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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 26.02.2007
Aktenzeichen: 10 WF 285/06
Rechtsgebiete: ZPO, Regelbetrag-VO, BGB
Vorschriften:
ZPO § 114 | |
ZPO § 127 Abs. 2 Satz 2 | |
ZPO § 572 Abs. 3 | |
Regelbetrag-VO § 2 | |
BGB § 1606 Abs. 3 Satz 2 | |
BGB § 1612 a Abs. 1 |
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss
10 WF 285/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht
In der Familiensache
hat der 2. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die sofortige Beschwerde der Klägerin vom 23. November 2006 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Prenzlau vom 23. Oktober 2006 durch den Richter am Oberlandesgericht Gutjahr als Einzelrichter
am 26. Februar 2007
beschlossen:
Tenor:
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.
Kosten werden nicht erstattet.
Gründe:
Die gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Entscheidung. Dem Kläger kann Prozesskostenhilfe nicht aus den vom Amtsgericht angeführten Gründen in vollem Umfang versagt werden.
1.
Das Amtsgericht hat der beabsichtigten Rechtsverfolgung zu Unrecht in vollem Umfang die Erfolgsaussicht abgesprochen. Mit der Beschwerde verfolgt der Kläger sein Abänderungsbegehren nur noch für die Zeit ab August 2005 weiter. Insoweit besteht eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass der durch Jugendamtsurkunden titulierte Unterhalt herabzusetzen ist.
a)
Der Kläger hat sich durch Jugendamtsurkunden vom 1.4.2004 dazu verpflichtet, für jedes der drei beklagten Kinder Unterhalt in Höhe von 72 % des jeweiligen Regelbetrages der jeweiligen Altersstufe gemäß § 2 Regelbetrag-VO zu zahlen. Jedenfalls im Prozesskostenhilfeverfahren ist zu seinen Gunsten davon auszugehen, dass es sich um eine einseitig errichtete Jugendamtsurkunde handelt und er ohne jede Bindung an die Urkunde Abänderung des Unterhaltstitels und Bemessung des Unterhalts allein nach den zum jeweiligen Zeitpunkt bestehenden Verhältnissen verlangen kann (vgl. dazu näher Senat, FamRZ 2006, 1849 f.).
b)
Zu Recht ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass den Kläger, obwohl die beiden Geschwister A... und Aa... der Beklagten inzwischen in seinem Haushalt leben, eine gesteigerte Erwerbsobliegenheit weiterhin trifft. Bei Geschwistertrennung erfüllt nämlich jeder Elternteil, der mindestens eines von mehreren gemeinsamen minderjährigen Kindern betreut, nur gegenüber den bei ihm befindlichen Kindern seine Unterhaltspflicht durch Pflege und Erziehung, § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB. Den anderen Kindern ist er grundsätzlich zum Barunterhalt verpflichtet. Jedes Kind hat daher gegen den Elternteil, bei dem es nicht lebt, Anspruch auf Barunterhalt, dessen Höhe sich nach dem anrechenbaren Einkommen dieses Elternteils richtet (Wendl/Scholz, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Aufl., § 2, Rz. 309).
c)
Aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung kommt ein Abzug von Schulgeld, Busgeld und Essengeld vom Einkommen des Klägers nicht in Betracht.
d)
Die Einkommensverhältnisse des Klägers, die für die Unterhaltsbemessung ab August 2005 maßgebend sind, erlauben aber nicht mehr die Zahlung von Kindesunterhalt in der titulierten Höhe.
aa)
Auszugehen ist von den Gewinnen, die der Kläger nach den nicht angefochtenen Feststellungen des Amtsgerichts in seiner Nichtabhilfeentscheidung vom 7.12.2006 für die Jahr 2001 bis 2004 festgestellt hat. Wegen der meist stark schwankenden Einkünfte von Gewerbetreibende und Freiberuflern ist zur Ermittlung des unterhaltsrechtlich bedeutsamen Einkommens grundsätzlich ein möglichst zeitnaher Mehrjahresdurchschnitt zu bilden, wobei in der Regel auf den Zeitraum von drei Jahren abgestellt werden kann (vgl. Wendl/Kemper, a.a.O., § 1, Rz. 274). Da es nur noch um Unterhalt ab August 2005 geht, kommt für die Monate August bis Dezember 2005 das Heranziehen des Dreijahreszeitraums von 2003 bis 2005 in Betracht, für die Zeit ab Januar 2006 die Zugrundelegung des Dreijahreszeitraums von 2004 bis 2006. Bei summarischer Betrachtung im Prozesskostenhilfeverfahren (vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 26. Aufl., § 114, Rz. 19; Verfahrenshandbuch Familiensachen, FamVerf/Gutjahr, § 1, Rz. 254) kann aber zunächst auf die allein belegten Jahre und somit auf den Dreijahreszeitraum von 2002 bis 2004 abgestellt werden. Innerhalb dieses Zeitraumes hat der Kläger insgesamt einen Gewinn von 54.324 € (= 18.601 € + 16.032 € + 19.691 €) erzielt. Damit ergibt sich ein monatlicher Durchschnittsbetrag von rund 1.509 € (= 54.324 € : 36 Monate).
bb)
Abzusetzen sind nach dem so genannten In-Prinzip (vgl. Johannsen/Henrich/Büttner, Eherecht, 4. Aufl., § 1361, Rz. 144) die in den jeweiligen Jahren geleisteten Steuern.
