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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 01.08.2006
Aktenzeichen: 10 UF 203/05
Rechtsgebiete: Regelbetrag-VO, ZPO, UVG, BGB


Vorschriften:

Regelbetrag-VO § 2
ZPO § 287
ZPO § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
UVG § 7
BGB § 1603 Abs. 2
BGB § 1612 a Abs. 1
BGB § 1612 b Abs. 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

10 UF 203/05 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 1.8.2006

Verkündet am 1.8.2006

In der Familiensache

hat der 2. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 27. Juni 2006 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Prof. Schael, die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Liceni-Kierstein und den Richter am Oberlandesgericht Gutjahr

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerinnen wird das am 27. September 2005 verkündete Teilurteil des Amtsgerichts Perleberg abgeändert.

Der Beklagte wird unter Abänderung der Urkunden des Jugendamtes des Landkreises P... vom 26. Oktober 2000 (Urk.-Reg.-Nr. 148 und 149/00) verurteilt, folgende monatliche Unterhaltsrenten zu zahlen, die zukünftigen jeweils monatlich im Voraus bis zum 5. eines jeden Monats und diejenigen an die Klägerinnen zu Händen der gesetzlichen Vertreterin:

a) an die Klägerin zu 1.

- je 122 € für die Monate September 2004 bis Juni 2005,

- je 99 € für die Monate Juli bis September 2005,

- je 48 € ab Oktober 2005,

b) an die Klägerin zu 2.

- je 135 € für die Monate Juli 2006 bis Juni 2007,

- je 50,1 % des Regelbetrages der 3. Altersstufe gemäß § 2 Regelbetrag-VO ab Juli 2007,

c) an die Unterhaltsvorschusskasse des Landkreises P...

- je 103 € für die Monate September 2004 bis Juni 2005,

- je 84 € für die Monate Juli bis September 2005,

- je 135 € für die Monate Oktober 2005 bis Juni 2006.

Die weitergehende Klage und die weitergehende Widerklage werden abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens bleibt dem Schlussurteil des Amtsgerichts vorbehalten.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Vollstreckung kann durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages abgewendet werden, wenn nicht der Gläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten im Berufungsverfahren noch um Abänderung eines Unterhaltstitels ab September 2004.

Mit der am 5.5.2000 eingegangenen Klage hat die Mutter der Klägerinnen zunächst in Prozessstandschaft Kindesunterhalt für die beiden gemeinsamen Kinder, die am 10.5.1989 geborene Klägerin zu 1. und die am 20.9.1994 geborene Klägerin zu 2., sowie Trennungsunterhalt geltend gemacht. Zwischenzeitlich haben sich die Parteien dahin verständigt, dass Ehegattenunterhalt nicht geschuldet werde. Durch Urteil des Amtsgerichts vom 6.6.2001, rechtskräftig seit jenem Tag, wurde die Ehe geschieden.

Im laufenden Verfahren, nämlich am 26.10.2004, errichtete der Beklagte zu Gunsten der Klägerinnen Jugendamtsurkunden. Er verpflichtete sich, für die Klägerinnen zu 1. und 2. ab 1.9.2000 jeweils monatlichen Unterhalt von 257 DM, das sind 131,40 €, zu zahlen. Ebenfalls im laufenden Verfahren hat der Beklagte mit Rücksicht auf die Aufgabe seiner selbstständigen Tätigkeit Widerklage erhoben. Am 2.8.2004 wurde das Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Beklagten eröffnet.

Durch das angefochtene Teilurteil hat das Amtsgericht über den geltend gemachten Unterhalt ab 1.9.2004, und damit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, entschieden und unter Abweisung der Klage die Urkunden des Jugendamtes des Landkreises P... vom 26.10.2000, Urk.-Reg.-Nr. 148 und 149/00, auf die Widerklage des Beklagten mit Wirkung vom 1.9.2004 auf 0,00 € abgeändert. Wegen der Feststellungen im Einzelnen wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Gegen diese Entscheidung wenden sich die Klägerinnen mit der Berufung. Sie tragen vor:

Zu Unrecht habe das Amtsgericht hohe Fahrtkosten berücksichtigt. Es sei kein Grund dafür ersichtlich, warum der Beklagte seinen derzeitigen Wohnsitz beibehalte. Dem Beklagten sei auch ein Wohnvorteil zuzurechnen.

