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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 05.11.2009
Aktenzeichen: 10 UF 122/09
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
BGB § 1565 Abs. 1 Satz 1 | |
BGB § 1565 Abs. 1 Satz 2 | |
BGB § 1566 | |
BGB § 1566 Abs. 1 | |
BGB § 1566 Abs. 2 | |
BGB § 1568 Abs. 1 | |
ZPO §§ 511 ff. a.F. | |
ZPO § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 | |
ZPO § 629 a | |
ZPO § 629 b | |
ZPO § 629 b Abs. 1 S. 1 | |
ZPO § 629 b Abs. 1 S. 2 |
Tenor:
Auf die Berufung des Antragstellers wird das am 14. Juli 2009 verkündete Urteil des Amtsgerichts Strausberg aufgehoben.
Die Sache wird im Hinblick auf die noch offene Folgesache über den Versorgungsausgleich an das Amtsgericht zurückverwiesen, das auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden hat.
Gründe:
I.
Der am ....12.1948 geborene Antragsteller und die am ....11.1951 geborene Antragsgegnerin haben am 14.5.1973 in B... geheiratet. Aus der Ehe ist die Tochter T... B..., geb. am ....6.1974, hervorgegangen. Diese ist inzwischen wirtschaftlich selbstständig und lebt nicht mehr im Haushalt eines Elternteils.
Die Parteien leben seit Juni 2007 innerhalb der Ehewohnung voneinander getrennt. Im Januar 2009 ist dann die Antragsgegnerin aus der Ehewohnung ausgezogen.
Mit Schriftsatz vom 8.1.2009 hat der Antragsteller unter Hinweis auf die Trennungszeit die Scheidung der Ehe beantragt. Die Antragsgegnerin ist dem unter Hinweis darauf entgegen getreten, dass bisher eine Regelung über Folgesachen wie Unterhalt, Vermögen und Hausrat nicht erfolgt sei.
Durch das angefochtene Urteil vom 14.7.2009 hat das Amtsgericht den Scheidungsantrag des Antragstellers abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, wegen der Verweigerung der Zustimmung zur Ehescheidung durch die Antragsgegnerin greife die Vermutung des § 1566 Abs. 1 BGB nicht ein. Gleiches gelte für die Vermutung nach § 1566 Abs. 2 BGB, da die Eheleute noch nicht drei Jahre voneinander getrennt lebten. Das Scheitern der Ehe könne daher nicht festgestellt werden. Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Gegen diese Entscheidung wendet sich der Antragsteller mit der Berufung. Er trägt vor:
Das Scheitern der Ehe sei nach der Anhörung der Antragsgegnerin, die eine Trennung ab Juni 2007 bestätigt und ferner erklärt habe, nicht willens zu sein, die eheliche Lebensgemeinschaft wieder aufzunehmen, unstreitig. Die von ihr hervorgehobenen finanziellen Aspekte hätten mit der Frage der Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft nichts zu tun. Im Übrigen habe die Antragsgegnerin konkrete Forderungen im Hinblick auf den nachehelichen Unterhalt, den Zugewinnausgleich oder die Hausratsteilung nie gestellt.
Seit 2004 arbeite er regelmäßig außerhalb B...s und sei nur an Wochenenden zu Hause gewesen. Auf Grund dessen und auch wegen Problemen mit ihrem Vorgesetzten habe die Antragsgegnerin eine Therapie bei einem Diplompsychologen begonnen. Die Krankenkasse habe die dafür entstehenden Kosten nicht übernommen. Er seinerseits habe sich geweigert, für die Kosten aufzukommen. Dies habe dazu geführt, dass man getrennte Konten angelegt habe.
Die Antragsgegnerin habe ihm zahlreiche Vorwürfe gemacht und an den Wochenenden, wenn er zu Hause gewesen sei, oft nicht mit ihm geredet. Im Juli 2007 habe man dann getrennte Zimmer bezogen. Im Mai 2008 habe die Antragsgegnerin vorgeschlagen, in dem Haus P...straße 26 b getrennte Wohnungen einzurichten. Dies habe er aus Kostengründen abgelehnt. Im Herbst 2008 habe die Antragsgegnerin ihn aufgefordert, aus dem Haus auszuziehen. Im September 2008 habe sie erklärt, sie könne mit ihm nicht mehr unter einem Dach leben.
