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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 08.05.2002
Aktenzeichen: 1 U 28/01
Rechtsgebiete: StGB, BGB, ZPO, GKG


Vorschriften:

StGB § 186
StGB § 193
BGB § 1004
BGB § 823 Abs. 1
BGB § 823 Abs. 2
BGB § 1004 Abs. 1 Satz 2
ZPO § 3
ZPO § 705
ZPO § 920 Abs. 2
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 542 Abs. 2
GKG § 20 Abs. 1
GKG § 25 Abs. 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

1 U 28/01 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 8. Mai 2002

verkündet am 8. Mai 2002

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 10. April 2002 durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Verfügungsbeklagten gegen das am 17. Oktober 2001 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Cottbus wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Verfügungsbeklagte zu tragen.

Der Gegenstandswert des Verfahrens in erster Instanz wird - insoweit unter Abänderung des angefochtenen Urteils - auf 10.000,- DM, der Streitwert für die Berufungsinstanz auf 5.000,- Euro festgesetzt.

Tatbestand:

Der Verfügungskläger ist Journalist und Leiter der Lokalredaktion C bei der "L R" und nimmt die Verfügungsbeklagte, Verlegerin der Zeitung "Der M B", im einstweiligen Verfügungsverfahren auf Unterlassung einer Äußerung in Anspruch.

Auf Seite 2 der Ausgabe der Zeitung "Der M B" vom 15. August 2001 erschien ein Artikel unter der Überschrift "LR: Nichts geht hier ohne Anwalt", in dem es unter anderem heißt:

"Redakteur N bestätigt, daß in der Redaktion die IM-Vergangenheit seines Mitarbeiters K W bekannt war."

Hintergrund des Artikels war eine Auseinandersetzung zwischen den Zeitungen "L" R (LR) und "Der M B" um Artikel der Journalistin S W in der "L R" über die Tätigkeit ehemaliger Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR (MfS) in C Unternehmen und Handwerksbetrieben. In der Ausgabe vom 8. August 2001 der Zeitung "Der M B" hatte der Geschäftsführer der Verfügungsbeklagten in einem Beitrag unter der Überschrift "Interviews im Verhör-Stile" diese Artikel kritisiert und seinerseits - unter anderem - über die Tätigkeit des bei der LR tätigen Journalisten K W als "hochproduktiver" inoffizieller Mitarbeiter (IM) des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR (MfS) berichtet. K W war zu Zeiten der früheren DDR Leiter der Redaktion der "M U", der Zeitung der DDR-CDU, in C

Der Verfügungskläger hat mit seinem am 17. August 2001 eingereichten Antrag den Erlaß einer einstweiligen Verfügung begehrt, wonach dem Verfügungsbeklagten zu untersagen sei, zu behaupten bzw. behaupten zu lassen oder den Eindruck zu erwecken oder erwecken zu lassen, er, der Verfügungskläger habe bestätigt, daß in der Redaktion der L R die IM-Vergangenheit seines Mitarbeiters K W bekannt gewesen sei, insbesondere wenn dies geschehe wie in dem Beitrag "LR: Nichts geht hier ohne Anwalt" in der Zeitung "Der M B" vom 15. August 2001 auf Seite 2.

Der Verfügungskläger hat behauptet, er habe weder wörtlich noch sinngemäß bestätigt, daß in der Redaktion der LR die IM-Vergangenheit seines Mitarbeiters K W bekannt gewesen sei. Er habe erst aufgrund des Artikels in "Der M B" vom 8. August 2001 von einer IM-Tätigkeit des Herrn W erfahren und sei bis zu einem Gespräch mit Herrn W am 10. August 2001 davon ausgegangen, daß dieser nicht als IM des MfS tätig gewesen sei. Die verfahrensgegenständliche Pressemeldung stelle sonach eine falsche Tatsachenbehauptung dar, die geeignet sei, seinen Ruf als Journalist erheblich zu beeinträchtigen, werde dadurch doch suggeriert, daß er über längere Zeit hinweg bewußt mit einem ehemaligen IM des MfS zusammengearbeitet habe. Zur Glaubhaftmachung seines Vorbringens hat der Verfügungskläger eigene eidesstattlich versicherte Erklärungen vom 15. August und 21. September 2001 vorgelegt.

