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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 16.10.2007
Aktenzeichen: 10 UF 141/07
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
ZPO § 610 Abs. 1
ZPO § 623 Abs. 1 Satz 3
ZPO § 629 b
BGB § 1314 Abs. 2 Nr. 3
BGB § 1314 Abs. 2 Nr. 5
BGB § 1353 Abs. 1
BGB § 1353 Abs. 1 S. 1
BGB § 1353 Abs. 1 S. 2
BGB § 1565 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

10 UF 141/07 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 16.10.2007

verkündet am 16.10.2007

In der Familiensache

hat der 2. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 18. September 2007 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Prof. Schael, die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Liceni-Kierstein und den Richter am Oberlandesgericht Gutjahr

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das am 15. Juni 2007 verkündete Urteil des Amtsgerichts Eisenhüttenstadt abgeändert.

Der Antrag des Antragstellers auf Aufhebung der Ehe wird zurückgewiesen.

Im Übrigen wird die Sache an das Amtsgericht zurückverwiesen, das auch über die Kosten des Berufungsverfahrens zu entscheiden hat.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt Aufhebung, hilfsweise Scheidung, der am ... 2006 mit der Antragsgegnerin geschlossenen Ehe.

Der Antragsteller wurde am ... 1927 geboren, die Antragsgegnerin am ... 1939.

Der Aufhebungs- bzw. Scheidungsantrag ist der Antragsgegnerin am 15.8.2006 zugestellt worden.

Durch das angefochtene Urteil hat das Amtsgericht die Ehe der Parteien aufgehoben. Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf dieses Urteil Bezug genommen.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Antragsgegnerin mit der Berufung. Sie trägt vor:

Die Voraussetzungen für die Aufhebung der Ehe seien nicht gegeben. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts sei eine häusliche Gemeinschaft für die Ehe nicht konstitutiv. Sie habe für den Antragsteller gesorgt, ihn bekocht, verpflegt und auch versorgt. Er habe auch bei ihr übernachtet. Auch wenn jeder Ehegatte seinen eigenen Wohnraum beibehalten habe, habe man die Freizeit im Wesentlichen gemeinschaftlich verbracht.

Mit dem Hilfsantrag, gerichtet auf Ehescheidung, habe sich das Amtsgericht nicht auseinandergesetzt. Sie wolle aber nach wie vor an der Ehe festhalten.

Die Antragsgegnerin beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und den Haupt- und Hilfsantrag des Antragstellers zurückzuweisen.

Der Antragsteller beantragt,

die Berufung zurückzuweisen. Hilfsweise beantragt er,

die Ehe zu scheiden und dabei den Versorgungsausgleich nicht durchzuführen. Er trägt vor:

Zu Recht habe das Amtsgericht die Ehe der Parteien aufgehoben. Die häusliche Gemeinschaft, die vorliegend nicht bestehe, stelle eine Hauptpflicht der Ehegatten dar. Die Antragsgegnerin habe ihn nach der Eheschließung auch nicht bekocht, verpflegt oder versorgt. Er habe lediglich 3 - 4 Mal nach der Eheschließung in der Wohnung der Antragsgegnerin übernachten dürfen, ohne dass es zu körperlichen Kontakten gekommen sei.

Da zwischen den Parteien unstreitig seit Mai 2006 kein Kontakt mehr bestehe, sei die Ehe, wenn nicht schon aufzuheben, jedenfalls zu scheiden.

Wegen des weiteren Vorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Der Senat hat die Parteien angehört. Insoweit wird auf den Berichterstattervermerk zum Senatstermin vom 18.9.2007 Bezug genommen.

II.

Auf die Berufung der Antragsgegnerin ist der Hauptantrag des Antragstellers, gerichtet auf Aufhebung der Ehe der Parteien, zurückzuweisen. Wegen des Hilfsantrags, gerichtet auf Scheidung der Ehe, ist die Sache an das Amtsgericht zurückzuverweisen.