Im November 2008 habe er festgestellt, dass die Antragsgegnerin regelmäßig zu Hause gewesen, also offenbar nicht mehr einer Arbeit nachgegangen sei. Seine schriftliche Anfrage diesbezüglich habe sie nicht beantwortet. Er habe aber festgestellt, dass sie Umzugskartons besorgt und im Keller gelagert habe.
Am 8.1.2009 habe er dann den Scheidungsantrag eingereicht, nachdem die Antragsgegnerin im Dezember 2008 Klage auf Trennungsunterhalt gegen ihn erhoben habe.
Nachdem die Antragsgegnerin am 24.1.2009 die ganze Nacht weggeblieben und erst am Sonntag nach Hause gekommen sei, sei es zu einer Auseinandersetzung gekommen. Nach seiner Rückkehr aus dem Skiurlaub habe er festgestellt, dass die Antragsgegnerin bereits unter Mitnahme von Umzugskartons und Teilen des Hausrats ausgezogen war.
Es werde angeregt, entgegen § 629 b ZPO das Scheidungsverfahren nicht an das Amtsgericht zurückzuverweisen, sondern über den Scheidungsantrag und die Folgesache betreffend den Versorgungsausgleich zu entscheiden.
Der Antragsteller beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Ehe der Parteien zu scheiden,
hilfsweise,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Sache an das Amtsgericht zurückzuverweisen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie trägt vor:
Zutreffend sei, dass sie bei ihrer Anhörung vor dem Amtsgericht erklärt habe, auch sie halte die Ehe für gescheitert. Allerdings habe sie bis Januar 2009, als die Trennung noch innerhalb des gemeinsamen Hauses erfolgt sei, gehofft, dass die Ehe wieder hergestellt werden könne. Erst die körperlichen Auseinandersetzungen im Januar 2009 hätten sie zu ihrem eigenen Schutz gezwungen, das gemeinsame Haus zu verlassen.
Auch wenn sie nun vom Antragsteller getrennt lebe, würde eine Scheidung zum jetzigen Zeitpunkt für sie eine unbillige Härte bedeuten.
Sie habe auf Grund einer sehr angespannten Lage mit ihrem Arbeitgeber unter psychischen Problemen gelitten. Der Antragsteller habe trotz der langen Ehedauer eine seelische und moralische Unterstützung offenbar nicht leisten können, sodass sie sich professionelle Unterstützung bei einem Psychologen gesucht habe. Als die Krankenkasse sich geweigert habe, die diesbezüglichen Kosten zu übernehmen, habe der Antragsteller ihr unschöne Szenen wegen der anfallenden Kosten gemacht. Die psychischen Belastungen sowohl mit ihrem Arbeitgeber als auch die tätlichen Auseinandersetzungen mit dem Antragsteller wegen des Geldes hätten dazu geführt, dass sie seit August 2008 ununterbrochen arbeitsunfähig krankgeschrieben sei. Sie habe nur noch Krankengeld von monatlich 880 € bezogen, sich aber an den Unterhaltskosten für das Haus hälftig beteiligen und die Therapiekosten tragen müssen, um einen Heilungsprozess sicher zustellen. Da der Antragsteller eine finanzielle Unterstützung abgelehnt habe, habe sie keinen anderen Weg gesehen, als Trennungsunterhalt einzuklagen.
Nachdem der Antragsteller den Scheidungsantrag eingereicht habe, habe sie, weil sie völlig überfordert gewesen sei, anwaltliche Hilfe in Anspruch genommen. Ihr jetziger Bevollmächtigter habe mit Schreiben vom 18.2.2009 dem Antragsteller den Vorschlag unterbreitet, eine einvernehmliche Scheidung unter den Voraussetzungen der Vermögensaufteilung durchzuführen. Der Antragsteller sei weder bereit gewesen, Trennungsunterhalt zu zahlen noch das gemeinsame Haus zu verkaufen, um den Erlös zu teilen. Bei einer vorzeitigen Scheidung müsse sie die Vermögensauseinandersetzung in einem separaten Verfahren betreiben, welches länger und kostenintensiver sei.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Der Senat hat die Parteien angehört. Insoweit wird auf den Berichterstattervermerk zum Senatstermin vom 13.10.2009 verwiesen.
