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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 17.07.2008
Aktenzeichen: 10 WF 139/08
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 114
ZPO § 117 Abs. 2
ZPO § 127 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 127 Abs. 4
ZPO § 167
BGB § 1361 Abs. 2
BGB § 1572 Nr. 1
BGB § 1585 b Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

10 WF 139/08 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In der Familiensache

hat der 2. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die sofortige Beschwerde der Klägerin vom 16. Juni 2008 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Fürstenwalde vom 29. April 2008 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Schael als Einzelrichter

am 17. Juli 2008

beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.

Der Klägerin wird Prozesskostenhilfe bewilligt, soweit sie eine Verurteilung des Beklagten zur Zahlung monatlichen Unterhalts von 871,45 € vom 1. des ein Jahr vor dem Monat der Rechtshängigkeit der Klage liegenden Monats gleichen Namens an begehrt.

Ihr wird Rechtsanwältin ... in R... beigeordnet.

Der weitergehende Prozesskostenhilfeantrag wird zurückgewiesen.

Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

Die Beschwerde der Klägerin vom 16.6.2008 stellt eine sofortige Beschwerde gegen die Versagung der Prozesskostenhilfe durch das Amtsgericht dar und ist als solche gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässig. Sie ist auch teilweise begründet. Die Rechtsverfolgung der Klägerin bietet in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang hinreichende Aussicht auf Erfolg, § 114 ZPO.

Dem Grunde nach folgt der Unterhaltsanspruch der Klägerin aus § 1572 Nr. 1 BGB. Die Klägerin hat glaubhaft gemacht, dass von ihr ab Scheidung wegen Krankheit, nämlich wegen Multipler Sklerose und ihrer Begleit- sowie Folgeerscheinung eine Erwerbstätigkeit nicht erwartet werden konnte und auch jetzt nicht erwartet werden kann. Dass die Ehe der Parteien bereits seit dem 19.2.2008 rechtskräftig geschieden ist und die Klägerin ihren Anspruch auf nachehelichen Unterhalt wegen Krankheit erstmals mit Schreiben vom 17.8.2006 geltend gemacht hat, ändert daran nichts. Insbesondere hat die Klägerin durch die Erklärung ihres Prozessbevollmächtigten im Scheidungstermin vor dem Amtsgericht Greifswald am 18.12.2001 (62 F 274/00), Ansprüche auf Zahlung von nachehelichem Unterhalt würden derzeit nicht geltend gemacht, nicht auf nachehelichen Unterhalt verzichtet. Der Höhe nach errechnet sich der Unterhaltsanspruch der Klägerin auf der Grundlage der Beschwerdeschrift nebst Anlage. Ausgehend von einem behaupteten durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommen des Beklagten von 3.031 € sowie einem monatlichen Renteneinkommen der Klägerin von 855,26 €, stellt sich die Hälfte der Differenz des um einen Erwerbstätigenbonus von 1/7 verringerten Einkommens des Beklagten und der Rente der Klägerin auf 871,45 €.

Auch wenn die Klägerin den Beklagten im August 2006 aufgefordert hat, Unterhalt von mindestens 970 € monatlich zu zahlen, kann der Betrag von 871,45 € doch nicht bereits ab September 2006 verlangt werden. Denn gemäß § 1585 b Abs. 3 kann für eine mehr als ein Jahr vor der Rechtshängigkeit liegende Zeit Unterhalt nicht verlangt werden. Dass sich der Beklagte der Leistung absichtlich in dem Sinne entzogen hat, dass er durch zweckgerichtetes Verhalten die zeitnahe Realisierung der Unterhaltsschuld verhindert oder zumindest wesentlich erschwert hätte (Palandt/Brudermüller, BGB, 67. Aufl., § 1585 b, Rz. 4), wird nicht vorgetragen und ist auch nicht ersichtlich. In diesem Zusammenhang kommt es auf die tatsächliche, bisher nicht eingetretene, Rechtshängigkeit der Klage und nicht auf die Klageeinreichung im September 2007 an mit der Folge, dass Unterhalt, wie mit Klageantrag vom 13.9.2007 geschehen, bereits ab 1.9.2006 verlangt werden könnte.

