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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 28.02.2006
Aktenzeichen: 10 UF 133/05
Rechtsgebiete: ZPO, SGB III, BGB


Vorschriften:

ZPO § 323 Abs. 3
ZPO § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
SGB III § 46 Abs. 1
BGB § 242
BGB § 313
BGB § 818 Abs. 3
BGB § 1603 Abs. 2
BGB § 1612 b Abs. 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

10 UF 133/05 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 28.02.2006

verkündet am 28.02.2006

In der Familiensache

hat der 2. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 31. Januar 2006 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Schael, die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Liceni-Kierstein und den Richter am Oberlandesgericht Gutjahr

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 1. Juni 2005 verkündete Urteil des Amtsgerichts Fürstenwalde abgeändert.

Unter Abänderung des am 10. Oktober 2001 vor dem Amtsgericht Fürstenwalde abgeschlossenen Teilvergleichs (10 F 489/00) wird die Klägerin verurteilt, an die Beklagte zu Händen ihres gesetzlichen Vertreters folgenden monatlichen Unterhalt, den zukünftigen jeweils monatlich im Voraus bis zum 5. eines jeden Monats, zu zahlen,

- je 160 € für die Zeit vom 15. September 2003 bis zum 30. Juni 2005,

- je 110 € ab 1. Juli 2005.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens hat die Klägerin 78 % zu tragen, die Beklagte 22 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin zu 63 % und der Beklagten zu 37 % auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um Wegfall titulierten Kindesunterhalts, und zwar nunmehr nur noch ab 15.9.2003.

Die am ...1960 geborene Klägerin ist die Mutter der am ...1990 geborenen Beklagten, die bei ihrem Vater lebt. Die Ehe der Klägerin mit dem Vater der Beklagten wurde durch Urteil des Amtsgerichts vom 25.9.2002 - 10 F 386/98 -, rechtskräftig seit dem 8.11.2002, geschieden.

Durch Teilvergleich vom 10.10.2001, abgeschlossen von den Eltern der Beklagten, verpflichtete sich die Klägerin, für die Beklagte unter Abänderung einer Jugendamtsurkunde vom 16.12.1997 u. a. laufenden Unterhalt ab 1.7.2001 in Höhe von monatlich 420 DM (= 214,74 €) zu zahlen. Grundlage des Vergleichs war ein bereinigtes Nettoeinkommen der Klägerin von 2.217 DM. Durch Teil- und Schlussurteil vom 14.11.2001 wies das Amtsgericht die über den Teilvergleich vom 10.10.2001 hinausgehende Klage ab. Eine auf Anhebung des titulierten Unterhalts gerichtete Abänderungsklage (10 F 272/02) nahm die Beklagte noch im Prozesskostenhilfeverfahren unter dem 1.7.2003 zurück.

Mit der am 5.6.2003 beim Amtsgericht eingegangenen Klage hat die Klägerin unter Hinweis auf ihre seit dem 1.5.2002 bestehende Arbeitslosigkeit den Wegfall der Unterhaltspflicht von diesem Zeitpunkt an begehrt.

Durch das angefochtene Urteil hat das Amtsgericht unter Abänderung des Teilvergleichs vom 10.10.2001 den Wegfall der Unterhaltspflicht der Klägerin ab 15.9.2003 festgestellt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beklagte mit der Berufung. Sie trägt vor:

Zu Unrecht sei das Amtsgericht davon ausgegangen, dass die Klägerin finanziell nicht in der Lage gewesen sei, sich häufiger zu bewerben. Neben schriftlichen Bewerbungen könnten auch Bewerbungen durch persönliche Vorsprachen und telefonische Anfragen erfolgen. Außerdem seien zunehmend Bewerbungen im Internet verbreitet. Des Weiteren existierten neben der Stellenbörse der Bundesagentur für Arbeit unzählige private Stellenbörsen. Insbesondere für einfache und mittlere Berufe werde der Arbeitsmarkt zunehmend auf Zeitarbeitsfirmen verlagert.

