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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 25.01.2007
Aktenzeichen: 10 UF 133/06
Rechtsgebiete: Regelbetrag-VO, ZPO


Vorschriften:

Regelbetrag-VO § 2
ZPO § 167
ZPO § 253 Abs. 1
ZPO § 261 Abs. 1
ZPO § 323 Abs. 3 Satz 1
ZPO § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
ZPO § 569
ZPO § 652
ZPO § 654
ZPO § 654 Abs. 2 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Teilanerkenntnis- und Schlussurteil

10 UF 133/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 25. Jan. 2007

verkündet am 25. Jan. 2007

In der Familiensache

hat der 2. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 16. Januar 2007 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Prof. Schael, die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Liceni-Kierstein und den Richter am Oberlandesgericht Gutjahr

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 6. Juni 2006 verkündete Urteil des Amtsgerichts Strausberg abgeändert.

Der Kläger wird unter Abänderung des Unterhaltsfestsetzungsbeschlusses des Amtsgerichts Strausberg vom 19. April 2005 (2 FH 3/05) verurteilt, an die Beklagte zu Händen ihrer gesetzlichen Vertreterin monatlichen Unterhalt wie folgt zu zahlen, den zukünftigen jeweils monatlich im Voraus bis zum 5. eines jeden Monats,

- je 110 € für die Zeit vom 24. November 2005 bis zum 30. November 2006,

- je 55 € für die Zeit vom 1. Dezember 2006 bis zum 30. Juni 2007,

- je 29,2 % des Regelbetrages der 2. Altersstufe gemäß § 2 Regelbetrag-VO für die Zeit vom 1. Juli 2007 bis zum 30. April 2013,

- je 29,2 % des Regelbetrages der 3. Altersstufe gemäß § 2 Regelbetrag-VO ab 1. Mai 2013.

Die weitergehende Klage wird abgewiesen.

Die Berufung im Übrigen wird zurückgewiesen.

Von den erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger 60 % und der Beklagten 40 % auferlegt. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu 65 %, die Beklagte zu 35 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt Wegfall titulierten Kindesunterhalts.

Die am ...2001 geborene Beklagte ist das aus einer früheren Ehe stammende Kind des am ...1977 geborenen Klägers. Der Kläger ist wieder verheiratet und seit dem ...12.2006 Vater eines weiteren Kindes.

Durch Beschluss des Amtsgerichts vom 19.4.2005 wurde der Kläger verpflichtet, der Beklagten monatlichen Unterhalt von 100 % des Regelbetrages der jeweiligen Altersstufe ab Februar 2005 zu zahlen. Mit seiner Klage hat der Kläger zunächst völligen Wegfall dieser Unterhaltsverpflichtung begehrt.

Durch das angefochtene Urteil vom 6.6.2006 hat das Amtsgericht die Klage abgewiesen. Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf dieses Urteil Bezug genommen.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Kläger mit der Berufung. Er trägt vor:

Er sei, ebenso wie seine jetzige Ehefrau, Kosovo-Albaner und der deutschen Sprache nur eingeschränkt mächtig. Er verfüge über keinen beruflichen Abschluss und könne sich nur auf Hilfsarbeiten bewerben. Schon mit Rücksicht auf seine Sprachschwierigkeiten bewerbe er sich überwiegend persönlich und zwar auf Stellen, in denen körperliche Arbeit zu leisten sei. Auf eine Nebenbeschäftigung könne er nicht verwiesen werden.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils den Beschluss des Amtsgerichts vom 19. April 2005 (2 FH 3/05) dahin abzuändern, dass er für die Beklagte monatlichen Unterhalt nur noch wie folgt zu zahlen hat,

- je 110 € für die Zeit vom 19. September 2005 bis zum 30. November 2006,

- je 55 € für die Zeit vom 1. Dezember 2006 bis zum 30. Juni 2007,

- je 29,2 % des Regelbetrages der 2. Altersstufe gemäß § 2 Regelbetrag-VO für die Zeit vom 1. Juli 2007 bis zum 30. April 2013,

- je 29,2 % des Regelbetrages der 3. Altersstufe gemäß § 2 Regelbetrag-VO ab 1. Mai 2013.

Die Beklagte erkennt den Klageanspruch, soweit die Zeit ab 24.11.2005 betroffen ist, an und beantragt im Übrigen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt vor:

Der Kläger habe nicht substanziiert vorgetragen, welche Erwerbsbemühungen er entfaltet habe. Er sei verpflichtet, einer Vollzeittätigkeit nachzugehen. Eine Nebenbeschäftigung sei dem Kläger ebenfalls zuzumuten.

Wegen des weiteren Vorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Soweit die Beklagte den Klageanspruch anerkannt hat, ist der Unterhaltsfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts vom 19.4.2005 (2 FH 3/05) im Wege des Teilanerkenntnisurteils gem. § 654 ZPO abzuändern. Eine darüber hinausgehende Abänderung, nämlich auch für die Zeit vom 19.9.2005 bis 23.11.2005, wie sie der Kläger begehrt, kommt nicht in Betracht. Eine Abänderung ist im vorliegenden Fall erst ab Rechtshängigkeit, die am 24.11.2005 eingetreten ist, möglich.

1.

