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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 11.07.2007
Aktenzeichen: 1 Ws 127/07
Rechtsgebiete: StPO, StGB


Vorschriften:

StPO § 154
StPO § 154 Abs. 1
StPO § 275 a Abs. 4
StPO § 275 a Abs. 5
StPO § 275 a Abs. 5 Satz 1
StGB § 53 a.F.
StGB § 66
StGB § 66 Abs. 1
StGB § 66 Abs. 2
StGB § 66 Abs. 3
StGB § 66 Abs. 4 S. 3
StGB § 66 Abs. 4 S. 4
StGB § 66 Abs. 4 S. 5
StGB § 66 a
StGB § 66 b
StGB § 66 b Abs. 1
StGB § 66 b Abs. 2
StGB § 176 Abs. 1
StGB § 178 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

I Ws 127/07 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In dem Verfahren zur nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung

wegen sexueller Nötigung, Vergewaltigung

hat der 1. Strafsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch

die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Thaeren-Daig, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Bachnick den Richterin am Oberlandesgericht Michalski

am 11. Juli 2007

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Verurteilten gegen den Unterbringungsbefehl der 1. großen Strafkammer des Landgerichts Neuruppin vom 11. Juni 2007 wird als unbegründet verworfen.

Gründe:

I.

Die 1. große Strafkammer des Landgerichts Neuruppin verurteilte den Rechtsmittelführer am 22. Januar 1999, seit dem 12. April 1999 rechtskräftig, wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren. Der Verurteilte hatte am 21. Juni 2007 die Freiheitsstrafe vollständig verbüßt und befindet sich seit dem 22. Juni 2007 aufgrund des angefochtenen Beschlusses der 1. großen Strafkammer des Landgerichts Neuruppin vom 11. Juni 2007 gem. § 275 a Abs. 5 StPO zur Sicherung der nachträglichen Unterbringung in der Sicherungsverwahrung in Haft in der Justizvollzugsanstalt Brandenburg a. d. Havel.

Mit Antragsschrift vom 13. Februar 2007, eingegangen beim Landgericht Neuruppin am 19. Februar 2007, hat die Staatsanwaltschaft Neuruppin die Durchführung des Verfahrens auf Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung beantragt. Die 1. große Strafkammer hat entsprechend den rechtlichen Vorgaben des § 275 a Abs. 4 StPO mit Beschluss vom 28. Februar 2007 zwei psychiatrische Sachverständige mit der Begutachtung des von dem Beschwerdeführer ausgehenden Gefahrenpotentials betraut; die Gutachten der Sachverständigen sind bisher noch nicht eingegangen. Nach Terminsabsprache mit dem Verteidiger und den Sachverständigen hat der Vorsitzende der 1. großen Strafkammer den Hauptverhandlungstermin auf den 10. September 2007 mit Fortsetzungsterminen am 17. und 27. September 2007 bestimmt. Da mit der Hauptverhandlung nicht vor der Haftentlassung des Beschwerdeführers nach Verbüßung der neunjährigen Freiheitsstrafe aus dem Urteil vom 22. Januar 1999 am 21. Juni 2007 begonnen werden konnte, hat die Kammer mit dem angefochtenen Beschluss vom 11. Juni 2007 die Unterbringung des Verurteilten gem. § 275 a Abs. 5 StPO angeordnet. In dem angefochtenen Beschluss führt die Strafkammer zu dem dem Strafverfahren zugrunde liegenden Tatgeschehen sowie zu den Vorbelastungen des Beschwerdeführers folgendes aus:

" Nach den Feststellungen des Urteils der Kammer vom 22. Januar 1999 lauerte der einschlägig mehrfach vorbestrafte Verurteilte - ausgerüstet mit einer Schreckschusspistole nebst Munition, einem Fernglas, einem dicken langen Seil und Handschellen, vermummt mittels eines über den Kopf gezogenen Strumpfes - am 31. Mai 1998 gegen 17:50 Uhr in einem dünn besiedelten, mit Bäumen und Büschen dicht bewachsenen Gebiet in der Nähe des .......bei der Ortschaft ..........(Uckermark) der ihm völlig unbekannten .........auf. Die 30-jährige Frau lief nach dem Bade im .......see in Richtung ........durch die menschenleere Gegend. Als sie seiner Gewahr wurde und zu flüchten versuchte, verfolgte er sie, hielt sie von hinten fest und hielt ihr die Schreckschusspistole an die Schläfe. Gleichzeitig drohte er ihr an, sie zu erschießen, wenn sie nicht mit dem Geschreie aufhöre. Er fesselte ihre Arme mit Hilfe seiner Handschellen auf deren Rücken und führte die völlig eingeschüchterte Frau zu einer abseits gelegenen Buschgruppe. Hier konnte er die in größte Angst und Panik versetzte Frau vergewaltigen, indem er den Geschlechtsverkehr an ihr ausübte, allerdings nicht bis zum Samenerguss, den er schließlich selbst durch Masturbation herbeiführte. Frau Frauenknecht behielt leichte Verletzungen an den Handgelenken und am Rücken zurück und litt noch lange Zeit psychisch unter diesem Ereignis. Wegen der Einzelheiten wird auf die Urteilsbegründung (Bl. 521 ff. Bd. IV) Bezug genommen.