Das Amtsgericht habe sich auch nicht mit ihren, der Beklagten, Einwänden zu Art und Zeiträumen der behaupteten Bewerbungen auseinandergesetzt.

Schließlich sei bereits erstinstanzlich geltend gemacht worden, dass die Klägerin leichtfertig ihre sichere Arbeitsstelle bei der Firma F.../S... aufgegeben habe. Ohne Eigenkündigung wäre die Klägerin noch heute in diesem Betrieb beschäftigt.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen. Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor:

Zu Recht sei das Amtsgericht davon ausgegangen, dass sie sich in einem weitergehenden Umfang aus finanziellen Gründen nicht um eine Arbeitsstelle hätte bemühen können. Im Übrigen habe sie sich nicht nur schriftlich, sondern durch persönliche Vorsprachen und telefonisch beworben. Auch Bewerbungen bei Zeitarbeitsfirmen habe sie vorgenommen.

Es sei zu bestreiten, dass sie ohne Eigenkündigung der Stelle bei der Firma F.../S... noch heute in diesem Betrieb beschäftigt wäre. Bereits 1997 habe es einen Umsatzrückgang gegeben, sodass eine Betriebsvereinbarung getroffen worden und der Abbau von neun Vollzeitbeschäftigungsstellen geplant gewesen sei. Auf Grund der Umstrukturierung einzelner Aufgabenbereiche habe ihre Position als Hauptkassiererin wegfallen sollen. Daraufhin sei sie auf Grund eines Angebots der Firma nach H... gewechselt.

Schließlich sei sie bei der Arbeitsplatzsuche auf Grund ihrer Schwerbehinderung mit einem Grad von 50 beeinträchtigt. Neben ihren körperlichen Einschränkungen sei sie auf Grund ihrer Depressionen in der Belastbarkeit, Leistungsfähigkeit und Konzentrationsfähigkeit deutlich eingeschränkt.

Angesichts ihrer Arbeitsvita und der körperlichen Beeinträchtigungen könne ihr auch fiktiv ein Einkommen nicht über 850 € zugerechnet werden.

Wegen des weiteren Vorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung ist teilweise begründet. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts im angefochtenen Urteil kommt ein völliger Wegfall der Unterhaltspflicht der Klägerin ab 15.9.2003 nicht in Betracht. Vielmehr ist die Klägerin unter Abänderung des Teilvergleichs vom 10.10.2001 verpflichtet, den aus der Urteilsformel ersichtlichen Unterhalt zu zahlen.

Die Abänderungsklage ist zulässig. Insbesondere kann Abänderung auch für die Zeit vor Rechtshängigkeit, die hier am 19.2.2004 eingetreten ist, verlangt werden. Denn bei Abänderung eines gerichtlichen Vergleichs gilt die Zeitschranke des § 323 Abs. 3 ZPO nicht. Vergleiche können auch für die Zeit bis zur Klageerhebung abgeändert werden. Bei der Anpassung ist der beklagte Unterhaltsgläubiger durch §§ 242, 818 Abs. 3 BGB geschützt (BGH, FamRZ 1983, 22, 23; FamRZ 1990, 989, 990; Verfahrenshandbuch Familiensachen - FamVerf -/Schael, § 1, Rz. 398). Ob es bei der Abänderung eines Vergleichs, die sich nach den Grundsätzen über Veränderung oder Wegfall der Geschäftsgrundlage, § 313 BGB, richtet (vgl. FamVerf/Schael, § 1, Rz. 400), einer "negativen In-Verzug-Setzung", wie das Amtsgericht meint, bedarf, kann dahinstehen. Denn dass das Amtsgericht eine Abänderung erst ab 15.9.2003 vorgenommen hat, obwohl die Klägerin Abänderung des Teilvergleichs schon für die Zeit ab 1.5.2002 beantragt hatte, wird im Berufungsverfahren nicht angegriffen.

