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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 04.03.2003
Aktenzeichen: 10 UF 188/02
(1)
Rechtsgebiete: Regelbetrag-VO, ZPO, BGB
Vorschriften:
Regelbetrag-VO § 2 | |
ZPO § 540 Abs. 1 Nr. 1 | |
BGB §§ 1601 ff. | |
BGB § 1610 | |
BGB § 1612 b Abs. 5 B |
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil
10 UF 188/02 Brandenburgisches Oberlandesgericht
Anlage zum Protokoll vom 04.03.2003
Verkündet am 04.03.2003
In der Familiensache
hat der 2. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 4. Februar 2003 durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., die Richterin am Oberlandesgericht ... und die Richter am Oberlandesgericht ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten wird das am 15. Juli 2002 verkündete Urteil des Amtsgerichts Strausberg teilweise abgeändert und neu gefasst.
Der Beklagte wird verurteilt, zu Händen des gesetzlichen Vertreters monatlichen Unterhalt wie folgt zu zahlen, den zukünftigen jeweils monatlich im Voraus bis zum 5. eines jeden Monats,
- an die Klägerin zu 1.
von Juni bis Dezember 2000 je 168,73 €,
von Januar bis Juni 2001 je 194 €,
von Juli bis Dezember 2001 je 155 €,
von Januar bis November 2002 je 154 €,
von Dezember 2002 bis Juni 2003 je 143 € und
ab Juli 2003 je 57,4 % des jeweiligen Regelbetrags der 3. Altersstufe gemäß § 2 der Regelbetrag-Verordnung,
- an die Klägerin zu 2.
von Juni bis Dezember 2000 je 131,46 €,
von Januar bis Juni 2001 je 164 €,
von Juli 2001 bis November 2002 je 131 €,
von Dezember 2002 bis Juni 2003 je 143 € und
ab Juli 2003 je 57,4 % des jeweiligen Regelbetrags der 3. Altersstufe gemäß § 2 der Regelbetrag-Verordnung.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerinnen zu 2/5, der Beklagte zu 3/5 zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe:
Die Klägerinnen verlangen vom Beklagten, ihrem Vater, Unterhalt für die Zeit ab Januar 2001. Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO in der seit dem 1.1.2002 geltenden Fassung auf das Urteil des Amtsgerichts Bezug genommen. Ergänzend ist festzustellen, dass die Klägerinnen im Haushalt ihrer Mutter leben und die Schule besuchen. Der jetzt 39 Jahre alte Beklagte hat eine Ausbildung zum Taxifahrer abgeschlossen und arbeitet seit November 1998 in diesem Beruf.
Durch das angefochtene Urteil hat das Amtsgericht den Beklagten antragsgemäß zur Zahlung monatlichen Unterhalts von 465 DM an die Klägerin zu 1. und 392 DM an die Klägerin zu 2. für die Zeit von Juni bis Dezember 2000 sowie je 135 % des Regelbetrags gemäß § 2 der Regelbetrag-Verordnung abzüglich hälftigen Kindergeldes für die Zeit ab Januar 2001 verurteilt. Dagegen wendet sich der Beklagte mit der Berufung. Er trägt vor:
Sein Einkommen erreiche den ihm zustehenden Selbstbehalt nicht, höheres Einkommen könne er nicht erzielen. Dies werde durch die vorgelegten Arbeitsplatzangebote deutscher Arbeitsämter bestätigt. Er selbst habe in der Vergangenheit durchschnittlich weniger als 2.000 DM brutto verdient.
Er übe eine Vollzeitbeschäftigung aus. Daher könne ihm eine Nebentätigkeit nicht zugemutet werden.
Der Bedarf der Klägerinnen dürfe im Übrigen nicht allein aus fiktiven Einkünften hergeleitet werden.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Amtsgerichts Strausberg vom 15.7.2002 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerinnen beantragen,
die Berufung zurückzuweisen mit der Maßgabe, dass der Beklagte verurteilt werde,
- an die Klägerin zu 1.
vom 1.6.2000 an monatlich 238 €,
vom 1.1.2001 an monatlich 321 € abzüglich hälftigen Kindergeldes von 69 €,
vom 1.7.2001 an monatlich 337 € abzüglich hälftigen Kindergeldes von 69 €,
vom 1.1.2002 an monatlich 337 € abzüglich hälftigen Kindergeldes von 77 €,
vom 1.7.2003 an monatlich 135 % des jeweiligen Regelbetrages der 3. Altersstufe nach § 2 Regelbetrag-Verordnung abzüglich hälftigen Kindergeldes von 77 €,
- an die Klägerin zu 2.
vom 1.6.2000 an monatlich 201 €,
vom 1.1.2001 an monatlich 271 € abzüglich hälftigen Kindergeldes von 69 €,
vom 1.7.2001 an monatlich 284 € abzüglich hälftigen Kindergeldes von 69 €,
vom 1.1.2002 an monatlich 284 € abzüglich hälftigen Kindergeldes von 77 €,
vom 1.12.2002 an monatlich 337 € abzüglich hälftigen Kindergeldes von 77 €,
vom 1.7.2003 an monatlich 135 % des jeweiligen Regelbetrages der 3. Altersstufe nach § 2 Regelbetrag-Verordnung abzüglich hälftigen Kindergeldes von 77 €
zu zahlen.