Bei Klageeinreichung und gleichzeitigem Prozesskostenhilfeantrag, wie hier, ist § 167 ZPO anwendbar, wonach die Wirkung (des § 1585 b Abs. 3 BGB) mit Antragseingang eintritt, wenn die Zustellung demnächst erfolgt. Der Beurteilung, ob eine Zustellung demnächst erfolgt, wohnt eine wertende Komponente inne, wonach es darauf ankommt, ob der Zustellungsbetreiber alles ihm Zumutbare für eine alsbaldige Zustellung getan hat und der Rückwirkung keine schutzwürdigen Belange des Gegners entgegenstehen; bei Zustellungsverzögerungen von mehr als 14 Tagen, die der Zustellungsbetreiber verursacht, ist eine Rückwirkung ausgeschlossen (BGH, NJW 2004, 3775 f. m. w. N.). Deshalb ist die Verzögerung durch ein Prozesskostenhilfeverfahren nur dann unschädlich, wenn der Kläger den ordnungsgemäßen, mit den Unterlagen nach § 117 Abs. 2 ZPO versehenen Antrag gehörig einreicht, die Entscheidung in diesem Verfahren nicht aus Nachlässigkeit verzögert und unverzüglich nach der (positiven oder negativen) Entscheidung die Zustellung der Klageschrift erfolgt. Eine Beschwerde gegen die Verweigerung der Prozesskostenhilfe muss, um nicht vorwerfbar verzögernd zu wirken, spätestens zwei Wochen nach Mitteilung der Entscheidung eingelegt werden (BGH, NJW 1991, 1745 f.); Zöller/Greger, ZPO, 26. Aufl., § 167, Rz. 11 ff., 15). Letzteres ist nicht geschehen.

Der Prozesskostenhilfe verweigernde Beschluss ist der Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 14.5.2008 zugestellt worden. Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist erst am 16.6.2008, einem Montag, und damit nach Ausschöpfen der vollen Beschwerdefrist und nicht bereits zwei Wochen nach Mitteilung der Entscheidung beim Amtsgericht eingegangen. Deshalb handelt es sich bei der noch vorzunehmenden Zustellung der Klage nicht mehr um eine demnächstige, sodass Unterhalt frühestens von dem Monat an verlangt werden kann, der 12 Monate vor dem Monat der tatsächlichen Zustellung der Klageschrift liegt.

Monatlicher Unterhalt in Höhe von 1.227,10 € kann hingegen nicht verlangt werden. Denn bei der Unterhaltsvereinbarung der Parteien vom 9.12.1999 handelt es sich nicht um eine solche (auch) über nachehelichen Unterhalt. Vielmehr betrifft diese Vereinbarung nur den Trennungsunterhalt. Die Vereinbarung ist am 9.12.1999 und damit knapp zweieinhalb Monate nach der am 27.9.1999 eingetretenen Trennung der Parteien geschlossen worden. Darauf heben die Parteien in der Einleitung der Vereinbarung auch ab, führen des Weiteren aus, dass gemeinsame Kinder nicht vorhanden seien, die Klägerin keine Berufstätigkeit ausübe und wegen einer Erkrankung wahrscheinlich auch keine Arbeit aufnehmen könne. Nach Darlegung eines durchschnittlichen Nettoeinkommens des Beklagten von 6.131,32 DM folgt die Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung monatlichen Unterhalts von 2.400 DM an die Klägerin verbunden mit der Regelung, dass ein etwa doch erzieltes Arbeitseinkommen der Klägerin im Falle einer dann notwendigen Neuberechnung in Höhe eines Drittels außer Betracht bleibe. Dass die Vereinbarung eine ausdrückliche Begrenzung auf den Trennungsunterhalt nicht enthält, führt ebenso wenig wie der Hinweis darauf, dass die Klägerin nicht berufstätig sei und wegen einer Erkrankung wahrscheinlich keine Arbeit aufnehmen werde, dazu, dass die letztlich von zwei juristischen Laien, woran auch eine anwaltliche Beratung am 22.11.1999 nichts ändert, privatschriftlich getroffene Vereinbarung auch den nachehelichen Unterhalt beträfe. Zwar gibt es im Rahmen des Trennungsunterhalts, wie die Klägerin zutreffend ausführt, keinen Unterhaltsanspruch wegen Krankheit. Jedoch kann der nichterwerbstätige Ehegatte gemäß § 1361 Abs. 2 BGB nur dann darauf verwiesen werden, seinen Unterhalt durch eine Erwerbstätigkeit selbst zu verdienen, wenn dies von ihm nach seinen persönlichen Verhältnissen (...) erwartet werden kann. Zu diesen persönlichen Verhältnissen gehört auch die Erwerbsfähigkeit, bei deren (krankheitsbedingtem) Fehlen der nichterwerbstätige Ehegatte eben nicht darauf verwiesen werden kann, seinen Unterhalt durch Arbeit selbst zu sichern. Im Übrigen ist ein vertraglicher Unterhaltsanspruch nur gegeben, wenn der Anspruch erst durch den Vertrag begründet wird. Wird in dem Vertrag lediglich eine gesetzliche Unterhaltspflicht, wie hier, anerkannt oder geregelt, geht es um den gesetzlichen Unterhalt (Handbuch des Fachanwalts Familienrecht/Keske, 6. Aufl., 17. Kap., Rz. 49).

Nach alledem ist, wie geschehen, zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 127 Abs. 4 ZPO.

Ende der Entscheidung

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