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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 27.11.2008
Aktenzeichen: 10 WF 167/08
Rechtsgebiete: FGG, BGB, VBVG


Vorschriften:

FGG § 19
FGG § 50
FGG § 56 g Abs. 5
FGG § 67 a
FGG § 67 a Abs. 2 Satz 1
FGG § 70 b
FGG § 70 b Abs. 1 Satz 3
BGB § 1836 Abs. 1
BGB § 1836 Abs. 1 Satz 1
BGB § 1836 Abs. 1 Satz 2
BGB § 1836 Abs. 3
VBVG § 1 Abs. 1 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.

Es wird festgestellt, dass die Verfahrenspflegerin die Pflegschaft berufsmäßig führt.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I.

Am 3.4.2008 hat die Mutter beantragt, ihren Sohn in einer geschlossenen Einrichtung unterzubringen. Durch Beschluss des Amtsgerichts vom selben Tag ist die Beschwerdeführerin gemäß § 70 b FGG zur Verfahrenspflegerin bestellt worden. Unter dem 11.4.2008 hat die Mutter ihren Antrag auf geschlossene Unterbringung zurückgenommen. Mit Schreiben vom 21.4.2008, später mit Schreiben vom 30.6.2008 korrigiert, hat die Beschwerdeführerin die Festsetzung einer Vergütung beantragt. Auf den Hinweis des Bezirksrevisors bei dem Landgericht Frankfurt (Oder), wonach ein Anspruch auf Vergütung nur bestehe, wenn sie als Verfahrenspflegerin berufsmäßig tätig geworden sei, hat die Beschwerdeführerin unter dem 2.7.2008 beantragt, den Bestellungsbeschluss vom 3.4.2008 dahingehend zu ergänzen, dass sie ihre Tätigkeit als Verfahrenspflegerin berufsmäßig ausführe. Durch den angefochtenen Beschluss hat das Amtsgericht den Antrag zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, eine nachträgliche Feststellung der Berufsmäßigkeit komme angesichts des eindeutigen Wortlauts der Vorschrift des § 1836 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht in Betracht. Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beschwerdeführerin mit ihrem Rechtsmittel. Sie weist insbesondere darauf hin, dass das Amtsgericht in anderen Fällen, in denen sie als Verfahrenspflegerin tätig geworden sei, eine nachträgliche Feststellung der berufsmäßigen Ausübung vorgenommen habe. Sollte das Amtsgericht schon bei der Bestellung davon ausgegangen sein, die Pflegschaft werde nicht berufsmäßig ausgeübt, so handele es sich um eine unzulässige aufgezwungene ehrenamtliche Tätigkeit.

II.

Die zulässige Beschwerde führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Entscheidung. Antragsgemäß ist die Feststellung zu treffen, dass die Beschwerdeführerin die Pflegschaft berufsmäßig führt.

1. Die Beschwerde ist gemäß § 19 FGG zulässig.

Allerdings handelt es sich bei der Bestellung eines Verfahrenspflegers um eine Zwischenentscheidung (vgl. Keidel/Kayser, FGG, 15. Aufl., § 67, Rz. 18; Keidel/Engelhardt, a.a.O., § 50, Rz. 47). Zwischenentscheidungen sind grundsätzlich unanfechtbar, es sei denn, durch sie wird unmittelbar in die Rechte eines Beteiligten eingegriffen (vgl. BayObLG, FamRZ 1996, 1023; Brudermüller, in: Gerhardt/von Heintschel-Heinegg/Klein, Handbuch des Fachanwalts Familienrecht, 6. Aufl., 1. Kap., Rz. 31; Keidel/Kahl, a.a.O., § 19, Rz. 9). Bei der Bestellung eines Verfahrenspflegers für das Kind gemäß § 50 FGG ist umstritten, ob den Eltern bzw. dem Kind wegen eines Eingriffs in Grundrechte ein Beschwerderecht zusteht (vgl. hierzu Keidel/Engel-hardt, a.a.O., § 50, Rz. 45 ff.; Johannsen/Henrich/Brudermüller, Eherecht, 4. Aufl., § 50, Rz. 28 f.; Maier, in: Gerhardt/von Heintschel-Heinegg/Klein, a.a.O., 4. Kapitel, Rz. 330).

