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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 24.08.2006
Aktenzeichen: 10 UF 119/06
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 307
ZPO § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
BGB § 366 Abs. 2
BGB §§ 1601 ff.
BGB § 1603 Abs. 2
BGB § 1613 Abs. 1 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Teilanerkenntnis- und Schlussurteil

10 UF 119/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 24.08.2006

verkündet am 24.08.2006

In der Familiensache

hat der 2. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Prof. Schael, die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Liceni-Kierstein und den Richter am Oberlandesgericht Gutjahr

auf die mündliche Verhandlung vom 15. August 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des Amtsgerichts Prenzlau vom 24. Mai 2006 teilweise abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Kläger zu Händen ihrer gesetzlichen Vertreterin für die Zeit vom 14. Oktober 2005 bis zum 31. Januar 2006 einen Unterhaltsrückstand von jeweils 686,39 € zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits fallen dem Beklagten zur Last.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe I. Die Parteien streiten über Kindesunterhalt ab 14.10.2005.

Die beiden im Februar 1999 geborenen Kläger sind die Kinder des Beklagten aus seiner im Jahr 2003 geschiedenen Ehe mit deren Mutter. Die Kläger leben im Haushalt ihrer Mutter und gehen zur Schule.

Der Beklagte wohnt in P... und arbeitet als Lokrangierführer bei der ... .... Seine Arbeitsorte liegen in A... und E....

Das Amtsgericht hat den Beklagten zur Zahlung von Kindesunterhalt an jeden Kläger in Höhe von monatlich 228 € ab dem 1.2.2006 verurteilt und für die Zeit bis einschließlich 1/2006 die Klage mangels Verzuges abgewiesen. Gegen diese Entscheidung richtete sich die zunächst von beiden Parteien eingelegte Berufung. Zur Begründung ihres Rechtsmittels machen die Kläger geltend, der Beklagte sei auf Grund seiner In-Verzugsetzung auch für die Zeit zwischen dem 14.10.2005 und dem 31.1.2006 zur Zahlung des verlangten Kindesunterhalt von monatlich 228 € verpflichtet. Der Beklagte hat in der Berufungsinstanz das Unterhaltsbegehren der Kläger in Höhe von je 121,21 € monatlich ab dem 14.10.2005 anerkannt und im Übrigen seine Berufung zurückgenommen. Ferner haben die Parteien in Höhe von 130 € je Kläger den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt.

Die Kläger beantragen,

unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Prenzlau vom 24.5.2006 den Beklagen zu verurteilen, an sie für die Zeit vom 14.10.2005 bis zum 31.1.2006 einen Unterhaltsrückstand von 686,39 € je Kläger zu zahlen.

Der Beklagte beantragt die Zurückweisung der Berufung. Er erhebt insbesondere den Einwand eingeschränkter Leistungsfähigkeit infolge berufsbedingter Fahrtkosten von rund 469 € monatlich.

Wegen der weiteren Feststellungen sowie des Vorbringens der Parteien wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf die Entscheidung des Amtsgerichts sowie den Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Nach Rücknahme der Berufung durch den Beklagten ist nur noch über das Rechtsmittel der Kläger zu entscheiden. Ihre zulässige Berufung ist begründet. Der Beklagte schuldet gemäß §§ 1601 ff. BGB für die Zeit vom 14.10.2005 bis zum 31.1.2006 unter Berücksichtigung seiner nach Klageerhebung erbrachten Unterhaltsleistungen noch die Zahlung eines rückständigen Kindesunterhalts in Höhe von insgesamt 686,39 € je Kläger.

1.

Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 17.7.2006 anerkannt, einen monatlichen Kindesunterhalt in Höhe von 121,21 € je Kläger ab dem 14.10.2005 zahlen zu müssen. Nach § 307 ZPO ist er daher entsprechend zu verurteilen, ohne dass in diesem Umfang die Begründetheit der Berufung der Kläger geprüft werden muss.

2.

Die Verzugsvoraussetzungen sind gemäß § 1613 Abs. 1 Satz 1 BGB im Hinblick auf die im Oktober 2005 zugegangene Jugendamts-Auskunftsaufforderung auch für den nunmehr nur noch streitbefangenen Anspruchszeitraum vom 14.10.2005 bis zum 31.1.2006 gegeben. Das wird vom Beklagten in der Berufungsinstanz auch nicht mehr in Abrede gestellt. Entgegen seiner Ansicht schuldet er den Klägern rückständigen Kindesunterhalt gemäß §§ 1601 ff. BGB für die Zeit vom 14.10.2005 bis zum 31.1.2006 (nicht nur in der anerkannten, sondern) in der beantragten Höhe von monatlich 228 €. Unterhaltsrechtlich muss sich der Beklagte in diesem Umfang nach seinen Einkommensverhältnissen im Anspruchszeitraum bis einschließlich 1/2006 als leistungsfähig behandeln lassen.

a)

Aus den vorgelegten Einzelverdienstabrechnungen für die Monate Januar bis Dezember ergibt sich unter Berücksichtigung der darin ausgewiesenen Nettobeträge und Nachberechnungen sowie nach Abzug des Nettobetrages der vermögenswirksamen Arbeitgeberleistung ein Nettoeinkommen des Beklagten für das Kalenderjahr 2005 von rund 1.495 € im Monatsdurchschnitt. Dieses ist für den im Jahr 2006 liegenden Anspruchszeitraum fortzuschreiben.

b)

Von diesem Einkommen sind berufsbedingte Fahrtkosten in Höhe der Pauschale von 5 % abzusetzen, sodass gerundet 1.420 € verbleiben.