Das Landgericht Cottbus hat die einstweilige Verfügung antragsgemäß durch Beschluß vom 22. August 2001 erlassen. Hiergegen hat die Verfügungsbeklagte mit Schriftsatz vom 6. September 2001 Widerspruch eingelegt.

Der Verfügungskläger hat beantragt,

die einstweilige Verfügung vom 22. August 2001 zu bestätigen.

Die Verfügungsbeklagte hat beantragt,

die einstweilige Verfügung vom 22. August 2001 aufzuheben und den Antrag auf ihren Erlaß zurückzuweisen.

Sie hat behauptet, der Verfügungskläger habe in einem Telefongespräch mit ihrem Geschäftsführer vom 14. August 2001 sinngemäß erklärt, daß die IM-Tätigkeit des Herrn W schon seit längerem in der Redaktion der LR bekannt gewesen sei. Dies könne auch die Mitarbeiterin S N bestätigen, die das Telefonat über den eingeschalteten Raumton mitangehört habe. Es handele sich somit um eine wahre Pressemeldung, deren Unterlassung nicht geschuldet sei. Zur Glaubhaftmachung ihres Vorbringens hat die Verfügungsbeklagte eidesstattlich versicherte Erklärungen ihres Geschäftsführers und der Frau S N vom 6. September 2001 vorgelegt.

Der Verfügungskläger hat entgegnet, am 9. August 2001 habe ein etwa 10 Minuten dauerndes Telefonat zwischen ihm und dem Geschäftsführer der Verfügungsbeklagten stattgefunden, in dem er, der Verfügungskläger, die streitige Äußerung weder wörtlich noch sinngemäß abgegeben habe. Zudem sei er nicht darauf hingewiesen worden, daß eine dritte Person das Telefongespräch mitanhöre; solches hätte er auch nicht gestattet. Über heimliches Mithören sei somit in sein Persönlichkeitsrecht eingegriffen worden. Die eidesstattlich versicherte Erklärung der Frau N dürfe als ein rechtswidrig erlangtes Glaubhaftmachungsmittel nicht verwertet werden.

Durch sein am 17. Oktober 2001 verkündetes Urteil, auf das ergänzend Bezug genommen wird, hat das Landgericht Cottbus die einstweilige Verfügung vom 22. August 2001 bestätigt. Zur Begründung hat das Landgericht im wesentlichen ausgeführt: Dem Verfügungskläger stehe ein Unterlassungsanspruch nach § 823 Abs. 1 und 2, § 1004 BGB i.V.m. § 186 StGB zu. Die streitige Behauptung sei geeignet, den Verfügungskläger in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen, und ihre Wahrheit seitens der insoweit beweisbelasteten Verfügungsbeklagten nicht glaubhaft gemacht worden. Den sich gegenüberstehenden eidesstattlich versicherten Erklärungen komme zwar grundsätzlich ein gleicher Beweiswert zu. Während die Erklärung des Verfügungsklägers eine umfangreiche eigene Sachdarstellung enthalte, seien aber die Erklärungen des Geschäftsführers der Verfügungsbeklagten und der Frau N sehr knapp gefaßt und inhaltsarm. Für eine Rechtfertigung nach § 193 StGB ergebe sich kein genügender Anhalt.

Gegen dieses ihr am 29. Oktober 2001 zugestellte Urteil hat die Verfügungsbeklagte mit Eingang vom 29. November 2001 Berufung eingelegt und ihr Rechtsmittel - nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 31. Januar 2002 durch Verfügung des Senatsvorsitzenden vom 21. Dezember 2001 - mit Schriftsatz vom 31. Januar 2002, eingegangen am selben Tage, begründet.

Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und führt unter Vorlage eidesstattlich versicherter Erklärungen ihres Geschäftsführers und der Frau N vom 12. Dezember 2001 ergänzend aus: Das Landgericht habe die vorgelegten eidesstattlich versicherten Erklärungen unzutreffend gewürdigt. Es habe insbesondere außer acht gelassen, daß sich Frau N als Zeugin, also nicht nur als Partei oder Parteivertreter, geäußert habe und ihrer Erklärung daher ein höherer Beweiswert zukomme. Die streitige Äußerung habe der Verfügungskläger in einem etwa zwei bis drei Minuten dauernden Telefongespräch am frühen Nachmittag des 14. August 2001 abgegeben. Der Geschäftsführer der Verfügungsbeklagten habe vereinbarungsgemäß Herrn W anrufen wollen, um ihm Rede zu stehen, sei dann aber mit dem Verfügungskläger verbunden worden, der ihn in dieser Sache habe sprechen wollen. Der Raumton des Telefons sei eingeschaltet gewesen, um Frau N die Möglichkeit zu geben. Notizen über den wesentlichen Inhalt des Gesprächs in dieser streitigen Angelegenheit anzufertigen. Das Gespräch habe keinen vertraulichen Charakter gehabt, so daß das Mithören durch Frau N zulässig gewesen sei, ihr Zeugnis also auch verwertet werden könne. Der Verfügungskläger habe bei diesem Telefonat erklärt: "Das wissen Sie doch sicher besser als ich, daß einer, der verantwortlicher Bezirksredakteur bei einer CDU-Zeitung in C war, für die Staatssicherheit arbeiten mußte." Hieraus habe sich vor dem Hintergrund der Vorgeschichte der Schluß ergeben, daß in der Redaktion der LR bekannt gewesen sei, daß Herr W als "IM" für das MfS tätig gewesen sei.

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die einstweilige Verfügung vom 22. August 2001 aufzuheben und den Antrag auf ihren Erlaß zurückzuweisen.

Der Verfügungskläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er nimmt Bezug auf sein erstinstanzliches Vorbringen und die Ausführungen der angefochtenen Entscheidung. Er hält die Wahrheit der streitigen Pressemeldung nach wie vor für nicht erwiesen und die eidesstattlich versicherten Erklärungen der Frau N für unverwertbar. Er bezieht sich des weiteren auf eine eidesstattlich versicherte Erklärung der Frau S St vom 9. April 2002.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die in beiden Rechtszügen eingereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.

Der Senat hat im Verhandlungstermin vom 10. April 2002 die von der Verfügungsbeklagten gestellte Zeugin S N zur Frage des Datums, der Umstände und des Inhalts des Telefongespräches zwischen dem Verfügungskläger und dem Geschäftsführer der Verfügungsbeklagten vernommen. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift vom 10. April 2002 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I. Die statthafte sowie form- und fristgerecht bei dem zuständigen Brandenburgischen Oberlandesgericht eingelegte und begründete und auch im übrigen zulässige Berufung (§§ 511, 511 a Abs.1, §§ 516, 518 f. ZPO [a. F.], § 119 Abs. 1 Nr. 3 GVG [a. F.]) bleibt in der Sache ohne Erfolg. Das Landgericht hat den Unterlassungsanspruch des Verfügungsklägers zu Recht für hinreichend glaubhaft gemacht angesehen.

1. Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung auf Unterlassung ist zulässig. Im Hinblick auf den vorläufigen Charakter des einstweiligen Verfügungsverfahrens als summarisches Erkenntnisverfahren (arg. §§ 926, 927, 936 ZPO; s. etwa Baumbach/Hartmann, ZPO, 60. Aufl. 2002, Grdz. § 916 Rdn. 5, 12; Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Aufl. 2002, vor § 916 Rdn. 3) ist eine Vorwegnahme der Hauptsache zwar grundsätzlich unzulässig. Hiervon ausgenommen sind jedoch Fälle, in denen der Verfügungskläger dringend auf einen gerichtlichen Titel angewiesen ist und ihm ein Abwarten auf eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht zugemutet werden kann; letzteres gilt etwa auch für Ansprüche auf Unterlassung ehrkränkender Äußerungen, wenn die Wiederholung der Äußerungen zu befürchten ist (arg. § 938 Abs. 2 ZPO; s. Baumbach/Hartmann, aaO., Grdz. § 916 Rdn. 5 ff., 8; § 940 Rdn. 28 "Ehre" und Rdn. 40 "Presserecht/Beleidigung"; OLG Koblenz OLGZ 1990, S. 246 ff.; OLG Stuttgart, MDR 1961, S. 1024; Zöller/Vollkommer, aaO., § 935 Rdn. 2, § 938 Rdn. 3 ff. und § 940 Rdn. 6). Die demnach erforderliche Eilbedürftigkeit liegt hier vor. Die Auseinandersetzung zwischen den Zeitungen "L R" und "Der M B" begründet aus der verobjektivierten Sicht des Verfügungsklägers die Besorgnis, daß die verfahrensgegenständliche Äußerung von der Zeitung der Verfügungsbeklagten wiederholt wird, falls sie eine gerichtliche Entscheidung nicht daran hindert. Die Wiederholungsgefahr wird regelmäßig vermutet, wenn bereits eine Verletzungshandlung (Äußerung) vorliegt (s. etwa BGHZ Bd. 140, S. 1, 10 = NJW 1999, S. 356, 358 f.; NJW 1987, S. 2225, 2227; NJW 1986, S. 2503, 2505; Palandt/Thomas, BGB, 61. Aufl. 2002, vor § 823 Rdn. 24; Palandt/Bassenge, aaO., § 1004 Rdn. 32; Münch.Komm.-Rixecker, BGB, Bd. 1, 4. Aufl. 2001, Anhang § 12 Rdn. 179). An die Widerlegung der hiernach indizierten Wiederholungsgefahr werden strenge Anforderungen gestellt; im allgemeinen muß der Verletzer (Äußernde) eine - vertragsstrafenbewehrte - Unterlassungserklärung abgeben, die nach Lage des Einzelfalles geeignet ist, ihn wirklich und ernsthaft von einer Wiederholung der Verletzungshandlung (Äußerung) abzuhalten (s. dazu BGH MDR 2000, S. 1233; NJW 1987, S. 3251, 3252; Palandt/Thomas, aaO., vor § 823 Rdn. 24 m.w.Nw.; Münch.Komm.-Rixecker, aaO., Anhang § 12 Rdn. 179). Eine solche Erklärung, aus der für den Verfügungskläger die zuverlässige Einschätzung erwächst, daß er eine Wiederholung der Verletzungshandlung (Äußerung) nicht mehr zu befürchten hat, hat die Verfügungsbeklagte offensichtlich nicht abgegeben. Andere Umstände, die der Annahme der Wiederholungsgefahr entgegenstehen könnten, sind weder vorgetragen worden noch sonst erkennbar.

2. Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung ist auch begründet.

a) Der Verfügungsgrund ergibt sich aus der vorstehend ausgeführten Eilbedürftigkeit des Unterlassungsbegehrens.

b) Der Verfügungskläger hat auch hinreichend glaubhaft gemacht, daß ihm der geltend gemachte Unterlassungsanspruch (Verfügungsanspruch) zusteht.

Der Unterlassungsanspruch findet seine Grundlage in § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB (analog) in Verbindung mit § 823 Abs. 1 BGB, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG (allgemeines Persönlichkeitsrecht) bzw. in Verbindung mit § 823 Abs. 2 BGB, § 186 StGB (üble Nachrede). Bei dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG) handelt es sich um ein subjektives Recht des Einzelnen auf Achtung und Entfaltung seiner individuellen Persönlichkeit gegenüber dem Staat und im privaten Rechtsverkehr (vgl. BVerfGE Bd. 65, S. 1, 41 f.; BVerfG NJW 1989, S. 891; BGHZ Bd. 24, S. 72, 76; Senat, NJW 1999, S. 3339, 3340; Palandt/Thomas, aaO., § 823 Rdn. 176 f.; Münch.Komm.-Rixecker, aaO., Anhang § 12 Rdn. 1 ff.). Es ist als eines der "sonstigen Rechte" im Sinne von § 823 Abs. 1 BGB anerkannt (s. nur BGHZ Bd. 24, S. 72, 76 f.; Bd. 27, S. 284, 285 f.; Senat, aaO.; Palandt/Thomas, aaO., § 823 Rdn. 175 ff.). Im Falle einer unwahren Tatsachenbehauptung kommt neben § 823 Abs. 1 BGB auch § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 186 StGB als Anspruchsgrundlage in Betracht. § 186 StGB (üble Nachrede) zählt zum Kreis der Schutzgesetze im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB (s. BGHZ Bd. 95, S. 212, 214 ff.; Senat, aaO.; Palandt/Thomas, aaO., § 823 Rdn. 149, 176; Münch.Komm.-Mertens, BGB, Bd. 5, 3. Aufl. 1997, § 823 Rdn. 194 m.w.Nw.).