Der Selbstbehalt sei mit Rücksicht auf das Zusammenleben mit der Lebensgefährtin zu kürzen.

Im Übrigen sei fraglich, ob der Beklagte bei einem tatsächlichen Einkommen von 1.003 € der gesteigerten Erwerbsobliegenheit genüge. Nach dem vom Amtsgericht eingeholten Gutachten des Sachverständigen B... habe er in den Jahren 1997 bis 1999 ein unterhaltsrechtlich relevantes Nettoeinkommen von 3.242,44 DM, mithin 1.657,83 €, erzielt.

Bei der Antragstellung sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin zu 1. seit 1.10.2005 eine Ausbildungsvergütung erhalte, während die Klägerin zu 2. seit September 2004 Unterhaltsvorschuss beziehe.

Die Klägerinnen beantragen,

das angefochtene Teilurteil abzuändern und den Beklagten unter Abänderung der Urkunden des Jugendamtes des Landkreises P...vom 26.10.2000, Urk.-Reg.-Nr. 148 und 149/00, und unter Abweisung der Widerklage im Übrigen zu verurteilen, folgende monatliche Unterhaltsrenten zu zahlen:

a) an die Klägerin zu 1.

- je 149 € für die Monate September 2004 bis Juni 2005,

- je 128 € für die Monate Juli bis September 2005,

- je 62 € ab Oktober 2005,

b) für die Klägerin zu 2.

- je 127 € für die Monate September 2004 bis Juni 2005 an die Unterhaltsvorschusskasse des Landkreises P...,

- je 108 € für die Monate Juli bis September 2005 an die Unterhaltsvorschusskasse des Landkreises P...,

- je 174 € für die Monate Oktober 2005 bis August 2006, davon 23 € an die Klägerin zu 2. und 151 € an die Unterhaltsvorschusskasse des Landkreises P...,

- je 174 € für die Monate September 2006 bis Juni 2007 an die Klägerin zu 2.

- je 100 % des Regelbetrages der 3. Altersstufe gemäß § 2 Regelbetrag-VO ab Juli 2007 an die Klägerin zu 2.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er trägt vor:

Die hohen berufsbedingten Aufwendungen seien gerechtfertigt. Er wohne zur Miete in W.... Der Arbeitgeber habe das Lager des Geschäftsbetriebes von N...-G... nach L... verlegt. Er müsse mit dem privaten Pkw von W... nach L... fahren, um dort das Dienstfahrzeug zu übernehmen, mit dem er zum Einsatzort nach H... weiterfahre. Da er außer Stande sei, die beträchtlichen Fahrtkosten zu bestreiten, verbringe er vier bis fünf Nächte pro Woche in einer bescheidenen Pension mit Übernachtungskosten von 14 € täglich.

Eine Verlagerung des Wohnsitzes komme schon deshalb nicht in Betracht, weil nicht absehbar sei, ob die Verlegung des Lagers von N...-G... nach L...von Dauer sein werde.

Da die tatsächlichen Mietzahlungen von 310 € über dem Wohnanteil im Selbstbehalt lägen, komme eine Kürzung des Selbstbehalts nicht in Betracht.