1.

Die Ehe der Parteien ist nicht aufzuheben. Die Voraussetzungen der allein in Betracht kommenden Aufhebungstatbestände des § 1314 Abs. 2 Nr. 3 bzw. Nr. 5 BGB sind nicht gegeben.

a)

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts liegen die Voraussetzungen für die Aufhebung der Ehe nach § 1314 Abs. 2 Nr. 5 BGB nicht vor.

Nach dieser Vorschrift kann die Ehe aufgehoben werden, wenn beide Ehegatten sich bei der Eheschließung darüber einig waren, dass sie keine Verpflichtung gem. § 1353 Abs. 1 BGB begründen wollen. Nach § 1353 Abs. 1 S. 1 BGB wird die Ehe auf Lebenszeit geschlossen. Die Ehegatten sind einander zur ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichtet; sie tragen füreinander Verantwortung, § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB. Mit diesem Aufhebungstatbestand soll der Begründung von Scheinehen entgegengewirkt werden. Dies betrifft insbesondere den Fall, dass eine Ehe nur geschlossen wird, um einem ausländischen Partner die Einreise nach oder den Aufenthalt in Deutschland zu ermöglichen (vgl. Palandt/Brudermüller, BGB, 66. Aufl., § 1314, Rz. 14). Da die Vorschrift als Generalklausel allgemein gefasst ist, können unter dem Wortlaut auch reine Versorgungsehen fallen, also solche, die aus steuerlichen Gründen (Ehegatten-Splitting, Erbschaftssteuer) oder versorgungsrechtlichen Gründen (Witwenpension oder -rente) geschlossen werden (vgl. Johannsen/Henrich, Eherecht, 4. Aufl., § 1314 BGB, Rz. 78). Angesichts des erkennbaren gesetzlichen Ziels, nur rechtsmissbräuchlich geschlossene Ehen zu missbilligen, ist eine enge Interpretation der Vorschrift angezeigt (Palandt/Brudermüller, a.a.O.; Johannsen/Henrich, a.a.O.). Vor diesem Hintergrund ist der Aufhebungstatbestand vorliegend nicht gegeben.

Das Zusammenleben in häuslicher Gemeinschaft, das zwischen den Parteien offenbar nicht stattgefunden hat, ist für die eheliche Lebensgemeinschaft nach § 1353 Abs. 1 BGB nicht konstitutiv. Zwar gilt als Grundelement der ehelichen Lebensgemeinschaft regelmäßig das Zusammenleben in häuslicher Gemeinschaft. Anders ist es aber, wenn die Lebensverhältnisse entgegenstehen oder im gegenseitigen Einvernehmen eine abweichende Lebensgestaltung vereinbart ist (Palandt/Brudermüller, a.a.O., § 1353, Rz. 6). Gerade wenn sich ein Paar erst im Alter kennen gelernt hat, müssen die Ehegatten, auch wenn sie, wie von der Antragsgegnerin behauptet, die Freizeit überwiegend gemeinsam verbringen (z. B. mit Karten spielen), ihre jeweilige eigene Wohnung nicht unbedingt aufgeben.

Im Übrigen ist insoweit schon nach dem Vorbringen des Antragstellers ein Aufhebungsgrund nicht gegeben. Der Antragsteller hat gerade vorgetragen, er habe mit der Antragsgegnerin zusammenziehen wollen. Jedenfalls aus Sicht des Antragstellers lag keine wie auch immer geartete Scheinehe vor.

b)

Auch der Aufhebungstatbestand des § 1314 Abs. 2 Nr. 3 BGB ist nicht gegeben.

Nach dieser Vorschrift kann die Ehe aufgehoben werden, wenn ein Ehegatte zur Eingehung der Ehe durch arglistige Täuschung über solche Umstände bestimmt worden ist, die ihn bei Kenntnis der Sachlage und bei richtiger Würdigung des Wesens der Ehe von der Eingehung der Ehe abgehalten hätten. Eine arglistige Täuschung liegt hier nicht vor.

