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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 11.01.2008
Aktenzeichen: 1 Ws 319/07
Rechtsgebiete: StGB, StPO, BbgPsychKG


Vorschriften:

StGB § 20
StGB § 21
StGB § 67 d Abs. 2
StGB § 67 d Abs. 6 Satz 1
StGB § 67 e
StPO § 311
StPO § 454 Abs. 3 Satz 1
StPO § 463
StPO § 463 Abs. 3 Satz 1
StPO § 463 Abs. 4
StPO § 463 Abs. 4 Satz 4
BbgPsychKG § 37 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

1 Ws 319/07 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In der Maßregelvollzugssache

wegen sexueller Nötigung u. a.

hat der 1. Strafsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch

die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Thaeren-Daig, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Weckbecker und die Richterin am Oberlandesgericht Michalski

am 11. Januar 2008

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Untergebrachten gegen den Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Potsdam bei dem Amtsgericht Brandenburg an der Havel vom 17. Oktober 2007 wird als unbegründet verworfen.

Der Verurteilte trägt die Kosten des Rechtsmittelverfahrens und die ihm in diesem erwachsenen notwendigen Auslagen (§ 473 Abs. 1 S. 1 StPO).

Gründe:

I.

Der Rechtsmittelführer befand sich im vorliegenden Verfahren vom 21. November 2001 bis zum 25. April 2002 in Untersuchungshaft und ab dem 26. April 2002 vorläufig untergebracht in den Ruppiner Kliniken. Seit dem 29. Oktober 2002 befindet er sich im Maßregenvollzug der früheren Landesklinik, bzw. des heutigen Asklepios-Fachklinikums Brandenburg an der Havel. Die 1. Strafkammer des Landgerichts Frankfurt/Oder hatte ihn am 2. September 2002 wegen sexueller Nötigung unter Verwendung eines gefährlichen Werkzeugs in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Der an einer tief greifenden Entwicklungsstörung mit schizoiden und gehemmt-aggressiven Zügen leidende einschlägig vorbestrafte Untergebrachte hatte am Morgen des 21. November 2001 die Zeugin ........... auf deren Weg zur Arbeit zu Boden geworfen und unter Einsatz eines Klappmessers, welches er ihr an den Hals hielt, versucht, die Zeugin am unbedeckten Scheidenbereich zu berühren und zwei seiner Finger in ihre Scheide einzuführen, was ihm jedoch aufgrund der anhaltenden Gegenwehr der Zeugin nicht gelang. Während der körperlichen Auseinandersetzung, bei der er die Zeugin bis zur Atemnot würgte, hatte der Untergebrachte einen Samenerguss. Als der Untergebrachte bemerkte, dass sich ein Mann mit einem Hund näherte, ließ er schließlich von der Zeugin ab und ergriff unter Mitnahme ihres Rucksacks die Flucht.

Aufgrund seiner psychischen Erkrankung, die auch eine sexuelle Fehlentwicklung mit einer Kopplung von Gewalt und Sexualität umfasst, war die Schuldfähigkeit des Untergebrachten zur Tatzeit im Sinne des § 21 StGB erheblich vermindert.

Mit dem angefochtenen, am 17. Oktober 2007 erlassenen Beschluss hat die auswärtige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Potsdam bei dem Amtsgericht Brandenburg an der Havel die Fortdauer der Unterbringung des Rechtsmittelführers angeordnet.

II.

Das gemäß § 463 Abs. 3 Satz 1, § 454 Abs. 3 Satz 1, § 311 StPO zulässige Rechtsmittel des Untergebrachten hat keinen Erfolg.

Zu Recht und mit zutreffenden Erwägungen hat die Strafvollstreckungskammer eine Aussetzung der Maßregel abgelehnt, denn diese kommt nach § 67 d Abs. 2 StGB nur in Betracht, wenn zu erwarten ist, dass der Untergebrachte außerhalb der Maßregel keine rechtswidrigen Taten mehr begehen wird. Der Senat nimmt insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung. Die Voraussetzungen des § 67 d Abs. 6 Satz 1 StGB, nach denen die Vollstreckung für erledigt zu erklären ist, liegen ebenfalls nicht vor. Dass die Voraussetzungen für die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht oder nicht mehr vorliegen, lässt sich nach dem Ergebnis des fachpsychiatrischen Gutachtens vom 15. August 2005 und dem dargestellten Therapieverlauf durch die Klinikmitarbeiter ausschließen. Auch eine Unverhältnismäßigkeit der weiteren Vollstreckung der Maßregel ist in Anbetracht der Unterbringungsdauer von noch nicht ganz sechs Jahren, einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und angesichts der Schwere des begangenen und der drohenden Sexualdelikte nicht erkennbar.

Soweit die sofortige Beschwerde unter Hinweis auf die inzwischen mehr als fünf Jahre andauernde Unterbringung beanstandet, die Kammer habe in Vorbereitung ihrer Entscheidung davon abgesehen, gemäß § 463 Abs. 4 StPO ein externes psychiatrisches Prognosegutachten einzuholen, führt dieser Einwand das Rechtsmittel nicht zum Erfolg.