Die Aufnahme einer neuen Beschäftigung sei auch mit Rücksicht auf die Wohlverhaltensperiode im Hinblick auf den Beschluss, mit dem das Insolvenzverfahren eröffnet worden sei, nicht zumutbar. Als gelernter Kantinenkoch könne er ohnehin kein höheres Einkommen erzielen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Der Senat hat den Beklagten angehört. Insoweit wird auf den Berichterstattervermerk zum Senatstermin vom 27.6.2006 verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerinnen ist zum Teil begründet. Sie führt zur Abänderung der Jugendamtsurkunden, wie aus der Urteilsformel ersichtlich. Der Antrag der Klägerin zu 2. ist im Hinblick darauf, dass sie seit Beginn des Unterhaltszeitraums, nach Rechtshängigkeit der Klage, durchgängig Unterhaltsvorschuss erhalten hat, verbunden mit einem Anspruchsübergang nach § 7 UVG, dahin auszulegen, dass wegen des bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung fällig gewordenen Unterhalts in Höhe des Anspruchsübergangs Leistung an den öffentlichen Leistungsträger begehrt wird, während der danach, also ab Juli 2006, fällig werdende Unterhalt in voller Höhe der Klägerin zu 2. zufließen soll (vgl. Wendl/Scholz, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Aufl., § 6, Rz. 551 bis 553). Mit Rücksicht auf die Antragstellung im Rahmen der bewilligten Prozesskostenhilfe ist die Berufung so zu verstehen, dass angesichts des bereits bestehenden Unterhaltstitel in Höhe von 131,40 € die Abänderungsklage nur in eingeschränktem Umfang für bestimmte Zeiträume weiterverfolgt, im Übrigen aber teilweise Abweisung der Abänderungswiderklage begehrt wird.

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts ist der Beklagte nicht in vollem Umfang leistungsunfähig. Vielmehr ist er verpflichtet, den aus der Urteilsformel ersichtlichen Kindesunterhalt zu zahlen.

Der Beklagte verfügt unstreitig über ein Nettoeinkommen von rund 1.004 €. Dass der Beklagte bei bestmöglicher Ausnutzung seiner Arbeitskraft (vgl. Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 9. Aufl., Rz. 614), in der Lage wäre, ein höheres Nettoeinkommen zu erzielen, kann nicht angenommen werden. Insoweit wird auf die Ausführungen im teilweise Prozesskostenhilfe versagenden Senatsbeschluss vom 4.5.2006 Bezug genommen. Deshalb ist dieses Einkommen die Ausgangsgröße zur Berechnung des Unterhalts. Jedoch sind die berufsbedingten Aufwendungen, die mit der jetzigen Erwerbstätigkeit des Beklagten verbunden sind, so hoch, dass unter Berücksichtigung des notwendigen Selbstbehalts ein für Unterhaltszwecke einzusetzender Betrag nicht verbleibt. Der Beklagte war daher mit Rücksicht auf die gesteigerte Erwerbsobliegenheit nach § 1603 Abs. 2 BGB gehalten, sich eine neue Arbeitsstelle mit einem vergleichbaren Einkommen, wie derzeit erzielt, zu suchen, bei der derart hohe berufsbedingte Aufwendungen nicht anfallen.

In der Zeit von September 2004 bis August 2005 musste der Beklagte von seinem Wohnort in W...zum Geschäftssitz seiner Arbeitgeberin in N...-G... fahren. Die einfache Entfernung zwischen W... und N...-G... beträgt unstreitig 60 km. Unter Zugrundelegung einer Fahrtkostenpauschale von 0,22 € bis Juni 2005 und 0,25 € ab Juli 2005 (vgl. Nr. 10.2.2 der Unterhaltsleitlinien des Brandenburgischen Oberlandesgerichts, Stand 1.7.2003 bzw. 1.7.2005) ergeben sich bei 220 Arbeitstagen im Jahr monatliche Fahrtkosten von rund 484 € (= 60 km x 2 x 0,22 € x 220 Arbeitstage : 12 Monate) für die Zeit von September 2004 bis Juni 2005 und von rund 550 € (=60 km x 2 x 0,25 € x 220 Arbeitstage : 12 Monate) für die Monate Juli und August 2005. Damit wird annähernd die Hälfte des Nettoeinkommens des Beklagten von 1.004 € für Fahrtkosten benötigt. Dies ist unterhaltsrechtlich nicht hinzunehmen.