Die Abänderungsklage, gerichtet auf Wegfall des titulierten Unterhalts in Höhe von 420 DM, das sind 214,74 €, hat aber nur teilweise Erfolg. Die Klägerin ist nicht, wie von ihr angenommen, in vollem Umfang leistungsunfähig. Sie ist vielmehr unter Berücksichtigung des an ihrem jeweiligen Wohnort geltenden Selbstbehalts in der Lage, den aus der Urteilsformel ersichtlich monatlichen Unterhalt zu zahlen.

Die Klägerin hat, wie im Senatstermin vom 31.1.2006 erörtert, in der Zeit von 1998 bis März 2004 im niedersächsischen J..., und seither in westlichen Stadtbezirken von Berlin gewohnt. Es ist daher von einem notwendigen Selbstbehalt "West" der Klägerin gegenüber der minderjährigen Beklagten auszugehen. Dieser beträgt für Nichterwerbstätige 730 € ab Beginn des Unterhaltszeitraums im September 2003 bis einschließlich Juni 2005 und 770 € ab Juli 2005 (vgl. Nr. 21.2 der Unterhaltsleitlinien des OLG Celle, Stand 1.7.2003 sowie Anm. I zur Berliner Tabelle, Stand 1.7.2003 bzw. 1.7.2005). Im Hinblick auf ihre tatsächlichen Einkünfte, nämlich Leistungen der Arbeitsverwaltung, ist die Klägerin allerdings nur bis einschließlich 25.11.2003 in geringem Umfang in der Lage, Unterhalt für die Beklagte zu leisten. Die Klägerin muss sich aber ein fiktives Einkommen aus Erwerbstätigkeit zurechnen lassen, das es ihr unter Berücksichtigung des dann geltenden notwendigen Selbstbehalts für Erwerbstätige von 840 € bis einschließlich Juni 2005 und 890 € ab Juli 2005 (vgl. die soeben genannten Leitlinien) ermöglicht, den aus der Urteilsformel ersichtlichen Unterhalt zu zahlen.

Ausweislich der vorgelegten Bescheinigungen der Arbeitsverwaltung, nämlich des Arbeitsamtes S..., des Arbeitsamtes B..., der Agentur für Arbeit B... und des JobCenters T... hat die Klägerin folgende monatlichen Leistungen (gerundet) erhalten:

- je 790 € (= 182,35 € x 52 Wochen : 12 Monate) Unterhaltsgeld ab 24.2.2003,

- je 790 € (= 182,35 € x 52 Wochen : 12 Monate) Arbeitslosengeld ab 27.3.2003,

- je 672 € (= 155,12 € x 52 Wochen : 12 Monate) Arbeitslosenhilfe ab 26.11.2003,

- je 671 € (= 154,77 € x 52 Wochen : 12 Monate) Arbeitslosenhilfe ab 1.1.2004,

- je 671 € (= 154,77 € x 52 Wochen : 12 Monate) Unterhaltsgeld ab 13.9.2004,

- je 671 € (= 154,77 € x 52 Wochen : 12 Monate) Arbeitslosenhilfe ab 22.11.2004,

- je 652 € (= 150,50 € x 52 Wochen : 12 Monate) Arbeitslosenhilfe ab 26.11.2004,

- je 602 € Leistungen nach dem SGB II ab 1.1.2005,

- je 642 € Leistungen nach dem SGB II ab 1.5.2005,

- je 637 € Leistungen nach dem SGB II ab 1.11.2005,

- je 608 € Leistungen nach dem SGB II ab 1.12.2005.

Damit liegt das tatsächliche Einkommen der Klägerin nur ab Beginn des Unterhaltszeitraums am 15.9.2003 bis zum 25.11.2003 mit 60 € über dem notwendigen Selbstbehalt für Nichterwerbstätige. Die Klägerin muss sich aber wegen unterlassener Erwerbsbemühungen ein fiktives Einkommen aus Erwerbstätigkeit von 1.000 € monatlich zurechnen lassen.