Die Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 1 StGB hat in diesem Verfahren nicht zur Debatte gestanden, weil - soweit damals bekannt - die letzte zurückliegende einschlägige Tat mehr als dreizehn Jahre vor dieser Tat stattgefunden hatte und deshalb gemäß § 66 Abs. 4 S. 3 bis 5 StGB keine Berücksichtigung finden konnte. Auch die Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 2 und Abs. 3 StGB haben nicht vorgelegen.

Die bis zur Urteilsfällung bekannten Vortaten sollen nachstehend aufgeführt werden:

A)

Am 18.05.1976 ist gegen den Verurteilten vom Kreisgericht Angermünde wegen Nötigung und sexuellen Missbrauchs von Kindern eine Jugendstrafe von einem Jahr verhängt worden, die bis zum 19. 5. 1977 komplett vollstreckt wurde.

B)

Bereits am 1. 9. 1977 wurde der Verurteilte rückfällig. Zwischen 20.45 und 21.00 Uhr verfolgte er (im Alter von 19 Jahren) auf der Fernstraße 166 in Richtung Petrolchemisches Kombinat bei Schwedt die 22-jährige Radfahrerin, ............, stieß sie vom Fahrrad und versuchte, die junge Frau zu knebeln und zu fesseln, was wegen ihrer Gegenwehr nicht gelang. Er versetzte ihr deshalb zwei Handkantenschläge ins Genick, schleppte sie in ein Gebüsch abseits der Straße und setzte sich auf ihren Bauch. Nunmehr versuchte er die sich noch heftig wehrende Frau zu vergewaltigen. Erst als ihre Gegenwehr aufgrund körperlicher Erschöpfung und aus der Angst, der Täter könnte sie töten, nachließ, gelang es dem Verurteilten, an ihr den Geschlechtsverkehr zu vollziehen.

Wegen dieser Tat ist gegen den Verurteilten durch das Kreisgericht Schwedt/Oder mit Urteil vom 26. 6. 1978 eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten verhängt worden. Die Haftstrafe wurde komplett bis zum 28.2.1980 vollstreckt.

C)

Am 9. 10. 1980 gegen 20.30 Uhr hielt sich der Verurteilte auf dem Betriebsgelände des .........in Schwedt auf Weil das Betriebsgelände nur unzureichend beleuchtet war, war es völlig dunkel, als sich die 24-jährige ..............zu Fuß näherte. Der Verurteilte zog seinen Rollkragenpulli soweit hoch, dass nur die Augenpartie frei war, ging auf die nichts ahnende Frau zu und stieß sie zu Boden. Als sie mit dem Rücken auf der Betonstraße lag, drückte er sie mit den Knien auf den Boden und umfasste ihre Handgelenke. Die Frau schrie um Hilfe und versuchte, sich loszureißen. Er hielt ihr den Mund zu und schlug ihr mit der Handkante mehrfach auf die linke Halsseite. In dem nachfolgenden Gerangel erwies sich der Verurteilte als der körperlich Überlegene. Die Geschädigte konnte ihm im Gesicht immerhin eine Kratzwunde beibringen. Schließlich schleifte er die Frau 10 m weiter zu einem Sperrmüllcontainer. Dort kamen beide zu Fall. Die Geschädigte rief um Hilfe und konnte sexuelle Berührungen noch abwehren. Der Verurteilte versuchte, sie in eine Baracke zu schleppen bzw. zu schieben, musste sie wegen ihrer Gegenwehr aber hineintragen, wo es ihm schließlich gelang, die nunmehr erschöpfte und abwehrgeschwächte Frau zu vergewaltigen.

Gegen den Verurteilten ist wegen Vergewaltigung im schweren Fall und wegen einer Hehlerei durch das Kreisgericht Schwedt mit Urteil vom 23. 12. 1980 eine Einheitsfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verhängt worden, die er vollständig bis zum 9. 4. 1984 verbüßt hat.

D.

Am 09.07.1985 gegen 18.00 Uhr schlich sich der Verurteilte im Waldgebiet von Joachimsthal von hinten an die Geschädigte ............heran und umfasste sie, während er fragte, "wie es mit uns beiden wäre", was die Frau verneinte. Sexuelle Berührungen wehrte die Frau mit dem Wegschlagen seiner Hand ab. Plötzlich verdrehte der Verurteilte den linken Arm der Geschädigten und führte sie in eine Kiefernschonung. Dort wehrte sich die Frau gegen die Vollziehung des Geschlechtsverkehrs, indem sie die Beine zusammenpresste. Der Angeklagte spreizte jedoch gewaltsam ihre Beine. Als sie um Hilfe rief, hielt er ihr den Mund zu und drohte, sie umzubringen. Dadurch völlig eingeschüchtert, gab die Frau ihren Widerstand auf, so dass der Angeklagte gegen ihren Willen den Geschlechtsverkehr durchführen konnte.