Nicht wesentlich anders verhält es sich für die Zeit ab September 2005. Nach dem unstreitigen Vorbringen des Beklagten in der Berufungserwiderung vom 17.1.2006 hat der Arbeitgeber im September 2005 das Lager des Geschäftsbetriebs von N...-G... nach L... verlegt. Da die einfache Fahrtstrecke zum Wohnort des Beklagten zum Arbeitsplatz 115 km beträgt, übernachtet der Beklagte unter der Woche in einer Pension zu einem Übernachtungspreis von 14 € und fährt nur an den Wochenenden nach Hause. Unter Zugrundelegung von 46 Arbeitswochen im Jahr ergeben sich so Unterkunftskosten von jedenfalls rund 215 € (= 14 € x 4 Tage x 46 Wochen : 12 Monate) und Fahrtkosten von rund 220 € (= 115 km x 2 x 0,25 € x 46 Wochen : 12 Monate), insgesamt also berufsbedingte Aufwendungen von 435 €. Dies sind mehr als 43 % des Nettoeinkommens von 1.004 €. Derartig hohe Abzüge von seinem Nettoeinkommen kann der Beklagte den minderjährigen Kindern unterhaltsrechtlich nicht entgegenhalten.

Stehen die berufsbedingten Fahrtkosten zu dem erzielten Nettoeinkommen außer Verhältnis, ist der Unterhaltsschuldner insbesondere bei beengten wirtschaftlichen Verhältnissen zunächst auf die Inanspruchnahme öffentlicher Verkehrsmittel zu verweisen (vgl. BGH, FamRZ 1984, 988, 990; Kalthoener/Büttner/Niepmann, a.a.O., Rz. 934). Wenn die Fahrtkosten einen hohen, unverhältnismäßigen Aufwand verursachen, durch den angemessene Unterhaltsleistungen ausgeschlossen werden, ist ferner zu prüfen, ob von dem Unterhaltspflichtigen nicht ein Wechsel des Wohnortes erwartet werden kann (vgl. BGH, FamRZ 1998, 1501, 1502; Wendl/ Dose, a.a.O., § 1, Rz. 100). Ergibt sich bei weiten Entfernungen zwischen Wohn- und Arbeitsstelle eine unangemessen hohe Belastung, muss schließlich auch darüber nachgedacht werden, ob der Wechsel in eine näher zum Wohnort gelegene Arbeitsstelle zumutbar ist (Wendl/Dose, a.a.O.). Von letzterem ist hier auszugehen.

Vorliegend ist es dem Beklagten unstreitig nicht möglich, die Arbeitsstelle zumutbar mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen. Auch der Verweis auf einen Wechsel des Wohnortes scheidet aus. Denn der Beklagte verfügt über anerkennenswerte Ortsbindungen. Bei seiner Anhörung durch den Senat hat er unwidersprochen angegeben, seit dem Jahr 2000 mit seiner Lebensgefährtin und deren beiden Kindern, die noch Schüler sind, zusammen zu leben. Die Lebensgefährtin arbeitet seit dem Jahr 2002 in L..., das 25 km vom gemeinsamen Wohnort W... entfernt ist. Vor diesem Hintergrund kann von dem Beklagten nicht verlangt werden, unter Gefährdung seiner Beziehung zur Lebensgefährtin den Wohnort W... gänzlich aufzugeben und dauerhaft nach L... zu ziehen.

Da seine berufsbedingten Aufwendungen unverhältnismäßig hoch sind und er weder auf die Inanspruchnahme von öffentlichen Verkehrsmitteln noch auf einen Wohnortwechsel verwiesen werden kann, ist der Beklagte unterhaltsrechtlich gehalten, seine Arbeitskraft nahe am Wohnort einzusetzen. Dass er sich um eine entsprechende Arbeitsstelle bemüht hat, ist nicht ersichtlich. Es kann angenommen werden, dass der Beklagte bei gehörigen Bemühungen in der Lage wäre, ein Nettoeinkommen von 1.004 € auch in der Nähe des Wohnortes zu erzielen. Um Fahrtkosten bereinigt verblieben 950 €, die der Unterhaltsberechnung zu Grunde gelegt werden, wie bereits im Prozesskostenhilfebeschluss des Senats geschehen.

