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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 16.07.2001
Aktenzeichen: 10 WF 135/00
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, BGB


Vorschriften:

ZPO § 127 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 114
ZPO § 127 Abs. 4
BGB §§ 145 ff.
BGB § 1361 Abs. 4 Satz 4
BGB § 1360 a Abs. 3
BGB § 1613 Abs. 1 Satz 1
BGB § 284 Abs. 1 Satz 1
BGB § 242
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

10 WF 135/00 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In der Familiensache

hat der 2. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die Beschwerde der Klägerin vom 5. Oktober 2000 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Bad Freienwalde vom 28. September 2000 in der Fassung des Abhilfebeschlusses vom 12. Oktober 2000 und des Nichtabhilfebeschlusses vom 24. Oktober 2000 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Schael, die Richterin am Oberlandesgericht Berger und den Richter am Oberlandesgericht Gutjahr

am 16. Juli 2001

beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.

Der Klägerin wird Prozesskostenhilfe bewilligt, soweit sie die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung monatlichen Trennungsunterhalts von 400 DM für die Zeit ab September 1999 begehrt.

Das weitergehende Prozesskostenhilfegesuch und die weitergehende Beschwerde werden zurückgewiesen.

Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

Die gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige Beschwerde ist zum Teil begründet. Über die durch Beschluss des Amtsgerichts vom 12.10.2000 erfolgte Prozesskostenhilfebewilligung hinaus kann der Klägerin Prozesskostenhilfe gewährt werden, soweit sie Trennungsunterhalt für die Zeit ab September 1999 geltend macht. Die Rechtsverfolgung der Klägerin hat nämlich insoweit weitergehend hinreichende Aussicht auf Erfolg, § 114 ZPO.

Soweit die Klägerin aufgelaufenen Unterhalt von insgesamt 9.600 DM, nämlich jeweils 400 DM monatlich für die Zeit von Juli 1998 bis Juni 2000, verlangt, kann sie sich allerdings nicht darauf berufen, der Beklagte sei mit seiner Erklärung vom 31.6.1996 eine eigenständige Verpflichtung zur Unterhaltszahlung eingegangen. Zwar können zwischen den Ehegatten grundsätzlich Unterhaltsvereinbarungen im Hinblick auf den Trennungsunterhalt abgeschlossen werden (vgl. Wendl/Pauling, Unterhaltsrecht, 5. Aufl., § 6, Rz. 600). Dabei handelt es sich aber um Verträge, die nach allgemeinen Grundsätzen des Angebots und der Annahme bedürfen, §§ 145 ff. BGB. Unter Berücksichtigung des Vorbringens beider Parteien kann schon nicht davon ausgegangen werden, dass der Beklagte ein Angebot auf Abschluss einer Unterhaltsvereinbarung, gerichtet auf monatliche Unterhaltszahlungen von 400 DM, abgegeben hat. Der Wortlaut seiner Erklärung vom 31.6.1996 geht lediglich dahin zu bestätigen, dass die Klägerin von ihm seit 1.6.1996 Unterhalt von 400 DM monatlich erhalte. Nachdem der Beklagte vorgetragen hatte, es handele sich lediglich um eine Erklärung über tatsächliche Unterhaltszahlungen, welche die Klägerin zur Vorlage etwa bei Behörden benötigt habe, oblag es der Klägerin, die sich auf den Abschluss einer Umerhaltsvereinbarung beruft, substantiiert darzulegen und unter Beweis zu stellen, dass der Aussagegehalt der Erklärung des Beklagten vom 31.6,1996 über eine schlichte Bestätigung hinausgeht. Dies ist nicht geschehen. Die Klägerin hat weder dargelegt, unter welchen Umständen der Beklagte die Erklärung vom 31.6.1996 abgegeben hat noch welche Absprachen zwischen den Parteien dem etwa vorausgegangen sind.

Da nach alledem ein Unterhaltsanspruch aufgrund vertraglicher Vereinbarung nicht anzunehmen ist, kann die Klägerin ihr Begehren allein darauf stützen, dass ein gesetzlicher Unterhaltsanspruch gegeben sei. Ein solcher besteht nur für die Zeit ab August 1999, und zwar bei der im Prozesskostenhilfeverfahren gebotenen summarischen Prüfung (vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 22. Aufl., § 114, Rz. 19) unter Zugrundelegung der vom Amtsgericht vorgenommenen und mit der Beschwerde nicht angegriffenen Berechnung jedenfalls in der geltend gemachten Höhe von 400 DM monatlich. Die Klägerin kann mit Rücksicht auf eine Selbstmahnung des Beklagten grundsätzlich Unterhalt für die Vergangenheit verlangen. Für die Zeit von Juli 1998 bis August 1999 hat sie ihren Unterhaltsanspruch jedoch verwirkt.

Gemäß §§ 1361 Abs. 4 Satz 4, 1360 a Abs. 3, 1613 Abs. 1 Satz 1 BGB kann Trennungsunterhalt für die Vergangenheit nur von dem Zeitpunkt an gefordert werden, zu welchem der Verpflichtete zum Zwecke der Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs aufgefordert worden ist, über seine Einkünfte und sein Vermögen Auskunft zu erteilen, zu welchem der Verpflichtete in Verzug gekommen oder ein Unterhalts ansprach rechtshängig geworden ist. Vorliegend ist eine Inverzugsetzuqg erfolgt. Die Klägerin hat zwar nicht vorgetragen, den Beklagten gemahnt, d. h. eindeutig und bestimmt zur Unterhaltszahlung aufgefordert zu haben, § 284 Abs. 1 Satz 1 BGB (BGH, NJW 1998, 2132). Eine Mahnung war jedoch entbehrlich, da in dem Umstand, dass der Beklagte bis einschließlich Juni 1998 Unterhaltszahlungen von monatlich 400 DM geleistet hat, eine Selbstmahnung zu sehen ist.