Er ist deshalb durch Urteil vom 22. 8. 1985 des Kreisgerichts Eberswalde wegen Vergewaltigung im schweren Fall zu sechs Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden, von der er fünf Jahre verbüßt hat.

Der Rest der Freiheitsstrafe ist zur Bewährung ausgesetzt worden. Der Verurteilte ist am 09.07.1990 aus der Strafhaft entlassen worden. Die Reststrafe von einem Jahr wurde nach Ablauf der Bewährungszeit erlassen."

Nach der Verurteilung seien Tatsachen bekannt geworden, die auf eine erhebliche Gefährlichkeit des Verurteilten für die Allgemeinheit hinweisen würden. Hierzu führt die Strafkammer u. a. folgendes aus:

"Als neue Tatsache im Sinne von § 66 b Abs. 2 StGB kommt folgendes in Betracht:

Der Verurteilte ist hinreichend verdächtig, am 24.06.1995 in Biesenthal durch ein und dieselbe Handlung

a) andere mit Gewalt oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben genötigt zu haben, außereheliche sexuelle Handlungen des Täters an sich zu dulden und an dem Täter vorzunehmen,

b) sexuelle Handlungen an Personen unter vierzehn Jahren (Kindern) vorgenommen und an sich von den Kindern vornehmen gelassen zu haben; Verbrechen und Vergehen nach § 176 Abs. 1, 178 Abs. 1, 53 StGB a.F.

Der Verurteilte soll im Wald zwischen Finowfurt und Biesenthal die damals 13jährigen Mädchen ................ sexuell missbraucht haben. Nach dem bisherigen Beweisergebnis hatte er sich gegen 15.00 Uhr an einen Hochsitz herangeschlichen, auf welchem sich die beiden Mädchen befanden. Sie wollten dort ein Picknick abhalten. Der Verurteilte führte eine Pistole in der Hand, deren Eigenschaften nicht näher bekannt sind, und hatte sich mit einem über den Kopf gezogenen Damenstrumpf vermummt. Als er auf den Hochstand kletterte, versuchten die verängstigten Mädchen, den Hochstand durch ein Fenster zu verlassen, was ihnen jedoch nicht rechtzeitig vor dem Eintreffen des Verurteilten gelang. Er verriegelte die Tür der Kanzel und fragte zunächst nach dem Alter der Mädchen, welche fälschlich angaben, nur elf Jahre alt zu sein. Er gab den Mädchen nun auf, ihre Oberbekleidung hochzuheben und die Hosen auszuziehen. Dem kamen sie aus Angst nach. Anschließend musste sich ...........auf die Sitzbank legen. Der Verurteilte drückte mit seinen Händen ihre Beine auseinander. Aus Angst vor einer Vergewaltigung presste das Mädchen die Beine zusammen und schrie. Der Verurteilte hielt ihr daraufhin die Pistole vor und drohte, sie umzubringen, wenn sie nicht Folge leiste. Dann betastete er den Schambereich des Mädchens und spreizte ihre Schamlippen mit den Fingern. Dann holte er ein langes Seil und äußerte, sie, die Mädchen, hätten es ja nicht anders gewollt. Er fesselte beiden die Hände auf den Rücken. Nun sollte sich auch ..............auf die Bank legen. Auch ihren Schambereich betastete er nun und spreizte ihre Schamlippen. In der weiteren Folge mussten beide Mädchen aufstehen und sich etwas gebückt hinstellen. Dabei ging der Verurteilte in die Hocke und manipulierte wieder an ihren Geschlechtsteilen. Nun fragte er sie, ob sie schon einmal einen Mann gesehen hätten. Flugs öffnete er den Reißverschluss seiner Hose und entblößte seinen Penis, den die Mädchen anfassen sollten. Sie kamen dieser Aufforderung zögerlich nach. Beide Mädchen mussten nun abwechselnd am Glied des Verurteilten manipulieren, bis er schließlich selbst durch Masturbation vor den Mädchen den Samenerguss herbeiführte. Das Ejakulat ging dabei auf den Boden des Hochstandes und stand im folgenden Verfahren als DNA-Probe zur Verfügung. Abschließend notierte sich der Verurteilte die Namen und Adressen der Mädchen und drohte ihnen, dass er sie finden und töten würde, wenn sie etwas erzählten. Während er sich vom Hochstand entfernte, schoss er demonstrativ mit der Pistole in die Luft.

