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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 27.11.2007
Aktenzeichen: 10 UF 33/07
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 323 Abs. 1
ZPO § 323 Abs. 4
ZPO § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
BGB § 286 Abs. 2 Nr. 1
BGB § 288 Abs. 1
BGB §§ 1601 ff.
BGB § 1612 b Abs. 5
BGB § 1629 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

10 UF 33/07 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 27.11.2007

Verkündet am 27.11.2007

In der Familiensache

hat der 2. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 30. Oktober 2007 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Prof. Schael, die Richterin am Oberlandesgericht Berger und den Richter am Oberlandesgericht Gutjahr

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Bernau vom 6. Dezember 2006 teilweise abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin in Abänderung der Jugendamtsurkunden vom 25. November 2004 betreffend die Kinder N... (Urk.- Reg.-Nr. 626/2004) und M... (Urk.-Reg.-Nr. 625/2004) folgenden monatlichen Unterhalt zu zahlen,

- für N...

- 257 € von Juli 2005 bis Februar 2006

- 240 € von März 2006 bis Juni 2007 und

- 237 € ab Juli 2007

abzüglich von Juli 2005 bis Oktober 2007 monatlich gezahlter 223 €,

zuzüglich 6,37 % Zinsen auf den auf die Zeit von Juli 2005 bis Februar 2006 entfallenden Unterhaltsteilbetrag von insgesamt 272 € seit dem 1. Februar 2006,

- für M...

- 224 € von Juli 2005 bis Februar 2006,

- 199 € von März bis November 2006,

- 240 € von Dezember 2006 bis Juni 2007 und

- 237 € ab Juli 2007

abzüglich von Juli 2005 bis Oktober 2007 monatlich gezahlter 171 €,

zuzüglich 6,37 % Zinsen auf den auf die Zeit von Juli 2005 bis Februar 2006 entfallenden Unterhaltsteilbetrag von insgesamt 224 € seit dem 1. Februar 2006.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Berufungswert beträgt 1.159 €.

Gründe:

I.

Die Klägerin verlangt vom Beklagten, ihrem seit dem 6.12.2006 von ihr geschiedenen Ehemann, Unterhalt für die gemeinsamen, in ihrem Haushalt lebenden Kinder N..., geboren am ... 1997, und M..., geboren am ... 2000.

Der Beklagte verpflichtete sich durch Jugendamtsurkunden vom 25.11.2004, ab 11/04 monatlichen Unterhalt von 223 € für N... und von 171 € für M... zu zahlen. Die Klägerin forderte den Beklagten durch Schreiben vom 8.6.2005 auf, ab 7/05 höheren monatlichen Unterhalt zu zahlen, und zwar für N... 257 € und für M... 213 €. Sie ging von einem Einkommen des Beklagten von 1.893 € aus und entnahm den Unterhaltsbetrag der nächst höheren Einkommensgruppe. Dieses Begehren hat die Klägerin in erster Instanz weiterverfolgt, der Beklagte ist dem entgegengetreten.

Das Amtsgericht hat die Klage durch das am 6.12.2006 verkündete Urteil abgewiesen. Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit der Berufung. Sie meint, vom Einkommen des Beklagten dürfe die Rate für den während der Ehe aufgenommenen Pkw-Kredit von 190 € nicht abgezogen werden, weil dieser Kredit umgeschuldet worden und in einem anderen Kredit mit höherem Darlehensbetrag aufgegangen sei. Der ursprüngliche Kredit habe der Finanzierung eines gemeinsam genutzten, großen Fahrzeugs gedient, das die Familie benötigt habe. Ein solcher Bedarf bestehe nicht mehr. Vom Beklagten könne daher verlangt werden, die Belastung zu verringern. Zudem sei eine Höherstufung gerechtfertigt.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten in Abänderung der Jugendamtsurkunden vom 25.11.2004, betreffend die Kinder N... (Urk.- Reg.-Nr. 626/2004) und M... (Urk.-Reg.-Nr. 625/2004) zu verurteilen, an sie folgenden monatlichen Unterhalt zu zahlen,

- für N...

- 257 € von Juli 2005 bis Februar 2006

- 240 € ab März 2006,

abzüglich gezahlter 223 € monatlich von Juli 2005 bis Oktober 2007, - für M...

- 224 € von Juli 2005 bis Februar 2006,

- 199 € von März bis November 2006,

- 240 € ab Dezember 2006,

abzüglich gezahlter 171 € monatlich von Juli 2005 bis Oktober 2007,

darüber hinaus auf den Unterhaltsrückstand von 272 € für N... und denjenigen von 224 € für M... Zinsen von 6,37 % seit dem 1.2.2006,

und das angefochtene Urteil dementsprechend abzuändern.

