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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 27.07.2006
Aktenzeichen: 10 WF 149/06
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, GKG


Vorschriften:

ZPO § 9
ZPO § 793
ZPO § 888 Abs. 1 Satz 1
BGB § 1605
BGB § 1612 b Abs. 5
GKG § 42 Abs. 1
GKG § 42 Abs. 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

10 WF 149/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In der Familiensache

hat der 2. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die sofortige Beschwerde des Beklagten vom 31. Mai 2006 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt (Oder) vom 15. Mai 2006 durch den Richter am Oberlandesgericht Gutjahr als Einzelrichter

am 27. Juli 2006

beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.

Gegen den Beklagten wird zur Erzwingung der ihm in dem Anerkenntnisurteil des Amtsgerichts Frankfurt (Oder) vom 20. Oktober 2005 (5.1 F 424/05) auferlegten Handlung ein Zwangsgeld von 500 €, und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, für je 100 € ein Tag Zwangshaft, festgesetzt.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Klägerin zu 10 % und dem Beklagten zu 90 % auferlegt.

Der Beschwerdewert wird auf zwischen 1.501 € und 2.000 € festgesetzt.

Gründe:

Das als Beschwerde bezeichnete Rechtsmittel des Beklagten ist als sofortige Beschwerde gemäß § 793 ZPO anzusehen und als solche zulässig (vgl. Zöller/Stöber, ZPO, 25. Aufl., § 888, Rz. 15).

Die sofortige Beschwerde ist nur zum Teil begründet. Zu Recht hat das Amtsgericht dem Beklagten ein Zwangsgeld auferlegt. Die Höhe des Zwangsgeldes ist jedoch zu beanstanden.

1.

Kann eine Handlung durch einen Dritten nicht vorgenommen werden, so ist, wenn sie ausschließlich von dem Willen des Schuldners abhängt, auf Antrag von dem Prozessgericht des ersten Rechtszuges zu erkennen, dass der Schuldner zur Vornahme der Handlung durch Zwangsgeld und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, durch Zwangshaft oder durch Zwangshaft anzuhalten sei, § 888 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Vorliegend ist der Beklagte durch Anerkenntnisurteil des Amtsgerichts vom 20.10.2005 verurteilt worden, durch eine geschlossene und systematische Aufstellung Auskunft über seine näher bezeichneten Einkünfte und Ansprüche zu erteilen und im Einzelnen aufgeführte Belege vorzulegen. Die dem Beklagten somit auferlegten Handlungen können von Dritten nicht vorgenommen werden. Damit liegen nicht vertretbare Handlungen vor, sodass die Vorschrift des § 888 Abs. 1 Satz 1 ZPO Anwendung findet (vgl. auch OLG Rostock, OLG-Report 2006, 592, 593).

Der Beklagte kann sich nicht darauf berufen, ihm seien die von ihm verlangten Handlungen zurzeit unmöglich. Der Schuldner muss zur Vornahme der geschuldeten Handlung alles Zumutbare unternommen haben (OLG Köln, NJW-RR 1992, 633, 634; Thomas/Putzo, ZPO, 27. Aufl., § 888, Rz. 7). Erst wenn die Unmöglichkeit der Erfüllung feststeht, darf keine Zwangsmaßnahme verhängt werden (OLG Celle, MDR 1998, 923, 924; OLG Hamm, FamRZ 1997, 1094, 1095; Zöller/Stöber, a.a.O., § 888, Rz. 11; vgl. auch OLG Rostock, OLG-Report 2006, 592, 594). Hinsichtlich des Einwandes, die Handlung könne von ihm nicht mehr vorgenommen werden, bedarf es substanziierten und nachprüfbaren Vorbringens des Schuldners (Zöller/Stöber, a.a.O.). Hieran fehlt es vorliegend.

Mit Schriftsatz vom 5.4.2006 hat der Beklagte behauptet, auf Grund eines zum Jahresende bei ihm verursachten Computerfehlers habe er sämtliche Daten, die er für die Erstellung einer entsprechenden Einkommens-/Überschussrechnung erforderlich seien, verloren. Mit der Beschwerde hat er nochmals wiederholt, er sei aller auf der Festplatte des Computers gespeicherten Informationen verlustig gegangen. Dies reicht für einen substanziierten Vortrag nicht aus.

