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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 30.03.2007
Aktenzeichen: 10 WF 270/06
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 127 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 767
BGB § 1606 Abs. 3 Satz 2
BGB § 1614 Abs. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

10 WF 270/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In der Familiensache

hat der 2. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch die Richterin am Oberlandesgericht Berger als Einzelrichterin

am 30. März 2007

beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Fürstenwalde vom 30. Oktober 2006 wird zurückgewiesen.

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Amtsgerichts Fürstenwalde vom 30. Oktober 2006 abgeändert, soweit er den Prozesskostenhilfeantrag der Beklagten zurückweist. Der Beklagten wird zur Abwehr der Klage uneingeschränkt Prozesskostenhilfe bewilligt.

Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

1.

Die Beschwerde des Klägers gegen den Prozesskostenhilfe teilweise versagenden Beschluss des Amtsgerichts ist als sofortige Beschwerde gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO anzusehen und als solche zulässig. Sie ist jedoch unbegründet. Weitergehende Prozesskostenhilfe als durch das Amtsgerichts bereits bewilligt kann dem Kläger nicht gewährt werden. Denn die beabsichtigte Klage bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Die Zwangsvollstreckungsabwehrklage gemäß § 767 ZPO ist unbegründet. Zwar kann in diesem Verfahren grundsätzlich geltend gemacht werden, dass der Gläubiger auf die titulierte Forderung verzichtet habe (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 26. Aufl., § 767, Rz. 12, Stichwort "Verzicht"). Ein Verzicht der Beklagten auf die Zwangsvollstreckung aus der Jugendamtsurkunde vom 24.9.2002 (F. 3...) liegt aber nicht vor. Ein solcher ist in den im Verfahren vor dem Amtsgericht Fürstenwalde zum Az. 9 F 323/03 abgegebenen Erklärungen vom 8.9. und 13.10.2004 gerade nicht enthalten. Diese Erklärungen beziehen sich nämlich ausdrücklich nur auf die Rechte aus der Jugendamtsurkunde vom 26.1.1996 (F 6...), die durch die Jugendamtsurkunde vom 24.9.2002 abgeändert worden ist. In den Erklärungen vom 8.9. und 13.10.2004 kann auch kein weitergehender Verzicht auf die Vollstreckung aus der späteren Jugendamtsurkunde gesehen werden. Denn an diesen Titel haben die Parteien seinerzeit nach ihrem insoweit übereinstimmenden Vortrag nicht gedacht, sodass er auch nicht gemeint gewesen sein kann. Im Übrigen kann gemäß § 1614 Abs. 1 BGB auf künftigen Unterhalt nicht verzichtet werden (s. a. Wendl/ Scholz, Unterhaltsrecht, 6. Aufl., § 2, Rz. 521), sodass sich eine Verzichtserklärung nur auf den bis zu ihrer Abgabe zu zahlenden Unterhalt auswirken könnte.

Der vom Kläger mit der Mutter der Beklagten geschlossene "Vertrag" vom 1.10.2002 wirkt sich auf die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung der Beklagten aus der Jugendamtsurkunde vom 24.9.2002 nicht aus. Denn der Vertrag ist von den Eltern geschlossen worden, die Mutter hat im eigenen Namen gehandelt, sodass schon deshalb der Unterhaltsanspruch der Beklagten nicht unmittelbar betroffen sein kann. Auch insoweit wäre im Übrigen § 1614 Abs. 1 BGB zu beachten.

Die Zwangsvollstreckung aus der Jugendamtsurkunde vom 24.9.2002 ist auch nicht deshalb unzulässig, weil der Kläger nach seinem Vorbringen seine Unterhaltsverpflichtung jedenfalls teilweise erfüllt und die Beklagte tatsächlich versorgt hat. Denn die Beklagte lebt im Haushalt ihrer allein sorgeberechtigten Mutter, die gemäß § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB ihre Unterhaltsverpflichtung durch Pflege und Erziehung erfüllt. Der nicht betreuende Kläger ist allein barunterhaltspflichtig. Er kann nur im Einvernehmen mit der sorgeberechtigten Mutter einen Teil des Barunterhalts auch in Form von Sachleistungen erbringen (vgl. dazu Wendl/Scholz, a.a.O., § 2, Rz. 12). Ein solches Einvernehmen hat der Kläger aber nicht behauptet.

Der Einwand der Leistungsunfähigkeit kann im Rahmen der Vollstreckungsabwehrklage nicht berücksichtigt werden. Allerdings bestände auch, soweit der Kläger niedrigeren Unterhalt als 150 € monatlich zahlen will, keine Erfolgsaussicht. Denn der Kläger hat hinreichende Bemühungen um Arbeit nicht dargelegt (vgl. dazu Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 9. Aufl., Rz. 617 ff.). Er war aus unterhaltsrechtlicher Sicht auch nicht berechtigt, von solchen Arbeitsplatzbemühungen abzusehen und eine selbständige Tätigkeit aufzunehmen. Zwar muss die Wahl selbständiger Berufsausübung im Hinblick auf das Grundrecht freier Berufswahl grundsätzlich respektiert werden. Dies gilt aber nur, wenn nach den Umständen eine dauerhafte Verschlechterung der Leistungsfähigkeit nicht zu erwarten ist. Zudem ist der Unterhaltsschuldner in der Regel verpflichtet, Vorsorge, etwa durch Ansparen oder Kreditaufnahme, zu treffen, sodass die Unterhaltsleistungen trotz des Berufswechsels, jedenfalls für eine Übergangszeit, deren Dauer mit zwei bis drei Jahren nicht unzumutbar lang bemessen ist, gesichert bleiben (vgl. dazu Kalthoener/Büttner/Niepmann, a.a.O., Rz. 642). Vorliegend ist nicht erkennbar, aus welchen Gründen der Kläger meinte, er könne mit der Aufnahme der selbstständigen Tätigkeiten ein mit seinem bisherigen Einkommen aus abhängiger Beschäftigung vergleichbares Einkommen erzielen. Da der Kläger auch keine Vorsorge getroffen hat, diese wegen der beengten finanziellen Verhältnisse wohl auch nicht treffen konnte, durfte er eine selbständige Tätigkeit nicht aufnehmen.

Der Kläger muss sich daher fiktives Einkommen, das er mit einer angestellten Tätigkeit erzielen könnte, zurechnen lassen. Im Hinblick darauf, dass er mit seiner letzten, im August 2002 aufgenommenen abhängigen Tätigkeit ein Einkommen von 9,20 €/Stunde erzielt hat, kann unter Berücksichtigung seiner Ausbildung und seines bisherigen beruflichen Werdegangs angenommen werden, dass er ein durchschnittliches Monatsnettoeinkommen von 1.000 € erzielen könnte, sodass unter Berücksichtigung des notwendigen Selbstbehalts noch 170 € für Unterhaltszwecke zur Verfügung ständen.

2.

Die Beschwerde der Beklagten gegen den Prozesskostenhilfe teilweise versagenden Beschluss des Amtsgerichts ist als sofortige Beschwerde gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO anzusehen und als solche zulässig. Sie ist auch begründet. Da die Klage aus den dargestellten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, ist der Beklagten zur Abwehr der Klage uneingeschränkte Prozesskostenhilfe zu bewilligen.

Die Nebenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.

Ende der Entscheidung

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