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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 30.09.2002
Aktenzeichen: 10 UF 103/02
Rechtsgebiete: SorgeRÜbkAG, FGG


Vorschriften:

SorgeRÜbkAG § 8 Abs. 2 Satz 1
FGG § 16 a
FGG § 22
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
10 UF 103/02 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Beschluss

In der Familiensache

betreffend den Umgang mit dem Minderjährigen

hat der 2. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 25. April 2002 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Eisenhüttenstadt vom 20. März 2002 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und die Richterin am Amtsgericht ...

am 30. September 2002

beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Das Amtsgericht Eisenhüttenstadt wird angewiesen, die Sache an das örtlich zuständige Amtsgericht Brandenburg/Havel abzugeben.

Kosten werden nicht erstattet.

Der Beschwerdewert wird auf 3.000 € festgesetzt.

Gründe:

Mit seinem Rechtsmittel begehrt der Antragsteller, den Beschluss des Bezirksgerichts in Zielona Gora/Polen vom 24.5.1999 in der Konkretisierung durch den Beschluss vom 16.11.1999 (I. 2 C 275/99) in der Bundesrepublik Deutschland anzuerkennen. Durch diese Beschlüsse war dem Antragsteller ein Umgangsrecht mit seinem Sohn in der M...straße in Zielona Gora eingeräumt worden.

Das Rechtsmittel des Antragstellers ist als sofortige Beschwerde gem. § 8 Abs. 2 Satz 1 des Sorgerechtsübereinkommensausführungsgesetzes (SorgeRÜbkAG) vom 5.4.1990 (BGBl. I, S. 701) i. V. m. § 22 FGG zulässig (vgl. auch Firsching/Graba, Handbuch der Rechtspraxis - Familienrecht, 1. Halbband, 6. Aufl., Rz. 1303). Im Zweiten Teil dieses Ausführungsgesetzes ist das gerichtliche Verfahren betreffend die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung geregelt.

Die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit richtet sich grundsätzlich nach § 16 a FGG. Allerdings gehen Sondervorschriften über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen, wie sie insbesondere in zwischenstaatlichen Abkommen enthalten sind, der Bestimmung des § 16 a FGG vor (vgl. Keidel/Zimmermann, FGG, 14. Aufl., § 16 a, Rz. 11). Zu den zwischenstaatlichen Abkommen zählt insbesondere das Minderjährigenschutzabkommen (MSA) vom 5.10.1961 (BGBl. 1971 II, S. 217), dem auch die Republik Polen beigetreten ist (vgl. Rahm/Künkel/Paetzold, Handbuch des Familiengerichtsverfahrens, Rz. VIII 415; s. aber zu der Streitfrage, ob mit Rücksicht auf Art. 18 Satz 2 das zwischen dem Deutschen Reich und der Republik Polen am 5.3.1924 geschlossene Vormundschaftsabkommen, RGBl. 1925 II, S. 145, RGBl. 1926 II, S. 237 fortgilt, Jansen, FGG, 2. Aufl., § 35, Rz. 118; Soergel/Kegel, BGB, 12. Aufl., Art. 24 EGBGB, Rz. 72; Staudinger/Kropholler, BGB, 13. Bearb. 2001, Vorbem. zu Art. 24 EGBGB, Rz. 7; Keidel/Engelhardt, a.a.O., § 35 b, Rz. 17 mit Fn. 28). Hinsichtlich der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen gegenüber dem MSA vorrangig anwendbar ist aber das Europäische Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen über das Sorgerecht für Kinder und die Wiederherstellung des Sorgeverhältnisses (ESÜ) vom 20.5.1980 (BGBl. 1990 II, S. 220), dem die Republik Polen ebenfalls beigetreten ist (vgl. Rahm/Künkel/Paetzold, a.a.O. Rz. VIII 470 Fn. 19). Dies führt zur Anwendung des SorgeRÜbkAG (vgl. Staudinger/Pirrung, BGB, 13. Bearb. 1994, Vorbem. zu Art. 19 EGBGB, Rz. 830 ff.). Nach § 8 Abs. 2 Satz 1 SorgeRÜbkAG findet gegen eine im ersten Rechtszug ergangene Entscheidung nur das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde zum Oberlandesgericht nach § 22 FGG statt. Danach ist das Rechtsmittel des Antragstellers zulässig. Insbesondere hat er die Beschwerdefrist eingehalten.

