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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 08.04.2005
Aktenzeichen: 1 W 3/05
Rechtsgebiete: ZSEG, ZPO


Vorschriften:

ZSEG § 16 Abs. 2
ZSEG § 16 Abs. 3
ZPO § 397
ZPO § 402
ZPO § 409
ZPO § 411 Abs. 3

Entscheidung wurde am 07.10.2005 korrigiert: am Ende der Entscheidung stehende Textfragmente wurden entfernt
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

1 W 3/05 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In dem Rechtsstreit

hat der 1. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch

den Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und den Richter am Amtsgericht ...

am 8. April 2005

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Sachverständigen gegen den Beschluss des Landgerichts Potsdam vom 3. Februar 2005 wird zurückgewiesen.

Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Wegen des Sachverhalts wird auf die Sachverhaltsdarstellung im angefochtenen Beschluss Bezug genommen. Der beschwerdeführende Sachverständige ist vom Landgericht Potsdam im anhängigen Arzthaftungsprozess mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt worden. Er hat unter dem 6. Januar 2004 ein Gutachten erstellt und hierfür mit Datum vom 29. März 2004 eine Rechnung über 866,11 vorgelegt. Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 5. April 2004 - mit ausführlicher Begründung - Einwände gegen das Gutachten vom 6. Januar 2004 erhoben und unter anderem die Ladung des Sachverständigen zur mündlichen Erläuterung seines Gutachtens beantragt. Mit Verfügung vom 3. Juni 2004 hat das Landgericht Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 30. September 2004 bestimmt und angeordnet, dass der Sachverständige sein Gutachten im Termin mündlich erläutern soll; zugleich hat es den Sachverständigen unter Mitteilung einer Kopie des klägerischen Schriftsatzes vom 5. April 2004 zu dem Termin am 30. September 2004 geladen. Mit Telefax vom 27. September 2004 ließ der Sachverständige dem Landgericht über seine Sekretärin mitteilen, dass er "aus dringenden dienstlichen Gründen verhindert" sei, den Gerichtstermin am 30. September 2004 wahrzunehmen. Hierauf hat das Landgericht den Termin am 30. September 2004 aufgehoben. In einem Telefongespräch vom 28. September 2004 zum Zwecke der Abklärung eines neuen Termins erklärte der Sachverständige der amtierenden Vorsitzenden der Zivilkammer, er werde aus finanziellen und beruflichen Gründen auch zu keinem anderen Termin zur mündlichen Verhandlung erscheinen. Nach dem Hinweis der Kammervorsitzenden auf die bestehenden zivilprozessrechtlichen Regelungen kündigte der Sachverständige an, "notfalls auch kurzfristige Verhinderungen geltend machen zu wollen". Durch Beschluss vom 29. September 2004 hat das Landgericht den Sachverständigen von seinem Auftrag entbunden und einen neuen Sachverständigen bestimmt. Zugleich hat es dem bisherigen Sachverständigen angekündigt, die Entschädigung für sein schriftliches Gutachten auf 0,- festzusetzen. Mit Schreiben vom 15. Oktober 2004 ist der Sachverständige dem entgegengetreten und hat ausgeführt, im vorliegenden Falle könne "ohne jeden Zweifel die Erläuterung des Gutachtens schriftlich erfolgen"; bei seinem Berufsbild könne "nicht unbedingt ein Erscheinen vor Ihrer Kammer garantiert werden, wenn Notfälle (...) ein Erscheinen verunmöglichten". Mit Beschluss vom 3. Februar 2005 hat das Landgericht die Vergütung des Sachverständigen auf 0,- € festgesetzt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass das schriftliche Gutachten des Sachverständigen infolge seiner Weigerung, es mündlich zu erläutern, unbrauchbar und dies auf ein zumindest grob fahrlässiges Verhalten des Sachverständigen zurückzuführen sei. Gegen diesen Beschluss hat der Sachverständige mit Schreiben vom 21. Februar 2005 Beschwerde eingelegt. Dieser Beschwerde hat das Landgericht mit Beschluss vom 17. März 2005 die Abhilfe versagt und sie dem Brandenburgischen Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die Beschwerde ist gemäß § 16 Abs. 2 und 3 ZSEG (in Verbindung mit § 25 JVEG) statthaft und auch im Übrigen zulässig, in der Sache selbst aber nicht begründet.