Gemäß § 654 Abs. 2 Satz 1 ZPO darf die Abänderung, wenn die Klage auf Herabsetzung des Unterhalts nicht innerhalb eines Monats nach Rechtskraft der Unterhaltsfestsetzung erhoben worden ist, nur für die Zeit nach Erhebung der Klage erfolgen. Der Beschluss vom 19.4.2005 ist dem Kläger am 22.4.2005 zugestellt worden. Von diesem Zeitpunkt an lief die zweiwöchige Beschwerdefrist, §§ 652, 569 ZPO. Mit Schreiben vom 28.4.2005 hat der Kläger dem Amtsgericht erklärt, dass er finanziell nicht in der Lage sei, Unterhalt für seine Tochter zu zahlen. Er ist vom Amtsgericht dann um Mitteilung gebeten worden, ob sein Schreiben als sofortige Beschwerde aufgefasst werden soll. Mit Schriftsatz vom 30.7.2005 hat der Beklagte mitgeteilt, gegen den Festsetzungsbeschluss Klage erhoben zu haben. Diese Erklärung ist dahin auszulegen, dass das Schreiben vom 28.4.2005 nicht als sofortige Beschwerde gemeint war. Demnach ist Rechtskraft der Unterhaltsfestsetzung am 6.5.2005 eingetreten. Eine Klageerhebung innerhalb eines Monats nach Rechtskraft hätte somit spätestens am 6.6.2005 erfolgen müssen. Die vorliegende Abänderungsklage ist aber erst am 10.6.2005 und damit nach Fristablauf eingereicht worden. Nach alledem kann Abänderung erst für die Zeit nach Erhebung der Klage erfolgen.

2.

Die Klageerhebung, §§ 253 Abs. 1, 261 Abs. 1, ist durch Zustellung der beglaubigten Abschrift der Klageschrift an die Prozessbevollmächtigte der Beklagten am 24.11.2005 erfolgt. Ein früherer Eintritt der Rechtshängigkeit kann nicht angenommen werden.

Da das Verfahren durch Einreichung eines Klageentwurfs nebst Prozesskostenhilfegesuch eingeleitet worden ist, hat das Amtsgericht zunächst die Übersendung der einfachen Abschrift an die Gegenseite verfügt und dann ca. zwei Monate später, am 18.8.2005, das schriftliche Vorverfahren angeordnet. Ein Hinweis darauf, dass die Klage nun zugestellt werden sollte, ist in der entsprechenden Verfügung nicht enthalten und auch sonst aus dem Akteninhalt nicht ersichtlich. Insbesondere enthält die entsprechende Zustellungsurkunde, die eine Zustellung am 19.9.2005 ausweist, keinen Hinweis darauf, dass neben den dort aufgeführten Abschriften auch solche der Klageschrift zugestellt werden sollten. Erst am 24.11.2005 ist ausweislich des bei der Akte befindlichen Empfangsbekenntnisses die beglaubigte Abschrift der Klageschrift der Prozessbevollmächtigten des Beklagten zugestellt worden. Rechtshängigkeit ist somit erst zu dem Zeitpunkt eingetreten.

3.

Eine Rückwirkung der Zustellung auf den Zeitpunkt des Eingangs der Klageschrift bei Gericht, also auf den 10.6.2005, scheidet aus. Die Vorschrift des § 167 ZPO, die eine solche Rückwirkung ermöglicht, ist, soweit es um die Wahrung der Monatsfrist des § 654 Abs. 2 Satz 1 ZPO geht, anwendbar (Johannsen/Henrich/Voßkuhle, Eherecht, 4. Aufl., § 654 ZPO, Rz. 13; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 27. Aufl., § 654, Rz. 3; zu § 270 Abs. 3 ZPO a. F., auch Verfahrenshandbuch Familiensachen - FamVerf -/Schael, § 1, Rz. 448). Ist aber wegen Ablaufs der Monatsfrist eine Abänderung nur für die Zeit nach Erhebung der Klage möglich, scheidet eine Anwendung des § 167 ZPO aus (Johannsen/Henrich/Voßkuhle, a.a.O.). Denn ebenso wie bei der Zeitschranke in § 323 Abs. 3 Satz 1 ZPO, wonach das Urteil nur für die Zeit nach Erhebung der Klage abgeändert werden kann, geht es in § 654 Abs. 2 Satz 1 ZPO, soweit die Abänderung nur für die Zeit nach Erhebung der Klage erfolgen kann, nicht um die Wahrung einer Frist (vgl. BGH, NJW 1982, 1812, 1813; OLG Hamm, NJW-RR 1986, 628, 629; MünchKomm/Musielak, ZPO, 2. Aufl., Aktualisierungsband, § 167, Rz. 4; Thomas/ Putzo/Hüßtege, a. a. O., § 167, Rz. 5; Johannsen/Henrich/Brudermüller, a. a. O., § 323 ZPO, Rz. 119).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Dies gilt auch für die Kosten des Berufungsverfahrens im Hinblick auf die teilweise Zurückweisung der Berufung in dem zuletzt verfolgten Umfang und auf die teilweise Klagerücknahme, die durch Antragstellung im Rahmen der bewilligten Prozesskostenhilfe erfolgt ist. Eine Anwendung des § 93 ZPO zu Gunsten der Beklagten scheidet schon deshalb aus, weil sie den Klageanspruch erst in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 16.1.2007 teilweise anerkannt hat.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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