Aus der maßgeblichen Sicht des unbefangenen Durchschnittsrezipienten (s. BVerfG NJW 1989, S. 1789; BGHZ Bd. 128, S. 1, 6; BGH NJW 1994, S. 2614, 2615; BGH NJW 1995, S. 861, 862; Senat, NJW 1999, S. 3339, 3340 f. m.w.Nw.; Palandt/Thomas, aaO., § 824 Rdn. 3 m.w.Nw.; Münch.Komm.-Rixecker, aaO., Anhang § 12 Rdn. 128) stellt sich die hier streitige Äußerung als Tatsachenbehauptung dar. Sie ist zudem geeignet, Ruf und Ansehen des Verfügungsklägers in der Öffentlichkeit herabzusetzen, da der Eindruck entsteht, der Verfügungskläger habe als Journalist und Leiter der Lokalredaktion bewußt mit einer Person zusammengearbeitet, die als "IM" des MfS tätig gewesen ist. Ein "IM" (Inoffizieller Mitarbeiter) gilt allgemein als jemand, der sich bewußt und verbindlich in den Dienst des MfS und des von diesem in der DDR installierten Systems von Denunziation und Unterdrückung gestellt und hierbei unter Bruch ihm entgegengebrachten Vertrauens andere Personen bespitzelt, angeschwärzt und ihnen dadurch vielfach auch Schaden zugefügt hat. Vor diesem Hintergrund entstehen aus der Sicht der kritischen Öffentlichkeit Zweifel an der persönlichen Integrität eines als Journalist in der freiheitlichen Demokratie tätigen ehemaligen "IM", und es werden Schatten auch auf diejenigen geworfen, die mit ihm in Kenntnis seiner früheren IM-Tätigkeit journalistisch zusammenarbeiten.

Die Wahrheit der streitigen Pressemeldung hat die Verfügungsbeklagte nicht darzutun vermocht. Aufgrund der über § 823 Abs. 2 BGB in den zivilrechtlichen Ehrenschutz transformierten Beweisregel des § 186 StGB ist es - jedenfalls bei Unterlassungsanprüchen - Sache des Anspruchsgegners, die Wahrheit einer zur Verletzung der Ehre des Anspruchstellers geeigneten Tatsachenbehauptung zu beweisen (s. BGH NJW 1985, S. 1621, 3 622; NJW 1987, S.2225, 2226; BGHZ Bd. 132, S. 13, 23 = NJW 1996, S. 1131, 1133; BGH NJW 1998, S. 3047, 3049; Münch.Komm.-Rixecker, aaO., Anhang § 12 Rdn. 135; Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl. 2002, vor § 284 Rdn. 21). Im einstweiligen Verfügungsverfahren gelten - jedenfalls nach Beteiligung (Anhörung) des Verfügungsbeklagten (Antragsgegners) - insoweit keine Besonderheiten; § 920 Abs. 2 ZPO enthält keine Sonderregelung für die Beweislastverteilung, sondern erleichtert die Beweisführung durch Zulassung der Glaubhaftmachung (§ 294 ZPO) (s. OLG Koblenz OLGZ 1990, S. 246, 247; Zöller/Vollkommer, aaO., vor § 916 Rdn. 6 a m.w.Nw., § 922 Rdn. 5 und § 935 Rdn. 8; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 24. Aufl. 2002, vor § 916 Rdn. 9; a.A. wohl Baumbach/Hartmann, ZPO, 60. Aufl. 2002, § 920 Rdn. 8).