Bei einem Einkommen von 950 € ist der Beklagte zumindest in eingeschränktem Umfang leistungsfähig. Dabei ist auszugehen von einem notwendigen Selbstbehalt von 775 € bis einschließlich Juni 2005 und einem solchen von 820 € ab Juli 2005 (Nr. 21.2 der genannten Unterhaltsleitlinien, Stand 1.7.2003 bzw. 1.7.2005). Eine Herabsetzung des Selbstbehalts im Hinblick auf geringere Wohnkosten, unabhängig von der zwischen den Parteien streitigen Frage, wie hoch die Wohnkosten tatsächlich sind, kommt nicht in Betracht. Begnügt sich der Unterhaltsschuldner unter Verzicht auf Wohnkomfort etwa mit einer preisgünstigen Wohnung, so sind ihm die dadurch ersparten Mittel zu belassen. Denn es unterliegt grundsätzlich der freien Disposition des Unterhaltspflichtigen, wie er die ihm zu belassenden Mittel nutzt, sodass es ihm nicht verwehrt ist, seine Bedürfnisse anders als in den Unterhaltstabellen zu gewichten, um zusätzliche Mittel für andere Zwecke einsetzen zu können (vgl. BGH, FamRZ 2004, 186, 189; FamRZ 2004, 370, 373; OLG Hamm, FamRZ 2006, 952, 953; Kalthoener/ Büttner/Niepmann, a.a.O., Rz. 46).

Der notwendige Selbstbehalt ist aber mit Rücksicht auf das Zusammenleben des Beklagten mit einer Lebensgefährtin in nichtehelicher Lebensgemeinschaft abzusenken. Die sich aus diesem Umstand ergebende Haushaltsersparnis setzt der Senat, wie bereits im Senatsbeschluss vom 4.5.2006 ausgeführt, regelmäßig mit 12,5 % für jeden der beiden Partner der Lebensgemeinschaft an (vgl. auch BGH, FamRZ 2004, 24; Schael, FuR 2006, 6 ff.; Heistermann, FamRZ 2006, 742 ff.; anders OLG Frankfurt, FamRZ 2005, 2090; OLG Karlsruhe, FamRZ 2005, 2091). Vorliegend ist jedoch mit Rücksicht auf die Leistungsfähigkeit der Lebensgefährtin ein niedrigerer Ansatz gerechtfertigt (vgl. auch OLG Hamm, FamRZ 2006, 809).

Die Lebensgefährtin des Beklagten verfügt nach dessen Angaben im Senatstermin vom 27.6.2006 über ein etwa genauso hohes Einkommen wie er selbst. Sie arbeitet aber 25 km vom gemeinsamen Wohnort W... entfernt in L.... Damit ergeben sich Fahrtkosten von rund 229 € (= 25 km x 2 x 0,25 € x 220 Arbeitstage : 12 Monate). Hinzu kommt, dass die Lebensgefährtin für jedes ihrer beiden Kinder nur Barunterhalt von 200 € monatlich erhält. Somit verbleibt ihr vom Erwerbseinkommen weniger als der notwendige Selbstbehalt. Da sie aber dennoch, wenn auch eingeschränkt, in der Lage ist, sich an den gemeinsamen Lebenshaltungskosten zu beteiligen, ergibt sich für den Beklagten noch eine Haushaltsersparnis. Diese ist im Wege der Schätzung, § 287 ZPO, mit 6,5 % anzusetzen. Demnach beträgt der Selbstbehalt des Beklagten 725 € (= 775 € x 93,5 %) für die Zeit bis Juni 2006 und 767 € (= 820 € x 93,5 %) ab Juli 2005.