Dem Verfahrenspfleger kann ein Beschwerderecht zustehen, wenn er, ohne dass seine diesbezügliche Bereitschaft vorher erfragt worden ist, (vgl. zu dieser Problematik Rogalla in: Salgo/ Zenz/Fegert/Bauer/Weber/Zitelmann, Verfahrenspflegschaft für Kinder und Jugendliche, Rz. 1069), bestellt wird (vgl. Johannsen/Henrich/Brudermüller, a.a.O., § 50, Rz. 29 und zu der Frage, ob im Falle der §§ 50, 70 b FGG eine Übernahmepflicht besteht, obwohl die Vorschriften der §§ 1785, 1788 Abs. 1, 1915 Abs. 1 BGB nicht unmittelbar gelten, Bienwald, Verfahrenspflegschaft, 2002, Rz. 305 ff., 752 ff.; Bienwald, Verfahrenspflegschaft, 2002, Rz. 305 ff., 752 ff.; Bienwald, Anmerkung zu BVerfG, FamRZ 2000, 1280, 1283). Ein Eingriff in seine Rechte, der ein Beschwerderecht nach § 19 FGG nach sich zieht, ist aber auch dann gegeben, wenn er zur Führung der Verfahrenspflegschaft grundsätzlich bereit ist, jedoch beanstandet, dass im Bestellungsbeschluss die Feststellung, er übe die Pflegschaft berufsmäßig aus, unterblieben ist (BGH, FamRZ 2006, 110, 114; BayObLG, FamRZ 2001, 868; OLG Frankfurt, FamRZ 2001, 790; Zimmermann, FamRZ 1999, 630, 632; Wagenitz/Engers, FamRZ 1998, 1273, 1274; Damrau/Zimmermann, Betreuungsrecht, 3. Aufl., § 1836 BGB, Rz. 9; Jansen/Zorn, FGG, 3. Aufl., § 50, Rz. 90; Bauer, in: Salgo/Zenz/Fegert/Bauer/Weber/Zitelmann, a.a.O., Rz. 1267, 1331; Dodegge, in: Dodegge/Roth, Betreuungsrecht, 2. Aufl., Teil F, Rz. 71). Das Beschwerderecht folgt schon daraus, dass die gerichtliche Anerkennung der berufsmäßigen Führung der Pflegschaft für die Vergütung konstitutive Wirkung hat (BayObLG, a.a.O.; Wagenitz/Engers, a.a.O.; Staudinger/Bienwald, BGB, Januar 2004, § 1836, Rz. 47; anders noch Bienwald, Verfahrenspflegschaft, 2002, Rz. 750 f.).

Das zulässige Rechtsmittel gegen die Zwischenentscheidung ist die einfache Beschwerde nach § 19 FGG. Die besonderen Voraussetzungen, die § 56 g Abs. 5 FGG für die Beschwerde im Rahmen des Vergütungsfestsetzungsverfahrens vorsieht, gelten hier nicht, da die Feststellung der Berufsmäßigkeit Teil des Verfahrens zur Bestellung des Betreuers, nicht Teil des Vergütungsverfahrens ist (BayObLG, a.a.O.; Zimmermann, a.a.O.).

2. Die Beschwerde ist begründet. Die Voraussetzungen dafür, die Feststellung der berufsmäßigen Führung der Pflegschaft zu treffen, sind gegeben.

a) Die Feststellung, dass die Beschwerdeführerin die Pflegschaft berufsmäßig geführt hat, ist hier noch nachträglich möglich.

aa) Bei Bestellung eines Pflegers im Unterbringungsverfahren gilt die Vorschrift des § 67 a FGG entsprechend, § 70 b Abs. 1 Satz 3 FGG. § 67 a Abs. 2 Satz 1 FGG wiederum sieht die entsprechende Geltung von § 1836 Abs. 1 und 3 BGB vor. Entsprechend § 1836 Abs. 1 Satz 1 BGB wird die Pflegschaft unentgeltlich geführt. Sie wird ausnahmsweise entgeltlich geführt, wenn das Gericht bei der Bestellung des Pflegers die Feststellung der Berufsmäßigkeit trifft, § 1836 Abs. 1 Satz 2 BGB entsprechend. Daher ist die Frage der berufsmäßigen Führung der Pflegschaft grundsätzlich bei der Bestellung zu klären. Denn das Verfahren über die Festsetzung der Vergütung soll nicht mit einem Streit über die Berufsmäßigkeit belastet und die Klärung von Zweifelsfragen deshalb in das Bestellungsverfahren vorverlagert werden (BGH, FamRZ 2006, 111, 114).

Dies hat aber nicht zur Folge, dass eine nachträgliche Feststellung der Berufsmäßigkeit schlechthin ausscheidet. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts führt die Verwendung der Begriffe "bei der Bestellung" in § 1836 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht zwingend dazu, die nachträgliche Feststellung für ausgeschlossen zu halten. Es ist schon nicht eindeutig, dass mit der genannten Formulierung gemeint ist, die Feststellung müsse stets unmittelbar zusammen mit der Bestellung erfolgen. Doch selbst wenn man davon ausginge, käme eine abweichende Auslegung unter Berücksichtigung des Gesetzeszwecks dennoch in Frage (vgl. Palandt/Hein-richs, BGB, 67. Aufl., Einleitung vor § 1, Rz. 41).