Die Klägerin trifft gegenüber der minderjährigen Beklagten gemäß § 1603 Abs. 2 BGB eine gesteigerte Erwerbsobliegenheit, das heißt, sie hat alle verfügbaren Mittel gleichmäßig für sich und das Kind zu verwenden. Als Unterhaltspflichtige muss sie danach ihre Arbeitskraft entsprechend ihrer Vorbildung, ihren Fähigkeiten und der Arbeitsmarktlage in zumutbarer Weise bestmöglich einsetzen; soweit sie keine Arbeit hat, muss sie sich ausreichend um Arbeit bemühen (vgl. Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 9. Aufl., Rz. 614; FamVerf/Schael, § 1, Rz. 309). Zu den Arbeitsplatzbemühungen gehört neben der regelmäßig erforderlichen Meldung beim Arbeitsamt eine intensive Privatinitiative in Form von rechtzeitigen Bewerbungen auf Stellenangebote in Zeitungen u. Ä., eigenen Stellenannoncen sowie mündlichen und schriftlichen Bewerbungen, wobei grundsätzlich 20 bis 30 Bewerbungen im Monat zumutbar sind. Denn der Arbeitsuchende muss praktisch die gesamte Zeit, die ein voll Erwerbstätiger berufstätig wäre, für die Arbeitssuche aufwenden (Eschenbruch/Mittendorf, Der Unterhaltsprozess, 3. Aufl., Rz. 6327; Kalthoener/Büttner/Niepmann, a.a.O., Rz. 620 m. w. N.). Dabei dürfen sich die Bewerbungsbemühungen nicht auf den Wohnort des Unterhaltspflichtigen beschränken (Kalthoener/Büttner/Niepmann, a.a.O., Rz. 628). Arbeitsplatzbemühungen in diesem Umfang hat die Klägerin, die seit 1.5.2002 arbeitslos ist, nicht entfaltet.

Mit der Ladungsverfügung zum Senatstermin vom 31.1.2006 ist der Klägerin aufgegeben worden, jegliche Bemühungen (schriftlich, telefonisch etc.) um einen Arbeitsplatz in der Zeit von Mai 2002 bis Dezember 2005 im Einzelnen unter Angabe des Datums, des potenziellen Arbeitgebers (mit Anschrift) und der Art der in Frage kommenden Beschäftigung darzulegen und, soweit noch nicht geschehen, zu belegen. Hierauf hat die Klägerin ihre Bewerbungsbemühungen nicht im Einzelnen dargelegt. Sie hat sich vielmehr darauf beschränkt, unter dem 19.12.2005 einen Anlagenordner vorzulegen, in dem sich, weitgehend chronologisch geordnet, Bewerbungsschreiben und Antworten angeschriebener potenzieller Arbeitgeber befinden. Die in erster Instanz als Anlagen zum Schriftsatz vom 7.9.2004 vorgelegten Unterlagen finden sich in Kopie auch hier wieder. Nach Auswertung der eingereichten Unterlagen ergeben sich Bewerbungen wie folgt:

Sechs im November 2002, eine im Dezember 2002, eine im Januar 2003, zwei im April 2003, fünf im Mai 2003, sechs im Juni 2003, 14 im Juli 2003, neun im August 2003, sechs im September 2003, sechs im Oktober 2003, eine ohne Datum, vier im November 2003, 27 im Januar 2004, 12 im Februar 2004, vier im März 2004, sechs im April 2004, fünf im Juni 2004, vier im August 2004, eine im September 2004, zwei im Oktober 2004, zwei im November 2004, zwei im Juni 2005, sechs im Oktober 2005, eine im Dezember 2005 und eine weitere ohne Datum.

Damit wird eine Zahl von mehr als 20 Bewerbungen pro Monat nur im Januar 2004 erreicht. Folglich genügen die Erwerbsbemühungen der Klägerin schon von der Zahl her nicht den zu stellenden Anforderungen.