In Würdigung des Partei Vorbringens in beiden Instanzen, insbesondere auch der vorgelegten eidesstattlich versicherten Erklärungen sowie des Ergebnisses der Vernehmung der Zeugin S N im Termin vom 10. April 2002 geht der Senat allerdings davon aus, daß der Verfügungskläger bei dem streitigen Telefonat mit dem Geschäftsführer der Verfügungsbeklagten wörtlich oder doch zumindest sinngemäß geäußert hat: "Das wissen Sie doch besser als ich, daß einer, der leitender Redakteur bei der 'M U' in C war, für die Staatssicherheit arbeiten mußte: das war doch selbstverständlich". Dies hat die Zeugin N in ihrer Vernehmung glaubhaft bestätigt und ergibt sich sowohl aus ihrer eigenen eidesstattlichen Versicherung vom 12. Dezember 2001 als auch aus der eidesstattlichen Versicherung des Geschäftsführers der Verfügungsbeklagten vom 12. Dezember 2001. Den Anschein eines Widerspruches zwischen den eidesstattlichen Versicherungen der Zeugin N und des Geschäftsführers der Verfügungsbeklagten vom 6. September 2001 hat die Zeugin N aufzuklären und letztlich zu beseitigen vermocht, indem sie überzeugend und nachvollziehbar dargelegt hat, daß sie für ihre Person zwischen einer "Zusammenarbeit mit der Staatssicherheit" und einer "IM-Tätigkeit" keinen (wesentlichen) Unterschied gesehen und das Erstgenannte im Sinne des Letzterwähnten interpretiert habe.

Der Aussage von Frau N kommt insgesamt ein gesteigerter Glaubhaftmachungswert zu, da sie - anders als der Verfügungskläger und der Geschäftsführer der Verfügungsbeklagten (§ 455 Abs. 1 ZPO, § 35 Abs. 1 GmbHG) - nicht Partei, sondern Zeugin ist. Unter Mitberücksichtigung dieses Umstandes wird die Darstellung der Zeugin N weder durch die Leugnung des Verfügungsklägers erschüttert noch durch die eidesstattlich versicherte Erklärung der Frau S St vom 9. April 2002, die sich im wesentlichen nur auf den Streit um das genaue Datum des Telefongespräches bezieht.

Das Zeugnis der Frau N ist nach Lage des Falles nicht unverwertbar. Zwar gilt der Grundsatz, daß das allgemeine Persönlichkeitsrecht auch das Recht auf Bestimmung des Personenkreises umfaßt, der das eigene gesprochene Wort vernehmen soll (vgl. BVerfGE Bd. 54, S. 148, 155; S. 208, 218). Danach kann ein unbefugtes heimliches Ab- oder Mithören einen rechtswidrigen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht darstellen; solchenfalls unterliegt das dadurch gewonnene Beweismittel einem Verwertungsverbot (vgl. BVerfGE Bd. 34, S. 238, 245 ff; BVerfG NJW 1992, S. 815 f.; BGH NJW 1988, S. 1016 f.; Baumbach/Hartmann, aaO., vor § 371 Rdn. 12 m.w.Nw.). Ob das Mithören eines Telefonats das Persönlichkeitsrecht verletzt und daher zu einem Beweisverwertungsverbot fahrt, ist jedoch Frage des Einzelfalls (s. BGH NJW 1994, S. 2289, 2292 f.; Baumbach/Hartmann, aaO., vor § 371 Rdn. 14 ff.). Angesichts der Verbreitetheit und Üblichkeit solcher Verhaltensweisen im Wirtschaftsleben wird es inzwischen als zulässig angesehen, daß geschäftliche Telefongespräche im Wege einer standardmäßigen Mithöreinrichtung - insbesondere: durch Raumtontaste - mit Wissen eines der beiden Gesprächsteilnehmer durch einen Dritten mitgehört werden, sofern der andere Gesprächspartner mit dergleichen rechnen mußte und nicht erkennbar auf Vertraulichkeit Wert gelegt hat oder in bezug auf das Mithören eines Dritten getäuscht worden ist (s. BGH NJW 1982, S. 1397, 1398; OLG Düsseldorf, NJW 2000, S. 1578 f.; Baumbach/ Hartmann, aaO., vor § 371 Rdn. 15; Zöller/Greger, aaO., § 286 Rdn. 15 b; Musielak/Foerste, ZPO, 2. Aufl. 2000, § 286 Rdn. 8; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 24. Aufl. 2002, § 286 Rdn. 8). Danach stellte hier das Mithören des Telefonats durch Frau S N keinen rechtswidrigen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Verfügungsklägers dar, so daß ihre Zeugenaussage bzw. eidesstattlich versicherte Erklärung keinem Verwertungsverbot unterliegt. Es handelte sich nicht um ein privates, sondern um ein geschäftliches Gespräch, zwischen zwei Redakteuren konkurrierender Zeitungen, das über dienstliche Apparate geführt wurde. In einer derartigen Situation ist mit Mithören über Raumton zu rechnen. Es ist auch weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, daß der Verfügungskläger bei dem Telefonat vom 14. August 2001 erkennbar Wert auf Vertraulichkeit des Gesprächs gelegt hätte oder gar seitens des Geschäftsführers der Verfügungsbeklagten dahingehend getäuscht worden wäre, daß das Gespräch vertraulich sei und bleibe. Wegen der vorangegangenen kontroversen Berichterstattung und des wechselseitig erhobenen Vorwurfes von mangelnder journalistischer Redlichkeit und "Enthüllungsjournalismus" hatte sich der Verfügungskläger vielmehr eher darauf einzustellen, daß sein Gesprächspartner einen Dritten als "Zeugen des Gesprächs" in dieser schwelenden und durchaus "brisanten" Sache mithören lassen würde.