Es kommt somit bei Zugrundelegung des Dreijahreszeitraums von 2002 bis 2004 auf die in diesen Jahren geleisteten Steuern an. Die vom Kläger vorgelegten Steuerbescheide für die Jahre 2003 und 2004 sind danach, weil sie erst im Jahr 2006 erteilt worden sind, das außerhalb des Dreijahreszeitraums liegt, ohne Belang. Anders verhält es sich grundsätzlich mit dem Steuerbescheid für 2002, der im Jahr 2004 erteilt worden ist. Nach dem vorgelegten Bescheid hatte der Kläger Steuern aber nicht zu leisten. Das Hauptverfahren mag ergeben, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Kläger in den jeweils maßgeblichen Jahren Steuern gezahlt hat.
cc)
Als Vorsorgeaufwendung abzugsfähig sind die Beiträge zur privaten Krankenversicherung mit unstreitig rund 204 €.
Ein Abzug von 19,5 % des Bruttoeinkommens für Altersvorsorgeaufwendungen kommt entgegen der Auffassung des Klägers nicht in Betracht. Wie das Amtsgericht in seiner Nichtabhilfeentscheidung zutreffend ausgeführt hat, können nur tatsächliche Aufwendungen Berücksichtigung finden (vgl. BGH, FamRZ 2007, 193 f.). Solange der Kläger für die Altersvorsorge tatsächlich nichts aufwendet, kommt eine Herabsetzung seines für Unterhaltszwecke zur Verfügung stehenden Einkommens nicht in Betracht.
dd)
Danach ergibt sich ein bereinigtes Einkommen des Klägers von 1.305 € (= 1.509 € - 204 €). Angesichts eines notwendigen Selbstbehalts von 820 € (Nr. 21.2 der Unterhaltsleitlinien des Brandenburgischen Oberlandesgerichts, Stand 1.7.2005) stehen dem Kläger 485 € für Unterhaltszwecke zur Verfügung.
ee)
Da der Kläger bei einer Verteilungsmasse von 485 € nicht einmal in der Lage ist, für jeden der drei Beklagten den Regelbetrag zu leisten, ist eine Mangelverteilung vorzunehmen. Dabei sind die Unterhaltsansprüche anteilig zu kürzen, wobei der gekürzte Anspruch sich aus dem Quotienten von Verteilungsmasse und Summe der Einsatzbeträge, multipliziert mit dem jeweiligen Einsatzbetrag, errechnet (BGH, FamRZ 2003, 361, 367; Johannsen/Henrich/Graba, a.a.O., § 1603, Rz. 20). Auch wenn für gleichrangige Kinder grundsätzlich als Einsatzbetrag ein solcher von 135 % des Regelbetrages nach der Regelbetrag-VO zu Grunde zu legen ist, erübrigt sich ein Ansatz in dieser Höhe im Verhältnis der Kinder zueinander, denn ohne Einbeziehung eines auf den Ehegatten entfallenden Betrages kann es insoweit nicht zu Verzerrungen kommen (BGH, FamRZ 2003, 363, 367). Als Einsatzbetrag kann daher der Regelbetrag herangezogen werden. Danach ergibt sich folgende Berechnung:
Einsatzbeträge:
Beklagte zu 1. | 269 € |
Beklagte zu 2. | 269 € |
Beklagter zu 3. | 188 € |
726 € |
Kürzungsfaktor: 66,80 % (= 485 € : 726 €).
Es entfallen auf
die Beklagte zu 1. | 180 € (= 66,80 € x 269 €), |
die Beklagte zu 2. | 180 € (= 66,80 € x 269 €), |
der Beklagte zu 3. | 126 € (= 66,80 € x 188 €). |
ff)
Der Kläger hat sich durch die Jugendamtsurkunden verpflichtet, 72 % des Regelbetrages nach § 2 Regelbetrag-VO zu zahlen. Dies sind für die der 3. Altersstufe angehörenden Beklagten zu 1. und 2. jeweils 194 €, für den der 1. Altersstufe angehörenden Beklagten zu 3. hingegen 136 €. Die soeben im Wege der Mangelverteilung ermittelten Beträge liegen um 10 bzw. 14 € darunter. Auch wenn sich eine Abweichung von wenigstens 10 % gegenüber dem titulierten Unterhalt nicht ergibt, ist, zumal es sich bei den Unterhaltstiteln um Jugendamtsurkunden handelt, bei summarischer Betrachtung von einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse, die eine Abänderung gebietet, auszugehen (vgl. FamVerf/Schael, § 1, Rz. 401).
