Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 26.07.2007
Aktenzeichen: 10 WF 163/07
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 114
ZPO § 127 Abs. 2 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

10 WF 163/07 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In der Familiensache

hat der 2. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die sofortige Beschwerde des Klägers vom 22. Mai 2007 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Strausberg vom 24. April 2007 in der Fassung der teilweisen Abhilfeentscheidung vom 13. Juni 2007 durch den Richter am Oberlandesgericht Gutjahr als Einzelrichter

am 26. Juli 2007

beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird teilweise abgeändert.

Dem Kläger wird unter Beiordnung von Rechtsanwältin H... in P... Prozesskostenhilfe bewilligt, soweit er beantragt, den Beklagten zur Zahlung monatlichen Unterhalts von 277 € ab November 2006 zu verurteilen.

Der weitergehende Prozesskostenhilfeantrag und die weitergehende Beschwerde werden zurückgewiesen.

Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

Die gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist teilweise begründet. Dem Kläger ist in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang weitergehend Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Auch insoweit bietet die von ihm beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg, § 114 ZPO.

1.

Auszugehen ist auf Grund des Beschwerdevorbringens, wie auch vom Amtsgericht in seiner teilweisen Abhilfeentscheidung angenommen, von einem Nettoeinkommen der Mutter des Klägers von rund 2.236 €. Nach Abzug der Krankenversicherungsbeiträge von 253 € verbleiben 1.983 €.

2.

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts kann im Prozesskostenhilfeverfahren angenommen werden, dass die Beiträge der Mutter des Klägers zu einer privaten Lebensversicherung, die nach den eingereichten Belegen insgesamt rund 164 € betragen, zumindest in einer Höhe von 136 € abzugsfähig sind.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshof ist einem Unterhaltspflichtigen bei der Inanspruchnahme auf Elternunterhalt grundsätzlich zuzubilligen, etwa 5 % seines Bruttoeinkommens für eine - über die primäre Altersversorgung hinaus betriebene - zusätzliche Altersvorsorge einzusetzen (BGH, FamRZ 2004, 792, 793). Im Rahmen des nachehelichen Unterhalts kann der Unterhaltspflichtige für eine zusätzliche Altersvorsorge 4 % des eigenen Bruttoeinkommens absetzen (BGH, FamRZ 2005, 1817, 1822; FamRZ 2007, 879, 881 f.), sofern derartige Aufwendungen tatsächlich geleistet werden (BGH, FamRZ 2007, 193 f.). Bei der Inanspruchnahme auf Volljährigenunterhalt kommt ebenfalls die Abzugsfähigkeit von Beiträgen für eine weitere zusätzliche Altersvorsorge in Betracht. Insoweit ist allein zweifelhaft, ob 4 % oder 5 % des jeweiligen Bruttoeinkommens berücksichtigungsfähig sind (vgl. hierzu Eschen-bruch/Klinkhammer/Wohlgemuth, Der Unterhaltsprozess, 4. Aufl., Rz. 3314 a. E.). Da ungeklärte Rechtsfragen im Rahmen der Prozesskostenhilfe nicht zu Lasten der bedürftigen Partei beantwortet werden dürfen (vgl. BVerfG, FamRZ 2002, 665; BGH, FamRZ 2003, 671; Senat, FamRZ 2000, 1033, 1035; Zöller/Philippi, ZPO, 26. Aufl., § 114, Rz. 21; Verfahrenshandbuch Familiensachen - FamVerf -/Gutjahr, § 1, Rz. 257), kann zu Gunsten des Klägers bei Inanspruchnahme des Beklagten auf Unterhalt angenommen werden, dass seine Mutter 5 % des Bruttoeinkommens für die zusätzliche Altersvorsorge aufwenden darf. Da der Bruttojah-resverdienst der Mutter des Klägers in der Beschwerdeschrift mit 32.628,91 € angegeben ist, errechnet sich so ein abzugsfähiger Betrag von rund 136 €.

Nach Abzug eines Betrages von 136 € verbleiben auf Seiten der Mutter des Klägers noch 1.847 € (= 1.983 € - 136 €).

3.

Das Amtsgericht hat in seiner teilweisen Abhilfeentscheidung berufsbedingte Aufwendungen einerseits konkret, nämlich die Aufwendungen für den Berufsverband und die Reinigung der Berufskleidung, berücksichtigt und ferner 5 % pauschal abgesetzt. Dies steht nicht im Einklang mit Nr. 10.2.1 der Unterhaltsleitlinien des Brandenburgischen Oberlandesgerichts, Stand 1.7.2005. Danach können berufsbedingte Aufwendungen in der Regel mit einem Anteil von 5 % des Nettoeinkommens angesetzt werden, wenn hinreichende Anhaltspunkte für eine Schätzung bestehen. Werden höhere Aufwendungen geltend gemacht oder liegt ein Mangelfall vor, so sind sämtliche Aufwendungen im Einzelnen darzulegen und nachzuweisen. Danach kommt entweder ein Abzug von 5 % pauschal oder aber eine konkrete Berechnung in Betracht. Dass einerseits 5 % pauschal und daneben einzelne Aufwendungen noch konkret abzuziehen sind, scheidet demnach aus.