Aus dem Gesetzeszweck, die Klärung von Zweifelsfragen hinsichtlich der Berufsmäßigkeit in das Bestellungsverfahren vorzuverlagern, folgt, dass es dem bestellten Pfleger möglich sein muss, die Bestellung im Wege der unbefristeten Beschwerde mit dem Ziel der Feststellung anzufechten, die Betreuung werde berufsmäßig geführt. In einem solchen Fall wirkt die Feststellung auf den Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung zurück. Sofern es für die geltend gemachten Ansprüche auf die Feststellung der Berufsmäßigkeit ankommt, kann der Beschluss folglich auch schon für die Zeit vor seiner Wirksamkeit Vergütungsansprüche oder Ansprüche auf Aufwendungsersatz begründen (BGH, a.a.O.; MünchKomm/Wagenitz, BGB, 5. Aufl., § 1836, Rz. 6).

Dementsprechend kommt auch vorliegend, nachdem die Beschwerdeführerin ein unbefristetes Rechtsmittel mit dem Ziel der Ergänzung des Bestellungsbeschlusses um die Feststellung der Berufsmäßigkeit eingelegt hat, in Betracht, die begehrte Feststellung nunmehr zu treffen.

bb) Da die Verfahrenspflegerin vorliegend ihr Rechtsmittel im Bestellungsverfahren eingelegt hat, kann dahinstehen, ob daran festzuhalten ist, dass die Feststellung der Berufsmäßigkeit uneingeschränkt auch noch im Vergütungsfestsetzungsverfahren, gegebenenfalls durch das Beschwerdegericht, erfolgen kann (so Senat, FamRZ 2004, 1403 mit kritischer Anmerkung Bienwald; OLG Karlsruhe, NJWE-FER 2001, 312; OLG Dresden, FamRZ 2003, 935; OLG Hamm, FamRZ 2004, 1324; Karmasin, FamRZ 1999, 348, 349; Jansen/Sonnenfeld, a.a.O., § 70 b, Rz. 30; Damrau/Zimmermann, a.a.O.; vgl. auch OLG Frankfurt, FG Prax 2003, 176 f.) oder ob insoweit eine rückwirkende Feststellung bis auf den Tag der Betreuerbestellung - je nach Fallgestaltung - etwa ausgeschlossen ist (vgl. hierzu BayObLG, FamRZ 2001, 868; FamRZ 2001, 1484, 1485; Jansen/Zorn, a.a.O., § 50, Rz. 89; Wagenitz, a.a.O.; Dodegge, a.a.O., Teil F, Rz. 71; Jürgens, Betreuungsrecht, 3. Aufl. § 1 VBVG, Rz. 9; Staudinger/Bien-wald, a.a.O., § 1836, Rz. 26 ff.).

b) Die Beschwerdeführerin führt die Pflegschaft berufsmäßig. Dabei kommt es vorliegend nicht darauf an, ob ein Regelfall entsprechend § 1 Abs. 1 Satz 2 VBVG feststellbar ist. Vielmehr ist, wenn, wie vorliegend, eine Rechtsanwältin zur Pflegerin bestellt worden ist, von einer berufsmäßigen Ausübung unabhängig von der Zahl der übernommenen Einzelfälle immer schon dann auszugehen, wenn der Aufgabenkreis zu ihrer Berufstätigkeit gehört (OLG Frankfurt, FamRZ 2001, 790; Bauer, a.a.O., Rz. 1273, jeweils unter Bezugnahme auf BT-Druck-sache 13/10331, S. 41; vgl. auch Bienwald, Verfahrenspflegschaft, Rz. 328 einerseits, Rz. 764 ff. andererseits). Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass eine unentgeltliche Führung von Pflegschaften nur dann in Betracht kommt, wenn dies dem Leitbild der echten Einzelpflegschaft, die als allgemeine staatsbürgerliche Pflicht in der Freizeit zu erfüllen ist, entspricht, während von einer Führung im Rahmen der Berufsausübung auszugehen ist, wenn deren Übernahme nur im Rahmen einer Berufstätigkeit erwartet werden kann und die Pflegschaft dem Pfleger gerade im Hinblick auf seine Ausbildung und beruflichen Kenntnisse übertragen wurde, wie es insbesondere bei Rechtsanwälten und Steuerberatern häufig der Fall ist (OLG Frankfurt, a.a.O.; Bauer, a.a.O., Rz. 1269, jeweils unter Bezugnahme auf BVerfG, NJW 1980, 2179; vgl. auch OLG Brandenburg - 3. Senat für Familiensachen -, Beschluss vom 2.9.2002 - 15 WF 191/02 -, veröffentlicht bei juris).

Die Beschwerdeführerin ist Fachanwältin für Familienrecht und demzufolge in dem Aufgabenkreis, der die Pflegschaft betrifft, ohnehin berufsmäßig tätig. Vor diesem Hintergrund ist eindeutig davon auszugehen, dass sie auch die Pflegschaft berufsmäßig führt, eine Feststellung, die das Amtsgericht unschwer jedenfalls dann selbst hätte treffen können, wenn es die gebotene Anhörung der Beschwerdeführerin - etwa auch telefonisch - vor ihrer Bestellung durchgeführt hätte.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 131 Abs. 1 Satz 2 KostO, 13 a Abs. 1 Satz 1 FGG.

Ende der Entscheidung

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