Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 16.10.2007
Aktenzeichen: 10 UF 96/07
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 540 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 621 d
BGB § 260
BGB § 366 Abs. 1
BGB § 1353
BGB § 1375
BGB § 1375 Abs. 2
BGB § 1378 Abs. 2
BGB § 1379
BGB § 1385
BGB § 1386
BGB § 1386 Abs. 1
BGB § 1386 Abs. 2
BGB § 1386 Abs. 2 Nr. 2
BGB § 1386 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

10 UF 96/07 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 16. Oktober 2007

verkündet am 16. Oktober 2007

In der Familiensache

hat der 2. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 11. September 2007 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Prof. Schael, die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Liceni-Kierstein und den Richter am Oberlandesgericht Thies

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Frankfurt (Oder) vom 4. April 2007 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Wert des Berufungsverfahrens wird auf 7.500 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Parteien sind getrennt lebende Eheleute. Sie streiten über den vorzeitigen Ausgleich des Zugewinns.

Zur Begründung ihres Klagebegehrens hat die Klägerin in erster Instanz geltend gemacht, dass der Beklagte seine wirtschaftlichen Verpflichtungen schuldhaft nicht erfüllt habe (§ 1386 Abs. 1 BGB). Außerdem habe er die geschuldete Information über den Bestand seines Vermögens verweigert (§ 1386 Abs. 3 BGB). Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr Verlangen auf vorzeitigen Zugewinnausgleich weiter. Sie begründet dieses in der Berufungsinstanz ergänzend und hilfsweise mit illoyalen Vermögensminderungen des Beklagten. Die Angaben des Beklagten im Rahmen seiner Vermögensaufstellung machten deutlich, dass er in den Jahren 2005 und 2006 eine Vermögensbildung pflichtwidrig unterlassen habe. Er müsse 2005/2006 den zur Vermögensbildung bestimmten Anteil des gemeinsamen Einkommens im Sinne von § 1375 Abs. 2 BGB in Höhe mindestens 5-stelliger Eurobeträge verschenkt, verschwendet oder verschoben haben (§ 1386 Abs. 2 Nr. 2 BGB). Im Übrigen ergänzt und vertieft die Klägerin ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Der Beklagte beantragt Berufungszurückweisung. Er verteidigt die angefochtene Entscheidung. Im Übrigen bestreitet er die von der Klägerin behaupteten illoyalen Vermögensverschiebungen und rügt diesen Vortrag als verspätet.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin führt nicht zum Erfolg. Keiner der in den §§ 1385, 1386 BGB abschließend aufgezählten Gründe für eine vorzeitige Beendigung des Güterstandes liegt vor.

1.

Zu Recht hat das Amtsgericht die Tatbestandsvoraussetzungen des § 1386 Abs. 1 BGB verneint.

§ 1386 Abs. 1 BGB knüpft an die schuldhafte Nichterfüllung der wirtschaftlichen Verpflichtungen an, die sich aus dem ehelichen Verhältnis ergeben. Darunter fällt sowohl die Verletzung von Unterhaltspflichten gegenüber dem Ehegatten während der Trennungszeit als auch gegenüber einem gemeinsamen Kind (§ 1360 BGB). Messbare wirtschaftliche Beeinträchtigungen müssen damit nicht verbunden sein (vgl. hierzu Palandt/Brudermüller, BGB, 66. Aufl., § 1386, Rn. 4 und § 1381, Rn. 11). Es muss jedoch anzunehmen sein, dass der Ehegatte seinen Unterhaltspflichten auch in Zukunft nicht nachkommen wird. § 1386 Abs. 1 BGB erfordert dabei eine auf Tatsachen gestützte Prognose, dass der Ehegatte seine Verpflichtungen aus dem ehelichen Verhältnis auch in Zukunft nicht erfüllen werde. Es muss mehr für eine Fortsetzung als für eine Änderung des pflichtwidrigen Verhaltens sprechen (vgl. hierzu Palandt/Brudermüller, a.a.O., § 1386, Rn. 4). Eine solche Wiederholungsgefahr lässt sich vorliegend nicht feststellen.