Gemäß § 22 Abs. 1 FGG ist die sofortige Beschwerde binnen einer Frist von zwei Wochen, beginnend mit dem Zeitpunkt, in welchem die angefochtene Entscheidung bekannt gemacht worden ist, einzulegen. Diese Frist hat der Antragsteller gewahrt. Der angefochtene Beschluss ist ihm am 26.3.2002 zugestellt worden. Die Beschwerdefrist lief danach am 9.4.2002 ab. Noch innerhalb dieser Frist, nämlich durch Schriftsatz vom 27.3.2002, beim Amtsgericht eingegangen am 2.4.2002, hat er das Rechtsmittel eingelegt. Die Einlegung beim Amtsgericht ist nach § 21 Abs. 1 FGG möglich.

Der Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde steht nicht entgegen, dass der Schriftsatz vom 27.3.2002 von einem nicht beim Brandenburgischen Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsanwalt stammt und der Antragsteller erst nach Ablauf der Beschwerdefrist am 25.4.2002 nochmals, nunmehr durch einen beim Brandenburgischen Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsanwalt, Rechtsmittel eingelegt hat. Denn Anwaltszwang besteht für die Einlegung der sofortigen Beschwerde nicht.

Gem. § 78 Abs. 1 ZPO in der bis zum 31.7.2002 geltenden Fassung müssen sich die Parteien vor allen Gerichten des früheren Rechtszuges durch einen bei dem Prozessgericht zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen. In Familiensachen wird der Anwaltszwang jedoch abschließend durch § 78 Abs. 2 ZPO geregelt; ein Rückgriff auf § 78 Abs. 1 ZPO scheidet daneben aus (Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Aufl., § 78, Rz. 29). Bei dem Zweiten Teil des SorgeÜbkAG handelt es sich gem. § 23 b Abs. 1 Satz 2 Nr. 11 GVG um eine Familiensache. Der Anwaltszwang insoweit ist in § 78 Abs. 2 ZPO nicht ausdrücklich geregelt. Da im Eingangssatz des § 78 Abs. 2 ZPO ausgeführt ist, dass sich die Parteien und Beteiligten in Familiensachen nach Maßgabe der folgenden Vorschriften vertreten lassen müssen, ist davon auszugehen, dass immer dann, wenn ein Verfahren in § 78 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 ZPO nicht erwähnt ist, ein Anwaltszwang nicht besteht. Hinzu kommt, dass, wie sich aus § 78 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO ergibt, im Beschwerdeverfahren betreffend die Umgangsregelung nach § 621 Abs. 1 Nr. 2 ZPO die Vertretung durch einen Rechtsanwalt nur für Verfahren vor dem Bundesgerichtshof vorgeschrieben ist, sodass alles dafür spricht, im Verfahren über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Titel keine strengeren Anforderungen an die Vertretung durch einen Rechtsanwalt zu stellen. Schließlich besteht im Fall der sofortigen Beschwerde nach § 22 Abs. 1 FGG grundsätzlich kein Anwaltszwang (vgl. Keidel/Kahl, FGG, 14. Aufl., § 22, Rz. 1 mit § 21, Rz. 10). Nach alledem bedurfte es der fristgerechten Einlegung des Rechtsmittels durch einen beim Brandenburgischen Oberlandesgericht zugelassenen Rechtsanwalt nicht.

Die sofortige Beschwerde führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Entscheidung. Das Amtsgericht ist nicht, wie im angefochtenen Beschluss angenommen, international unzuständig. Wohl aber fehlt es an der örtlichen Zuständigkeit. Daher ist der angefochtene Beschluss aufzuheben und das Amtsgericht anzuweisen, die Sache an das örtlich zuständige Amtsgericht Brandenburg/Havel abzugeben.

