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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 25.08.2003
Aktenzeichen: 1 Ws (Vollz) 14/03
Rechtsgebiete: StVollzG


Vorschriften:

StVollzG § 70 Abs. 1
StVollzG § 70 Abs. 2 Ziffer 2 2. Alternative
StVollzG §§ 109 ff.
StVollzG § 116 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

1 Ws (Vollz) 14/03 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In der Strafvollzugssache

wegen Einbringung einer "Playstation II"

hat der 1. Strafsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch

die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht..., den Richter am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ...

am 25. August 2003

beschlossen:

Tenor:

Die Rechtsbeschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Potsdam bei dem Amtsgericht Brandenburg an der Havel vom 16. April 2003 wird auf seine Kosten als unbegründet zurückgewiesen.

Gründe:

Der Antragsteller verbüßt in der Justizvollzugsanstalt B... eine Freiheitsstrafe im geschlossenen Vollzug. Am 10. November 2002 beantragte er die Genehmigung des Kaufs einer Spielkonsole "Playstation II" und die Einbringung des Geräts in den Haftraum. Der Antragsteller besitzt bereits eine Spielkonsole des Typs "Playstation I". Der Leiter für Ordnung und Sicherheit der Antragsgegnerin lehnte am 13. November und am 6. Dezember 2002 den Antrag des Antragstellers unter Hinweis auf die Internet-Fähigkeit der "Playstation II" ab. Ferner wurde ausgeführt, dass durch den Gegenstand die Sicherheit und Ordnung der Justizvollzugsanstalt gefährdet sei (§ 70 Abs. 2 Nr. 2 StVollzG), weil die Spielkonsole DVD-tauglich sei und sicherheitsrelevante Informationen bzw. Filme dem Vollzugsziel entgegenstehenden Inhalts über DVD in die Justizvollzugsanstalt eingeschleust werden könnten. Eine Missbrauchsgefahr könne auch nicht durch Versiegelung (Verplombung) oder Abklemmen des Modemanschlusses völlig ausgeschlossen werden.

Der Antragsteller hat gegen die Ablehnung seines Antrags Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 109 ff. StVollzG gestellt. Mit Beschluss vom 16. April 2003 hat die Strafvollstreckungskammer den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen.

Die Strafvollstreckungskammer führt in ihrem Beschluss aus:

"...

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist unbegründet. Die Versagung der Genehmigung zum Betrieb einer Playstation 2 durch die Antragsgegnerin ist rechtmäßig und verletzt den Antragsteller deshalb nicht in seinen Rechten.

Der gemäß § 70 Abs. 1 StVollzG bestehende Anspruch des Antragstellers auf Überlassung von Gegenständen zur Freizeitgestaltung ist im Hinblick auf die Playstation 2 nämlich gemäß § 70 Abs. 2 Ziffer 2 2. Alternative StVollzG ausgeschlossen. Nach der genannten Vorschrift besteht ein derartiger Anspruch nicht, soweit die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt gefährdet werden durch die Überlassung. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