Die gegen Unbekannt eingeleiteten Ermittlungen verliefen zunächst erfolglos. Erst durch das Gutachten des LKA Brandenburg vom 21.03 .2000 wurde der Verurteilte als Verursacher der auf dem Hochstand hinterlassenen Spermaspur und damit als Tatverdächtiger entdeckt.

Die Staatsanwaltschaft Frankfurt/Oder (264 Js 107/98) stellte das Verfahren jedoch mit Verfügung vom 13.12.2000 gemäß § 154 Abs. 1 StPO im Hinblick auf die hier durch das Landgericht Neuruppin verhängte Freiheitsstrafe von neun Jahren vorläufig ein. Auf die Initiative der Staatsanwaltschaft Neuruppin wurde das Verfahren jedoch wieder aufgenommen und mit der Anklageschrift vom 2. September 2006 vor dem Landgericht Frankfurt/Oder zur Anklage gebracht. Das Landgericht Frankfurt/Oder hat die Eröffnung des Hauptverfahrens mit Beschluss vom 6.11.2006 mit der Begründung abgelehnt, dass ein gravierender Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot vorgelegen habe und darin ein Prozesshindernis zu sehen sei. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt/Oder hat diese Entscheidung akzeptiert, so dass dieses Verfahren seit dem 28.11.2006 rechtskräftig ohne Beweiserhebung abgeschlossen ist."....

Die Strafkammer hat in einer vorläufigen Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Tat und seiner Vortaten und seiner Entwicklung während des Strafvollzuges den Schluss gezogen, dass dieser mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch und körperlich schwer geschädigt werden und hat hierzu u. a. wie folgt ausgeführt:

"Vorbehaltlich der noch nicht vorliegenden forensisch-psychiatrischen Gutachten der durch die Kammer bestellten Gutachter............, wird die Gesamtwürdigung des Verurteilten und seiner Taten sowie ergänzend seiner Entwicklung während des Strafvollzuges ergeben, dass er im Falle seiner Freilassung mit hoher Wahrscheinlichkeit erhebliche Straftaten der gehabten Art begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Dafür spricht insbesondere, dass sich der Verurteilte in der bisherigen Haftzeit beharrlich geweigert hat, empfohlenen Behandlungsmaßnahmen zu folgen und sich mit seinen Straftaten auseinanderzusetzen (vgl. Bl. 120 VH), obwohl er - wie er der früheren Sachverständigen, Dr. med. ....in dem hier zugrunde liegenden Verfahren mitgeteilt hatte - eine therapeutischen Behandlung während des Vollzuges selbst für wichtig gehalten hat (Bl. 427/428 Bd. IV d.A.). Ihm wurden verschiedene Behandlungsoptionen eröffnet, die Verlegung in die sozialtherapeutische Abteilung sowie Einzelgespräche mit dem psychologischen Dienst, und es wurde ihm Einzelpsychotherapie angeboten. Diesen seit seiner Einweisung in die JVA Brandenburg an der Havel durch den psychologischen Dienst vorgenommenen Bemühungen widersetzte er sich hartnäckig bis zum heutigen Tage. Stattdessen bestritt er, jemals Sexualdelikte begangen zu haben.

Die Kammer wird daher nicht feststellen können, dass der Verurteilte während des Strafvollzuges mit dem Ziel einer Verringerung der Rückfallgefahr an sich gearbeitet hat. Es ist sogar zu befürchten, dass der Verurteilte bei künftigen Sexualstraftaten versucht, das Entdeckungsrisiko zu minimieren, und seine Energie und seine Methoden zur Verdeckung der Taten verstärkt und verbessert, was möglicherweise durch gesteigerte Entschlossenheit und Brutalität gegenüber den Opfern die Gefährlichkeit der jeweiligen Tatausführungen noch erhöht."

Gegen den Unterbringungsbefehl hat der Verurteilte durch Schriftsatz seines Verteidigers vom 14. Juni 2007, eingegangen am 15. Juni 2007, Beschwerde eingelegt, die er im wesentlichen damit begründet, dass die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung dann nicht erfolgen könne, wenn die Anordnung der Sicherungsverwahrung in einem Erkenntnisverfahren gegen einen Verurteilten möglich gewesen , allerdings unterblieben sei. Dies gelte auch für den Fall, wenn die Nichtverhängung der Maßregel der Sicherungsverwahrung auf Rechtsfehlern, auf einer unrichtigen Rechtsanwendung oder aber auf sonstigen Gründen beruhe. Eine neue Delinquenz könne niemals eine neue Tatsache im Sinne von § 66 b StGB sein, denn aufgrund des Vorrangs des Erkenntnisverfahrens sei bei Bekanntwerden einer neuen Delinquenz ein solches und nicht etwa ein Verfahren nach § 66 b StGB durchzuführen.