Die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung nach dem ESÜ ist in § 7 SorgeRÜbkAG geregelt. Das Verfahren wird gem. Art. 4 ESÜ durch einen Antrag eingeleitet, der an die zentrale Behörde eines jeden Vertragsstaates gerichtet werden kann. In der Bundesrepublik Deutschland ist zentrale Behörde im Sinne der Art. 2 ff. ESÜ der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof, § 1 SorgeRÜbkAG. Dies schließt im Hinblick auf Art. 9 Abs. 2 ESÜ jedoch nicht aus, dass der Antragsteller sein Begehren ohne Einschaltung der zentralen Behörde selbst an das zuständige Gericht richtet (vgl. Staudinger/Pirrung, BGB, 13. Bearb., Vorbem. zu Art. 19 EGBGB, Rz. 752; Rahm/Künkel/Schneider, a.a.O., Rz. III B 1408). Zur Entscheidung berufen ist nach § 5 Abs. 1 SorgeRÜbkAG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung von Zuständigkeiten nach dem Sorgerechtsübereinkommens-Ausführungsgesetz vom 13.4.1999 (BGBl. I, S. 702) das Familiengericht, in dessen Bezirk ein Oberlandesgericht seinen Sitz hat, für den Bezirk dieses Oberlandesgerichts. Dies ist im Land Brandenburg das Amtsgericht Brandenburg/Havel.

Nach alledem ist das Amtsgericht Eisenhüttenstadt örtlich unzuständig. Die örtliche Unzuständigkeit ist von Amts wegen, unabhängig von einer entsprechenden Rüge eines Beteiligten, vom Beschwerdegericht zu prüfen (BayObLGZ 1956, 396, 399 f.; OLG Hamm, FamRZ 1966, 242, 243; Keidel/Zimmermann, a.a.O., § 7, Rz. 36; Bumiller/Winkler, FGG, 7. Aufl., § 7, Rz. 6; Jansen, a.a.O., § 7, Rz. 12). Dies führt, wenn ein örtlich unzuständiges Gericht entschieden hat, regelmäßig zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Anweisung an das Amtsgericht, die Sache an das zuständige Gericht abzugeben (OLG Hamm, a.a.O.; Jansen, a.a.O.).

Da nach dem Vorstehenden das Amtsgericht Eisenhüttenstadt örtlich unzuständig ist, bedarf es keiner Entscheidung der Frage, ob für den Antrag des Antragstellers, gerichtet auf Anerkennung der Umgangsentscheidung des polnischen Gerichts, ein Rechtsschutzbedürfnis besteht. Ein förmliches Anerkennungsverfahren, wie es in Art. 7 § 1 FamRÄndG für ausländische Entscheidungen in Ehesachen vorgesehen ist, gibt es für ausländische Entscheidungen in Kindessachen nicht (OLG Bremen, FamRZ 1997, 107; Rahm/Künkel/Paetzold, a.a.O., Rz. VIII 591; vgl. zum Anwendungsbereich des § 16 a FGG auch BGH, FamRZ 1989, 378, 379; BayObLGZ 2000, 180, 182; Bumiller/Winkler, a.a.O., § 16 a, Rz. 9). Für eine die Rechtslage lediglich feststellende Entscheidung soll es grundsätzlich am Rechtsschutzbedürfnis fehlen (vgl. OLG Bremen, a.a.O.). Andererseits wird im Anwendungsbereich des SorgeRÜbkAG mit Rücksicht auf § 7 Abs. 3 dieses Gesetzes, wonach auf Antrag gesondert festgestellt werden kann, dass eine Sorgerechtsentscheidung aus einem anderen Vertragsstaat anzuerkennen ist, vertreten, dass die Geltendmachung eines rechtlichen Interesses nicht zu verlangen sei (so OLG München, FamRZ 1992, 1213; Rahm/Künkel/Paetzold, a.a.O., Rz. VIII 620).