Aus dem Vorbringen des Beklagten wird schon nicht hinreichend deutlich, welche Informationen auf dem Computer abgespeichert waren und inwieweit er sie zur Vornahme der geschuldeten Handlungen benötigt. Die Klägerin hatte mit dem Antrag vom 8.2.2006 auf Festsetzung eines Zwangsgeldes vorgetragen, der Beklagte habe mit Ausnahme von Leistungsnachweisen über den Bezug von Arbeitslosengeld bisher weder Auskünfte erteilt noch Belege vorgelegt. Dies hat der Beklagte nicht in Abrede gestellt. Wenn er dann mit Schriftsatz vom 5.4.2006 behauptet, Daten verloren zu haben, die für die Erstellung einer Einkommens/Überschussrechnung erforderlich seien, ist schon nicht ersichtlich, warum er die Verpflichtung zur Auskunfterteilung und zur Vorlage von Belegen, soweit es nicht um Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit geht, nicht erfüllt hat. Insoweit ist Unmöglichkeit der Erfüllung überhaupt nicht ersichtlich, sodass schon vor diesem Hintergrund die Festsetzung des Zwangsgeldes gerechtfertigt ist.

Doch auch soweit es um die Auskunft über Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit für die Zeit vom 1.1. bis 31.12.2004 und die Vorlage von Belegen entsprechend Ziffer II. 2. des Urteils vom 20.10.2005 geht, hat der Beklagte nicht hinreichend substanziiert dargelegt, dass ihm die Erfüllung unmöglich ist. Es fehlt schon an der konkreten Darlegung derjenigen Informationen, die auf dem Computer abgespeichert waren und im Hinblick auf die verlangten Auskünfte bzw. Belege von Bedeutung sind. Im Übrigen hat der Beklagte überhaupt nicht dargelegt, dass ihm die Wiederherstellung etwa verloren gegangener Informationen nicht möglich sei.

2.

Der Zwangsgeldfestsetzung steht nicht entgegen, dass der Beklagte meint, die zu erteilenden Auskünfte seien kaum entscheidungserheblich, da nicht zu erwarten sei, dass er höheren Unterhalt als 100 % des Regelbetrages schulde. Denn die Klägerin hat einen Anspruch auf Auskunfterteilung gemäß § 1605 BGB unabhängig davon, was die Auskunft letztlich ergeben wird. Denn die Auskunft dient ja gerade dazu, den Unterhaltsberechtigten in die Lage zu versetzen, den Unterhaltsanspruch zu beziffern. Mit Rücksicht darauf ist die Festsetzung des Zwangsgeldes auch nicht, wie der Beklagte meint, unbillig. Bei dem Zwangsgeld handelt es sich nicht um eine repressive Rechtsfolge für eine vorausgegangenen Ordnungsverstoß, sondern allein um eine Beugemaßnahme (Zöller/Stöber, a.a.O., § 888, Rz. 8; Saenger/Pukall, ZPO-Handkommentar, § 888, Rz. 13). Daher ist es dem Beklagten auch nicht verwehrt, die Vollstreckung des Zwangsgeldes jederzeit durch Erfüllung, also durch Vornahme der geschuldeten Handlung, abzuwenden (OLG Zweibrücken, FamRZ 1998, 384; Zöller/Stöber, a.a.O., § 888, Rz. 13).

3.

Doch die Höhe des vom Amtsgericht festgesetzten Zwangsgeldes ist zu beanstanden. Zwar steht dem Amtsgericht im Rahmen des Zulässigen, also unter Berücksichtigung eines Mindestbetrages von 5 € und eines Höchstbetrages von 25.000 € (vgl. Saenger/Pukall, a.a.O., § 888, Rz. 11), ein Ermessen zu. Doch ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten (Thomas/Putzo, a.a.O., § 888, Rz. 12; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 64. Aufl., § 888, Rz. 15). Dabei kann der Wert der Hauptsache ein geeigneter Anhaltspunkt sein (vgl. OLG Karlsruhe, MDR 2000, 229). Auch ist die Hartnäckigkeit, mit welcher der Schuldner die Erfüllung seiner Verpflichtung unterlässt, von Bedeutung (OLG Karlsruhe, a.a.O., Musielak/ Lackmann, ZPO, 4. Aufl., § 888, Rz. 12; Zimmermann, ZPO, 7. Aufl., § 888, Rz. 11; vgl. auch OLG München, NJW-RR 1992, 704). Vorliegend ist auch unter Berücksichtigung des Wertes, der das wirtschaftliche Interesse des Gläubigers an der vorzunehmenden Handlung widerspiegeln soll, das festgesetzte Zwangsgeld von 2.000 € unverhältnismäßig.