Wie sich insbesondere aufgrund der Erörterung der Sache in der mündlichen Verhandlung vom 10. April 2002 ergeben hat, läßt sich aus einer Äußerung des Verfügungsklägers wie "Das wissen Sie doch besser als ich, daß einer, der leitender Redakteur bei der 'M U' in C war, für die Staatssicherheit arbeiten mußte; das war doch selbstverständlich" aber nicht, erst recht nicht zwingend, herleiten, daß der Verfügungskläger damit bestätigt habe, daß in der Redaktion die "IM-Vergangenheit" seines Mitarbeiters [K W] bekannt war. Es macht einen erheblichen Unterschied, ob ein leitender Redakteur einer Blockpartei-Zeitung in der ehemaligen DDR sich gewissermaßen "routinegemäß" Kontakten auch mit dem Staatssicherheitsdienst nicht verweigern konnte und in dieser Weise mit dem Staatssicherheitsdienst zusammenarbeiten mußte oder als "IM" tätig war. Die - offenbar "übliche"-Zusammenarbeit von DDR-Journalisten mit dem MfS erreichte nicht den Grad von heimlicher Bespitzelung und Denunziation anderer Personen, etwa auch zu Lasten direkter Kollegen, wie sie nach verbreitetem Verständnis für eine "IM-Tätigkeit" kennzeichnend ist. Die wörtliche oder sinngemäße Erklärung, in der Redaktion sei die mit der Funktion als leitender Redakteur verbundene Zusammenarbeit des Herrn W mit dem MfS bekannt gewesen, ist daher nicht gleichbedeutend mit einer Bestätigung, daß die "IM-Vergangenheit" des Herrn W in der Redaktion bekannt gewesen sei. Der Unterschied zwischen "Zusammenarbeit mit der Staatssicherheit" und "IM-Tätigkeit" ist sowohl im Hinblick auf das Ansehen des betroffenen Journalisten, vor allem in seiner beruflichen Sphäre, als auch im Verständnis der interessierten Öffentlichkeit durchaus bedeutsam und war dem Geschäftsführer der Verfügungsbeklagten, wie er in der mündlichen Verhandlung vom 10. April 2002 zu erkennen gegeben hat, auch geläufig. Die in dieser Hinsicht unrichtige Wiedergabe der telefonischen Erklärung des Verfügungsklägers in der angegriffenen Pressemeldung verläßt unter diesen Umständen den Bereich dessen, was dem Inhalt des tatsächlich Erklärten noch so nahe liegt, daß es noch als "im Kern wahr" angesehen und daher noch für zulässig erachtet werden könnte.