Ist das Gutachten eines Sachverständigen aus Gründen, die der Sachverständige vorsätzlich oder grob fahrlässig verschuldet hat, nicht verwertbar, so kann dies zum vollständigen Verlust des Entschädigungsanspruchs des Sachverständigen führen (s. Baumbach/Hartmann, ZPO, 63. Aufl. 2005, § 413 Rdn. 3 m.w.Nw.; Hartmann, Kostengesetze, 33. Aufl. 2004, § 1 ZSEG Rdn. 46 f. und § 3 ZSEG Rdn. 14 f. m.w.Nw.). Eine solche Sanktion kommt auch dann in Betracht, wenn sich der Sachverständige weigert, sein Gutachten vor Gericht mündlich zu erläutern (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl. 2005, § 409 Rdn. 4).

Auf - rechtzeitigen - Antrag einer Partei hat das Gericht (insbesondere im Arzthaftungprozess) gemäß §§ 402, 397, 411 Abs. 3 ZPO die Pflicht, den Sachverständigen zur mündlichen Erläuterung seines Gutachtens vorzuladen (s. BGH NJW 1997, S. 802 f.; NJW 1998, S. 162, 163; NJW-RR 2001, S. 1431, 1432; NJW-RR 2003, S. 208, 209; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 4. Aufl. 2001, S. 253; Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, 9. Aufl. 2002, Rdn. 587 ff., 589; Zöller/Greger, aaO., § 411 Rdn. 5 a; Baumbach/Hartmann, aaO., § 411 Rdn. 10). Von dieser Pflicht ist das Gericht nur entbunden, wenn es allein um die Beantwortung bereits eindeutig geklärter oder beweisunerheblicher Fragen geht (s. OLG Hamm, MDR 1985, S. 593; OLG Oldenburg, OLGR 1998, S. 17, 18; NJW-RR 1999, S. 178, 179; Geiß/ Greiner, aaO., S. 253; Zöller/Greger, aaO., § 411 Rdn. 5 a; Baumbach/Hartmann, aaO., § 411 Rdn. 14); allerdings besteht die Pflicht des Gerichts, den Sachverständigen zur mündlichen Erläuterung seines Gutachtens zu laden, auch dann, wenn das Gericht dies für unzweckmäßig und entbehrlich hält (s. BGH NJW-RR 2003, S. 208, 209). Bei Unklarheiten oder Unvollständigkeiten im Gutachten ist eine ergänzende Anhörung des Sachverständigen auch von Amts wegen - also ohne dahingehenden ausdrücklichen Antrag einer Partei - erforderlich (s. BGH NJW-RR 1989, S. 1275; NJW 2001, S. 1787, 1788; NJW 2001, S. 2791; Steffen/Dressler, Arzthaftungsrecht, 9. Aufl. 2002, Rdn. 592 f.; Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, 4. Aufl. 2001, S. 252 f. m.w.Nw.).

Hieraus wird deutlich, dass eine mündliche Erläuterung des Gutachtens durch den Sachverständigen gerade im Arzthaftungsprozess sehr häufig durchgeführt werden und der medizinische Sachverständige daher auch mit einer Ladung zur mündlichen Erläuterung seines Gutachtens von vornherein fest rechnen muss. Die mündliche Erläuterung des Gutachtens gibt dem Gericht und den Prozessbeteiligten die Gelegenheit, die Ausführungen des Sachverständigen in direkter Frage und Antwort, Rede und Gegenrede nachvollziehen und überprüfen zu können; zudem zwingt die mündliche Erläuterung regelmäßig dazu, einen Sachverhalt oder eine gutachterliche Einschätzung einfacher und plastischer darzulegen. Deshalb steht den Prozessbeteiligten das Recht zu, die Ladung des Sachverständigen zur mündlichen Erläuterung seines Gutachtens zu beantragen, und hat das Gericht die Befugnis, diese Ladung auf Antrag oder von Amts wegen zu veranlassen und den Sachverständigen bei Verweigerung seines Erscheinens mit Sanktionen zu belegen. Verweigert der Sachverständige - wie hier - die aus rechtlichen oder/und tatsächlichen Gründen erforderliche mündliche Erläuterung seines schriftlichen Gutachtens, so bleibt dem Gericht nur die Möglichkeit, entweder Sanktionen gemäß § 409 ZPO auszusprechen (Auferlegung der hierdurch verursachten Kosten; Festsetzung eines Ordnungsgeldes) oder den Sachverständigen von seinem Gutachtenauftrag zu entbinden und einen neuen Sachverständigen zu bestimmen. Wird sonach aber die Beauftragung eines neuen Sachverständigen nötig, so ist ein neues Gutachten einzuholen und verliert das Gutachten des bisherigen Sachverständigen seinen Wert - mit der Folge, dass dem bisherigen Sachverständigen keine Entschädigung zusteht.