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts war die Klägerin nicht aus finanziellen Gründen an weitergehenden Bewerbungen gehindert. Allerdings werden gemäß § 46 Abs. 1 SGB III, einer Vorschrift, die schon zu Beginn des Unterhaltszeitraums galt, Bewerbungskosten von der Arbeitsverwaltung nur bis zu einem Betrag von 260 € jährlich übernommen. Dies hat aber nicht, wie das Amtsgericht meint, zur Folge, dass vom Unterhaltsschuldner nur vier bis fünf Bewerbungen monatlich verlangt werden könnten. Dabei ist schon der Ausgangspunkt des Amtsgerichts, wonach für eine Bewerbung Kosten von ca. 5 € entständen, nicht nachvollziehbar. Selbst wenn man davon ausgeht, dass sich der Arbeitsuchende nicht darauf beschränkt, sich mittels eines Anschreibens von einer Seite Umfang an den potenziellen Arbeitgeber zu wenden, die Portokosten von gegenwärtig nur 0,55 € verursacht, sondern diesem Anschreiben auch einen Lebenslauf und Zeugnisse beifügt, wird der Gesamtaufwand angesichts von Portokosten von derzeit 1,45 € unter Berücksichtigung der anzufertigenden Kopien und der Kosten für Papier und Briefumschlag 2 € kaum übersteigen. Nimmt man die Kosten für eine solche ausführliche Bewerbung mit 2 € an, so wäre eine Kostenübernahme durch die Arbeitsverwaltung für 130 Bewerbungen jährlich möglich. Die Klägerin hat aber lediglich zwei Bewerbungen aus dem Jahr 2002, 54 Bewerbungen aus dem Jahr 2003, 62 Bewerbungen aus dem Jahr 2004 und 11 Bewerbungen aus dem Jahr 2005 vorgelegt. Somit hat die Klägerin selbst für den Fall, dass man nur ausführliche schriftliche Bewerbungen nebst Einreichung von Bewerbungsunterlagen für Erfolg versprechend hielte, bei Weitem nicht Bewerbungen in einer solchen Zahl vorgenommen, wie es ihr auf Grund der Kostenübernahme durch die Arbeitsverwaltung möglich gewesen wäre.

Im Übrigen kann nicht angenommen werden, dass es sich bei sämtlichen Bewerbungen, welche die Klägerin in Form von förmlichen schriftlichen Anschreiben an die potenziellen Arbeitgeber vorgelegt hat, um solche handelt, denen weitere Bewerbungsunterlagen beigefügt waren. Denn nur in wenigen Anschreiben findet sich der Hinweis, dass als Anlage eine Bewerbungsmappe mitgesendet werde.

Darüber hinaus ist festzustellen, dass ein Unterhaltsschuldner seiner Erwerbsobliegenheit nicht zwingend nur dadurch genügt, dass er Bewerbungen mit ausführlichen Unterlagen in hinreichender Zahl vornimmt. Vielmehr ist der Unterhaltsschuldner, soweit er etwa aus finanziellen Gründen gehindert wäre, 20 bis 30 Bewerbungen im Monat unter Beifügung von Bewerbungsunterlagen zu versenden, gehalten, daneben auch kostengünstigere Formen der Bewerbung zu nutzen. Dabei kann dahinstehen, ob dies mit hinreichender Erfolgsaussicht dadurch geschehen könnte, sich bei potenziellen Arbeitgebern zunächst schriftlich zu bewerben und für den Fall, dass eine Einstellung in Betracht komme, die Übersendung von weiteren Unterlagen in Aussicht zu stellen. Denn jedenfalls besteht im Zeitalter moderner Kommunikationsmittel die Möglichkeit, sich auch unter Zuhilfenahme des Internets bzw. per E-Mails zu bewerben. Dabei können weitere Bewerbungsunterlagen wie Lebenslauf oder Zeugnisse als Anlage elektronisch kostengünstig übermittelt werden. Von der Möglichkeit, sich per E-Mail zu bewerben, hat die Klägerin offensichtlich auch zum Teil Gebrauch gemacht.

Nach alledem kann nicht angenommen werden, dass sich die Klägerin ausreichend um eine neue Erwerbstätigkeit bemüht hat. Darauf, dass jedenfalls ihre aktuelleren Bewerbungen überwiegend an potenzielle Arbeitgeber in Berlin gerichtet sind, kommt es somit ebenso wenig an wie auf den Umstand, dass für das Jahr 2005 ohnehin nur insgesamt 11 Bewerbungen vorgelegt worden sind.