Sie tragen vor:
Der Beklagte könne sich nicht auf fehlende Leistungsfähigkeit berufen. Er arbeite unter Wert und bemühe sich nicht um eine besser bezahlte Stelle. Zudem könne er eine Nebentätigkeit aufnehmen.
Der gesetzliche Mindestbedarf liege bei 135 % des Regelbetrags, sodass der Beklagte Unterhalt in diesem Umfang zahlen müsse.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf die Berufungsbegründung vom 24.10.2002 und den Schriftsatz des Beklagten vom 15.1.2003 sowie die Berufungserwiderung vom 17.1.2003 und den Schriftsatz der Klägerinnen vom 3.2.2003 Bezug genommen.
Der Beklagten hat bei seiner Anhörung im Senatstermin vom 4.2.2003 erklärt:
Er habe sich neben seiner derzeitigen Tätigkeit nicht um eine andere Stelle beworben. Es gebe keine Stellen, die ihm höheres Einkommen sicherten. Er sei im November 1998 beim Jugendamt M... gewesen. Dort habe man ihm mitgeteilt, dass er Unterhalt von 341 DM und 271 DM an die Klägerinnen zahlen müsse. Um dieser Verpflichtung nachzukommen, habe er keine Miete mehr gezahlt, sein Mietrückstand betrage nun 1.900 €. Er habe den Unterhalt bis Mai 2002 nur deshalb zahlen können, weil er Schulden gemacht habe. Diese kämen zu den bereits vorhandenen Schulden hinzu. Im März/April 2000 sei er bei der Schuldnerberatung gewesen. Man habe ihm dort geraten, die Unterhaltszahlungen einzustellen. Derzeit liefen Lohnpfändungen gegen ihn.
Die Berufung ist nur teilweise begründet. Der Beklagte muss den Klägerinnen Unterhalt in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang zahlen. Lediglich wegen des weitergehenden Unterhalts ist die Klage abzuweisen.
Die Klägerinnen haben gegen den Beklagten ab Juni 2000 einen Unterhaltsanspruch gemäß §§ 1601 ff. BGB. Auf den Beschluss des Senats vom 19.12.2002 wird verwiesen. Ein Unterhaltsbedarf minderjähriger Kinder ergibt sich, wie darin ausgeführt, nicht unabhängig vom Einkommen des barunterhaltspflichtigen Elternteils in Höhe von 135 % des Regelbetrags. Dies kann der Vorschrift des § 1612 b Abs. 5 BGB nicht entnommen werden. Denn damit hat der Gesetzgeber nur den Ausgleichsanspruch zwischen den Eltern geändert. Er hat mit der Bezugnahme auf das verfassungsrechtliche Existenzminimum das rechtspolitische Anliegen verfolgt, unterhaltsrechtlich den betreuenden Elternteil zu entlasten. Mit dem zivilrechtlichen Anspruch des Kindes gegen den barunterhaltspflichtigen Elternteil hat dies unmittelbar nichts zu tun. Ein gesetzgeberischer Wille, den Barunterhalt von Kindern in Höhe des Existenzminimums möglichst sicherzustellen, kann der Anrechnungsbestimmung nicht entnommen werden. Der Festlegung eines entsprechenden Mindestunterhalts bedarf es dazu nicht. Die Bestimmung des § 1612 b Abs. 5 BGB wäre dazu auch systematisch nicht der richtige Ort. Vielmehr würde eine solche Regelung in die Vorschrift des § 1610 BGB gehören (so BGH, FamRZ 2002, 536 ff., 541).
Gegenüber dem Unterhaltsanspruch der Klägerinnen kann sich der Beklagte nicht auf Leistungsunfähigkeit berufen. Insoweit wird ebenfalls auf den Beschluss des Senats vom 19.12.2002 Bezug genommen. Der weitere Vortrag des Beklagten im Schriftsatz vom 15.1.2003 und seine Erklärungen im Senatstermin rechtfertigen eine andere Beurteilung nicht. Der Hinweis auf ein statistisches Hilfsarbeitereinkommen von durchschnittlich 750 € netto im Monat zwingt nicht zu der Schlussfolgerung, dass im vorliegenden konkreten Fall bei gehörigen Arbeitsplatzbemühungen keine Stelle mit einem Einkommen, wie es der Senat im Beschluss vom 19.12.2002 angenommen hat, hätte gefunden werden können. Denn der Beklagte verfügt, wie in jenem Beschluss ausgeführt, über eine weit gefächerte Berufserfahrung. Im Übrigen hat er sich, wie er bei seiner Anhörung durch den Senat eingeräumt hat, nicht um eine besser bezahlte Stelle bemüht.
Auch dem vorgelegten Versicherungsverlauf kann nicht entnommen werden, dass der Beklagte kein höheres als sein derzeitiges Einkommen erzielen könnte. Denn es weise aus, dass die Einkünfte des Beklagten bereits in der Vergangenheit zeitweilig bei mehr als 3.000 DM brutto im Monat lagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
Ende der Entscheidung
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