Der Beklagte beantragt Zurückweisung der Berufung und verteidigt das angefochtene Urteil.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Klägerin, die das vor der Scheidung der Parteien als Prozessstandschafterin gemäß § 1629 Abs. 3 BGB eingeleitete Unterhaltsverfahren ungeachtet der zwischenzeitlich erfolgten Ehescheidung fortsetzen darf (s. dazu Johannsen/Henrich/Jaeger, Eherecht, 4. Aufl., § 1629, Rz. 11), ist im Wesentlichen begründet. Die Klägerin kann vom Beklagten für die Kinder N... und M... für die Zeit ab Juli 2005 höheren Unterhalt, als durch Jugendamtsurkunden tituliert, verlangen. Die Jugendamtsurkunden vom 25.11.2004 sind daher in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang abzuändern, § 323 Abs. 1 und 4 ZPO.

Der Beklagte muss für seine Kinder gemäß §§ 1601 ff. BGB Unterhalt in dem von der Klägerin begehrten Umfang zahlen. Lediglich für die Zeit ab Juli 2007 ist der Unterhaltsbetrag aufgrund der von diesem Zeitpunkt an geltenden Tabelle (Anlage I zu den Unterhaltsleitlinien des Brandenburgischen Oberlandesgerichts, Stand 1.7.2007) um 3 € je Kind geringer als beantragt. Aufgrund seines Einkommens ist der Beklagte auch in der Lage, den verlangten Unterhalt zu zahlen.

Wie sich aus den vorliegenden Besoldungsnachweisen ergibt, hat der Beklagte im Jahr 2005 ein Nettoeinkommen von insgesamt 30.497,17 € erzielt, von dem nach Abzug der Beiträge für Kranken- und Pflegeversicherung von 2.120,88 € noch 28.376,29 € verbleiben. Dies entspricht einem Monatsbetrag von 2.364,69 €. Zieht man davon, was die Klägerin zugesteht, 5 % für berufsbedingte Aufwendungen, das sind 118,23 €, sowie die Beiträge zur Unfallversicherung von 16,53 € und zu den Lebensversicherrungen von monatlich 97,48 € (vgl. dazu BGH, FamRZ 2005, 1871 ff.) ab, ferner den Nettobetrag der vermögenswirksamen Leistung des Arbeitgebers von rd. 5 €, stellt sich das Einkommen auf 2.127,45 €.

Die Kreditrate von 190,06 € ist ebenfalls vom Einkommen des Beklagten abzuziehen. Denn die Parteien haben einen Kredit, auf den monatliche Raten in dieser Höhe von April 2004 an sechs Jahre lang zu zahlen sind, während der Ehe aufgenommenen. Die Kinder teilen die Lebensstellung ihrer Eltern, sodass Verbindlichkeiten, die die Eltern gemeinsam eingegangen sind und die deshalb auch bei Fortbestand der Ehe den Familienunterhalt geschmälert hätten, grundsätzlich abzugsfähig sind, jedenfalls solange, wie hier, der Regelbetrag gesichert ist (vgl. dazu Kalthoener/Büttner/Niepmann, a.a.O., Rz. 1002). Daher kommt es darauf, ob der mit dem Darlehen finanzierte Pkw weiterhin benötigt wird, ebenso wenig an, wie darauf, dass der Beklagte eine Umschuldung vorgenommen und das Darlehen aufgestockt hat. Lediglich der Abzug der auf der Umschuldung beruhenden höheren Belastung ist nicht gerechtfertigt und wird im Übrigen vom Beklagten auch nicht geltend gemacht.

Da der Beklagte die Raten zahlt, was die Klägerin nicht mehr in Abrede gestellt hat, ist der Betrag von 190,06 € abzuziehen. Das anrechenbare Einkommen des Beklagten stellt sich auf rd. 1.937 €. Bei diesem Einkommen ist der zu zahlende Kindesunterhalt grundsätzlich der Einkommensgruppe 5 der Unterhaltstabelle (Anlage I zu den Unterhaltsleitlinien des Brandenburgischen Oberlandesgerichts, Stand 1.7.2005) zu entnehmen. Vorliegend erscheint es jedoch gerechtfertigt, den Unterhalt der nächsthöheren Einkommensgruppe 6 zu entnehmen, was einem Betrag von 334 € für N... und 276 € für M... entspricht. Denn der Beklagte ist nur seinen beiden Kindern gegenüber unterhaltspflichtig, bei einer Höhergruppierung bleibt der Bedarfskontrollbetrag von 1.150 € ohne weiteres gewahrt (1.937 € - 334 € - 276 € = 1.327 €; vgl. dazu Nr. 11.2 der genannten Leitlinien; s.a. Kalthoener/Büttner/Niepmann, a.a.O., Rz. 116). Somit beläuft sich der Zahlbetrag nach Abzug des hälftigen Kindergelds gemäß § 1612 b Abs. 5 BGB auf 257 € für N... und 199 € für M....