Der Beklagte hat sich in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht in 3/2007 zur Zahlung von monatlich 1.500 € für den gemeinsamen Sohn O... der Parteien und die Klägerin verpflichtet. Dass er diese Zahlungen seit 2/2007 leistet, hat der Beklagte durch Kontoauszüge belegt. Sie enthalten zudem eine Leistungsbestimmung im Sinne von § 366 Abs. 1 BGB. Danach entfallen von dem Gesamtbetrag monatlich 500 € auf den Sohn und 1.000 € auf die Klägerin. Ferner hat der Beklagte in der Berufungserwiderung sowie im Senatstermin erklärt, er werde seine Zahlungszusage aus 3/2007 auch weiterhin einhalten.

Folglich fehlt es im Streitfall an der von § 1386 Abs. 1 BGB vorausgesetzten objektiv begründbaren ernstlichen Besorgnis, dass der Beklagte seinen wirtschaftlichen Verpflichtungen in Zukunft nur unregelmäßig, unvollständig oder mit einer grundlosen Verzögerung nachkommen wird. Allein das geäußerte Misstrauen der für die Tatbestandserfüllung des § 1386 Abs. 1 BGB darlegungs- und beweispflichtigen Klägerin reicht nicht aus. Es handelt sich um bloße Vermutungen, die die Klägerin nur auf das frühere Verhalten des Beklagten stützt. Das ist aber ein Umstand, der für die auf Tatsachen zu begründende Zukunftsprognose nicht genügt. Wäre es anders, würde jede vergangene Pflichtverletzung bereits von vornherein einer möglichen Änderung des Verhaltens des Unterhaltspflichtigen und damit einer positiven Prognose für die Zukunft entgegenstehen. Dagegen spricht aber der Wortlaut des § 1386 Abs. 1 BGB. Es sind von der Klägerin außer dem früheren Verhalten des Beklagten keine Umstände oder keine Anhaltspunkte aufgezeigt worden, wonach die Ernstlichkeit der vom Beklagten ausdrücklich zugesagten Zahlungsfortsetzung in Frage zu stellen sein könnte. Im Übrigen hat es die Klägerin in der Hand, ihren Anspruch auf Trennungsunterhalt im Rahmen der bereits in 10/2006 erhobenen Stufenklage und nach zwischenzeitlich erfolgter Auskunftserteilung durch den Beklagten nunmehr zu beziffern und durch ein vollstreckbares Urteil titulieren zu lassen.

2.

Das Amtsgericht hat auch zutreffend die Tatbestandsvoraussetzungen des § 1386 Abs. 3 BGB verneint.

§ 1386 Abs. 3 BGB liegt die aus § 1353 BGB folgende Verpflichtung der Ehegatten zu Grunde, sich während des Bestehens der Ehe wechselseitig über den Bestand des eigenen Vermögens zu informieren. Inhalt und Umfang dieser Pflicht zur Unterrichtung lassen sich im Einzelnen nur nach den Umständen des Falles bestimmen. Die Unterrichtung gemäß § 1386 Abs. 3 BGB hat jedoch stets nur in groben Zügen, also im Sinne eines Überblicks mit groben Rastern, zu erfolgen. Die Informationspflicht hat zum Ziel, dass sich der andere Ehegatte ein ungefähres Bild vom gegenwärtigen Bestand des eigenen Vermögens des Verpflichteten machen kann. Folglich können auch keine detaillierten Auskünfte gemäß § 260 BGB verlangt werden. Insoweit enthält § 1379 BGB eine spezielle Regelung, nach der ein Auskunftsanspruch erst nach der Beendigung des Güterstands entsteht. Ebenso wenig wird die Vorlage von Unterlagen geschuldet (vgl. hierzu im Einzelnen Staudinger/Thiele, BGB, 12. Aufl., § 1386, Rn. 23; MünchKomm/Koch, BGB, 4. Aufl., § 1386, Rn. 25).