Allerdings hat das Amtsgericht die Aufwendungen für Fahrtkosten konkret mit 99,16 € angegeben. Tatsächlich hat es diesen Betrag aber errechnet, indem es von dem Einkommen der Mutter des Klägers, das nach Abzug des Krankenversicherungsbeitrags verblieben ist, also von 1.983 €, 5 % pauschal abgesetzt hat.

Mit Rücksicht darauf, dass der Kläger die berufsbedingten Aufwendungen seiner Mutter im Einzelnen konkret angegeben hat, ist eine konkrete Berechnung erforderlich. Diese führt im Ergebnis zu höheren berufsbedingten Aufwendungen, als vom Amtsgericht angenommen.

a)

Die Aufwendungen für den Berufsverband mit monatlich 12 € sind, wovon auch das Amtsgericht ausgegangen ist, abzugsfähig (vgl. Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Aufl., § 1, Rz. 104).

b)

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts können die Aufwendungen für die Reinigung der Berufskleidung mangels substanziierten Vortrags des Klägers nicht abgesetzt werden. Berufsbedingte Aufwendungen sind nur dann berücksichtigungsfähig, wenn sie notwendigerweise mit der Ausübung einer Erwerbstätigkeit verbunden sind und sich eindeutig von den Kosten der privaten Lebenshaltung abgrenzen lassen. Insbesondere Kosten der Kleiderreinigung fallen allgemein an. Ein aus beruflichen Gründen entstehender Mehraufwand dieser Art lässt sich ohne konkrete Angaben hierzu grundsätzlich nicht mit der erforderlichen Zuverlässigkeit schätzen (vgl. BGH, FamRZ 2007, 193).

c)

Die der Mutter entstehenden Fahrtkosten infolge der Berufsausübung können bei summarischer Betrachtung im Prozesskostenhilfeverfahren (vgl. Zöller/Philippi, a.a.O., § 114, Rz. 19; FamVerf/Gutjahr, § 1, Rz. 254) mit dem vom Kläger genannten Betrag, mit rund 293 €, angesetzt werden.

Zu Gunsten des Klägers kann unterstellt werden, dass seine Mutter zum Erreichen der Arbeitsstelle nicht auf öffentliche Verkehrsmittel verwiesen werden kann. Dabei kann dahinstehen, ob der Unterhaltspflichtige, wenn es nicht um Unterhalt für ein minderjähriges Kind, sondern um Ehegattenunterhalt oder, wie hier, um Unterhalt für ein volljähriges Kind geht, unterhaltsrechtlich in der Wahl des Verkehrsmittels freier ist (vgl. hierzu Kalthoener/ Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 9. Aufl., Rz. 934). Vorliegend spricht schon der Umstand, dass die Mutter des Klägers in Werder/Havel wohnt und in Neuruppin arbeitet, dafür, dass ihr die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar ist. Eine Internetabfrage beim Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (www.vbbonline.de) ergibt für Fahrten von Werder/Havel nach Neuruppin für die einfache Fahrt Fahrzeiten von über zwei Stunden bei mindestens dreimaligem Umsteigen.

Legt man entsprechend den Angaben in der Anlage K 11 des Schriftsatzes vom 23.5.2007 eine einfache Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte von 94 km zu Grunde und berücksichtigt nur die 76 Arbeitstage, an denen die Mutter des Klägers mit dem Pkw zur Arbeit gefahren ist, ergeben sich bei einer Entfernungspauschale von 0,25 € je km (vgl. Nr. 10.2.2 der genannten Unterhaltsleitlinien) monatliche Fahrtkosten von 298 € (= 94 km x 2 x 0,25 € x 76 Tage : 12 Monate). Schon vor diesem Hintergrund können zumindest im Prozesskostenverfahren die vom Kläger genannten 293 € angesetzt werden.

Das Hauptverfahren mag ergeben, was es mit der Angabe in der Anlage K 11 auf sich hat, dass daneben 148 Tagen die Arbeitsstätte mit übrigen Beförderungsmitteln aufgesucht worden ist. Gleiches gilt für die Klärung der Frage, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Mutter des Klägers im Zusammenhang mit den hohen Fahrtkosten eine Steuererstattung erhalten hat, die ebenfalls zum unterhaltspflichtigen Einkommen zählt (Nr. 1.7 der genannten Leitlinien).

d)

Es ergeben sich somit berufsbedingte Aufwendungen von 305 € (= 12 € + 293 €).

4.

Nach alledem stellt sich bei summarischer Betrachtung das bereinigte Einkommen der Mutter des Klägers auf 1.542 € (= 1.847 € - 305 €). Damit stehen ihr über dem Selbstbehalt von 1.010 € noch 532 € für Unterhaltszwecke zur Verfügung. Auf Seiten des Beklagten sind es unstreitig rund 1.297 €. Danach ergibt sich eine Haftungsquote des Beklagten von 70,91 % [= 1.297 € : (532 € + 1.297 €)]. Bei einem ungedeckten Bedarf des Klägers von 436 € errechnet sich ein Haftungsanteil des Beklagten von 309 €. Da der Kläger die monatlichen Zahlungen von 32 € gegen sich gelten lässt und nur den Differenzbetrag verlangt, ergibt sich ein offener Monatsbetrag von 277 €. Insoweit ist dem Kläger weitergehende Prozesskostenhilfe zu bewilligen.

5.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.

Ende der Entscheidung

Zurück