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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 11.09.2007
Aktenzeichen: 10 WF 201/07
Rechtsgebiete: FGG, RPflG, EGBGB, BVormVG


Vorschriften:

FGG § 16
FGG § 50 Abs. 1
FGG § 50 Abs. 4
FGG § 50 Abs. 5
FGG § 56g Abs. 5
FGG § 67a Abs. 5
RPflG § 11 Abs. 1
EGBGB Art. 229 § 14
BVormVG § 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

10 WF 201/07 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In der Familiensache betreffend die elterliche Sorge für die Kinder H... G..., geboren am ...1993, M... G..., geboren am ...1995, D... G..., geboren am ...1998 und N... G..., geboren am ...1999

hat der 2. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Prof. Schael, die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Liceni-Kierstein und den Richter am Oberlandesgericht Gutjahr

am 11. September 2007

beschlossen:

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde des Beteiligten wird der Beschluss des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg vom 22. Dezember 2005 unter Zurückweisung seines weitergehenden Rechtsmittels teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst.

Die aus der Landeskasse zu Gunsten des früheren Verfahrenspflegers H... P... zu zahlende Vergütung wird auf 1.335,34 € festgesetzt.

Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

Nachdem das Verfahren in der Hauptsache an das Amtsgericht Strausberg abgegeben worden ist, hat der Senat über die gemäß §§ 50 Abs. 5, 67a Abs. 5, 56 g Abs. 5 FGG, 11 Abs. 1 RPflG zulässige sofortige Beschwerde des Beteiligten zu entscheiden. Die Verweisung der Sache an das Amtsgericht Strausberg hat nämlich zur Folge, dass bei Rechtsbehelfen in Nebenverfahren so zu entscheiden ist, als stamme die angefochtene Entscheidung von dem Gericht, an das die Hauptsache abgegeben worden ist.

Die sofortige Beschwerde hat in der Sache teilweise Erfolg. Allerdings kann der Beschwerdeführer über die vom Amtsgericht bereits dem Grunde nach zutreffend festgestellte Vergütung hinaus keinen weiteren vergütungsfähigen Zeitaufwand bzw. keinen weiteren Aufwendungsersatz gegenüber der Staatskasse geltend machen. Das gemäß Art. 229 § 14 EGBGB nach altem Recht zu beurteilende Rechtsmittelbegehren des Beteiligten hat nur deshalb Erfolg, weil dem Amtsgericht im Rahmen seiner Vergütungsfestsetzung ein Rechenfehler unterlaufen ist. Zu Gunsten des Beschwerdeführers errechnet sich ein Vergütungsanspruch in Höhe von insgesamt 1.335, 34 € (und nicht nur von 1.277,54 €).

1.

Die Positionen 102 bis 113 aus der Abrechnung des Beteiligten vom 23.9.2004 sind erst nach Aufhebung der Verfahrenspflegschaft entstanden und deshalb nicht vergütungsfähig.

Die Verfahrenspflegschaft endet nach § 50 Abs. 4 FGG u. a. mit ihrer Aufhebung durch das Gericht. Mit der Bekanntmachung des Aufhebungsbeschlusses vom 21.5.2004 ist dieser gemäß § 16 FGG wirksam geworden. Die Aufhebungsentscheidung des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg ist dem Beteiligten bereits am 24.5.2004 per Fax zugegangen. Die Verfahrenspflegschaft des Beschwerdeführers ist danach am 24.5.2004 erloschen. Von diesem Zeitpunkt der Bekanntgabe des ihm von seinen Aufgaben als Verfahrenspfleger entbindenden Beschlusses an durfte der Beschwerdeführer nicht mehr in seinem bisherigen Wirkungskreis tätig werden und damit auch nicht mehr die betroffenen vier Kinder vertreten. Mangels Vertretungsbefugnis für die Kinder konnte der Verfahrenspfleger folglich nicht mehr Handlungen "zur Wahrnehmung ihrer Interessen" im Sinne von § 50 Abs. 1 FGG vornehmen. Vergütungsfähig ist aber nur der für die sachgemäße "Wahrnehmung der Interessen des Kindes" im jeweiligen Verfahren erforderliche Zeitaufwand. Der Verfahrenspfleger ist ausschließlich zur Interessenwahrnehmung des Kindes eingesetzt. Er hat kein eigenes Recht auf Fortdauer bzw. Fortbestand der Verfahrenspflegschaft. Ihm steht folglich auch kein eigenes Recht auf weitere Amtsausübung zu. Im Streitfall musste deshalb ab Kenntniserlangung am 24.5.2004 wegen des erloschenen Amtes als Verfahrenspfleger sämtliches weitere Handeln unterbleiben. Nimmt ein Verfahrenspfleger im Widerspruch zu dem ihm bekannt gemachten Aufhebungs-beschluss und seiner Aufgabenentbindung gleichwohl weitere Handlungen vor, so handelt es sich dabei um einen nicht vergütungsfähigen Zeitaufwand.