Ein Unterhaltsschuldner, der seine Zahlungen ohne berechtigenden Grand von sich aus einstellt, gerät vom Zeitpunkt der Einstellung an in Höbe der bisherigen Unterhaltsleistungen auch ohne Mahnung in Verzug, sofern sich aus den früher geleisteten Zahlungen ergibt, dass der Schuldner Grund und Höhe des gegen ihn erhobenen Anspruchs kannte (BGH, NJW 1987, 1549, 1551; vgl. auch OLG Celle, FamRZ 1979, 1058; OLG Oldenburg, FamRZ 1982, 731. 732; OLG Köln. FamRZ 1983. 178, 180; FamRZ 2000, 443, 444). Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der Beklagte hat der Klägerin von Juni 1996 an durchgehend bis einschließlich Juni 1998 monatlichen Unterhalt von 400 DM gezahlt. Diese Zahlungen hat er ohne Angabe von Gründen eingestellt. Grund und Höhe des von der Klägerin gegen ihn erhobenen Anspruchs kannte er, wie sich bereits daraus ergibt, dass er der Klägerin zum Zwecke der Vorlage bei Behörden eine schriftliche Bestätigung über die Unterhaltszahlungen von 400 DM ausgehändigt hat. Somit befindet er sich seit Einstellung der Zahlungen, also ab Juli 1998 in Verzug. Die Klägerin kann Unterhalt aber dennoch erst ab September 1999 verlangen, da sie ihre Unterhaltsansprüche für die Zeit von Juli 1998 bis August 1999 verwirkt hat.

Ein Recht kann bei illoyal verspäteter Geltendmachung unter Umständen wegen Verstoßes gegen Treu und Glauben nach § 242 BGB verwirkt sein (Palandt/Heinrichs, BGB, 60 Aufl., § 242, Rz. 87 ff). Dies ist dann der Fall, wenn besondere Zeit- und Umstandsmomente erfüllt sind (Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 7. Aufl., Rz. 232). Das ist hier hinsichtlich der Unterhaltsansprüche der Klägerin von Juli 1998 bis August 1999 gegeben.

Das Zeitmoment für die Verwirkung von Trennungsunterhalt ist regelmäßig erfüllt, wenn der Berechtigte bei der Geltendmachung eine Frist von mehr als einem Jahr hat verstreichen lassen (BGH, FamRZ 1988, 370, 372; vgl. auch KG, FamRZ 1994, 771).

Da ein Unterhaltsanspruch nicht verwirkt sein kann, bevor er überhaupt fällig geworden ist, müssen aber gegebenenfalls die in Frage kommenden Zeitabschnitte gesondert betrachtet werden (BGH, a.a.O.). Dies führt vorliegend dazu, dass das Zeitmoment für die Verwirkung von Trennungsunterhalt nur für die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche von Juli 1998 bis August 1999 erfüllt ist. Denn die Klägerin hat ihre Unterhaltsansprüche mit der Klageschrift vom 14.7.2000, die dem Beklagten in einfacher Abschrift am 22.8.2000 übersandt worden ist, geltend gemacht. Die Unterhaltsansprüche ab September 1999 sind daher innerhalb des letzten Jahres vor Geltendmachung der Ansprüche der Klägerin fällig geworden. Eine Frist von mehr als einem Jahr hat die Klägerin nur hinsichtlich der Zeit von Juli 1998 bis August 1999 verstreichen lassen. Allein insoweit ist das Zeitmoment erfüllt. Für diesen Zeitraum ist auch das Umstandsmoment gegeben.

Neben dem Zeitmoment kommt es für die Verwirkung auf das Umstandsmoment an, das heißt, es müssen besondere Umstände hinzutreten, aufgrund deren sich der Unterhaltsverpflichtete nach Treu und Glauben darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, dass der Unterhaltsberechtigte sein Recht nicht mehr geltend machen werde (BGH, FamRZ 1988, 370, 373). Dies ist vorliegend der Fall. Mit Rücksicht darauf, dass die Klägerin ihren Unterhaltsanspruch fast zwei Jahre lang nicht verfolgt hat, von einem Unterhaltsgläubiger, der lebensnotwendig auf Unterhaltsleistungen angewiesen ist, jedoch eher als von einem Gläubiger anderer Forderungen zu erwarten ist, dass er sich zeitnah um die Durchsetzung des Anspruchs bemüht (vgl. BGH, a.a.O.). durfte der Beklagte, da das Verhalten der Klägerin den Eindruck erweckte, in dem fraglichen Zeitraum nicht bedürftig zu sein, davon ausgehen, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden. Soweit es beim Umstandsmoment auch darauf ankommt, inwieweit sich der Unterhaltsverpflichtete tatsächlich darauf eingerichtet hat, Unterhalt für die zurückliegende Zeit nicht mehr zahlen zu müssen, reicht die Feststellung aus, dass ein Unterhaltsverpflichteter erfahrungsgemäß seine Lebensführung an die ihm zur Verfügung stehenden Einkünfte anpasst, so dass er bei unerwarteten Unterhaltsnachforderungen nicht auf Ersparnisse zurückgreifen kann und dadurch regelmäßig in Bedrängnis gerät (BGH, a.a.O.). Anhaltspunkte dafür, dass es beim Beklagten anders lag, sind nicht ersichtlich. Besonderer Feststellungen dazu, dass er sich tatsächlich auf den Fortfall der Unterhaltsforderungen der Klägerin eingerichtet hat, bedarf es daher nicht (BGH, a.a.O.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.

Ende der Entscheidung

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