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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 12.07.2004
Aktenzeichen: 1 Ws 75/04
Rechtsgebiete: StPO, StGB
Vorschriften:
StPO § 172 | |
StPO § 170 Abs. 2 | |
StGB § 339 | |
StGB § 11 Abs. 1 Nr. 2 a |
Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss
In dem Ermittlungsverfahren
wegen Rechtsbeugung
hat der 1. Strafsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch
am 12. Juli 2004
beschlossen:
Tenor:
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 172 StPO gegen den Bescheid der Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg vom 29. März 2004 wird als unbegründet verworfen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Klageerzwingungsverfahrens.
Gründe:
Der Antragsteller legt dem Beschuldigten Rechtsbeugung in mehreren Fällen zur Last.
Die Staatsanwaltschaft Neuruppin hat durch Bescheid vom 30. Januar 2004 das Ermittlungsverfahren gegen den Beschuldigten ohne Aufnahme weiterer Ermittlungen mangels hinreichenden Tatverdachts gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. Gegen diesen Bescheid hat der Antragsteller mit Schreiben vom 22. Februar 2004 Beschwerde eingelegt. Der Generalstaatsanwalt des Landes Brandenburg hat die Beschwerde mit Bescheid vom 29. März 2004 als unbegründet zurückgewiesen, da zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für strafbare Handlungen des Beschuldigten nicht vorhanden seien. Gegen diesen Bescheid hat der Antragsteller durch seinen Verfahrensbevollmächtigten Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 172 StPO gestellt..............
Das Begehren des Antragstellers bleibt im Ergebnis ohne Erfolg..........
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist jedoch unbegründet. Die Staatsanwaltschaft hat im Ergebnis zu Recht das eingeleitete Ermittlungsverfahren mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt, der Generalstaatsanwalt zu Recht die hiergegen gerichtete Beschwerde zurückgewiesen, da keine zureichenden Anhaltspunkte tatsächlicher Art für strafbares Verhalten ersichtlich sind.
Das dem Beschuldigten vorgeworfene Verhalten erfüllt entgegen der Rechtsauffassung des Antragstellers bereits objektiv nicht den Tatbestand der Rechtsbeugung nach § 339 StGB. Zwar ist der Beschuldigte als Beamter Amtsträger im Sinne der §§ 339, 11 Abs. 1 Nr. 2 a StGB, doch war er in keinem der angezeigten Fälle mit der Leitung oder Entscheidung einer Rechtssache befasst.
Das Delikt der Rechtsbeugung war ursprünglich ein Delikt, dass nur ein Richter begehen konnte. Das erste Gesetz, das als mögliche Täter Beamte nennt, war das Strafgesetz für die preußischen Staaten von 1851. In den Motiven hierzu findet sich für die Erweiterung der Vorschrift jedoch die Erklärung, dass nicht "alle Rechtsstreitigkeiten zur Entscheidung der Gerichte gehören und den Verwaltungsbeamten, wenn ihnen die Kognition in solchen Sachen überwiesen ist, hierbei gleiche Pflichten wie den Richtern obliegen" (Motive zum revidierten Entwurf des Strafgesetzbuches für die preußischen Staaten, 1833, S. 421 f.; vgl. Bemmann JZ 1972, 599 f.). Der Schutzzweck der Vorschrift war damit trotz der Erweiterung des Kreises möglicher Täter unverändert geblieben. Darauf beruht es, dass die Rechtsprechung schon des Reichsgerichts und später des Bundesgerichtshofs durchgehend verlangt hat, dass der unter § 339 StGB fallende Beamtenträger die jeweilige Rechtssache wie ein Richter zu leiten oder zu entscheiden hatte (RGSt 71, 315; BGHSt 14, 147 f.; 24, 326 f.). Jedenfalls in einem Fall wie vorliegend ist der Bereich möglicher Rechtsbeugung danach eindeutig nicht berührt. Der Beschuldigte ist zwar kraft seines Amtes berechtigt, seinem nachgeordneten Bereich Richtlinien und Weisungen zu erteilen sowie Verfahren an sich zu ziehen, so dass er im Einzelfall genötigt ist, bei der Entschlussfassung über Verwaltungsakte widerstreitende Interessen zu berücksichtigen. Er handelt und handelte dabei auch in den angezeigten Fällen aber nicht in einem Aufgabenbereich und einer sachlich so unabhängigen Stellung, dass es gerechtfertigt wäre, seine Tätigkeit mit der des nur dem Gesetz unterworfenen Richters zu vergleichen. Dass er im Rahmen der Erledigung seiner Verwaltungsaufgaben ebenfalls Recht anzuwenden hat, reicht nicht aus, sein Handeln insoweit der Rechtsprechung gleichzustellen (vgl. BGHSt 34, 146 ff). Wollte man in derartigen Fällen die Anwendbarkeit des § 339 StGB annehmen, würde dieser Verbrechenstatbestand in unangemessener Weise ausgedehnt werden. Die die normative Strafbarkeit nach § 339 StGB erst begründenden Tatbestandselemente "Leitung oder Entscheidung" belegen, das hierfür ein Verfahren mit größerer Förmlichkeit erforderlich ist als dasjenige des allgemeinen und des Bauordnungsrechts. "Wie ein Richter" geht jemand vor, der in einem rechtlich vollständig geregelten Verfahren regelmäßig einen "Prozess", entscheidet (BGHSt 24, 326, 328). Im Gegensatz dazu ist das bauordnungsrechtliche Verfahren, jedenfalls solange es behördenintern in der Hand des Sacharbeiters bzw. seines Dienstvorgesetzten liegt, für diese keine "Rechtssache" im Sinne des § 339 StGB.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Gesetzesänderung im Jahre 1974. Der Senat sieht in der durch das Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch eingeführten Umschreibung des Begriffs des Amtsträgers in § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB eine rein rechtstechnische Vorschrift (vgl. BGHSt 24 a.a.O.). Die heutige Vorschrift des § 339 StGB ist in der Tatbestandsbeschreibung hingegen weitgehend unverändert geblieben.
Auch die Gesetzesmaterialien lassen einen auf Ausweitung gerichteten Willen des Gesetzgebers, dem die bisherige Rechtsprechung bewusst war, nicht erkennen (Nachweise nach BGHSt a.a.O.).
Damit kommt eine Verurteilung des Antragsgegners wegen Rechtsbeugung oder Beteiligung an einem solchen Delikt vorliegend nicht in Frage. hat.
Das Klageerzwingungsgesuch ist danach als unbegründet zurückzuweisen.
Ende der Entscheidung
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