II.
Trotz Inkrafttretens des FamFG (Art. 1 des FGG-Reformgesetzes - FGG-RG - vom 17.12.2008, BGBl. I, S. 2586, 2587) am 1.9.2009 findet vorliegend das bisherige Verfahrensrecht Anwendung. Denn das Verfahren ist vor dem 1.9.2009 eingeleitet worden, vgl. Art. 111 Abs. 1 FGG-RG (BGBl. 2008 I, S. 2586, 2743; 2009 I, S. 700, 723).
Die danach gemäß §§ 629 a, 511 ff. ZPO a.F. zulässige Berufung ist begründet und führt zu der aus der Urteilsformel ersichtlichen Entscheidung. Die Scheidungsvoraussetzungen liegen vor. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Sache an das Amtsgericht zurückzuverweisen, da dort noch zumindest die Folgesache über den Versorgungsausgleich zur Entscheidung ansteht, § 629 b Abs. 1 Satz 1 ZPO a. F. Diese Rechtsfolge ist zwingend. Das Berufungsgericht darf nicht, wie von dem Antragsteller gewünscht, von der Zurückverweisung absehen und selbst entscheiden, auch wenn es dies für sachdienlich hielte (BGH, FamRZ 1997,347; OLG Hamm, FamRZ 1996, 1078; Zöller/Philippi, ZPO, 27. Aufl., § 629 b, Rz.1).
1.
Die Scheidungsvoraussetzungen liegen vor. Das ist der Fall, wenn die Ehe gescheitert ist, § 1565 Abs. 1 Satz 1 BGB. Voraussetzung hierfür ist, dass die Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht mehr besteht und nicht erwartet werden kann, dass die Ehegatten sie wieder herstellen, § 1565 Abs. 1 Satz 2 BGB. So liegt es hier. Zutreffend ist zwar die Auffassung des Amtsgerichts, dass die Vermutungen des § 1566 BGB nicht eingreifen. Da die Antragsgegnerin der Scheidung bislang nicht zugestimmt hat, scheidet trotz einer Trennungsdauer von über einem Jahr die Vermutung nach § 1566 Abs. 1 BGB aus. Gleiches gilt, da eine Trennungsdauer von drei Jahren noch nicht erreicht ist, für die Vermutung nach § 1566 Abs. 2 BGB. Damit ist aber entgegen der Auffassung des Amtsgerichts nicht etwa ausgeschlossen, das die Scheidungsvoraussetzungen gegeben sind (vgl. auch Verfahrenshandbuch Familiensachen/ Schael, § 6, Rz. 123 f.).
Vorliegend lässt sich, auch ohne dass eine der Vermutungen des § 1566 BGB eingreift, feststellen, dass die Ehe gescheitert ist. Denn auch die Antragsgegnerin hat vor dem Amtsgericht erklärt, dass sie nicht mehr willens ist, die eheliche Lebensgemeinschaft wieder aufzunehmen und fortzusetzen. Bei ihrer Anhörung vor dem Senat hat sie bekräftigt, dass die Ehe auch aus ihrer Sicht gescheitert ist. Sie hat ferner unter Hinweis auf Tätlichkeiten erklärt, nicht mehr mit dem Antragsteller im selben Haus leben zu wollen. Die Antragsgegnerin wehrt sich nur gegen die Scheidung, weil zuvor vermögensrechtliche Regelungen getroffen werden sollen. Insofern hat sie es aber selbst in der Hand, entsprechende Folgesachen anhängig zu machen. Diese Möglichkeit besteht für sie auch noch nach Zurückverweisung der Sache gemäß § 629 b Abs. 1 Satz 1 ZPO an das Amtsgericht.
2.
