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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 23.03.2001
Aktenzeichen: 1 W 7/01
Rechtsgebiete: ZPO, GG, StGB, BGB, GVG, KV-GKG


Vorschriften:

ZPO § 127 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 567 Abs. 1
ZPO § 114
ZPO § 127 Abs. 1 Satz 2
ZPO § 261 Abs. 3 Nr. 2
ZPO § 97 Abs. 1
ZPO § 127 Abs. 4
GG § 823 Abs. 1 u. 2
GG Art. 1 Abs. 1
GG Art. 2 Abs. 1
StGB § 185 ff.
BGB § 1004 Abs. 1
GVG § 71 Abs. 1
GVG § 23 Nr. 1
KV-GKG Nr. 1952
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluß

1 W 7/01 Brandenburgisches Oberlandesgericht 2 O 568/00 Landgericht Potsdam

In dem Prozeßkostenhilfeverfahren

hat der I. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Dr. Macke, den Richter am Oberlandesgericht Tombrink und den Richter am Amtsgericht Friedrichs am 23. März 2001

beschlossen:

Tenor:

1. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluß des Landgerichts Potsdam vom 21. November 2000 (2 O 568/00) wird zurückgewiesen.

2. Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsteller zu tragen.

Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt Prozeßkostenhilfe für eine beabsichtigte Klage, deren Gegenstand Ehrenschutzansprüche gegen den Antragsgegner sind.

Hierbei geht es um Äußerungen in einem Artikel in der Zeitung "W" vom 23. März 1999, während einer Pressekonferenz der Innungskrankenkasse B (IKK) vom 26. Juli 2000 sowie in einer Presseerklärung der IKK vom 5. September 2000. Der Antragsgegner ist Vorstandsvorsitzender der IKK. Der Antragsteller war bei der IKK unter anderem als Innenrevisor tätig.

Der Antragsteller beabsichtigt eine Klageerhebung mit folgenden Anträgen:

1. dem Antragsgegner zu untersagen, wörtlich oder sinngemäß die Behauptung aufzustellen und/oder zu verbreiten,

a) der Antragsteller sei ein psychisch kranker Mensch, ein Psychopath etc.;

b) der Ex-Mitarbeiter, der den Antragsgegner seit Jahren (erfolglos) mit Klagen überziehe, betreibe feindliche Aktivitäten;

2. den Antragsgegner zu verurteilen, folgende Behauptung zu widerrufen:

"Aus unserer Sicht ist es vielmehr der gezielte Versuch, kurz vor dem näher rückenden Wahlstichtag 30.09. aus persönlichen Rachegefühlen Öl ins Feuer zu schütten, um der IKK B zu schaden. (...) Gleichzeitig unterstützen wir natürlich nachhaltig die Recherchen der Justiz, um dem bösartigen Spiel ein möglichst schnelles Ende zu machen."

3. den Antragsgegner zu verurteilen, sich öffentlich durch Pressemitteilungen an alle Tageszeitungen in Brandenburg und Berlin wegen der von ihm verbreiteten Diffamierungen zu entschuldigen;

4. dem Antragsgegner für den Fall der Zuwiderhandlung bzw. Nichterfüllung die Festsetzung von Ordnungsgeld; ersatzweise Ordnungshaft, anzudrohen.

Durch Beschluß vom 21. November 2000, auf dessen Begründung und Sachverhaltsdarstellung im einzelnen Bezug genommen wird, hat das Landgericht Potsdam das Prozeßkostenhilfegesuch des Antragstellers mangels Erfolgsaussicht der beabsichtigten Klage zurückgewiesen. Gegen diesen ihm am 19. Januar 2001 zugestellten Beschluß hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 19. Januar 2001 Beschwerde eingelegt. Das Landgericht Potsdam hat der Beschwerde durch Beschluß vom 30. Januar 2001 die Abhilfe versagt und die Sache dem Brandenburgischen Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Der Senat hat die Zivilprozeßakten des Landgerichts Potsdam - 2 O 474/00 - sowie, die Strafverfahrensakten des Amtsgerichts Tiergarten - 256 Cs 109 /99 - zur weiteren Sachverhaltsermittlung beigezogen.

II.

1. Die Beschwerde ist gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2, § 567 Abs. 1 ZPO statthaft und auch im übrigen zulässig, insbesondere formgerecht eingelegt worden (§§ 569, 78 Abs. 3 ZPO); sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Klage verneint (§§ 114 ZPO). Im einzelnen:

a) Soweit es die in den Anträgen zu 1 b) und 2) wiedergegebenen Äußerungen und die hierauf gestützten Ansprüche auf Unterlassung, Widerruf und öffentliche "Entschuldigung" betrifft, steht dem Antragsteller kein Anspruch aus § 823 Abs. 1 und 2, Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG, §§ 185 ff. StGB, § 1004 Abs. 1 BGB zu. Bei den im Antrag zu 1 b) enthaltenen Äußerungen handelt es sich, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, entweder um wahre bzw. nicht ehrenrührige Tatsachenbehauptungen ("seit Jahren [erfolglos] mit Klagen überziehe") oder um nach Art. 5 Abs. 1 GG geschützte Meinungsäußerungen ("feindliche Aktivitäten"). Was die im Antrag zu 2) genannten, in der Pressemitteilung der IKK vom 5. September 2000 enthaltenen Äußerungen angeht, ist nicht ausreichend dargetan, daß diese überhaupt von dem Antragsgegner stammen oder ihm sonst persönlich zuzurechnen wären. Ferner handelt es sich hierbei ersichtlich um Meinungsäußerungen, die einem Widerruf ohnehin nicht zugänglich sind und überdies nach Lage des Falles - noch - durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützt erscheinen.