Für eine Rechtfertigung der Pressemeldung finden sich keine genügenden Anhaltspunkte. Eine Rechtfertigung nach § 193 StGB (Wahrnehmung berechtigter Interessen) oder Art. 5 Abs. 1 GG (Meinungs- und Pressefreiheit) kommt für ehrverletzende unwahre Tatsachenbehauptungen grundsätzlich nicht in Betracht (s. BVerfGE Bd. 6l, S. 1, 8; Bd. 90, S. 241, 247 f.; BVerfG NJW 1992, S. 1439, 1440; NJW 1999, S. 1322, 1324; NJW 2000, S. 199, 200; BGHZBd. 37, S. 187, 191; Bd. 84, S. 237, 238; Bd. 139, S. 95, 101; Palandt/Thomas, aaO., § 824 Rdn. 2 und § 823 Rdn. 189 a m.w.Nw.). Steht die Unwahrheit der Behauptung nicht fest und bestand an der Verbreitung gleichwohl ein öffentliches Interesse, kann die Rechtswidrigkeit allerdings wegen Art. 5 Abs. 1 GG, § 193 StGB entfallen, wenn im Vorfeld der Veröffentlichung die pressegemäße Sorgfalt beachtet, also ordnungsgemäß recherchiert worden ist (vgl. BGHZ Bd. 132, S. 13, 23 f.; BGH NJW 1987, S. 2225, 2226; NJW 1998, S. 3047, 3049; Palandt/Thomas, aaO. § 823 Rdn. 189 a; Münch.Komm.-Rixecker, aaO., Anhang § 12 Rdn. 136). Diese Voraussetzungen liegen hier jedoch nicht vor. Die telefonische Erklärung des Verfügungsklägers durfte nicht wie in der angegriffenen Pressemeldung wiedergegeben werden und stellte sich deshalb nicht als genügendes Rechercheergebnis für die Pressemeldung dar.

Auf ein Verschulden der Verfügungsbeklagten kommt es nicht an. Der Unterlassungsanspruch setzt ein Verschulden des Anspruchsgegners anerkanntermaßen nicht voraus.

c) Soweit die Verfügungsbeklagte in ihrem - nicht nachgelassenen - Schriftsatz vom 25. April 2002 ausführt, daß die "IM-Tätigkeit" des Herrn K W seiner früheren Ehefrau als Mitglied der Redaktion - und somit auch der Redaktion der LR selbst - bekannt gewesen sei, ist diese Behauptung zum einen nicht glaubhaft gemacht worden und zum anderen für die Entscheidung des Rechtsstreits auch ohne Belang. Selbst dem Ehepartner gegenüber kann eine "IM-Tätigkeit" geheim geblieben sein. Hiervon abgesehen ließe eine etwaige Kenntnis eines einzelnen Redaktionsmitglieds noch nicht den verallgemeinernden Schluß zu, daß etwas "in der Redaktion bekannt war". Jedenfalls aber wird dadurch nicht die Behauptung belegt, daß der Verfügungskläger dies in jenem Telefonat "bestätigt" habe.

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Eine Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit war im Hinblick auf § 704 Abs. 1, §§ 705, 542 Abs. 2 ZPO [n. F.] nicht veranlaßt. Die Entscheidung über den Gegenstandswert des Verfahrens beruht auf § 20 Abs. 1 GKG, § 3 ZPO sowie auf § 25 Abs. 2 GKG. Die Herabsetzung des Verfahrenswertes von 15.000,- DM auf 10.000,- DM (bzw. 5.000,- Euro) trägt dem Umstand Rechnung, daß es bei dem Streit um den Inhalt der telefonischen "Bestätigung" des Verfügungsklägers nicht etwa um die Kenntnis von einer Zusammenarbeit des Herrn W mit dem MfS überhaupt, sondern allein um die Kenntnis von der Zusammenarbeit des Herrn W mit dem MfS auch als "IM" geht.

Ende der Entscheidung

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