Da sich das Landgericht Frankfurt (Oder) aufgrund der langen Dauer des Verfahrens gehindert gesehen habe, ein Erkenntnisverfahren gegen den Verurteilten durchzuführen, wirke sich dieses Verfahrenshindernis auch auf die Durchführung eines Verfahrens nach § 66 b StGB aus. Wegen der weiteren Ausführungen des Verteidigers wird auf den Beschwerdeschriftsatz vom 14. Juni 2006, den beigehefteten Schriftsatz vom 5. April 2007 und die Stellungnahme zum Antrag der Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg vom 29. Juni 2007 Bezug genommen.

Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg hat beantragt, die Beschwerde des Verurteilten als unbegründet zu verwerfen. Die Generalstaatsanwaltschaft ist der Auffassung, dass die dem Verurteilten zur Last gelegte Straftat vom 24. Mai 1995 als neue Tatsache im Sinne des § 66 b StGB gewertet werden könne. Es liege kein Verstoß gegen den Grundsatz der Subsidiarität des Instituts der nachträglichen Sicherungsverwahrung vor. Entscheidender Zeitpunkt für die Neuheit derartiger Tatsachen sei nicht stets die letzte Tatsachenentscheidung, sondern bei weiteren Verurteilungen die letzte Tatsachenverhandlung, in der eine Entscheidung über die primäre Anordnung von Sicherungsverwahrung hätte erfolgen können. Entscheidend sei somit nicht, ob eine Verhandlung hätte durchgeführt werden können, sondern ob eine Hauptverhandlung durchgeführt worden sei. Verbiete allerdings ein Verfahrenshindernis die Durchführung der Hauptverhandlung und mithin auch die Prüfung, ob wegen der neuen Tat die Voraussetzungen einer Sicherungsverwahrung vorliegen würden, könnte diese neue Tat im Verfahren der nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung Berücksichtigung finden. Wegen der weiteren Ausführungen wird auf die Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg vom 26. Juni 2007 Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde des Verurteilten gegen den Unterbringungsbefehl der 1. großen Strafkammer des Landgerichts Neuruppin vom 11. Juni 2007 hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Nach § 275 a Abs. 5 Satz 1 StPO kann das mit der Entscheidung über die nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung betraute Gericht der Hauptsache einen Unterbringungsbefehl gegen einen Verurteilten erlassen, wenn dringende Gründe für die Annahme vorhanden sind, dass die nachträgliche Sicherungsverwahrung angeordnet wird.

a) § 66 b Abs. 2 StGB gestattet die nachträgliche Unterbringung eines Verurteilten in der Sicherungsverwahrung, wenn nach dessen Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren wegen eines oder mehrerer Verbrechen u. a. gegen die sexuelle Selbstbestimmung Tatsachen erkennbar werden, die auf seine erhebliche Gefährlichkeit für die Allgemeinheit hinweisen, und die Gesamtwürdigung des Verurteilten, seiner Taten und ergänzend seiner Entwicklung während des Strafvollzuges ergibt, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit (weitere) erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. So liegt der Fall hier.

Der Rechtsmittelführer wurde wegen einer am 31. Mai 1998 begangenen Vergewaltigung am 22. Januar 1999 zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Er war zuvor am 18. Mai 1976 wegen Nötigung und sexuellen Missbrauchs von Kindern zu einer Jugendstrafe von einem Jahr, sodann am 26. Juni 1978 wegen einer am 1. September 1977 begangenen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten, am 23. Dezember 1980 wegen einer am 9. Oktober 1980 begangenen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten und am 22. August 1985 wegen einer am 9. Juli 1985 begangenen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt worden. Bis auf einen Rest von einem Jahr hat der Verurteilte diese Freiheitsstrafen vollständig verbüßt. Das am 22. Januar 1999 ergangene Urteil der 1. großen Strafkammer enthält keine Ausführungen zur Frage der Anordnung der Sicherungsverwahrung gegen den Verurteilten. Der erkennenden Kammer waren lediglich die als Vorbelastungen aufgeführten Straftaten bekannt, nach denen davon auszugehen war, dass die letzte einschlägige Tat mehr als dreizehn Jahre zurücklag und die Voraussetzungen des § 66 StGB nicht vorlagen. Nach Art 1 a EGStGB in der Fassung vom 26. Januar 1998 war zur Zeit der Entscheidung die Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs 3 StGB zu prüfen, da die Tat nach dem 31.Januar 1998 begangen worden war. Die einschlägigen Strafverurteilungen und Strafverbüßungen in der ehemaligen DDR konnten zwar als Vortaten herangezogen werden ( BGH 5. Strafsenat - 5 StR 312/94 - vom 28.Juni 1994), allerdings lagen zwischen der letzten rechtskräftig verurteilten Tat am 9. Juli 1985 unter Berücksichtigung der verbüßten 5 Jahre Freiheitsstrafe bis zur Begehung der neuen Tat am 24. Mai 1998 fast 8 Jahre. Die Anordnung der Sicherungsverwahrung war mithin nicht zulässig. Sie wäre allerdings formell möglich gewesen, wenn der Beschwerdeführer wegen einer in dem Zeitraum seit seiner Haftentlassung am 9. Juli 1990 bis 1998 begangenen neuen einschlägigen Tat verurteilt worden wäre.

b) Es besteht der hinreichende Verdacht, dass der Beschwerdeführer am 24. Juni 1995 eine Sexualstraftat zum Nachteil von zwei Kindern begangen hat.