Die Antragsgegnerin hat den Antragsteller nicht, wie es die Antragsschrift nahe legt, über ihre wahren Absichten in Bezug auf die Eheschließung getäuscht. Insbesondere hat sie ihm nicht vorgespiegelt, nach der Eheschließung mit ihm zusammenzuziehen, um sich dann nach der Eheschließung zu weigern, ihn in ihre Wohnung aufzunehmen.

Der Antragsteller hat bei seiner Anhörung durch den Senat angegeben, seine neue Wohnung angemietet zu haben, weil die Antragsgegnerin erklärt habe, sie brauche ihre Freiheit. Vor diesem Hintergrund war es dem Antragsteller schon bei Eheschließung bekannt, dass die Antragsgegnerin nicht gewillt war, mit ihm dauerhaft in einer Wohnung zu leben. Dies steht auch im Einklang mit der Aussage der vom Amtsgericht vernommenen Zeugen S. Sch.. Diese hat insbesondere angegeben, der Antragsteller habe auf Eheschließung gedrängt, die Antragsgegnerin habe aber erklärt, ein Zusammenziehen komme für sie nicht in Frage.

2.

Im Hinblick auf den Hilfsantrag des Antragstellers, gerichtet auf Scheidung der Ehe, ist die Sache an das Amtsgericht zurückzuverweisen.

a)

Der Hilfsantrag ist zulässig. Aufhebungs- und Scheidungsantrag können gemäß § 610 Abs. 1 ZPO miteinander verbunden werden, und zwar im Eventualverhältnis (vgl. Verfahrenshandbuch Familiensachen/Schael, § 6, Rz. 121).

b)

Mit Rücksicht darauf, dass die Parteien jedenfalls seit Juni 2006 und damit länger als ein Jahr voneinander getrennt leben und der Antragsteller, wie er vor dem Senat ausdrücklich erklärt hat, eine Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft ablehnt, sind die Scheidungsvoraussetzungen gemäß § 1565 Abs. 1 BGB gegeben. Ungeachtet dessen kann der Senat die Scheidung nicht aussprechen. Denn mit der Scheidung ist die Folgesache über den Versorgungsausgleich zu regeln, vgl. § 623 Abs. 1 Satz 3 ZPO.

Der Versorgungsausgleich ist vom Amtsgericht, das insoweit noch keine Auskünfte über Rentenanwartschaften der Parteien eingeholt hat, durchzuführen. In entsprechender Anwendung des § 629 b ZPO ist die Sache an das Amtsgericht zurückzuverweisen (vgl. OLG Hamburg, FamRZ 1982, 1211, 1212; Johannsen/Henrich/Sedemund-Teiber, a.a.O., § 629 b, Rz. 1 a. E.; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 65. Aufl., § 629 b, Rz. 3).

3.

Das Amtsgericht wird auch über die Kosten des Berufungsverfahrens zu entscheiden haben (vgl. Zöller/Gummer/Heßler, ZPO, 26. Aufl., § 538, Rz. 58). Eine Entscheidung über ausscheidbare Kosten des Berufungsverfahrens ist hier nicht möglich. Insbesondere scheidet eine entsprechende Anwendung des § 97 Abs. 2 ZPO (vgl. hierzu Zöller/Philippi, a.a.O., § 629 b, Rz. 7) deshalb aus, weil der Antragsteller den Hilfsantrag, gerichtet auf Scheidung der EEhe, bereits in erster Instanz gestellt hat, also eine vollständige Abweisung seines Begehrens bereits in erster Instanz nicht möglich war (vgl. auch den anders gelagerten Fall OLG Hamburg, a.a.O.).

Eine Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht nicht, § 704 Abs. 2 ZPO (vgl. auch Zöller/Stöber, a.a.O., § 704, Rz. 12).

Ende der Entscheidung

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