Der Beklagte ist der Aufforderung der Klägerin zur Unterrichtung durch seine Vermögensaufstellung aus 12/2006 hinreichend nachgekommen. Dadurch konnte sich die Klägerin einen Überblick über die Vermögenssituation verschaffen. Entgegen der Auffassung der Klägerin schuldete der Beklagte ihr keine näheren Angaben zur Art der Geldanlage, zur Nummer seines Girokontos und zum Namen seiner Bank, bei der das Konto geführt wird oder zum Wert des Fahrzeugs BMW 520. Im Übrigen hat der Beklagte zwischenzeitlich einen Jahresauszug der ... Bank vorgelegt, aus dem die Klägerin nähere Einzelheiten zum Wertpapierdepot des Beklagten entnehmen kann.

Die Unterrichtungspflicht nach § 1386 Abs. 3 BGB umfasst zwar grundsätzlich auch die Information über etwaige Planungen für die nähere Zukunft (vgl. hierzu MünchKomm/Koch, a.a.O., § 1386, Rn. 25). Derartige Angaben enthält die Vermögensaufstellung des Beklagten aus 12/2006 nicht. Der Beklagte hat jedoch im Senatstermin auf Nachfrage erklärt, dass er keine in die Zukunft gerichteten Planungen habe. Ferner hat er ausdrücklich bestätigt, dass außerhalb seiner Aufstellung aus 12/2006 keine sonstigen Wirtschaftsgüter zu seinem Vermögen gehörten. Insbesondere habe er zum Zeitpunkt der Informationserteilung keine weiteren Konten unterhalten. Es sei zwischenzeitlich auch keine wesentliche Änderung der Vermögenslage eingetreten. Diese Mitteilung des Beklagten reicht aus.

Folglich kann die Klägerin aus § 1386 Abs. 3 BGB keinen Anspruch auf einen vorzeitigen Ausgleich Zugewinns herleiten.

3.

Soweit sich die Klägerin in der Berufungsinstanz erstmals und hilfsweise auf § 1386 Abs. 2 Nr. 2 BGB beruft, sind die Tatbestandsvoraussetzungen ebenfalls nicht erfüllt. Es kommt deshalb auch nicht auf die vom Beklagten erhobene und an der Vorschrift des § 621 d ZPO zu messende Verspätungsrüge an.

§ 1386 Abs. 2 Nr. 2 BGB gibt das Recht zur Klage auf vorzeitigen Ausgleich des Zugewinns bei illoyalen Vermögensminderungen durch eine der in § 1375 BGB (abschließend) bezeichneten Handlungen. Zu den Tatbeständen der illoyalen Vermögensminderungen gehören danach unentgeltliche Zuwendungen, Verschwendungen oder Handlungen in Benachteiligungsabsicht.

Nach seinem Wortlaut verlangt § 1386 Abs. 2 Nr. 2 BGB i. V. m. § 1375 Abs. 2 BGB ein positives Tun. Bloßes Unterlassen genügt nicht. Die Klägerin beruft sich aber selbst nur auf Unterlassungen des Beklagten. Sie trägt vor, auf Grund des hohen gemeinsamen Einkommens sei während des ehelichen Zusammenlebens ein nicht geringer Teil des Einkommens der Parteien regelmäßig der Vermögensbildung zugeführt worden. Die Angaben des Beklagten im Rahmen seiner Vermögensaufstellung machten deutlich, dass er in den Jahren 2005 und 2006 auf sein seit 2002 bestehendes Wertpapierdepot bei der ... Bank nichts weiter eingezahlt habe. Da das gemeinsame Hausgrundstück im Jahr 2004 lastenfrei geworden sei, habe er in den Jahren 2005 und 2006 eine Vermögensbildung pflichtwidrig unterlassen. Diese Ausführungen der Klägerin rechtfertigen keinen Anspruch auf einen vorzeitigen Zugewinnausgleich.