Ebenso wenig bedarf es einer Entscheidung, ob dem Begehren des Antragstellers deshalb das Rechtsschutzbedürfnis fehlt, weil nicht ersichtlich ist, dass er noch ein Interesse an der Ausübung des Umgangs in der Weise, wie er durch das polnische Gericht festgelegt worden ist, hat.

Durch seinen Beschluss vom 24.5.1999 hat das Bezirksgericht Zielona Gora festgelegt, dass der Antragsteller die Möglichkeit habe, sich mit seinem Sohn an jedem ersten, zweiten und dritten Freitag ab 15:00 Uhr bis Samstag, 18:00 Uhr, treffen zu können und ihm darüber hinaus das Recht zustehe, mit dem Sohn in der Zeit vom 1.7. bis 24.7.1999 in den Urlaub zu fahren. Durch den ergänzenden Beschluss vom 16.11.1999 hat das Bezirksgericht Zielona Gora festgelegt, der Kontakt des Antragsgegners mit seinem Sohn habe in der M...straße in Zielona Gora stattzufinden. Zur Begründung hat es ausgeführt, an jenem Ort wohne die Antragsgegnerin jeweils von Donnerstag bis Sonntag, auch der Beklagte habe dort seinen festen Wohnsitz. Die örtlichen Verhältnisse haben sich seither geändert. Der Antragsteller lebt, wie sich aus seiner Antragsschrift vom 16.10.2001 ergibt, in F./Deutschland. Sowohl in der Antrags-, als auch in der Beschwerdeschrift hat er vorgetragen, die Antragsgegnerin wohne und arbeite in N./Deutschland, weshalb er Vollstreckungsmaßnahmen in Deutschland einleiten wolle. Vor diesem Hintergrund ist zweifelhaft, ob es dem Antragsteller noch um die Durchsetzung eines Umgangsrechts dergestalt geht, dass die Kontakte zwischen ihm und seinem Sohn in Zielona Gora stattfinden.

Ferner kann dahinstehen, ob das Begehren des Antragstellers, weil er die im Hinblick auf seine Ankündigung, Zwangsmaßnahmen gegen die Antragsgegnerin einleiten zu wollen, mitgeteilt hat, dahin auszulegen ist, dass er - auch - die Vollstreckbarerklärung der Entscheidung des polnischen Gerichts erwirken möchte. Denn für eine Vollstreckbarerklärung nach § 7 Abs. 1 SorgeRÜbkAG (vgl. hierzu Staudinger/Pirrung, BGB, 13. Bearb. 1994, Vorbem. zu Art. 19 EGBGB, Rz. 853 ff.) bestimmt sich die örtliche Zuständigkeit ebenfalls nach § 5 SorgeRÜbkAG mit der Folge, dass das Amtsgericht Brandenburg/Havel auch insoweit örtlich zuständig wäre.

Es bedarf daher auch keiner Entscheidung darüber, ob die Umgangsentscheidung des Gerichts in Zielona Gora, wie es § 7 Abs. 1 SorgeRÜbkAG verlangt, im Ursprungsstaat, also in Polen, vollstreckbar ist (vgl. hierzu auch Staudinger/Pirrung, a.a.O., Rz. 853). Ebenso kann offen bleiben, ob die Entscheidung, soweit eine Durchsetzung mit Zwangsmitteln nach § 33 FGG beabsichtigt ist, hinreichend konkretisiert und bestimmt ist (vgl. Rahm/Künkel/Schneider, a.a.O., Rz. III B 1428; Keidel/Zimmermann, a.a.O., § 33, Rz. 11; Verfahrenshandbuch Familiensachen - FamVerf -/Schael, § 4, Rz. 92; FamVerf/Gutjahr, § 4, Rz. 105).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 13 a Abs. 1 FGG.

Ende der Entscheidung

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