gg)
Das Hauptverfahren mag ergeben, ob von einem höheren bereinigten Einkommen des Klägers mit Rücksicht auf einen Wohnvorteil, wie von den Beklagten mit Schriftsatz vom 20.9.2006 geltend gemacht, auszugehen ist. Voraussetzung hierfür ist, dass der Kläger mietfrei im eigenen Hause wohnt. Sollte dies der Fall sein, wäre unter Berücksichtigung von Größe und Ausstattung des Hauses der objektive Mietwert zu bestimmen und hiervon die verbrauchsunabhängigen Kosten, d. h. solche Kosten, mit denen ein Mieter üblicherweise nicht belastet wird, abzusetzen (vgl. Nr. 5 der genannten Unterhaltsleitlinien).
2.
Vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass für den laufenden Unterhalt eine Abänderung auf Festbeträge, wie sie dem Kläger ausweislich der Beschwerdeschrift offenbar vorschweben, nicht in Betracht kommt. Allerdings ist nach der ständigen Rechtssprechung des Senats auch dann, wenn dynamisierter Unterhalt nach § 1612 a Abs. 1 BGB geltend gemacht wird, der zu leistende Unterhalt so weit wie möglich zu beziffern, also für zurückliegenden und laufenden Unterhalt bis zum In-Kraft-Treten der nächsten Regelbetrag-Anpassungsverordnung. Erst von diesem Zeitpunkt an ist der Unterhalt in einem bestimmten Vomhundertsatz eines jeweiligen Regelbetrages auszudrücken (Schael, FPR 2002, 40, 42; FamVerf/Schael, § 1, Rz. 307).
Vor diesem Hintergrund ist, vorbehaltlich von Rechtsänderungen, die sich auf Grund des Unterhaltsrechtsänderungsgesetzes, dessen In-Kraft-Treten im Moment nicht absehbar ist, ergeben können, der Unterhalt für die Zeit bis einschließlich Juni 2007 als Festbetrag anzugeben.
Für die Zeit ab Juli 2007 hingegen ist auch auf die Abänderungsklage des Klägers hin Unterhalt in Höhe eines Vomhundertsatzes des jeweiligen Regelbetrages auszudrücken. Nachdem nämlich dynamisierter Unterhalt tituliert worden ist, steht es nicht mehr im Belieben des Klägers, im Wege der Abänderungsklage hiervon abzurücken.
3.
Die Sache ist gemäß § 572 Abs. 3 ZPO an das Amtsgericht zurückzuverweisen, da dort noch Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Kläger nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen in der Lage ist, die Kosten der Prozessführung aufzubringen, § 114 ZPO (vgl. auch FamVerf/Gutjahr, § 1, Rz. 197). Denn bislang liegt lediglich eine Erklärung des Klägers über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 4.9.2006 vor, in der er zum Beleg für sein Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit lediglich einen im Jahr 2006 erteilten Steuerbescheid für das Jahr 2003 vorgelegt hat. Dies reicht als Einkommensbeleg nicht aus. Auch wenn die selbstständige Partei im Prozesskostenhilfeverfahren nicht sein Einkommen eines Mehrjahreszeitraum darzulegen und zu belegen hat, wie es im Unterhaltsverfahren regelmäßig erforderlich ist, muss es zumindest eine Einnahmen- und Überschussberechnung für das Vorjahr vorlegen (Senat, FamRZ 1998, 1301; FamVerf/Gutjahr, § 1, Rz. 223).
Daran fehlt es vorliegend, da der Kläger überhaupt keine Einnahmen- und Überschussberechnung bzw. Gewinnermittlung zum Beiheft Prozesskostenhilfe gereicht hat. Ein Rückgriff auf die in der Hauptakte selbst enthaltenen Gewinnermittlungen scheidet ebenfalls aus, da die zeitlich zuletzt erfolgte das Jahr 2004 betrifft. Das Amtsgericht wird den Kläger daher auffordern, eine aktuelle Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst entsprechenden Belegen einzureichen und dabei insbesondere die letzte erstellte Gewinnermittlung, möglichst diejenige für das Jahr 2006, ersatzweise diejenige für das Jahr 2005, vorzulegen. Auf dieser Grundlage wird das Amtsgericht unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats prüfen, ob die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe gemäß § 114 ZPO gegeben sind und danach erneut über den Antrag des Klägers entscheiden.
4.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.
Ende der Entscheidung
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