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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 06.03.2007
Aktenzeichen: 10 UF 206/06
Rechtsgebiete: ZPO, BGB
Vorschriften:
ZPO § 323 | |
ZPO § 794 Nr. 2 | |
ZPO § 795 | |
ZPO § 767 | |
BGB § 362 | |
BGB § 366 Abs. 1 | |
BGB § 1601 | |
BGB § 1612 Abs. 1 Satz 1 |
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil
10 UF 206/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht
Anlage zum Protokoll vom 6. März 2007
verkündet am 6. März 2007
In der Familiensache
hat der 2. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 13. Februar 2006 durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Prof. Schael, die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Liceni-Kierstein und den Richter am Oberlandesgericht Gutjahr
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Bernau vom 27.9.2006 unter Zurückweisung ihres weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst.
Die Zwangsvollstreckung aus dem Senatsurteil vom 6.11.2003 - 10 UF 141/03 - wird für unzulässig erklärt, soweit folgende Zahlungen durch die Klägerin erfolgt sind,
- Beträge von je 97 € nebst jeweiligen Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz am bzw. seit dem 11.11.2004, 13.12.2004, 17.1.2005, 15.2.2005, 13.1.2006 und 15.2.2006,
- Beträge in Höhe von
- 100 € am 15.3.2005,
- 100 € am 15.4.2005,
- 100 € am 19.5.2005,
- 100 € am 13.6.2005,
- 100 € am 15.7.2005,
- 80 € am 15.9.2005,
- 80 € am 17.10.2005,
- 100 € am 14.11.2005,
- 97 € am 15.12.2005,
- 20 € am 11.11.2004,
- 20 € am 13.12.2004,
- 20 € am 17.1.2005,
- 20 € am 15.2.2005,
- 20 € am 15.3.2005,
- 20 € am 15.4.2005,
- 20 € am 19.5.2005,
- 20 € am 13.6.2005,
- 20 € am 15.7.2005,
- 20 € am 15.8.2005,
- 20 € am 15.9.2005,
- 20 € am 24.10.2005,
- 20 € am 25.11.2005,
- 20 € am 15.12.2005,
- 20 € am 13.1.2006,
- 20 € am 15.2.2006.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens fallen der Beklagten zu 81 % und der Klägerin zu 19 % zur Last.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Wert des Berufungsverfahrens wird auf 2.150 € festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Klägerin ist die Mutter der am ... 1989 geborenen Beklagten aus ihrer früheren geschiedenen Ehe. Durch Senatsurteil vom 6.11.2003 wurde die Klägerin zur Zahlung rückständigen und laufenden Kindesunterhalts verurteilt. Im Jahr 2005 lebte die Tochter zeitweilig im Haushalt der wieder verheirateten Mutter. Anfang 2006 wechselte sie zurück zum Vater.
Zu Gunsten der Beklagten bestehen zwei Zahlungstitel:
1. Senatsurteil vom 6.11.2003 (10 UF 141/03)
2. Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Bernau vom 27.9.2005 (9 F 149/02)
Aus diesen beiden Titeln betreibt die Tochter, vertreten durch den Vater, die Zwangsvollstreckung gegen die Klägerin. Dagegen wendet diese sich mit der vorliegenden Vollstreckungsabwehrklage.
Das Amtsgericht hat der Vollstreckungsabwehrklage in vollem Umfang stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin habe mit den nachgewiesenen Zahlungen der in Rede stehenden Beträge die geschuldeten Leistungen vollständig erbracht.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Beklagten. Zur Begründung macht sie insbesondere geltend, dass die Barzahlungen ihrer Mutter an sie persönlich keine Erfüllung darstellten. Der Vater habe ihnen nicht zugestimmt und sie auch nicht nachträglich genehmigt. Die vorgelegten Kontoauszüge reichten zum Nachweis des Eingangs und des Verbleibs der Überweisungen auf ihrem Konto nicht aus.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Bernau vom 27.9.2006, Eingang bei der Gläubigerin am 4.10.2006, die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Berufung.
Wegen der Einzelheiten und zur Ergänzung des Sach- und Streitstands wird auf das amtsgerichtliche Urteil sowie die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.
II.
Die zulässige Berufung der Beklagten hat zum Teil Erfolg.
Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts ist die zulässige Vollstreckungsabwehrklage nach §§ 794 Nr. 2, 795, 767 ZPO nur teilweise begründet. Durch die vier in Rede stehenden Barzahlungen an die minderjährige Tochter persönlich sind die Zahlungsansprüche der Beklagten nicht gemäß § 362 BGB erloschen. Hinsichtlich der übrigen geschuldeten Leistungen ist Erfüllung eingetreten.