So liegt der Fall hier hinsichtlich der Positionen 103 bis 113 aus der Abrechnung des Beschwerdeführers vom 23.9.2004, worauf ihn auch das Amtsgericht bereits zutreffend hingewiesen hat.

Die Position 102 vom 24.5.2004 ist ebenfalls nicht zu vergüten. Der Verfahrenspfleger kann nur das abrechnen, was zur Vorbereitung einer allein am Kindeswohl orientierten Entscheidung des Gerichts erforderlich ist. Der Zeitaufwand für das Lesen des Aufhebungsbeschlusses vom 21.5.2004 zählt dazu nicht. Das gilt umso mehr, als dieser nach den Ausführungen des Amtsgerichts auf die fehlende sachgemäße Wahrnehmung der Kindesinteressen durch den Beschwerdeführer zurückzuführen ist.

2.

Die weiteren streitbefangenen Abrechnungspositionen stellen nach dem gesetzlich bestimmten Zweck der vorliegenden Verfahrenspflegschaft ebenfalls keinen vergütungsfähigen Zeitaufwand dar.

Der dem Verfahrenspfleger nach §§ 50 Abs. 5, 67 a Abs. 5 FGG zustehende Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen und auf eine Vergütung entsprechend § 1 BVormVG bezieht sich nur auf diejenigen Zeiten und Aufwendungen, die den vom Gesetz dem Verfahrenspfleger zugewiesenen Aufgabenkreis betreffen. Die Funktion und Aufgabe des Verfahrenspflegers besteht darin, das Kind in dem Verfahren, für das es bestellt wurde (hier: die Scheidungsfolgensache elterliche Sorge) zu begleiten, seine Interessen zu erkennen und diese im Verfahren zur Geltung zu bringen. Dagegen gehört es nicht zu den zugewiesenen Amtsgeschäften des Verfahrenspflegers, sich an der Erforschung der dem Kindeswohl am besten dienenden Entscheidung zu beteiligen. Auch Explorationen zur Familienanamnese, Ermittlungen wegen des weiteren Vorgehens in dem Sorgerechtsverfahren, Vermittlungsversuche zwischen den Eltern oder Hilfestellungen bei der Umsetzung einer Umgangsregelung zählen nicht dazu. Erst recht fällt es nicht in den Aufgabenkreis des Verfahrenspflegers, im Sinne einer Familienhilfe beratend oder unterstützend tätig zu werden bei der Überwindung von Problemen bzw. zur Förderung der Erziehung und zur allgemeinen Unterstützung der Familie.

Aber auch soweit der Verfahrenspfleger im Rahmen der ihm zugewiesenen Amtsgeschäfte tätig wird, ist nur der für die sachgemäße Wahrnehmung der Interessen des Kindes im jeweiligen Verfahren objektiv erforderliche Zeitaufwand zu vergüten. Hierbei ist darauf abzustellen, welchen Zeitaufwand ein sorgfältig arbeitender, effektiv den subjektiven Belangen des betroffenen Kindes Rechnung tragender und durchschnittlich zügig arbeitender Verfahrenspfleger im konkreten Fall entfaltet hätte.

Zwar ist der Beteiligte vorliegend umfänglich tätig geworden. Wie vom Amtsgericht bereits festgestellt worden ist, hat er dabei jedoch in weitem Umfang Tätigkeiten ausgeübt, die nicht mehr zu dem Aufgabenkreis seiner Verfahrenspflegschaft für die 4 betroffenen Kinder gehörten. Insoweit hat der Beschwerdeführer seine Handlungen auch nicht in Abstimmung oder sogar auf Bitten des Amtsgerichts vorgenommen. Zutreffend ist die Rechtspflegerin deshalb in dem angefochtenen Beschluss davon ausgegangen, dass es sich bei der vom Beteiligten abgerechneten Tätigkeit zu einem großen Teil nicht mehr um einen dem Aufgabenkreis der am 27.6.2003 angeordneten Verfahrenspflegschaft zuzurechnende Zeitaufwand handelt. Hierzu gehören die Abrechnungspositionen 17, 21 bis 34, 36 und 37, 41 bis 47, 49 bis 52, 54 bis 61, 66 bis 69, 74, 80, 82, 86 bis 89, 94 bis 97 sowie 100 und 101.