Geringere Anforderungen an die Bewerbungsbemühungen sind entgegen der Auffassung des Amtsgerichts auch nicht für die Zeit vom 24.2. bis 24.10.2003, als die Klägerin eine Weiterbildungsmaßnahme zur "Fachkraft für Rechnungswesen" absolvierte, zu stellen.

Die Bewilligung einer Umschulung durch das Arbeitsamt ist lediglich ein Indiz dafür, dass der Unterhaltsschuldner vom Arbeitsamt nicht mehr zu vermitteln ist. Die Umschulung entbindet nicht von seiner Obliegenheit, sich auf dem Arbeitsmarkt um eine Anstellung zu bemühen (Kalthoener/Büttner, a.a.O., Rz. 626). Diese Grundsätze gelten für eine Weiterbildungsmaßnahme, die offenbar nur der Qualifizierung in dem schon ausgeübten Beruf dient, erst recht. Die Klägerin hat auch nicht etwa geltend gemacht, auf Grund ihrer bisherigen beruflichen Qualifikation auf dem Arbeitsmarkt nicht mehr vermittelbar gewesen zu sein.

Da sich die Klägerin nach alledem nicht ausreichend um eine Erwerbstätigkeit bemüht hat, ist ihr ein fiktives Einkommen aus Erwerbstätigkeit zuzurechnen. Die Klägerin hat ihre Arbeitsstelle bereits im Mai 2002 verloren, sodass auch dann, wenn man ihr ein angemessene Übergangszeit zubilligt (vgl. hierzu OLG Hamm, FamRZ 2003, 177; Kalthoener/Büttner/Niepmann, a.a.O., Rz. 575), angenommen werden muss, dass sie jedenfalls im September 2003, zu Beginn des streitigen Unterhaltszeitraums, bei ausreichenden Bemühungen in der Lage gewesen wäre, eine Erwerbstätigkeit auszuüben.

Das erzielbare Einkommen der Klägerin schätzt der Senat auf bereinigt 1.000 € monatlich. Die fiktive Fortschreibung eines höheren Einkommens, etwa desjenigen, das dem abzuändernden Teilvergleich zu Grunde gelegen hat, nämlich 2.217 DM, das sind rund 1.134 €, kommt nicht in Betracht.

Die Höhe der fiktiven Einkünfte hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Maßgebend ist dabei zum einen die Art des unterhaltsrechtlichen Verschuldens. Ist dem Unterhaltsschuldner vorzuwerfen, eine gut besoldete zu Gunsten einer schlechter dotierten Anstellung aufgegeben zu haben, so ist das bisher erzielte Einkommen fiktiv fortzuschreiben. Ist der Verlust des Arbeitsplatzes dagegen unterhaltsrechtlich unbedenklich, wie im Falle einer berechtigten betriebsbedingten Kündigung, ist das bisherige Einkommen nicht notwendig weiter zuzurechnen (vgl. Kalthoener/Büttner/Niepmann, a.a.O., Rz. 633). So liegt es hier. Dass die Klägerin ihren Arbeitsplatz im Mai 2002 etwa durch leichtfertiges unterhaltsbezogenes Fehlverhalten verloren hätte, macht selbst die Beklagte nicht geltend. Die Frage, unter welchen Umständen die Klägerin ihre frühere Arbeitsstelle bei der Firma F.../S... verloren hat, ist entgegen der Auffassung der Beklagten unerheblich. Denn dabei geht es um eine Arbeitsstelle, welche die Klägerin längstens bis zum Jahr 1999 inne hatte. Schon bei Abschluss des Teilvergleichs im Jahr 2001 ging sie einer anderen Beschäftigung nach. Das Einkommen dieser neuen Beschäftigung war Grundlage jenes Vergleichs, sodass ein Rückgriff auf Einkünfte aus der Zeit davor nicht mehr möglich ist.

