie bei alsbaldiger konservativer Behandlung vermieden worden wären - rechtfertigen nach Ansicht des Senats einen Schmerzensgeldbetrag von insgesamt 25.000,- EUR. Mit diesem Betrag sind die bis jetzt eingetretenen Beeinträchtigungen, das erhöhte Arthroserisiko, die Lebensplanungsvorgabe von maximal zwei ausgetragenen Schwangerschaften und die mit der Ungewissen Zukunftsprognose (Folgeoperation; dauerndes Hinken) verbundenen (psychischen) Belastungen abgegolten, nicht hingegen die etwa noch auftretenden gravierenden Zukunftsschäden selbst (erhebliche Arthroseschäden oder operative Folgeeingriffe; dauerndes Hinken), deretwegen ein immaterieller Vorbehalt [s. im folgenden, g)]) auszusprechen ist.

f) Der Zinsanspruch der Klägerin ergibt sich aus § 288 Abs. 1 Satz 1, § 284 Abs. 1 Satz 2, § 285, § 291 BGB (a. F.), Art. 229 § 1 Abs. 1 EGBGB.

g) Der Feststellungsantrag ist insgesamt begründet, da der Eintritt materieller Schäden wahrscheinlich ist und die Möglichkeit zukünftiger - auch immaterieller - Folgeschäden nicht fern liegt, vor allem im Zusammenhang mit gravierenden Artroseschäden, nochmaligen operativen (Folge-)Eingriffen und (dauernden) Gehbehinderungen. Für die Begründetheit des Feststellungsbegehrens genügt in bezug auf bereits entstandene Schäden die Darlegung einer gewissen Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts (s. BGH NJW 1991, S. 2707, 2708 m.w.Nw.; NJW 1992, S. 697, 698; Senat, NJW-RR 2000, S. 24, 27 = MedR 2000, S. 85, 88; = OLG-NL 1999, S. 125, 130; Stein/Jonas, ZPO, 21. Aufl. 1997, § 256 Fn. 181). Für die Darlegung der Wahrscheinlichkeit künftiger Schadensfolgen reicht es aus, daß die Möglichkeit solcher Folgeschäden nicht eben fern liegt (s. BGH NJW-RR 1989, S. 1367; VersR 1991, S. 779, 780; NJW 1998, S. 160; Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, 9. Aufl. 2002, Rdn. 632).

III. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf § 91 ZPO sowie auf § 708 Nr. 10, § 711, § 709 Satz 2 ZPO (n. F.) [in Verbindung mit Art. 53 Nr. 3 ZPO-RG]. Für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 ZPO (n. F.) [in Verbindung mit Art. 53 Nr. 3 ZPO-RG; § 26 Nr. 7 EGZPO] hat der Senat keinen Anlaß gesehen. Die Sache hat als Einzelfallentscheidung keine grundsätzliche Bedeutung. Die Zulassung der Revision ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.

Ende der Entscheidung

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