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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 14.03.2007
Aktenzeichen: 1 Ws 257/06
Rechtsgebiete: RVG, BRAGO, StPO


Vorschriften:

RVG § 45 Abs. 3
BRAGO § 84 Abs. 2
StPO § 349 Abs. 2
StPO § 349 Abs. 4
StPO § 349 Abs. 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

1 Ws 257/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In der Strafsache

wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern;

hier: Beschwerde gegen die Kostenfestsetzung

hat der 1. Strafsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch

die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Thaeren-Daig, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Bachnick und die Richterin am Oberlandesgericht Michalski

am 14. März 2007

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Verteidigers gegen den Beschluss der 2. großen Strafkammer des Landgerichts Potsdam vom 23. Oktober 2006 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Auslagen werden nicht erstattet.

Der Beschwerdeführer war dem Angeklagten am 17. Mai 2005 als Pflichtverteidiger beigeordnet worden. Am 21. September 2005 verurteilte die 2. große Strafkammer des Landgerichts Potsdam den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in neun Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten. Gegen dieses Urteil legte der Beschwerdeführer am 27. September 2005 für den Angeklagten form- und fristgerecht Revision ein. Am 24. Oktober 2005 wurde ihm das Urteil zugestellt. Unter dem 16. November 2005 teilte er in einem an das Landgericht adressierten Schriftsatz mit, er nehme nach eingehender Beratung im Namen des Angeklagten die Revision zurück.

Mit dem Antrag auf Festsetzung der Vergütung für das Revisionsverfahren vom 16. November 2005 machte der Beschwerdeführer neben der Verfahrensgebühr mit Haftzuschlag gem. § 45 Abs. 3 RVG (VV 4130 und VV 4131) für seine Mitwirkung an der Rücknahme des Rechtsmittels die zusätzliche Gebühr nach VV 4141 Abs. 1 Ziff. 3 in Höhe von 505,00 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer geltend.

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat die Festsetzung dieses Betrages unter dem 23. November 2005 abgelehnt. Die hiergegen gerichtete Erinnerung des Beschwerdeführers hat die 2. große Strafkammer des Landgerichts Potsdam durch Beschluss vom 23. Oktober 2006 in der Besetzung mit drei Berufsrichtern als unbegründet verworfen.

Die gegen diesen Beschluss gerichtete Beschwerde, über die der Senat in der Besetzung mit drei Richtern zu entscheiden hatte (§§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 8 Satz 1 HS 2 RVG) ist zulässig (§§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 1 und 3 RVG; vgl. auch Senatsbeschluss vom 26. Februar 2007 - 1 Ws 23/07). In der Sache hat die Beschwerde jedoch keinen Erfolg.

Die Gebühr Nr. 4141 VV RVG für die Rücknahme der Revision steht dem Beschwerdeführer vorliegend nicht zu.

Diese zusätzliche Gebühr kann der Verteidiger nur verlangen, wenn durch die anwaltliche Mitwirkung eine Hauptverhandlung entbehrlich wird, hier insbesondere sich das gerichtliche Verfahren durch Rücknahme der Revision erledigt. Soweit bereits Termin zur Hauptverhandlung bestimmt ist, entsteht die Gebühr nur, wenn die Revision früher als zwei Wochen vor Beginn des Tages, der für die Hauptverhandlung vorgesehen war, zurückgenommen wird. Daraus ergibt sich, dass die Entstehung dieser Zusatzgebühr nicht zwingend die Anberaumung eines Hauptverhandlungstermins voraussetzt.

Anders als im Falle der Berufung oder des Einspruchs gegen einen Strafbefehl erfordert die Durchführung des Revisionsverfahrens nicht immer die Anberaumung einer Hauptverhandlung. Daher bedarf die Frage, ob die Hauptverhandlung durch die Rücknahme der Revision entbehrlich geworden ist, einer gesonderten Prüfung. In diesem Zusammenhang ist von Bedeutung, dass die neue Regelung in Nr. 4141 VV RVG den Grundgedanken der alten Regelung in § 84 Abs. 2 BRAGO übernimmt, der intensive und zeitaufwendige Tätigkeiten des Verteidigers, die zu einer Vermeidung der Hauptverhandlung und damit beim Verteidiger zum Verlust der Hauptverhandlungsgebühr führten, gebührenrechtlich honorierte. Diese Zusatzgebühr, die in Höhe der jeweiligen Verfahrensgebühr anfällt und damit deutlich über der für eine Teilnahme an einer Hauptverhandlung anfallenden Terminsgebühr liegt, sollte den Anreiz erhöhen, Verfahren ohne Hauptverhandlung zu erledigen und damit zu einer Entlastung der Revisionsgerichte führen. Im Revisionsverfahren stellt jedoch die Entscheidung durch Beschluss gem. § 349 Abs. 2 und 4 StPO nach der Gesetzessystematik und der tatsächlichen Handhabung die Regel dar, während nur ausnahmsweise gem. § 349 Abs. 5 StPO durch Urteil aufgrund einer Hauptverhandlung entschieden wird. In solchen Fällen kann der Verteidiger nur die Verfahrensgebühr für das Revisionsverfahren nach Nr. 4130 VV RVG verlangen (vgl. Hartmann zu Nr. 4130 VV RVG, Rn. 3). Allein die theoretische Möglichkeit der Durchführung einer Hauptverhandlung durch Einlegung der Revision und gegebenenfalls durch ihre Begründung rechtfertigt nicht den Anfall der geltend gemachten Zusatzgebühr. Vielmehr ist die von dem Gesetzgeber gewollte Honorierung dort nicht angezeigt, wo der Anfall der Hauptverhandlungsgebühr nicht zu erwarten steht. Die Gebühr nach Nr. 4141 VV RVG kann im Falle der Rücknahme der Revision deshalb nur geltend gemacht werden, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass eine Hauptverhandlung durchgeführt worden wäre. Dies könnte sich etwa aus dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft ergeben (vgl. OLG Zweibrücken, Beschluss vom 17. Mai 2005 - 1 Ws 164/05 -; OLG Hamm, Beschluss vom 28. März 2006 - 1 Ws 203/06 -; OLG Hamm, Beschluss vom 20. Juni 2006 -4 Ws 144/06 -; OLG Stuttgart, Beschluss vom 9. Februar 2007 -1 Ws 34/07-). Im vorliegenden Fall ist die Gebühr der Nr. 4141 Abs. 1 Ziff. 3 VV RVG nicht entstanden, weil keinerlei Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass durch die Revisionsrücknahme eine Hauptverhandlung entbehrlich geworden ist.

Die Ablehnung der Festsetzung der Gebühr Nr. 4141 VV RVG ist demnach vorliegend nicht zu beanstanden.

Die Gebühren- und Kostenfreiheit des Beschwerdeverfahrens ergibt sich aus § 56 Abs. 2 RVG.

Ende der Entscheidung

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