Zu Gunsten der Klägerin besteht bereits ein Unterhaltstitel in Form einer Jugendamtsurkunde vom 16.5.2000. Danach ist der Beklagte zur Zahlung monatlichen Unterhalts von 110 % des Regelbetrages abzüglich anzurechnenden Kindergeldes verpflichtet. Die Klägerin, die zunächst die isolierte Auskunftsklage erhoben hat, strebt offensichtlich die Zahlung höheren Unterhalts an, als bislang tituliert. Wenn man ihre Erwartung bei Klageeinreichung, auf die es insoweit grundsätzlich ankommt (vgl. Verfahrenshandbuch Familiensachen - FamVerf -/Gutjahr, § 1, Rz. 622 f.), mit einem Unterhaltsanspruch von 120 % des Regelbetrages annähme, ergäbe sich, ausgehend von einem Regelbetrag von 188 €, ein Unterhaltsanspruch von 226 €. Bliebe es demgegenüber bei dem titulierten Unterhalt von 110 % des Regelbetrages, ergäbe sich ein Unterhalt von 207 €. Die Differenz beträgt lediglich 19 €. Dies bezieht sich aber nur auf den Unterhalt vor Kindergeldanrechnung. Denn mit Rücksicht auf § 1612 b Abs. 5 BGB würde die Kindergeldanrechnung dazu führen, dass der Zahlbetrag gegenüber dem jetzt titulierten Unterhalt identisch bliebe, nämlich sich auf 177 € beliefe (vgl. auch die Kindergeldabzugstabelle in Anlage 2 der Unterhaltsleitlinien des Brandenburgischen Oberlandesgerichts, Stand 1.7.2005). Ein höherer Zahlbetrag ergibt sich erst bei einem geschuldeten Tabellenunterhalt von mehr als 135 % des Regelbetrages. Selbst wenn man als Erwartung der Klägerin eine Erhöhung des Zahlbetrages um 50 € monatlich annehmen würde, wäre eine Zwangsgeldfestsetzung von 2.000 € unverhältnismäßig. Dabei kann man zu Gunsten der Klägerin unterstellen, dass Maßstab für die Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht der Gebührenstreitwert gemäß § 42 Abs. 1, 5 GKG ist. Denn diese Vorschrift dient sozialen Zwecken und damit einer Wertbegrenzung (vgl. Hartmann, Kostengesetze, 36. Aufl., § 42 GKG, Rz. 2), spiegelt also nicht das tatsächliche wirtschaftliche Interesse des Unterhaltsberechtigten wider. Insoweit kann bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise vielmehr auf die Vorschrift des § 9 ZPO, die für den Zuständigkeits- und Rechtsmittelstreitwert von Bedeutung ist, abgestellt werden (vgl. auch FamVerf/Gutjahr, § 1, Rz. 481). Danach kommt es auf das 3 1/2-fache des Jahreswertes an. Dies wären bei einem Unterschiedsbetrag von 50 € für 42 Monate insgesamt 2.100 €. Selbst wenn man nicht, wie es für die Wertbemessung bei der Auskunftsklage grundsätzlich geboten ist (vgl. FamVerf/Gutjahr, § 1, Rz. 622), einen Bruchteil hiervon, sondern den vollen Wert ansetzt, liegt dieser nur 100 € über dem festgesetzten Zwangsgeld von 2.000 €. Ob bei hartnäckiger Weigerungshaltung des Schuldners auch ein Zwangsgeld in Höhe des Streitwertes in Betracht kommt (so OLG Karlsruhe, a.a.O.), kann dahinstehen. Vorliegend ist nicht von einer fortgesetzten Verweigerung des Beklagten auszugehen, die geschuldete Handlung zu erfüllen, wie auch der Umstand deutlich macht, dass er mit der Beschwerde auf den Zeitaufwand hinweist, der mit der Erfüllung verbunden ist, er also guten Willens scheint, Auskunft zu erteilen. Unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit ist das Zwangsgeld daher herabzusetzen. Es ist mit 500 € ausreichend bemessen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

Ende der Entscheidung

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