In einem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) - 264 Js 107/98 - hat sich nach Eingang eines Gutachtens des Landeskriminalamtes Brandenburg vom 21. März 2000 über die Zuordnung einer am Tatort gesicherten Spermaspur zur DNA des Beschwerdeführers der Verdacht ergeben, dass der Beschwerdeführer am 24. Juni 1995 in Biesenthal zwei 13jährige Mädchen sexuell genötigt und sexuelle Handlungen an ihnen vorgenommen hat (Verbrechen und Vergehen nach §§ 176 Abs. 1, 178 Abs. 1, 53 StGB a. F.).

Die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) hat am 13.Dezember 2000 das Ermittlungsverfahren gegen den Verurteilten gem. § 154 Abs. 1 StPO im Hinblick auf die durch das Landgericht Neuruppin zuvor verhängte Freiheitsstrafe von neun Jahren eingestellt. Nach einer Wiederaufnahme des Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) und Anklageerhebung vom 2. September 2006 hat die Strafkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) die Eröffnung des Hauptverfahrens mit Beschluss vom 6. November 2006 wegen Vorliegens eines durch Verstoß gegen das Beschleunigungsgebot entstandenen Prozesshindernisses eingestellt.

Im hypothetischen Fall der Eröffnung des Hauptverfahren und Nachweises der Täterschaft des Beschwerdeführers hätte das erkennende Gericht zwar unter Einbeziehung der verhängten Freiheitstrafe von neun Jahren eine höhere Freiheitsstrafe verhängen können, die Anordnung der Sicherungsverwahrung wäre ihr aus formellen Gründen allerdings nicht möglich gewesen, da die Tat vom 24. Juni 1995 im Beitrittsgebiet begangen worden war und gemäß Art 1 a EGStGB in der Fassung vom 16. Juni 1995 die Anordnung der Sicherungsverwahrung wegen Taten , die im Beitrittsgebiet begangen worden waren, auf solche nach dem 1. August 1995 beschränkt wurde. Andererseits hätte die Vortat dann, wenn sie bereits vor der neuen Tat am 31. Mai 1998 zur Verurteilung gestanden hätte, die Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 3 StGB im Anlassverfahren mit Urteil vom 22. Januar 1999 ermöglicht. Denn es hätte sich in einer Gesamtwürdigung ergeben, dass die Gefährlichkeit des Verurteilten auch nach seiner Haftentlassung am 9. Juli 1990 nach Verbüßung von fünf Jahren Freiheitsstrafe aufgrund des Urteils des Kreisgerichts Eberswalde vom 22. August 1985 fortbestand und nicht etwa zwischen der letzten Haftentlassung am 9. Juli 1990 und der Begehung der Tat vom 31. Mai 1998 eine erhebliche straffreie Zeit gelegen hat.

c) Nach der Verurteilung vom 22. Januar 1999 sind deshalb in der mutmaßlich begangenen Sexualstraftat vom 24. Juni 1995 auf eine erhebliche Gefährlichkeit des Rechtsmittelführers hinweisende neue Tatsachen erkennbar geworden, deren Berücksichtigung nicht aus dem Gesichtspunkt der Subsidiarität gegenüber der Verhängung von Sicherungsverwahrung im Erkenntnisverfahren unzulässig ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müssen die Möglichkeiten primärer Verhängung von Sicherungsverwahrung gem. §§ 66, 66 a StGB gegenüber der Möglichkeit nachträglicher Anordnung strikt vorrangig bleiben und darf die nachträgliche Sicherungsverwahrung stets nur subsidiär eingreifen. Eine zur primären Verhängung von Sicherungsverwahrung geeignete Tat kann deshalb grundsätzlich nicht als "neue Tatsache gelten" (vgl. BGH 5. Strafsenat - 5 StR 585/05 - vom 22.2.2006 ). Hiernach soll entscheidender Zeitpunkt für die Frage der Neuheit derartiger Tatsachen nicht nur die letzte Tatsachenentscheidung bei der Anlassverurteilung sein, sondern bei weiteren Verurteilungen die letzte Tatsachenverhandlung, in der eine Entscheidung über die primäre Anordnung von Sicherungsverwahrung hätte erfolgen können (vgl. OLG Frankfurt NStZ-RR 2005, 106; BGH 5. Strafsenat - 5 StR 585/05 - vom 22.2.2006; BGH 3. Strafsenat -3 StR 396/06 -, Urteil vom 21.12.2006 -). Es soll sichergestellt werden, dass durch die Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung nicht Versäumnisse der Strafverfolgungsbehörden im Ausgangsverfahren zu Lasten des Verurteilten im Nachhinein korrigiert werden. Der 5. Strafsenat führt in seiner Entscheidung vom 22. Februar 2006 aus:

"Der Grundsatz, dass das Verfahren nach § 66 b StGB nicht der Korrektur rechtsfehlerhafter früherer Entscheidungen dient, die von der Staatsanwaltschaft nicht beanstandet wurden ..., gilt nicht nur für die Anlassverurteilung, sondern auch für die Aburteilung späterer Straftaten, namentlich während des Strafvollzuges begangener. Lagen hier die Voraussetzungen für die Anordnung von Sicherungsverwahrung vor und ist sie, aus welchem Grund auch immer, unterblieben, muss auch insoweit gelten, dass dieses Versäumnis nicht durch die Anordnung nachträglicher Sicherungsverwahrung behoben werden kann. Ist nämlich in einem konkreten Strafverfahren von der Anordnung von Sicherungsverwahrung abgesehen worden, obwohl dies grundsätzlich möglich gewesen wäre, ist durch die Rechtskraft der Entscheidung über die Rechtsfolgen ein individueller Vertrauenstatbestand gesetzt worden. Ein derart im Einzelfall begründetes berechtigtes Vertrauen auf die Bestandskraft eines rechtskräftigen Urteils mit seinen freiheitsbeschränkenden Folgen, damit auch auf die Nichtanordnung von Sicherungsverwahrung, darf nicht dadurch enttäuscht werden, dass eine solche Entscheidung trotz hiernach unveränderter Tatsachengrundlage nachträglich korrigiert wird."

Wie oben ausgeführt, war die Anordnung der Sicherungsverwahrung im Erkenntnisverfahren der Anlassverurteilung aus formellen Gründen nicht möglich. Gleichermaßen wäre die Anordnung der Sicherungsverwahrung im Erkenntnisverfahren betreffend die neue Straftat aus formellen Gründen nicht möglich gewesen. Fehler oder Versäumnisse der Strafverfolgungsbehörden oder Gerichte bei der Tatsachenprüfung haben mithin nicht vorgelegen. Aus dem Gesichtspunkt des Vorrangs des Erkenntnisverfahrens kann danach eine Entscheidung über die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung vorliegend nicht unzulässig sein.

d) Entgegen der Auffassung der Verteidigung kann in Bezug auf die mutmaßlich seitens des Beschwerdeführers begangene neue Straftat auch nicht festgestellt werden, dass durch die im Jahr 2000 erfolgte Einstellung des Strafverfahrens durch die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) gem. § 154 Abs. 1 StPO ein berechtigtes Vertrauen in die Bestandskraft der Entscheidung entstanden wäre. Wenn sich die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) in Ausübung des ihr durch § 154 StPO zugebilligten Ermessens entschlossen hat, das Ermittlungsverfahren wegen sexueller Nötigung und sexuellen Kindesmissbrauchs gegen den Verurteilten nicht weiter zu betreiben und gem. § 154 StPO einzustellen, so ist diese Entscheidung keiner Rechtskraft fähig und jederzeit durch Wiederaufnahme des Verfahrens zurückzunehmen. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) mag bei ihrer Entscheidung im Jahr 2000 die Gesamtstrafenfähigkeit einer eventuell wegen der neuerlichen Tat zu verhängenden Freiheitsstrafe berücksichtigt haben und ist möglicherweise zu dem Ergebnis gelangt, dass eine wesentliche Erhöhung der verhängten Freiheitsstrafe von neun Jahren im Falle einer Verurteilung nicht zu erwarten sei. Die Verhängung von Sicherungsverwahrung hat die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) - zu recht - nicht in Betracht gezogen.