Im Jahr 2006 ist das Einkommen des Beklagten im Wesentlichen unverändert. Das Nettoeinkommen beläuft sich nach den vorgelegten Besoldungsnachweisen auf insgesamt 30.329,51 €. Nach Abzug der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung von 2.285,88 € verbleibt ein Jahresbetrag von 28.043,63 €, der einem Monatsbetrag von 2.336,97 € entspricht. Setzt man davon wiederum 5 % für berufsbedingte Aufwendungen von 116,85 €, den Beitrag zur Unfallversicherung von 18,46 €, die Beiträge zu den Lebensversicherungen von 97,48 €, den Nettobetrag der vermögenswirksamen Leistungen des Arbeitgebers von rd. 5 € und die auf den Monat umgelegte Steuernachzahlung von 2,30 € (= 27,57 € : 12) ab, ergibt sich ein Monatseinkommen von 2.096,88 €. Unter weiterer Berücksichtigung der Kreditrate von 190,06 € stellt sich das anrechenbare Einkommen auf rd. 1.907 €.

Damit kann die Klägerin, wie oben dargestellt, den geltend gemachten und von Februar 2006 an der Einkommensgruppe 5 entnommenen Unterhalt für N... und M... ohne weiteres verlangen.

Da der am ... 2000 geborene M... im Dezember 2006 das sechste Lebensjahr vollendet hat, erhöht sich der Unterhalt für ihn und ist, wie derjenige für N..., der 2. Altersstufe der Tabelle zu entnehmen. Der Unterhalt beläuft sich auf 317 € je Kind, nach Abzug des hälftigen Kindergeld ergibt sich ein Zahlbetrag von je 240 €.

Im Jahr 2007 hat sich das Einkommen des Beklagten leicht verringert. Es beläuft sich auf der Grundlage der Besoldungsnachweise für Januar bis September 2007 sowie Oktober bis Dezember 2006 auf 29.339,06 €. Nach Abzug der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung von 2.285,88 € verbleibt ein Jahresbetrag von 27.053,18 €, der einem Monatsbetrag von 2.254,43 € entspricht. Setzt man davon wiederum 5 % für berufsbedingte Aufwendungen von 112,72 €, den Beitrag zur Unfallversicherung von 18,46 €, die Beiträge zu den Lebensversicherungen von 97,48 € sowie den Nettobetrag der vermögenswirksamen Leistungen des Arbeitgebers von rd. 5 € ab, ergibt sich ein Monatseinkommen von 2.020,77 €. Unter weiterer Berücksichtigung der Kreditrate von 190,06 € stellt sich das anrechenbare Einkommen auf rd. 1.831 €. Wie oben dargestellt, ist eine Höhergruppierung gerechtfertigt, sodass die Klägerin weiterhin die geltend gemachten Beträge von 240 € (= 317 € - 77 €) je Kind verlangen kann. Der Bedarfskontrollbetrag von 1.100 € ist nicht beeinträchtigt (1.831 € - 317 € - 317 € = 1.197 €).

Allerdings sind durch die seit dem 1.7.2007 geltende Tabelle (Anlage I zu den genannten Unterhaltsleitlinien, Stand 1.7.2007) die Unterhaltsbeträge geringfügig herabgesetzt worden, sodass sich bei im Übrigen unveränderten Zahlen der Unterhalt auf 314 € je Kind stellt, was nach Abzug des hälftigen Kindergelds einem Zahlbetrag von 237 € entspricht.

Die oben ermittelte Erhöhung des Unterhalts stellt eine wesentliche Änderung im Sinne von § 323 Abs. 1 ZPO dar. Der nunmehr zu zahlende Unterhalt für N... liegt zwar für die Zeit ab März 2006 nur um 7,6 % bzw. 6,3 % über dem bisher aufgrund der Jugendamtsurkunde vom 25.11.2004 zu zahlenden Betrag und erreicht die 10 %-Grenze, die bei der Prüfung der Wesentlichkeit häufig angenommen, für Prozessvergleiche allerdings abgelehnt wird (vgl. dazu BGH, FamRZ 1986, 790; FamRZ 1992, 539), nicht. Bei der 10 %-Schwelle handelt es sich aber nicht um eine schematische Grenze (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl., § 323, Rz. 33). Sie stellt vielmehr nur einen Richtwert dar, der unter Berücksichtung der Umstände des Einzelfalls flexibel zu handhaben ist (vgl. Verfahrenshandbuch/Schael, § 1, Rz. 401; Johannsen/Henrich/ Brudermüller, a.a.O., § 323 ZPO, Rz. 78). Daher ist der Unterhalt für beide Kinder, wie geschehen, zu erhöhen, zumal die Erhöhung des Unterhalts für M... die 10 %-Grenze durchgehend bei weitem übersteigt.

Der Zinsanspruch ist gemäß §§ 286 Abs. 2 Nr. 1, 288 Abs. 1 BGB auch der Höhe nach (vgl. dazu Palandt/Heinrichs, BGB, 66. Aufl., § 288, Rz. 14 "Anhang zu § 288: Basiszinssatz") gerechtfertigt.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 2 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

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