Selbst wenn der Beklagte, wie von ihm geltend gemacht, täglich tatsächlich 150 km fahren muss, um an seinen Arbeitsplatz und zurück zu gelangen, sowie unterstellt wird, dass die tägliche Inanspruchnahme von öffentlichen Verkehrsmitteln oder die Bildung einer Fahrgemeinschaft nicht möglich ist, so kann der Beklagte die von ihm geltend gemachten hohen Fahrtkosten von rund 469 € monatlich den Klägern nicht entgegenhalten. Dadurch würde das Nettoeinkommen des Beklagten zu mehr als 31 % aufgezehrt. Dieser hohe Fahrtkostenaufwand ist unterhaltsrechtlich jedoch nicht zu akzeptieren (vgl. BGH, FamRZ 1998, 1501).

Hierbei ist zu berücksichtigen, dass den Beklagten gegenüber seinen beiden minderjährigen Kindern eine gesteigerte Unterhaltspflicht gemäß § 1603 Abs. 2 BGB trifft und sie lediglich Unterhalt in Höhe des Regelbetrages begehren. Bei dieser Sachlage war vom Beklagten spätestens bis zum Beginn des streitbefangenen Unterhaltszeitraums ein Wechsel des Wohnortes zu erwarten. Es sind keine Gesichtspunkte vorgetragen oder erkennbar , warum ein Wohnen in der Nähe seiner Arbeitsorte A... oder E... nach den Lebensumständen des Beklagten nicht zumutbar sein könnte. Auch wenn zu Gunsten des Beklagten unterstellt wird, dass er in A... oder E... selbst keine neue Wohnung mit einer angemessenen Mietbelastung finden kann, so hätte diese Möglichkeit zumindest im Umkreis von einigen Kilometern um diese Orte bestanden. Die hierdurch entstehenden berufsbedingten Fahrtkosten werden nach Auffassung des Senats mit der in Ansatz gebrachten Pauschale von 5 % abgedeckt.

Soweit der Beklagte geltend macht, in der Nähe seiner Arbeitsorte hätte er keinen angemessenen Wohnraum mit einem Mietzins von nur 220 € monatlich, wie er ihn jetzt trage, finden können, muss er sich entgegenhalten lassen, dass in dem ihm zuzubilligenden notwendigen Selbstbehalt ein Wohnkostenanteil (Kaltmiete) von etwa 250 € enthalten ist. Es ist daher dem Beklagten zuzumuten, in Folge eines Umzuges einen Mietzins in Höhe dieses Betrages zu tragen. Ferner muss er sich auf die Möglichkeit verweisen lassen, bei höheren Mietkosten Wohngeld zu beantragen. Konkrete Umstände, die die Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit eines Wohnungswechsels begründen könnten, hat der Beklagte nicht dargetan. Ebenso fehlt es an substanziiertem Vorbringen zu einer etwaigen intensiven Suche nach preisgünstigem Wohnraum in der Nähe seines Arbeitsplatzes. Er muss sich daher aus unterhaltshaltrechtlicher Sicht auf einen Umzug in die Nähe seiner Arbeitsorte A... bzw. E... verweisen lassen, durch den die nunmehr geltend gemachten hohen Fahrtkosten zu vermeiden sind.

c)

Zu Gunsten des Beklagten kann angenommen werden, dass die im Jahr 2005 gezahlte Steuererstattung von nahezu 1.838 € seinem Einkommen nicht zuzurechnen ist. Denn diese beruht überwiegend auf seinen unterhaltsrechtlich nicht abzugsfähigen tatsächlichen hohen Fahrtkosten. Dem Beklagten hat deshalb auch der darauf beruhende Steuervorteil zu verbleiben. Einer fiktiven Berechnung der Steuerrückerstattung unter Aussparung der Fahrtkosten des Beklagten bedarf es nicht, da es für die Entscheidung nicht darauf ankommt.

d)

Unstreitig ist die monatliche Kreditrate von 99 €, die der Beklagte für die frühere gemeinsame Familienwohnung zahlt, einkommensmindernd anzusetzen. Das unterhaltsrechtlich relevante Einkommen des Beklagten beläuft sich somit für die Zeit bis einschließlich Januar 2006 auf monatlich 1.321 €.

e)

Unter Berücksichtigung des notwendigen Selbstbehalts des Beklagten von 820 € verbleiben zur Befriedigung der Unterhaltsansprüche der beiden Kläger damit 501 €. Der Beklagte ist folglich in der Lage, den geforderten Regelbetrag von monatlich 228 € (und nicht nur den anerkannten Unterhalt von 121,21 €) je Kind zu leisten.

3.

Unterhaltszahlungen hat der Beklagte nur in Höhe von 260 € erbracht. Die restlichen Überweisungen wurden wegen falscher Kontoangabe zurückgebucht und stellen somit keine Erfüllung dar. Die im Juli 2006 überwiesenen 260 € sind mangels gegenteiliger Bestimmung des Beklagten gemäß § 366 Abs. 2 BGB auf die ältesten Unterhaltsschulden anzurechnen und entfallen zu gleichen Anteilen auf jedes Kind. Für die Zeit vom 14.10.2005 bis zum 31.1.2006 ergibt sich danach noch ein Unterhaltsanspruch in Höhe von insgesamt 686,39 € je Kläger [= (3 18/31 x 228 €) - 130 €].

4.

Der Kostenausspruch folgt aus §§ 91, 91 a, 516 Abs. 3 ZPO. Auch im Umfang der übereinstimmenden Erledigungserklärung der Parteien hat der Beklagte die Kosten des Rechtsstreits im Hinblick auf den ohne die Erledigung zu erwartenden Verfahrensausgang zu tragen. Im Übrigen beruhen die Nebenentscheidungen auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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