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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 14.02.2008
Aktenzeichen: 10 UF 97/07
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, HausratsVO


Vorschriften:

ZPO § 621 e Abs. 1
BGB § 745 Abs. 2
BGB § 1353 Abs. 1 Satz 2
BGB § 1361 b
BGB § 1361 b Abs. 3
BGB § 1361 b Abs. 3 Satz 1
BGB § 1361 b Abs. 3 Satz 2
HausratsVO § 20
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

10 UF 97/07 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In der Familiensache

hat der 2. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts nach mündlicher Verhandlung am 29. Januar 2008 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Prof. Schael die Richterin am Oberlandesgericht Berger den Richter am Oberlandesgericht Gutjahr

am 14. Februar 2008

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Eisenhüttenstadt vom 16. April 2007 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Der Beschwerdewert wird auf 7.678,77 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die beiden im Jahre 1969 geborenen Parteien haben am 23.5.1997 geheiratet. Aus der Ehe ist das Kind A..., geb. am ... 1998, hervorgegangen.

Die Trennung der Parteien erfolgte spätestens im Januar 2006. Bis zum 21.12.2006 lebten die Parteien in der Ehewohnung getrennt. Hierbei handelt es sich um das im Alleineigentum des Antragstellers stehende Eigenheim in der ...siedlung 55 in E....

Durch Beschluss vom 11.12.2006 (7 F 262/06) hat das Amtsgericht im Wege der einstweiligen Anordnung einzelne Räume der Ehewohnung den Parteien zur Alleinnutzung zugewiesen und hinsichtlich anderer Räume eine gemeinsame Nutzung durch die Parteien angeordnet. Diesen Beschluss hat das Amtsgericht durch weiteren Beschluss vom 19.3.2007 (7 F 285/06 EAO) aufgehoben und den Antrag der Antragsgegnerin wegen Wohnungsnutzung abgewiesen.

Der Antragsteller hat im vorliegenden Verfahren erstinstanzlich eine Nutzungsvergütung für die von der Antragsgegnerin genutzten Räume geltend gemacht und beantragt, die Antragsgegnerin zu verurteilen, an ihn eine Nutzungsvergütung, wie folgt, zu zahlen:

- 3.784,08 € insgesamt für die Zeit vom 16.1. bis 30.6.2006,

- monatlich 686 € für die Zeit vom 1.7. bis 21.12.2006.

Durch den angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht den Antrag abgewiesen. Wegen der Begründung wird auf den Beschluss Bezug genommen.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Antragsteller mit der Beschwerde. Er trägt vor:

Trotz der Mitbenutzung der Wohnung durch beide Ehegatten sei er berechtigt, eine Nutzungsvergütung zu beanspruchen. Dies folge aus seiner Stellung als Alleineigentümer. Seinem Zahlungsbegehren habe er einen Quadratmeterpreis von 7 € zugrunde gelegt. Nach dem Mietspiegel für E... ergebe sich für eine sehr gute Ausstattung und gute Wohnlage zwar eine Kaltmiete von 5 € bis 6,30 € . Angesichts des Zustandes des Eigenheims müsse aber von einem Quadratmeterpreis von 7 € ausgegangen werden.

Der Antragsteller beantragt,

der Antragsgegnerin in Änderung des angefochtenen Beschlusses die Zahlung von 7.678,77 € aufzugeben.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie trägt vor:

Bei Mitbesitz, wie vorliegend, fehle ein Anspruch auf Nutzungsvergütung. Im Übrigen liege ein Fall der aufgedrängten Nutzung vor.

Soweit überhaupt eine Nutzungsvergütung in Betracht komme, könne ein Quadratmeterpreis von höchstens 4,50 € zugrunde gelegt werden. Unklar sei auch, wie sich die vom Antragsteller zugrunde gelegte Quadratmeterzahl ergebe. Für das vom gemeinsamen Kind genutzte Kinderzimmer und Bad könne ein Nutzungsentgelt jedenfalls nicht verlangt werden. Der Senat hat den Antragsteller angehört. Insoweit wird auf den Berichterstattervermerk zum Senatstermin vom 29.1.2008 verwiesen.

II.

Die gemäß § 621 e Abs. 1 ZPO zulässige Beschwerde des Antragstellers ist unbegründet. Er hat gegen die Antragsgegnerin keinen Anspruch auf Zahlung einer Nutzungsvergütung für die Zeit vom 16.1. bis 21.12.2006.

1.