1. Senatsurteil vom 6.11.2003
Der Erfüllungseinwand der Klägerin hat im Umfang der von ihr durch Banküberweisungen vorgenommenen Unterhaltszahlungen Erfolg. Hierdurch hat die Klägerin die nach dem Inhalt des Senatsurteils geschuldeten Leistungen im Sinne von § 362 BGB bewirkt. Dagegen ist durch die Barzahlungen an die Beklagte vom 15.8., 15.9. und 17.10.2005 in Höhe von (100 € + 20 € + 20 € =) 140 € keine Erfüllung eingetreten.
a)
Nach dem Tenor des Senatsurteils vom 6.11.2003 schuldet die Mutter ab 9/2003 einen monatlichen Kindesunterhalt in Höhe von 97 €. Der Betrag ist nach dem Urteilswortlaut "an die Klägerin (= Tochter) zu Händen ihres Vaters ... zu zahlen". Der insoweit dispositionsberechtigte Kindesvater hat nachträglich eine anderweitige Bestimmung getroffen. Unter dem 2.11.2004 hat er gegenüber der Klägerin das Konto der gemeinsamen Tochter als neue Zahlstelle mitgeteilt. Er hat wirksam bestimmt, dass die geschuldeten Unterhaltsbeträge ab 11/2004 auf folgendes Konto zu zahlen sind:
Sparkasse ...
BLZ 170 520 00
Kontonummer ...
Empfänger: C... G....
Ab 11/2004 haben deshalb Zahlungen der Mutter auf ein anderes als das vom Vater bestimmte Sparkassenkonto der Tochter keine Tilgungswirkung mehr entfaltet (vgl. hierzu Palandt/ Heinrichs, BGB, 66. Aufl., § 362, Rn. 8).
Der im vorliegenden Verfahren mitgeteilte nachträgliche Widerruf der Kontobestimmung vom 2.11.2004 erfolgte erst in 7/2006. Er ist ohne entscheidungserhebliche Bedeutung. Im Rahmen der Vollstreckungsabwehrklage geht es nur um Überweisungen/Zahlungen der Mutter, die in der Zeit davor, nämlich bis 2/2006, erfolgt sind.
Die Klägerin hat durch die Vorlage von Kontoauszügen insgesamt 29 Geldüberweisungen von ihrem Girokonto Nummer ... bei der Sparkasse ... lückenlos belegt. Sie hat damit ihrer Darlegungslast vollständig genügt. Zwar muss der Schuldner die Erfüllung beweisen (vgl. hierzu Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 362, Rn. 9). Bei Banküberweisungen tritt eine Erfüllung im Sinne von § 362 BGB auch erst mit Gutschrift auf dem Konto des Gläubigers ein (vgl. hierzu Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 362, Rn. 9). Diesen allein in der Sphäre der Beklagten liegenden Umstand kann aber die Klägerin nicht belegen, sondern nur den "Zahlungsabgang". Sie hat die 29 Zahlungen ersichtlich als "reguläre Banküberweisungen" vorgenommen. Gegenteiliges wird von der Beklagten selbst nicht behauptet. Alle 29 Überweisungsaufträge der Klägerin sind ausweislich der vorgelegten Kontoauszüge auch von ihrem Konto abgebucht worden. Einen Widerruf von derartigen Banküberweisungen kann der Schuldner nachträglich nicht wirksam erklären bzw. von sich aus die jeweilige Transaktion rückgängig machen. Abweichende Besonderheiten gibt es nur im Rahmen des Lastschrift- oder Einzugsermächtigungsverfahrens (vgl. hierzu Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 362, Rn. 9 b). Darum geht es hier aber nicht. Es ist folglich Sache der Beklagten und ihr auch unschwer möglich, im Einzelnen vorzutragen und durch entsprechende Kontoauszüge zu belegen, dass und welche der von der Klägerin nachweislich veranlassten Banküberweisungen nicht zu einer (endgültigen) Gutschrift auf ihrem Konto Nummer ... bei der Sparkasse ... geführt haben. Daran fehlt es trotz Hinweiserteilung. Mit ihrem pauschalen Bestreiten kann die Beklagte nicht durchdringen. Sie ist als Kontoinhaberin die einzige, die nachvollziehen und die in der Berufungsbegründung geäußerten Zweifel überprüfen kann, "ob diese Zahlungen tatsächlich auf dem Konto eingegangen und verblieben sind". Das Fehlen der ihr obliegenden konkreten Darlegungen hinsichtlich des Erfüllungserfolgs geht daher zu Lasten der Beklagten.
b)
Die drei handschriftlichen Zusätze der Beklagten auf den vorgelegten Kontoauszügen - "Verrechnung auf die Hauptforderung" - sind ohne entscheidungserhebliche Bedeutung.
Ausweislich der Kontoauszüge hat die Klägerin von dem bei der Leistung auszuübenden Bestimmungsrecht Gebrauch gemacht. Sie hat gemäß § 366 Abs. 1 BGB bereits im Zeitpunkt der Überweisungen verbindlich festgelegt, dass der jeweilige Geldbetrag auf den "Unterhalt für den laufenden Monat" gezahlt wird. Schon deshalb sind nachträgliche Verrechnungsvermerke der minderjährigen Tochter rechtlich bedeutungslos.
c)
Hinsichtlich der in Rede stehenden drei Zahlungen der Klägerin vom 15.8., 15.9. und 17.10.2005 ist zu differenzieren.
aa)
Den Zahlungen kommt nur im Umfang der nachweislich veranlassten Banküberweisungen auf das Konto der Tochter bei der Sparkasse ... Tilgungswirkung im Sinne von § 362 BGB zu. Erfüllung ist daher nur in Höhe der überwiesenen Beträge von je 80 € am 15.9. und am 17.10.2005 eingetreten. Das lediglich pauschale Bestreiten einer Gutschrift durch die Beklagte ist nach dem vorstehend Gesagten unbeachtlich.
bb)
Demgegenüber sind die Unterhaltsansprüche der Beklagten durch die Barzahlungen in Höhe von insgesamt 140 € nicht erloschen.