Die Antragsgegnerin geht zutreffend davon aus, dass allein das Bestehen einer Missbrauchsmöglichkeit gerade im geschlossenen Vollzug bei Haftanstalten mit hohem Sicherheitsstandard (wie bei der Antragsgegnerin, bei der im geschlossenen Vollzug Langstrafer, insbesondere auch Sexual- und Gewaltstraftäter inhaftiert sind) schon genügt, um von einer Gefahr für die Sicherheit der Anstalt auszugehen. Insbesondere gilt dies unter der gerichtsbekannten Tatsache, dass es der Antragsgegnerin trotz vieler Kontrollen noch nicht gelungen ist, die Kommunikation zwischen den Strafgefangenen innerhalb der Antragsgegnerin aber auch zwischen den Strafgefangenen und Dritten auswärts zu kontrollieren bzw. unerwünschte Kommunikation zu unterbinden. Die von dem Gerät ausgehenden Gefahren liegen insbesondere in der Möglichkeit, Daten zu speichern bzw. auch über das Internet einen Datenaustausch mit Externen zu ermöglichen. Soweit der Antragsteller darauf verweist, dass ein Zusatzgerät, ein so genanntes Modem, dafür erforderlich sein, das dem Gerät nicht beigefügt sei, so ist darauf zu verweisen, dass gerichtsbekanntermaßen kleinere Gegenstände (wie z.B. dieses Modem) durchaus nachträglich in die Antragsgegnerin eingeschmuggelt werden können. Dabei handelt es sich nicht um eine rein theoretische Gefahr. Gerichtsbekanntermaßen besteht bei der Antragsgegnerin eine nicht unerhebliche Subkultur, so dass immer wieder Handys, Handychips, Bargeld, Betäubungsmittel und andere unerlaubte Gegenstände in den Hafträumen aufgefunden werden. Auch ist es eine mehr als theoretische Möglichkeit, dass Strafgefangene, die eigentlich als zuverlässig einzustufen sind, aufgrund vielfältiger Kontakte mit anderen Strafgefangenen aus Gefälligkeit oder wegen bestehender Abhängigkeitsverhälltnisse ggf. auch unter Drohungen sich für entsprechende Kontakte missbrauchen lassen.

Es ist deshalb von einer Gefahr für die Sicherheit der Anstalt durch die internetfähige Playstation 2 für die Sicherheit der Anstalt auszugehen.

Dasselbe gilt für die DVD-Tauglichkeit des Gerätes. Hier ist mit dem Einbringen unerwünschter Filme bzw. unerwünschtem Datenmaterials und entsprechendem Austausch zu rechnen.

In einem weiteren Schritt ist zu prüfen, ob dieser Gefahr durch mildere Mittel begegnet werden kann; insbesondere durch Überwachungs- oder Kontrollmaßnahmen (Verplombung, Durchsuchung etc. pp.). Davon ist hier nicht auszugehen. Die Antragsgegnerin kann letztlich nicht ständig die Benutzung des Gerätes überwachen, zumal ein derartiges Modem an- und abgebaut werden kann. Auch gegen das missbräuchliche Abspielen von DVD sind zwar Sicherungen denkbar, diese können jedoch erfahrungsgemäß mit entsprechend technischem Wissen überwunden werden. Eine ständige Kontrolle, ob die Sicherungen noch vorhanden sind (oder ihr Vorhandensein nur vorgetäuscht ist) kann nicht geleistet werden. Die Personaldecke der Antragsgegnerin ist dazu zu dünn.

Schließlich war auch die Gefährdung, die vom etwaigen Missbrauch des Gerätes gegen den Nutzen, den das Gerät für den Antragsteller hat, abzuwägen (Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne/Zumutbarkeit).

Auch danach ist eine Genehmigung der Playstation 2 nicht geboten.

Es handelt sich um ein Gerät zum Betrieb von Computerspielen. Das Gericht kann nicht erkennen, dass für den Antragsteller wichtige Belange, die über den bloßen Zeitvertreib hinaus gehen, durch eine Versagung der Playstation 2 berührt sind. Insbesondere werden durch das Spielen an der Playstation 2 keine besonderen Fähigkeiten geschult, die etwa für die berufliche oder soziale Weiterentwicklung des Antragstellers von Belang wären. Dies führt der Antragsteller auch selbst nicht aus.

Den Antragsteller verbleibt weiterhin die Möglichkeit, die nach der ständigen Praxis der Antragsgegnerin genehmigungsfähige Playstation 1 zu betreiben. Auch wenn diese nicht so viele Spielmöglichkeiten bietet, so ist es doch auch ein Gerät mit vielen Spielmöglichkeiten. Allein die bloße Möglichkeit, dass der Antragsteller für dieses immer noch sehr weit verbreitete Gerät in ferner Zukunft nicht mehr alle neuen Spiele erhalten könnte, stellt die Funktionsfähigkeit bzw. den Sinn und Zweck des Besitzes und Betriebes einer solchen Anlage nicht in Zweifel. Zum einen ist durch die bisherige weite Verbreitung der Playstation 1 gesichert, dass ein zu bedienender Markt weiterhin existiert für den Vertrieb von Computerspielen für die Playstation 1. Weiterhin ist der Antragsteller nicht gehindert, seine bisherigen Computerspiele dort weiter zu betreiben.