Wurde einem Ehegatten die Ehewohnung ganz oder zum Teil überlassen, so hat gemäß § 1361 b Abs. 3 Satz 1 BGB der andere alles zu unterlassen, was geeignet ist, die Ausübung dieses Nutzungsrechts zu erschweren oder zu vereiteln. Er kann von dem nutzungsberechtigten Ehegatten eine Vergütung für die Nutzung verlangen, soweit dies der Billigkeit entspricht, § 1361 b Abs. 3 Satz 2 BGB. Die Voraussetzungen für die Zahlung einer Nutzungsvergütung sind vorliegend nicht gegeben.

a)

Allerdings steht der Zuerkennung einer Nutzungsvergütung nicht entgegen, dass eine gerichtliche Regelung der Nutzungsverhältnisse an der Ehewohnung erst mit dem Beschluss des Amtsgerichts vom 11.12.2006 und damit kurz vor Ablauf des Zeitraums, für den der Antragsteller eine solche Vergütung geltend macht, ergangen ist. Eine Nutzungsvergütung kommt nämlich immer dann in Betracht, wenn einem Ehegatten die Nutzung ganz oder teilweise überlassen worden ist, und zwar unabhängig von den zugrunde liegenden Rechtsverhältnissen (Johannsen/Henrich/Brudermüller, Eherecht, 4. Auflage, § 1361 b, Rz. 33). Deshalb kann eine Nutzungsvergütung bei Vorliegen der Voraussetzungen im Übrigen auch verlangt werden, wenn keine Verpflichtung zur Überlassung besteht, sondern das Nutzungsrecht freiwillig eingeräumt wurde (Schwab/Motzer, Handbuch des Scheidungsrechts, 5. Auflage, VIII, Rz. 80; Palandt/Brudermüller, BGB, 67. Auflage, § 1361 b, Rz. 20).

b)

Auch kann dem Antragsteller eine Nutzungsvergütung nicht allein deshalb versagt werden, weil er die Ehewohnung der Antragsgegnerin nicht allein überlassen hat, sondern einen Teil der Wohnung weiterhin selbst genutzt hat. In § 1361 b Abs. 3 BGB ist, wie bereits aufgeführt, von einer Überlassung der Ehewohnung ganz oder zum Teil die Rede. Daher kann der Ehegatte, der allein Eigentümer der Ehewohnung ist, vom anderen grundsätzlich auch dann eine Nutzungsentschädigung verlangen, wenn die Wohnung zwischen ihnen aufgeteilt worden ist.

Soweit sich die Antragsgegnerin darauf beruft, in der Literatur werde die Ansicht vertreten, eine Verpflichtung zur Zahlung einer Nutzungsentschädigung scheide bei Mitbesitz beider Ehegatten aus, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Zwar wird die Auffassung vertreten, die Vergütungspflicht könne durch das Angebot auf Wiedereinräumung des Mitbesitzes abgewendet werden (Palandt/Brudermüller, a.a.O., § 1361 b Rz. 20; ebenso Scholz/Stein/ Eckebrecht, Praxishandbuch Familienrecht, Teil G Rz. 21 d). Insoweit wird aber auf Rechtsprechung (KG FamRZ 2001, 368) Bezug genommen, die auf der Grundlage der früheren Fassung des § 1361 b BGB ergangen ist und insbesondere den Fall betrifft, dass sich die Ehewohnung im Miteigentum beider Ehegatten befunden hat, sodass grundsätzlich auch die Anwendung der Vorschrift des § 745 Abs. 2 BGB in Betracht kam (vgl. Johannsen/Henrich/ Brudermüller, a.a.O. § 1361 b, Rz. 32). Vorliegend ist der Antragsteller Alleineigentümer der Ehewohnung. Durch die Einräumung von Mitbesitz wird seiner Rechtsstellung nach der Trennung nicht hinreichend Rechnung getragen.

c)

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts ist eine Nutzungsvergütung nicht deshalb zu versagen, weil es an einer vorherigen Zahlungsaufforderung gefehlt habe. Dabei kann dahinstehen, ob die Geltendmachung einer Nutzungsvergütung eine vorherigen Zahlungsaufforderung voraussetzt (so Johannsen/Henrich/Brudermüller, a.a.O.; § 1361 b, Rz. 34; Palandt/Brudermüller, a.a.O., § 1361 b, Rz. 23; Scholz/Stein/Eckebrecht, a.a.O, Teil D, Rz. 21 e; a.A. Erbarth, FamRZ 1998, 1007, 1011). Denn der Antragsteller hat die Antragsgegnerin mit Anwaltsschreiben vom 13.1.2006 zur Zahlung aufgefordert. Dass die Antragsgegnerin darüber hinaus noch eindeutig vor die Alternative "Zahlung oder Auszug" hätte gestellt werden müssen, kann nicht angenommen werden. Die vom Amtsgericht angeführte Rechtssprechung (OLG Brandenburg - 1. Senat für Familiensachen - FamRZ 2001, 1713) kann insoweit nicht herangezogen werden. Grundlage jener Entscheidung war ein Anspruch nach § 745 Abs. 2 BGB, sodass Voraussetzung für die Zahlungsverpflichtung das Verlangen einer Neuregelung der Nutzungsverhältnisse war. Dies war vorliegend mit Rücksicht auf die Alleineigentümerstellung des Antragstellers ohnehin nicht nötig. Indem die Antragsgegnerin durch das Anwaltsschreiben vom 13.1.2006 zur Zahlung aufgefordert worden ist, ist sie hinreichend klar vor die Alternative gestellt worden, entweder Zahlungen zu leisten oder sich eine eigene Wohnung zu suchen.

d)

Ein Anspruch des Anspruchstellers auf Zahlung einer Nutzungsvergütung besteht aber deshalb nicht, weil dies nicht der Billigkeit entspricht.