Die drei handschriftlichen Quittungen von C... persönlich über 100 € sowie 2 x 20 € stellen eine bloße Wissenserklärung dar (vgl. hierzu Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 368, Rn. 2). Sie dokumentieren nur die Tatsache, dass die Tochter entsprechende Geldbeträge von der Mutter tatsächlich empfangen hat. Damit endet der Beweiswert der Quittungen. Die quittierten Leistungen haben die Klägerin nicht befreit, weil der Tochter als beschränkt Geschäftsfähiger (§ 106 BGB) schon materiell-rechtlich die Empfangszuständigkeit fehlte (vgl. hierzu Palandt/ Heinrichs, a.a.O., § 362, Rn. 3). Überdies konnte die Klägerin nach dem Wortlaut des Senatsurteil vom 6.11.2003 in Verbindung mit der in 11/2004 vom Vater wirksam vorgenommenen Bestimmung des Sparkassenkontos von C... als Zahlstelle nicht an die Tochter persönlich leisten. Die Barzahlungen der insgesamt 140 € haben daher keine Tilgungswirkung. In diesem Umfang kann sich die Klägerin folglich nicht gegen ihre Inanspruchnahme durch die unterhaltsberechtigte Beklagte wehren.
d)
Der Obhutwechsel von C... in 2005 führt zu keiner abweichenden rechtlichen Beurteilung.
In der Zeit von Ende 2/2005 bis 12/2005 war die Beklagte vom betreuenden Vater zur barunterhaltspflichtigen Mutter übergewechselt. Zwar war der Vater während des Aufenthalts von C... bei der Mutter gemäß §§ 1601, 1612 Abs. 1 Satz 1 BGB verpflichtet, seiner Unterhaltspflicht gegenüber der Tochter durch Zahlung einer Geldrente nachzukommen. Gleichwohl kann die Mutter im vorliegenden Verfahren nicht geltend machen, dass sie der Tochter in 2005 den von ihr geschuldeten Unterhalt (abändernd) durch Leistung von Naturalunterhalt gewährt habe, der die Betreuung umfasste, und dass damit ihre Barunterhaltspflicht während der Dauer der Betreuung weggefallen sei. Eine Änderung der gerichtlich festgesetzten Unterhaltsverpflichtung ist dem Verfahren nach § 323 ZPO vorbehalten (vgl. in diesem Zusammenhang auch BGH, FamRZ 1994, 1102/ 1103). Die Mutter hat jedoch in 2005 die Frage ihrer Barunterhaltspflicht nicht auf dem Weg des § 323 ZPO (für die Zeit ab Klageerhebung) erneut zu einer Entscheidung gestellt. Da dies nicht geschehen ist, kann die Klägerin auch nicht die in Rede stehenden Geldbeträge von 100 € + 20 € + 20 € wegen der von ihr erbrachten Betreuungsleistungen zurückhalten. Das würde der Rechtswirkung des Senatsurteils im Vorprozess widersprechen.
2. Kostenfestsetzungsbeschluss vom 27.9.2005
Die von der Tochter quittierte Zahlung der Klägerin vom 10.10.2005 hat ebenfalls nicht zum Erlöschen der Forderung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Bernau geführt.
Es kann dahinstehen, ob sich die Zahlungsbestimmung des Vaters aus 11/2004 nur auf die geschuldeten Unterhaltsleistungen erstreckte oder bei verständiger Auslegung nicht auch auf die Erstattung der Kosten aus jenem Verfahren. Jedenfalls war die minderjährige Tochter nicht zur Annahme von Kostenerstattungsbeträgen aus dem Unterhaltsverfahren berechtigt. Ihr fehlte die Empfangszuständigkeit, was für die Klägerin auch offenkundig war. Umstände dafür, dass sie C... gutgläubig für empfangsberechtigt halten durfte, sind weder dargelegt noch sind nach den Umständen Anhaltspunkte dafür ersichtlich. Daher hat die Barzahlung der Klägerin an die Beklagte am 10.10.2005 in Höhe von 270,42 €, wovon 251,14 € auf die festgesetzten Kosten und der Rest auf die Zinsen entfallen sollen, den geschuldeten Leistungserfolg nicht im Sinne von § 362 BGB herbeigeführt.
3.
Im Ergebnis hat die Berufung der Beklagten Erfolg, soweit es um folgende Barzahlungen der Mutter geht:
- 100,00 € am 15.8.2005,
- 20,00 € am 15.9.2005,
- 20,00 € am 17.10.2005,
- 251,14 € am 10.10.2005
= 391,14 €.
III.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 92 Abs. 1, 97, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Ende der Entscheidung
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