Nach den übereinstimmenden Angaben der Parteien im Senatstermin ist die Trennung am 1.1.2006 erfolgt. Ab diesem Zeitpunkt bestand für den Beklagten keine rechtliche Verpflichtung, weiterhin einen "nicht geringen Teil seines Einkommens" für die Vermögensbildung einzusetzen. Aber auch eine etwaige vom Beklagten im Jahr 2005 abredewidrig unterlassene Vermögensbildung lässt sich nicht als illoyale Vermögenshandlung im Sinne von § 1375 Abs. 2 BGB beurteilen. Der Schwerpunkt des Vorwurfs der Klägerin liegt in einem Unterlassen und nicht in einem positiven Tun des Beklagten, wie es von § 1375 Abs. 2 BGB vorausgesetzt wird.

Aber selbst wenn man das gesamte Vorbringen der Klägerin zu ihren Gunsten dahin würdigt, dass sie sich auf eine Vermögensminderung des Beklagten im Sinne des § 1375 Abs. 2 BGB durch positives Tun berufen will, führt das hier nicht zum Erfolg.

Neben der illoyalen Vermögenshandlung ist weitere Voraussetzung des Klagerechts gemäß § 1386 Abs. 2 Nr. 2 BGB die objektiv begründbare Besorgnis einer erheblichen Gefährdung der künftigen Ausgleichsforderungen. Eine solche ist zu besorgen, wenn Entstehung, Umfang oder Durchsetzung der Ausgleichsforderung zum Nachteil des klagenden Ehegatten beeinflusst werden könnten. Die Vornahme der in § 1386 Abs. 2 Nr. 2 BGB bezeichneten Handlungen allein begründet diese Besorgnis noch nicht. Weiter hinzukommen muss nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut vielmehr, dass durch sie die Möglichkeit einer Beeinträchtigung des Ausgleichsinteresses nahe gelegt wird (vgl. hierzu Staudinger/Thiele, a.a.O., § 1386, Rn. 17). Insbesondere kommt es darauf an, ob eine Fortsetzungs- und Wiederholungsgefahr besteht und ob eine Minderung des Zugewinns zu befürchten ist. In diesem Zusammenhang ist allerdings zu berücksichtigen, dass nach § 1375 Abs. 2 BGB illoyale Vermögensminderungen zu Gunsten des hiervon betroffenen Ehegatten korrigiert werden. Das geschieht in der Weise, dass die entsprechenden Werte der Vermögensminderung nach Beendigung des Güterstandes dem Endvermögen hinzugerechnet werden und dementsprechend den Zugewinn des illoyal handelnden Ehegatten erhöhen. Eine Gefährdung im Sinne von § 1386 Abs. 2 Nr. 2 BGB ist daher nur zu besorgen, wenn bei späterer Beendigung des Güterstandes § 1378 Abs. 2 BGB eingreifen würde (vgl. hierzu Staudinger/Thiele, a.a.O., § 1386, Rn. 19). Diese Vorschrift sieht eine Begrenzung der Ausgleichsforderung auf den Wert des Endvermögens vor.

Eine Besorgnis der erheblichen Gefährdung des Ausgleichsinteresses der Klägerin in diesem vom § 1386 Abs. 2 BGB vorausgesetzten Sinn lässt sich auf der Grundlage ihres Sachvortrags in erster und zweiter Instanz nicht feststellen. Das geht zu ihren Lasten, denn sie ist darlegungs- und beweispflichtig für eine im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung konkret zu besorgende erhebliche Gefährdung ihrer künftigen Ausgleichsforderung.

Nach alldem war die Berufung der Klägerin mit der sich aus § 97 Abs. 1 ZPO ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen. Im Übrigen beruhen die Nebenentscheidungen auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Ende der Entscheidung

Zurück