Da der Beklagte bei einem fiktiven Einkommen von 950 € angesichts dieser Selbstbehalte nicht in der Lage ist, den Klägerinnen den verlangten Unterhalt in voller Höhe zu zahlen, ist eine Mangelverteilung vorzunehmen. Wegen der Grundsätze hierzu, insbesondere der vorliegend heranzuziehenden Einsatzbeträge, wird auf den Senatsbeschluss vom 4.5.2006 Bezug genommen. Danach ergibt sich folgende Berechnung:

September 2004 bis Juni 2005

Verteilungsmasse 225 € (= 950 € - 725 €)

Einsatzbeträge:

Klägerin zu 1. 262 €

Klägerin zu 2. 222 €

Summe der Einsatzbeträge: 484 €

Kürzungsfaktor 46,49 % (= 225 € : 484 €)

Es entfallen auf die Klägerin zu 1. die Klägerin zu 2.

122 € (= 46,49 % x 262 €) 103 € (= 46,49 % x 222 €).

Eine Kindergeldanrechnung findet hier, wie auch in den nachfolgenden Zeiträumen, mit Rücksicht auf § 1612 b Abs. 5 BGB nicht statt.

Juli bis September 2005

Verteilungsmasse 183 € (= 950 € - 767 €)

Einsatzbeträge:

Klägerin zu 1. 269 €

Klägerin zu 2. 228 €

Summe der Einsatzbeträge: 497 €

Kürzungsfaktor

36,82 % (= 183 € : 497 €)

Es entfallen auf die Klägerin zu 1. 99 € (= 36,82 % x 269 €)

die Klägerin zu 2. 84 € (= 36,82 % x 228 €).

ab Oktober 2005

Verteilungsmasse

183 € (= 950 € - 767 €)

Einsatzbeträge:

Klägerin zu 1. 82 €

Klägerin zu 2. 228 €

Summe der Einsatzbeträge: 310 €

Kürzungsfaktor 59,03 % (= 183 € : 310 €)

Es entfallen auf

die Klägerin zu 1. 48 € (= 59,03 % x 82 €)

die Klägerin zu 2. 135 € (= 59,03 % x 228 €).

Auf Seiten der Klägerin zu 2. ist, wie bereits ausgeführt, noch zu beachten, dass sie mit Beginn des Unterhaltszeitraums im September 2004 Unterhaltsvorschuss erhalten hat, und zwar zunächst in Höhe von 145 € monatlich und ab Juli 2005 in Höhe von 151 € monatlich. Da die Klägerin zu 2., soweit der Unterhaltsanspruch gemäß § 7 UVG auf die Unterhaltsvorschusskasse übergegangen ist, nicht Zahlung an sich selbst verlangen kann, müssen die Unterhaltsvorschussleistungen von den Beträgen, die nach den vorstehenden Berechnungen im Wege der Mangelverteilung auf die Klägerin zu 2. entfallen, abgesetzt und im Urteilstenor gesondert ausgewiesen werden. Für die Zeit bis einschließlich Juni 2006 bleibt für die Klägerin zu 2. selbst nichts übrig.

Im Hinblick auf den Antrag der Klägerin zu 2. ist der Unterhalt für die Zeit ab Juli 2007, also mit In-Kraft-Treten der nächsten Regelbetrag-Verordnung, in einem Vomhundertsatz des Regelbetrages auszudrücken, § 1612 a Abs. 1 BGB.

Eine Kostenentscheidung hat nicht zu ergehen (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 301, Rz. 11). Über die Kosten des gesamten Rechtsstreits unter Einschluss des Berufungsverfahrens wird das Amtsgericht, das mit Rücksicht auf das am 2.8.2004 eröffnete Insolvenzverfahren durch Teilurteil nur über den Unterhalt ab September 2004 befunden hat (vgl. hierzu OLG Karlsruhe, FamRZ 2006, 953; FamRZ 2006, 956; Wendl/Pauling, a.a.O., § 4, Rz. 61 a), in seinem Schlussurteil zu entscheiden haben. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Mit Rücksicht darauf, dass die obergerichtliche Rechtsprechung zur Haushaltsersparnis zurzeit sehr uneinheitlich ist, wird die Revision gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zugelassen.

Ende der Entscheidung

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