Gemäß § 463 Abs. 4 StPO soll das Gericht im Rahmen der Überprüfungen nach § 67e StGB nach jeweils fünf Jahren vollzogener Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus das Gutachten eines Sachverständigen einholen, der nicht im Rahmen des Vollzugs der Unterbringung mit der Behandlung der untergebrachten Person befasst gewesen sein noch in dem psychiatrischen Krankenhaus, in dem sich die untergebrachte Person befindet, arbeiten darf. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers soll mit der Neuregelung durch Hinzuziehung eines anstaltsfremden Gutachters, der eine kritische Distanz zu den bisherigen Gutachten hält, der Gefahr von Routinebeurteilungen vorgebeugt und die Prognosesicherheit des Gerichts entscheidend verbessert werden (BT-Drucksache 16/1110, S. 19).

Bei der Auslegung dieser Soll-Vorschrift ist zu beachten, dass die Voraussetzungen für die Verhältnismäßigkeit des in der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus liegenden Freiheitsentzuges umso strenger sind, je länger die Unterbringung andauert (vgl. BVerfG NJW 1995, 3048). Jedenfalls bei einer fünf Jahre deutlich übersteigenden Dauer einer Unterbringung, bei der bislang noch kein anstaltsfremdes Sachverständigengutachten eingeholt wurde, und bei der die Erwartung künftiger rechtswidriger Taten und die darauf beruhende andauernde Gefährlichkeit des Untergebrachten für die Allgemeinheit auch nicht - etwa wegen der Art der psychischen Erkrankung - völlig unzweifelhaft vorliegen, ist die genannte Soll-Vorschrift deshalb dahin auszulegen, dass ein externes Sachverständigengutachten eingeholt werden muss (vgl. OLG Oldenburg, Beschluss vom 7. September 2007 - 1 Ws 481/07 - nach juris). Dieser Fall ist vorliegend nicht gegeben. Zudem liegt hier ein fachpsychiatrisches Prognosegutachten des externen forensischen Psychiaters Dr. med. Elmar Rink vom 15. August 2005 vor.

Der Senat erachtet es als unbedenklich, wenn die Strafvollstreckungskammer im Rahmen ihrer Entscheidung gemäß § 67 e StGB auf externe Gutachten zurückgreift, die von der Klinik gemäß § 37 Abs. 4 BbgPsychKG eingeholt werden. Auch diese Gutachter sind unabhängig von dem behandelnden Krankenhaus (vgl. § 37 Abs. 4 Satz 1 BbgPsychKG). Diese Prognosegutachten befassen sich in der Regel mit der Ausgestaltung der Behandlung einschließlich der Lockerungserprobungen. Daher müssen sie - ebenso wie es § 463 StPO erfordert - zunächst beantworten, ob noch eine psychische Beeinträchtigung im Sinne der Eingangsmerkmale des § 20 StGB vorliegt und ob sich hieraus eine negative Kriminalprognose ergibt (vgl. Boetticher u.a., NStZ 2006, 537). Das Gutachten ist der Einrichtung und der Vollstreckungsbehörde (Jugendrichter oder Staatsanwaltschaft) unverzüglich zur Kenntnis zu bringen (§ 37 Abs. 4 Satz 2 BbgPsychKG), wodurch es der Strafvollstreckungskammer zugänglich ist. Das BbgPsychKG-Prognosegutachten ist somit auch als gerichtliches Gutachten im Rahmen der Überprüfung nach § 67 e StGB als Gutachten eines externen Sachverständigen im Sinne des § 463 Abs. 4 StPO verwertbar. Dies dient vor dem Hintergrund, dass forensisch erfahrene und mit dem Maßregelvollzug vertraute Sachverständige, die ein aussagekräftiges Prognosegutachten erstatten können, nur in begrenzter Zahl vorhanden sind, auch dem Beschleunigungsgrundsatz (Art. 6 MRK). Ferner können zu häufige Explorationen die Therapie stören. Schließlich entspricht die Gleichbehandlung der beiden externen Gutachten dem Willen des Gesetzgebers. In der Begründung der Gesetzesänderung wird zur Neufassung des § 463 Abs. 4 StPO auf die für den Maßregelvollzug geltenden landesrechtlichen Regelungen in einigen Bundesländern ... (Brandenburg: § 37 Abs. 4 PsychKG) hingewiesen (Bundestags-Drucksache 16/1110 Seite 27, 28) Der Gesetzentwurf, der ursprünglich vorsah, das Gericht zu verpflichten, nach jeweils fünf Jahren vollzogener Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus ein externes Sachverständigen einzuholen, wurde sodann in die nunmehr beschlossene Soll-Vorschrift abgeändert.

Soweit die sofortige Beschwerde rügt, das Gutachten vom 15. August 2005 sei nicht ordnungsgemäß unter Beachtung des § 463 Abs. 4 Satz 4 StPO in das Verfahren eingeführt worden, verkennt der Beschwerdeführer, dass eine mündliche Anhörung des Sachverständigen nur dann erforderlich ist, wenn im Rahmen des Verfahrens nach § 67 e StPO gemäß § 463 Abs. 4 StPO ein Gutachten aktuell eingeholt wurde (§ 463 Abs. 4 Satz 4 unter Hinweis auf § 454 Abs. 2 StPO). Andernfalls müsste der Sachverständige jährlich, anlässlich jeder Aussetzungsprüfung nach § 67 e StPO mündlich gehört werden. Dies wird vom Gesetz indes nicht verlangt.

Ende der Entscheidung

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