Eine etwa gleichwertige Wohnungsteilung verwandelt Mitbesitz in Teilbesitz, stellt aber keinen so schwerwiegenden Eingriff in die Position des dinglich Alleinberechtigten dar, dass dafür eine Vergütung geboten wäre (MünchKomm/Wacke, BGB, 4. Auflage, § 1361 b, Rz. 13; vgl. auch Schwab/Motzer, a.a.O., VIII, Rz. 81; Staudinger/Voppel, BGB, April 2007, § 1361 b, Rz. 81). Vorliegend ist eine annähernd gleichwertige Wohnungsteilung gegeben. Jedenfalls lässt sich mit Rücksicht darauf, dass die Antragsgegnerin mit dem gemeinsamen Kind der Parteien (vgl. dazu MünchKomm/Wacke, a.a.O.). das Obergeschoss bewohnt hat, während der Antragsteller überwiegend die Räume im Erdgeschoss genutzt hat, eine überwiegende Nutzung der Ehewohnung durch die Antragsgegnerin nicht feststellen. Angesichts dessen ist der Eingriff in die Alleineigentümerstellung des Antragstellers nicht schwerwiegend.

Dies gilt umso mehr, als der Antragsteller unstreitig über ein Nettoeinkommen von 7.000 € verfügt (vgl. zur Bedeutung des Einkommens bei der Billigkeitsabwägung auch OLG Köln, FamRZ 1993, 562 f.). Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass der Antragsteller angesichts dieses Einkommens an sich verpflichtet gewesen wäre, für das gemeinsame Kind der Parteien deutlich höheren Unterhalt als die tatsächlich gezahlten 319 € monatlich zu leisten.

Dafür, dass der Antragsgegner die teilweise entschädigungslose Nutzung der Wohnung durch die Antragsgegnerin zumindest für einen gewissen Zeitraum akzeptieren musste, spricht auch die Verantwortung, welche die Ehegatten aufgrund der Verpflichtung zur ehelichen Lebensgemeinschaft füreinander tragen, § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB. Wohnen die Ehegatten in einer Mietwohnung und trennen sich sodann, ist bei einer Teilung der Wohnraumnutzung in gleichwertige Bereiche ein Eingriff in den Vermögenswert des Alleinmieters gegeben; die theoretische Vergütungspflicht beschränkt sich dann aber auf die Bereiche, die der Nichtmieterehegatte nicht schon aufgrund der ehelichen Lebensgemeinschaft nutzen dürfte (Scholz/Stein/Eckebrecht, a.a.O., Teil D, Rz. 22). Ebenso liegt es in einem Fall wie dem vorliegenden, wenn die Ehewohnung im Alleineigentum eines Ehegatten steht. Dieser ist dem anderen Ehegatten gegenüber mit Rücksicht auf § 1353 Abs. 1 Satz 2 BGB ebenfalls zur Fürsorge verpflichtet.

Ein eher geringer Eingriff in seine Eigentumsposition, wie er aufgrund der Wohnungsteilung gegeben ist, ist von ihm zu dulden. Vorliegend wird man eine Pflicht zur Duldung jedenfalls für den Zeitraum, für den eine Nutzungsvergütung geltend gemacht wird und der in etwa dem Trennungsjahr entspricht, annehmen müssen. Dies gilt umso mehr, als die Antragsgegnerin in den ihr zugewiesenen Räumen der Ehewohnung auch das gemeinsame Kind der Parteien versorgt und betreut hat (vgl. zur Versorgung eines Kindes im Rahmen der Billigkeitsabwägung auch OLG Köln, FamRZ 1997, 943; Schröder/Bergschneider/Perpeet, Familienvermögensrecht, 2. Auflage, Rz. 3.271).

Schließlich entspricht eine Zahlungsverpflichtung der Antragsgegnerin für die Zeit von ca. einem Jahr, bevor sie mit der Tochter der Parteien aus der Ehewohnung ausgezogen ist, der Billigkeit auch deshalb nicht, weil die Trennung, wie der Antragsteller im Senatstermin vom 29.1.2008 eingeräumt hat, von ihm ausgegangen ist. Daher kann von ihm eine nacheheliche Solidarität jedenfalls für den geltend gemachten Zeitraum erwartet werden (vgl. zur nachehelichen Solidarität allgemein auch OLG Stuttgart, FamRZ 2003, 1111; Goebel, FamRZ 2003, 1513).

2.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 20 HausratsVO. Trotz des Grundsatzes der Zurückhaltung einer Kostenanordnung in Familienstreitigkeiten (vgl. Senat, FamRZ 2002, 1356; Johannsen/Henrich/Brudermüller, a.a.O., § 20 HausratsVO, Rz. 3) sind vorliegend die Kosten in vollem Umfang dem unterliegenden Antragsteller aufzuerlegen. Da es hier nur noch um eine finanzielle Auseinandersetzung ging, sind die aus § 91 Abs. 1 ZPO folgenden Grundsätze entsprechend heranzuziehen.

Ende der Entscheidung

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