b) Soweit es die in dem Antrag zu 1 a) wiedergegebenen Äußerungen und die hierauf gestützten Ansprüche auf Unterlassung und öffentliche "Entschuldigung" betrifft, ist fraglich, ob dem Antragsteller ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 und 2, Art. 1 Abs. 1 und Art. 2, Abs. 1 GG, §§ 185 ff. StGB, § 1004 Abs. 1 BGB zusteht. Im Lichte von Art. 5 Abs. 1 GG sind diese Äußerungen eher als Meinungskundgaben einzustufen, die regelmäßig nur dann nicht mehr dem Grundrechtsschutz aus Art. 5 Abs. 1 GG unterfallen, wenn sie sich als sachlich nicht zu rechtfertigende bloße persönliche Schmähkritik darstellen. Indessen ergibt sich aus den beigezogenen Strafverfahrensakten des Amtsgerichts Tiergarten (256 Cs 1099/99), daß der Antragsteller 1988 bis 1990 unter endogenen Depressionen gelitten und sich deswegen nervenärztlicher Behandlung unterzogen hat. Indizien für eine psychische Erkrankung des Antragstellers ergeben sich ferner aus den Entscheidungen des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 26. Juni 1996 (8 Sa 107/95), vom 11. Februar 1997 (11 Sa 88/98) und vom 24. November 1998 (11 Sa 51198) sowie aus dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 25. Februar 1998 (2 AZR 256/97) und dem diesbezüglichen Vorbringen des Antragstellers selbst.

Letztlich kann allerdings offenbleiben, ob dem Antragsteller wegen der im Antrag zu 1 a) wiedergegebenen Äußerungen Ansprüche gegen den Antragsgegner zustehen. Denn das Landgericht hat zu Recht darauf hingewiesen, daß der Gegenstandswert dieser Ansprüche insgesamt allenfalls mit 8.000,- DM zu bemessen wäre (§ 3 ZPO) und somit die Zuständigkeitsgrenze des Landgerichts nach § 71 Abs. 1, § 23 Nr. 1 GVG unterschreitet. Nach überwiegender, auch vom Senat geteilter Auffassung ist das bei einem Landgericht eingereichte Prozeßkostenhilfegesuch, sofern Klage noch nicht erhoben ist, insgesamt zurückzuweisen, wenn der erfolgversprechende Teil der beabsichtigten Klage unterhalb der Zuständigkeitsgrenze des Landgerichts bleibt (s. OLG Saarbrücken, NJW-RR 1995, S. 575; OLG Hamm, MDR 1995, S: 1065 f.; OLG Frankfurt/Main, NJW-RR 1995, S. 899; OLG Köln, VersR 1999, S. 115, 117 m.w.Nw.; Zöller/Philippi, ZPO, 22. Aufl. 2001, § 114 Rdn 23; Baumbach/Hartmann, ZPO, 59. Aufl. 2001, § 114 Rdn. 105 "Zuständigkeit"; Thomas/Putzo, ZPO, 22. Aufl. 1999, § 114 Rdn. 2; offengelassen bei OLG München, MDR 1998, S. 922; a.A. OLG Dresden. MDR 1995, S. 202.). Hierfür sprechen folgende Erwägungen: Gemäß § 114 ZPO hat das angerufene Landgericht die Erfolgsaussicht der beabsichtigten Klage vollständig, also auch unter Berücksichtigung seiner sachlichen Zuständigkeit (§§ 23, 71 GVG), zu überprüfen. Würde das Landgericht für den erfolgversprechenden Teil der beabsichtigten Klage, obschon dessen Wert die Zuständigkeitsgrenze des Landgerichts unterschreitet, Prozeßkostenhilfe bewilligen und der Antragsteller sodann in diesem Umfang seine Klage bei dem Landgericht erheben, so müßte das Landgericht die Klage entweder als unzulässig abweisen oder den Rechtsstreit auf Antrag des Klägers an das zuständige Amtsgericht verweisen; letzteren Falls wäre jedoch - entgegen dem Leitbild von § 127 Abs. 1 Satz 2 ZPO - Prozeßkostenhilfe eben nicht durch das zuständige Prozeßgericht erster Instanz gewährt, sondern durch die Prozeßkostenhilfebewilligung des Landgerichts gleichsam in die Zuständigkeit des Amtsgerichts eingegriffen worden. Zudem würde dem Antragsgegner in solchen Fällen unnötig die kostenauslösende Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts (§ 78 Abs. 1 ZPO) aufgezwungen. Schließlich steht auch der Grundsatz der perpetuatio fori nach § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO nicht entgegen, wenn - wie hier - die Klage noch nicht erhoben worden ist.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1 ZPO i.V.m. Nr. 1952 KV-GKG sowie auf § 127 Abs. 4 ZPO. Für die Festsetzung des Gegenstandswertes des Beschwerdeverfahrens besteht kein Bedürfnis, da hiernach zu berechnende Gebühren und Kosten nicht angefallen sind.

Ende der Entscheidung

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