Die vom Antragsteller vorgelegte Information, dass nicht mehr alle neuen Computerspiele möglicherweise in einer für die Playstation 1 geeigneten Version angeboten werden könnten, mindert die Nutzbarkeit nicht.

Der Antragsteller ist im Strafvollzug und kann von deshalb nicht erwarten, dass er stets die neuesten und besten technischen Geräte verfügbar hat, er muss sich gegebenenfalls mit Einschränkungen abfinden, jedenfalls mit solch geringfügigen, wie sie hier festzustellen sind.

Eine Unzumutbarkeit kann jedenfalls nicht festgestellt werden angesichts der Einschränkung. Der Antragsteller hat schließlich auch aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz keinen Anspruch auf Genehmigung soweit der Kammer bekannt, handelt es sich nur um Bestandsschutzentscheidungen bei Verlegungen aus anderen JVAŽs...."

Die gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde des Antragstellers ist gem. § 116 Abs. 1 StVollzG zulässig. Die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten. Die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Rechtsbeschwerde bleibt jedoch ohne Erfolg.

Der Leiter der Justizvollzugsanstalt hat die Aushändigung einer Spielkonsole des Typs "Playstation II" an den Antragsteller zu Recht abgelehnt.

§ 70 Abs. 1 StVollzG erlaubt im angemessenen Umfang den Besitz von Gegenständen für die Freizeitbeschäftigung nur dann, wenn keiner der Ausschlussgründe des § 70 Abs. 2 StVollzG vorliegt. Zu Recht geht die Antragsgegnerin davon aus, dass durch den Besitz einer "Playstation II" Sicherheit und Ordnung der Vollzugsanstalt gefährdet sind, weil die Möglichkeit besteht, auf der Festplatte des Gerät missbräuchlich Daten zu speichern bzw. über das Internet einen Austausch mit Personen außerhalb der Justizvollzugsanstalt zu ermöglichen, ohne dass eine Kontrollmöglichkeit besteht, festzustellen ob dieser Datenaustausch den Vollzugszielen entgegensteht. Dem Risiko einer missbräuchlichen Benutzung zur unerlaubten Speicherung von Daten (z.B. Bildern und Filmen pornografischen, rassistischen oder sonstigen den Vollzugszielen entgegenstehenden Inhalts) und der unerlaubten Kontaktaufnahme mit Personen außerhalb der Justizvollzugsanstalt kann nicht hinreichend dadurch begegnet werden, dass das Gerät verplombt und etwaige Schnittstellen versiegelt werden. Bei Spielkonsolen des besagten Typs handelt es sich um elektronische Geräte, die über eine Vielzahl miniaturisierter Schaltkreise und -elemente (Mikrochips) verfügt, die für einen Laien nicht unterscheidbar sind. Das mit der Kontrolle entsprechender Geräte beauftragte Personal des Justizvollzugsdienstes der Antragsgegnerin verfügt nicht über die erforderlichen Kenntnisse auf dem Gebiet der Elektronik, um einen Missbrauch der im Gerät vorhandenen Schnittstellen und Anschlüsse zu verhindern. Der Senat geht hierbei davon aus, dass die in dem Beschluss des OLG Karlsruhe vom 10. März 2003 angeführte "Verplombung" oder Versiegelung der Schnittstellen für den Modem-Anschluss (zum Betrieb eines externen Mobiltelefons, vgl. OLG Karlsruhe, StV 2003, 407 f.) nicht ausreicht, um der im angefochtenen Beschluss zutreffend dargelegten Missbrauchsgefahr der Spielkonsole "Playstation II" zu begegnen und diese dauerhaft zu unterbinden. Die einfache Verplombung der bezeichneten Schnittstelle kann nicht verhindern, dass durch Manipulationen an der Hardware der Spielkonsole oder die Veränderung geeigneter Software andere Schnittstellen des Gerätes für verbotene Zwecke umfunktioniert werden können. So kann beispielsweise die Schnittstelle für den Monitor (in der Regel ein TV-Bildschirm), die für den Betrieb der Spielkonsole als solcher erforderlich ist und nicht verplombt werden kann, von EDV-kundigen Personen als Zugang zur Festplatte der Spielkonsole verwandt werden. Auf der Festplatte können Dateien unerlaubten Inhalts versteckt werden, ohne dass diese bei Kontrollen entdeckt werden. Die Möglichkeit zur Speicherung von Dateien unerlaubten oder vollzugswidrigen Inhalts steht der Zulassung der Spielkonsole entgegen. Bereits die hypothetische Gefahr einer missbräuchlichen Verwendung reicht aus, so dass es nicht darauf ankommt, ob gerade der Antragsteller über die entsprechenden technischen Kenntnisse verfügt.