Die Klägerin war in der Zeit von 1984 bis 1999 als kaufmännische Angestellte beschäftigt, wie dem als Anlage zum Schriftsatz vom 10.12.2005 vorgelegten Lebenslauf zu entnehmen ist. Eine Beschäftigung in diesem Bereich kommt weiterhin in Betracht, wie auch die Stellen, auf welche sich die Klägerin beworben hat, zeigen. Entgegen der Auffassung der Beklagten kann die Klägerin hingegen nicht auf eine Tätigkeit als Erzieherin verwiesen werden. Als Krippenerzieherin war die Klägerin lediglich in den Jahren 1981 bis 1984 beschäftigt. Dafür, dass sie in diesem Bereich, nachdem ihr seit 20 Jahren die entsprechende Berufspraxis fehlt, eine Anstellung finden könnte, sind Anhaltspunkte nicht ersichtlich.

Dass die Klägerin aus gesundheitlichen Gründen an der Ausübung einer Bürotätigkeit, etwa als kaufmännische Angestellte, gehindert wäre, kann nicht angenommen werden. Zwar hat die Klägerin mit ihrem erstinstanzlichen Schriftsatz vom 26.4.2005 einen Bescheid des Landesamtes für Gesundheit und Soziales B... - Versorgungsamt - vom 7.9.2004 vorgelegt, wonach ein Grad der Behinderung von 50 besteht und als Funktionsbeeinträchtigungen Fehlhaltung und Verschleiß von Hals- und Lendenwirbelsäule mit Bandscheibenschaden C4/5 und anhaltenden Wurzelreizerscheinungen, depressive Entwicklung mit somatoformen Störungen, Fehlstellung und Verschleiß beider Hüftgelenke angegeben sind.

Schon die Bewerbungsbemühungen der Klägerin wie auch der Umstand, dass sie nicht Sozialhilfe, sondern Leistungen nach dem SGB II bezieht, sprechen dafür, dass sie dem Arbeitsmarkt grundsätzlich zur Verfügung steht. Mit der Ladungsverfügung zur mündlichen Verhandlung am 31.1.2006 hat der Senat die Klägerin unter Bezugnahme auf BGH, FamRZ 2001, 1291, 1292 darauf hingewiesen, dass es, soweit gesundheitliche Einschränkungen geltend gemacht werden, konkreten Vortrags zu Art und Umfang, zu den Auswirkungen auf die Erwerbsfähigkeit und zum Zeitraum, auf den sich die Behauptung bezieht, bedarf. Vortrag ist hierzu nicht erfolgt. Im Schriftsatz vom 19.12.2005 heißt es lediglich, hinsichtlich der gesundheitlichen Einschränkungen würde der ärztliche Befundbericht für die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte übergeben. Hieraus ergäben sich die krankheitsbedingten Einschränkungen, welche durch diese "selbstverständlich bei den Bewerbungen für potenzielle Arbeitgeber nicht verschwiegen werden dürften". Den im Anlagenordner zum Schriftsatz vom 19.12.2005 unter der Rubrik "med. Befunde" enthaltenen Unterlagen lässt sich das Leistungsvermögen der Klägerin ebenfalls nicht entnehmen. Gleiches gilt für die drei ärztlichen Befundberichte, die ganz zu Beginn des vorgelegten Anlagenordners noch vor die Rubrik "Lebenslauf/Qualifizierung" geheftet sind.

Im Hinblick auf die berufliche Qualifikation der bei Verlust ihrer Arbeitsstelle fast 42 Jahre alten Klägerin kann das bei ausreichenden Erwerbsbemühungen erzielbare Einkommen mit bereinigt 1.000 € angesetzt werden. Angesichts eines notwendigen Selbstbehalts für Erwerbstätige von 840 € bzw. 890 € stehen für Unterhaltszwecke 160 € monatlich bis einschließlich Juni 2005 und 110 € monatlich ab Juli 2005 zur Verfügung. Die Anrechnung von Kindergeld unterbleibt mit Rücksicht auf § 1612 b Abs. 5 BGB.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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