Mit der Anklageerhebung im Jahr 2006 hat die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) ihre Auffassung revidiert. Der Umstand, dass es nun nicht mehr zur Zulassung der Anklage und Eröffnung des Hauptverfahrens gegen den Verurteilten gekommen ist, da die Strafkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) angesichts der seit Tatbegehung und seit Bekanntwerden der mutmaßlichen Täterschaft des Beschwerdeführers vergangenen Zeit ein Verfahrenshindernis angenommen hatte, welches nach Auffassung der Strafkammer die Durchführung eines fairen Verfahrens gegen den Beschwerdeführer verhinderte und deshalb zur Einstellung des Verfahrens zwang, hat nach Auffassung des Senats ebenfalls nicht zu einem Vertrauenstatbestand dahingehend geführt, dass die mutmaßliche Tatbegehung im Jahr 1995 nun auch nicht mehr als für eine Gefährlichkeitsprognose maßgebliche neue Tatsache und bei der Beurteilung der Frage des Hanges zur Begehung von Sexualstraftaten Berücksichtigung finden kann. Vertrauen kann der Beschwerdeführer angesichts der Rechtskraft des Einstellungsbeschlusses ausschließlich darauf, dass nunmehr - entgegen der ursprünglich nach Einstellung gemäß § 154 StPO noch möglichen Wiederaufnahme der Ermittlungen - wegen der neuen Taten kein Strafverfahren mehr eröffnet und keine Freiheitsstrafe gegen ihn verhängt werden wird, wobei eine originäre Sicherungsverwahrung gemäß § 66 StGB schon aus den oben ausgeführten vereinigungsbedingten formellen Gründen nicht verhängt werden konnte. Die Entscheidung des Landgerichts Frankfurt(Oder) kann in Bezug auf die Verwertbarkeit des neuen Tatgeschehens im Verfahren der Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung keine weiteren Wirkungen entfalten als die vorangegangene Einstellung des Verfahrens nach § 154 Abs. 1 StPO. Diese ist in diesem Zusammenhang nicht anders zu behandeln als der Fall der Einstellung wegen Verjährung oder Strafunmündigkeit (vgl. BGH 4. Strafsenat - 4 StR 569/04 - vom 8. März 2005). Der Umstand, dass Vortaten wegen Eintritts der Rückfallverjährung nicht mehr als Symptomtaten herangezogen werden können, hindert nicht ihre Verwertung als sonstiges Beweisanzeichen für die Hangtätereigenschaft im Rahmen der Würdigung der Persönlichkeit des Angeklagten ( vgl. BGH 5. Strafsenat - 5 StR 563/98 - vom 30. März 1999). Ein Verwertungsverbot hinsichtlich eines Geschehens, welches nicht im Rahmen einer Hauptverhandlung durch Urteil festgestellt worden, sondern dessen Verfolgung aus formellen oder im Ermessen der Strafverfolgungsbehörden liegenden Gründen eingestellt worden ist, folgt weder aus dem Grundsatz des fairen Verfahrens noch aus der Unschuldsvermutung ( Art 6 Abs. 1 und 2 EMRK). Durch die Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung gemäß § 66 b StGB hat der Gesetzgeber ein Instrument geschaffen, um die Allgemeinheit vor gefährlichen Gewalttätern, insbesondere auch Sexualstraftätern, gegen die im Zeitpunkt der Anlassverurteilung aus formellen oder sonstigen Gründen nicht die Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist, und deren Gefährlichkeit sich durch nachträgliche Erkenntnisse zeigt, zu schützen. Die nachträglichen Erkenntnisse zu neuen Straftaten müssen nach Auffassung des Senats auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur dann in einem neuen Erkenntnisverfahren geprüft werden, wenn in diesem die Sicherungsverwahrung rechtlich zulässig angeordnet werden könnte. In allen anderen Fällen kann und muss die Feststellung eines derartigen Geschehens, so auch des Vollzugsverhaltens, der Therapieverläufe u.ä., im Rahmen einer Beweisaufnahme unter Wahrung der prozessualen Rechte des Beschuldigten durch die Gerichte im Verfahren über die Anordnung nachträglicher Sicherungsverwahrung erfolgen. Insbesondere muss dies - wie hier - in den sogenannten Altfällen gelten. Diesen ist immanent, dass die Straftaten sehr lange Zeit zurückliegen und eine originäre Strafverfolgung möglicherweise bereits wegen Verjährung oder wegen Einstellung aus dem Gesichtspunkt der zu erwartenden geringen Sanktion ausscheidet. Der Gesetzgeber hat durch die am 14. April 2007 in Kraft getretene Ergänzung des § 66 b Abs. 1 StGB klargestellt, dass das Gericht in den Fällen, in welchen aus rechtlichen Gründen eine Verhängung der Sicherungsverwahrung nicht möglich war, sogar seinerzeit erkennbare, für eine weitere Gefährlichkeit sprechende Tatsachen berücksichtigen darf. Erst recht ist deshalb bei Vorliegen von nicht erkennbaren Tatsachen in Form von unbekannt gebliebenen weiteren Straftaten - vorbehaltlich der Eignung als Anlasstat in einem neuen Erkenntnisverfahren - von der Verwertbarkeit auszugehen, selbst wenn diese Taten zu lange zurückliegen, dass sie verjährt oder aus anderen Gründen nicht mehr verfolgbar wären.

2. Auch die weitere Voraussetzung für die nachträgliche Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung, namentlich die Feststellung eines Hanges zur Begehung erheblicher Straftaten, ist vorliegend mutmaßlich gegeben. Vorbehaltlich der Darlegungen der psychiatrischen Sachverständigen geht der Senat davon aus, dass die Vielzahl der von dem Verurteilten begangenen oder mutmaßlich noch festzustellenden Sexualstraftaten über einen Zeitraum von 1976 bis 1998 zeigen, dass der Verurteilte einen Hang zur Begehung erheblicher Sexualstraftaten hat und weiterhin die Gefahr besteht, dass seine Opfer durch diese erheblichen Straftaten schwer geschädigt werden.

Ende der Entscheidung

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