Auch wenn die Antragsgegnerin in der Berufungserwiderung vorträgt, die Scheidung zum jetzigen Zeitpunkt würde eine unbillige Härte für sie bedeuten, liegt ein Fall des § 1568Abs. 1 BGB nicht vor. Nach dieser Vorschrift soll die Ehe nicht geschieden werden, obwohl sie gescheitert ist, wenn und solange die Aufrechterhaltung der Ehe im Interesse der aus der Ehe hervorgegangenen minderjährigen Kinder aus besonderen Gründen ausnahmsweise notwendig ist oder wenn und solange die Scheidung für den Antragsgegner, der sie ablehnt, auf Grund außergewöhnlicher Umstände eine so schwere Härte darstellen würde, dass die Aufrechterhaltung der Ehe auch unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers ausnahmsweise geboten erscheint. Die Scheidung einer gescheiterten Ehe kann auf Grund der Härteklausel nur wegen solcher Härten versagt werden, die durch die Scheidung, also die Auflösung des Ehebandes, selbst verursacht oder mitverursacht würden. Eine allein durch das Scheitern verursachte Härte genügt nicht (Wolf, in: Münchner Kommentar zum BGB, 4. Aufl., § 1568, Rz. 39). Danach reichen Krankheitszustände, jedenfalls wenn sie nicht zu einer psychischen Ausnahmesituation geführt haben, zur Begründung außergewöhnlicher Umstände nicht aus (Johannsen/Henrich/Jaeger, Eherecht, 4. Aufl., § 1568, Rz. 29). Vor diesem Hintergrund liegt hier eine schwere Härte nicht vor.
Zwar führt die Antragsgegnerin auch ihre psychische Erkrankung an. Dass insoweit das Eheband für sie eine Stütze wäre, ist aber weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Sie rügt gerade die fehlende Unterstützung durch den Antragsteller und setzt vor allem auf den Heilungserfolg der Therapie. Ganz offensichtlich wehrt sie sich gegen die Scheidung nur deshalb, weil sie die vermögensrechtlichen Folgen zuvor geregelt wissen will. Dieser Umstand allein kann eine schwere Härte nicht begründen.
Eine schwere Härte ist auch nicht im Hinblick auf die Auseinandersetzung der Parteien im Januar 2009 gegeben. Dabei kann dahinstehen, ob allein der Antragsteller der Antragsgegnerin gegenüber tätlich geworden ist oder ob es, wie vom Antragsteller behauptet, von beiden Seiten Schläge gegeben hat. Denn selbst wenn die tätliche Auseinandersetzung allein dem Antragsteller zuzurechnen wäre, ist nicht ersichtlich, warum gerade deshalb eine Aufrechterhaltung der Ehe ausnahmsweise notwendig sein soll. Insbesondere kann nicht davon ausgegangen werden, dass gerade durch diese Auseinandersetzung die psychische Erkrankung der Antragsgegnerin hervorgerufen worden ist. Denn die Antragsgegnerin hat selbst vorgetragen, bereits seit August 2008 ununterbrochen arbeitsunfähig krankgeschrieben zu sein. An der von ihr angeführten Therapie nimmt sie auch schon seit dem Jahr 2008 teil.
Schließlich gebietet es auch das Ausmaß der psychischen Erkrankung der Antragsgegnerin nicht, von der Ehescheidung derzeit zur Abwendung einer schweren Härte abzusehen. Die Antragsgegnerin hat vor dem Senat erklärt, sie habe zwar schon einmal Suizid-Gedanken gehabt, dies sei jetzt aber nicht akut.
3.
Die Sache ist nach § 629 b Abs. 1 S. 1 ZPO an das Amtsgericht zurückverweisen, da dort noch die Folgesache über den Versorgungsausgleich zur Entscheidung ansteht. Das Amtsgericht hat seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Senats zugrunde zu legen, § 629 b Abs. 1 S. 2 BGB. Über die Kosten des Berufungsverfahrens hat das Amtsgericht ebenfalls zu entscheiden (vgl. auch Zöller/Heßler, ZPO, 27. Aufl., § 538, Rz. 58).
Ende der Entscheidung
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