Hier hat der beschwerdeführende Sachverständige gegenüber dem Landgericht ausweislich des Telefongesprächsvermerks der Kammervorsitzenden vom 28. September 2004 unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass er nicht die Absicht habe, zur mündlichen Erläuterung seines Gutachtens bei Gericht zu erscheinen, weil er dies für untunlich und zu aufwendig halte, und dass sich notfalls auch ein kurzfristiger Verhinderungsgrund werde finden lassen. Diesen Eindruck hat der Sachverständige auch durch sein Vorbringen in der Beschwerdeschrift nicht entkräftet. Darin hat er zwar ausgeführt, aus welchen Gründen er verhindert gewesen sei, den Termin am 30. September 2004 wahrzunehmen - wobei freilich offen geblieben ist, war- um die betreffende Operation nicht durch einen anderen Arzt der Klinik hätte durchgeführt werden können. Der Sachverständige hat sich jedoch nicht zu der Feststellung des Landgerichts geäußert, wonach er deutlich zu erkennen gegeben habe, auch künftige Termine zur mündlichen Verhandlung nicht wahrnehmen zu wollen und notfalls auch einen kurzfristigen Verhinderungsgrund geltend zu machen, um ein Erscheinen vor Gericht zu verhindern. Ein solches - wie das hier vom Landgericht festgestellte - Verhalten des Sachverständigen rechtfertigt seine Entbindung vom Gutachtenauftrag und die Beauftragung eines neuen Sachverständigen und zieht dementsprechend auch den vollständigen Verlust des Entschädigungsanspruches des bisherigen Sachverständigen nach sich.

Dass es dem beschwerdeführenden Sachverständigen hier schlechthin nicht möglich sei, vor Gericht zu erscheinen, ist weder dargetan noch sonst ersichtlich noch überhaupt auch nur im Ansatz wahrscheinlich. Auch ein klinikleitender Chefarzt ist nicht "ständig vor Ort unentbehrlich" - sonst wäre es ihm nicht möglich, an auswärtigen Tagungen und Kongressen teilzunehmen oder Urlaubsreisen anzutreten oder überhaupt "Freizeit" zu erleben. Solches kann und wird der Beschwerdeführer aber nicht ernstlich vortragen wollen.

Will ein Sachverständiger nicht zur mündlichen Erläuterung seines Gutachtens bei Gericht erscheinen, so bleibt ihm die Möglichkeit, den Gutachtenauftrag abzulehnen. In jedem Falle muss er das Gericht von vornherein auf diese Absicht hinweisen, damit es in der Lage ist, die (weitere) Beauftragung des Sachverständigen zu prüfen und hierüber (erneut) zu entscheiden. Versäumt der Sachverständige diesen Hinweis, so muss er damit rechnen, dass er seine Entschädigungsansprüche verliert, wenn er an seiner Absicht festhält, nicht bei Gericht zur mündlichen Erläuterung seines Gutachtens erscheinen zu wollen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 16 Abs. 5 ZSEG (in Verbindung mit § 25 JVEG).

Diese Beschwerdeentscheidung ist gemäß § 16 Abs. 2 Satz 4 ZSEG (in Verbindung mit § 25 JVEG) unanfechtbar.

Ende der Entscheidung

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