Bereits die dargelegten Missbrauchsmöglichkeiten rechtfertigen den angefochtenen Beschluss. Auch die weiteren Erwägungen der Strafvollstreckungskammer begründen die Versagung des Betriebs einer Spielkonsole "Playstation II". Die Spielkonsole ist geeignet, unter Zuhilfenahme eines Mobiltelefons und eines Modems dem Antragsteller oder anderen Strafgefangenen Zugang zum Internet in der Haftanstalt zu schaffen. Die Möglichkeit der Unterhaltung eines unkontrollierten Internetzugangs widerspricht den Zielen des Strafvollzugs. Über einen derartigen Zugang können sicherheitsrelevante Informationen mit Außenstehenden ausgetauscht werden. Dies gefährdet die Sicherheit und Ordnung der Justizvollzugsanstalt (§ 70 Abs. 2 Nr. 2 StVollzG). Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass z.B. die Schnittstelle für den TV-Bildschirm, die zum ordnungsgemäßen Betrieb der Spielkonsole nicht verplombt werden kann, durch Manipulationen - die bei Haftraumkontrollen nicht ohne weiteres entdeckt werden können - als Anschluss für ein Mobiltelefon und/oder das erforderliche Modem genutzt werden kann. Bei Mobiltelefonen und entsprechenden Modems handelt es sich erfahrungsgemäß um kleinere Gegenstände, die im Haftraum oder bei Gefangenen in der Kleidung oder Körperhöhlen verborgen werden können. Diese Gegenstände können durch einfache Maßnahme an der Spielkonsole installiert und - zur Vermeidung einer Entdeckung bei Kontrollen - auch ebenso einfach abgebaut werden.

Insgesamt ist das Risiko einer missbräuchlichen Nutzung der Spielkonsole "Playstation II" nicht als nur gering einzustufen. Das Missbrauchsrisiko muss nicht gerade in der Person des Antragstellers liegen. Auch zuverlässige Strafgefangene, die keinen Missbrauch beabsichtigen, können von Mitgefangenen unter Druck gesetzt werden, ihnen die missbräuchliche Benutzung des überlassenen Gegenstands als Kommunikationsmittel zu gestatten (vgl. OLG Saarbrücken ZfStrVo 1991, 54 f m.w.N.). Angesichts des erhöhten Sicherheitsgrades der Justizvollzugsanstalt, in der eine erhebliche Zahl wegen Sexualverbrechen Verurteilter einsitzt, muss die Antragsgegnerin nachhaltig verhindern, dass in den Hafträumen Medien mit Speichermöglichkeit für Bilder, z. B. kinderpornografischen Inhalts bereit gehalten werden.

Im Übrigen wird auf die fortgeltenden Gründe des angefochtenen Beschlusses - insbesondere zur Möglichkeit des Antragstellers, seine Freizeit unter Verwendung der zugelassenen Spielkonsole "Playstation I" zu gestalten - verwiesen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 121 Abs. 2 Satz 1 StVollzG.

Der Gebührenstreitwert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 100 € festgesetzt (§§ 48 a, 13 GKG).

Ende der Entscheidung

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