Die darunter dokumentierten Gespräche mit den Eltern dienten nicht mehr der Ermittlung des Kindeswillens, sondern der allgemeinen Unterstützung und der Bewältigung der vorhandenen Probleme in der Familie, die so erheblich gewesen sind, dass vom Amtsgericht eine Herausnahme der Kinder in Erwägung gezogen wurde. Ferner betrafen die Gespräche vielfach Fragen des Umgangs des bei dem Vater lebenden Kindes H... mit der Mutter. In dem vorliegenden Verfahren ging es aber allein um die Scheidungsfolgensache "elterliche Sorge", sodass Umgangsfragen nicht zu den zugewiesenen Amtsgeschäften des Verfahrenspflegers gehörten. Weiterhin zählte es nicht zum Aufgabenkreis des Verfahrenspflegers, im Vorfeld der Abfassung des schriftlichen Gutachtens Gespräche mit der Sachverständigen zu führen. Auch der Umstand, dass es sich teilweise um unaufgeforderte Kontaktaufnahmen mit dem Verfahrenspfleger handelte, ändert an der vorstehenden Beurteilung nichts.

Nach dem Wirkungskreis der Verfahrenspflegschaft war es ebenfalls nicht Aufgabe des Beschwerdeführers, sich um Gerichtstermine zu kümmern. Das Amtsgericht ist zuständig für die Verfahrensgestaltung, die es nach pflichtgemäßem Ermessen vornimmt. Vorliegend sind keine Umstände ersichtlich, die es erforderlich gemacht hätten, Einfluss auf das gerichtliche Verfahren und die Terminierung durch das Amtsgericht zu nehmen. Schließlich kann der Beschwerdeführer keine Vergütung für kurze telefonische Terminabsprachen mit dem Gericht oder die Entgegennahme bzw. das Lesen einer entsprechenden Kurzmitteilung abrechnen. Diese Tätigkeiten betreffen nicht den Kernbereich der vom Gesetz dem Verfahrenspfleger zugewiesenen Tätigkeiten und sind nicht gesondert zu vergüten. Ein solcher und - wie auch hier - in der Regel hier nur geringfügiger büromäßiger Zeitaufwand wird vielmehr durch den Anspruch des Verfahrenspflegers auf Vergütung des Zeitaufwands für seine gesetzlich bestimmte Hauptaufgabe - die Ermittlung des Kindeswillens - im Allgemeinen mit abgegolten.

Die für den 9.10.2003 in Ansatz gebrachte Gesprächsvorbereitung gemäß Position Nr. 38 der Abrechnung war objektiv nicht erforderlich. Der Verfahrenspfleger hatte bereits am 31.7.2003 (125 Minuten lang) mit H... beim Vater gesprochen. Für die bloße Ermittlung des Kindeswillens und die Wahrnehmung der Interessen von H... bedurfte des daher nicht der vorbereitenden Ausarbeitung eines Fragenkatalogs im Hinblick auf das zweite (190 Minuten dauernde) Treffen des Verfahrenspflegers mit H... am 9.10.2003.

3.

Zu Recht macht der Beschwerdeführer allerdings geltend, dass dem Amtsgericht im Rahmen seines Festsetzungsbeschlusses vom 22.12.2005 ein Rechenfehler unterlaufen ist. Entgegen der Auffassung des Beteiligten beläuft sich dieser jedoch nur auf eine Differenz in Höhe von 57,80 € (und nicht von 73,33 €).

Die Summe der nach dem vorstehend Gesagten vorzunehmenden Absetzungen beträgt nicht 762 Minuten, sondern lediglich 632 Minuten. Multipliziert mit dem vom Amtsgericht nicht beanstandeten Vergütungssatz von 0,3833 € und unter Hinzurechnung des im Zeitpunkt der Rechnungslegung des Beschwerdeführers geltenden Mehrwertsteuersatzes errechnet sich ein Abzugsbetrag von 281,01 €. Dieser ist von dem von dem Beteiligten geforderten Gesamtbetrag von 1.616,35 € abzusetzen. Unter Berücksichtigung dieser Abzugsposition verbleibt ein zu Gunsten des Beschwerdeführers gemäß §§ 50 Abs. 5, 67 a Abs. 5 FGG festzusetzender Anspruch auf Vergütung und Aufwendungsersatz in Höhe von 1.335,34 € (und nicht von 1.277,54 €).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 13 a Abs. 1 Satz 1 FGG.

Ende der Entscheidung

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