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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 22.07.2008
Aktenzeichen: 10 WF 40/08
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 127 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 127 Abs. 4
BGB § 1606 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

10 WF 40/08 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In der Familiensache

hat der 2. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Strausberg vom 8. Februar 2008 durch die Richterin am Oberlandesgericht Berger als Einzelrichterin

am 22. Juli 2008

beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

Die gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde des Beklagten gegen den Prozesskostenhilfe (PKH) versagenden Beschluss des Amtsgerichts Strausberg vom 8.2.2008 führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Entscheidung. Wie im Folgenden dargestellt wird, kann der beabsichtigen Rechtsverfolgung die Erfolgsaussicht nicht vollständig abgesprochen werden. Da sich das Amtsgericht aber bisher nicht mit der Frage der Bedürftigkeit des - nunmehr volljährigen - Klägers auseinandersetzt und keine Erklärung über dessen persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse erfordert hat (für die PKH ist die Vermögenslage des Kindes maßgeblich, auf diejenige des Elternteils kommt es nur für die Frage an, ob das Kind einen Anspruch auf Prozesskostenvorschuss hat, vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 26. Aufl., § 114, Rz. 8 a), wird es dies nachholen und unter Beachtung der dargestellten Rechtsauffassung erneut über den PKH-Antrag des Klägers entscheiden.

Dem Kläger kann PKH unter Hinweis darauf, dass die Beklagte Erziehungsgeld beziehe und daher derzeit keine Verpflichtung zur Erwerbstätigkeit bestehe, nicht vollständig versagt werden. Denn im summarischen PKH-Verfahren ist zu Gunsten des Klägers davon auszugehen, dass die Beklagte jedenfalls teilweise leistungsfähig ist.

In Fällen, in denen ein Elternteil erneut heiratet bzw. in einer neuen Lebensgemeinschaft lebt und Kinder aus der neuen Verbindung hervorgegangen sind, muss er, wenn er in erster Ehe durch Erwerbstätigkeit den Familienunterhalt gesichert hat, auch in der neuen Ehe bzw. Lebensgemeinschaft auf die Belange der Unterhaltsberechtigten Rücksicht nehmen. Diese Pflicht zur Rücksichtnahme schränkt seine Freiheit, die Aufteilung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit sowie die Pflege und Erziehung der Kinder nach seinen Vorstellungen zu gestalten, ein (vgl. BVerfG, FamRZ 1996, 343 f; BGH, FamRZ 1996, 796). Hatte der barunterhaltspflichtige Elternteil allerdings bereits in der vorangegangenen Ehe Haushaltsführung und Kinderbetreuung übernommen, ist diese Aufgabenverteilung im Regelfall auch in der neuen Ehe bzw. Lebensgemeinschaft hinzunehmen (vgl. Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 10. Aufl., Rz. 761, 760). Dann können allenfalls, wenn der notwendige Eigenbedarf gesichert ist, Einkünfte aus Nebentätigkeit bzw. das Erziehungsgeld für den Unterhalt einzusetzen sein (vgl. dazu BGH, FamRZ 2006, 1010 ff.). Dasselbe gilt, wenn der barunterhaltspflichtige Elternteil einen so genannten Rollentausch vorgenommen, in der neuen Verbindung also Haushaltsführung und Kinderbetreuung übernommen hat, und dieser vom unterhaltsberechtigten Kind aus der ersten Ehe etwa wegen einer wesentlich günstigeren Einkommenssituation der neuen Familie hinzunehmen ist (vgl. Kalthoener/ Büttner/Niepmann, a.a.O., Rz. 752).

Welche Aufgaben die Beklagte in der alten bzw. neuen Familie übernommen hatte bzw. hat, lässt sich dem Vortrag des Klägers zwar nicht entnehmen. Er hat aber, von der Beklagten unwidersprochen, vorgetragen, dass der neue Partner der Beklagten erwerbslos ist. Daher kann angenommen werden, dass er Haushaltsführung und Kindesbetreuung übernehmen kann und dann auch muss. Gründe, aus denen der Kläger eine andere "Aufgabenverteilung" innerhalb der neuen Familie hinnehmen müsste, sind nicht ersichtlich.

Ist die Beklagte gehalten, erwerbstätig zu sein, muss sie sich, da sie dies nicht ist und auch keine Erwerbsbemühungen unternommen hat, fiktive Einkünfte zurechnen lassen. Diese können im Hinblick darauf, dass die Beklagte jetzt 37 Jahre alt ist, den Beruf der Gartenfacharbeiterin erlernt und eine Umschulung zur Lageristin durchlaufen hat, mit rund 1.000 € angenommen werden.

Eine Haushaltsersparnis muss sich die Beklagte, wenn ihr Partner Haushalt und Kind versorgt und deshalb kein eigenes Einkommen erzielt, nicht anrechnen lassen (vgl. dazu BGH, FamRZ 2008, 203 ff.). Damit stehen unter Berücksichtigung des notwendigen Selbstbehalts bis Dezember 2007 noch 180 € (= 1.000 € - 820 €), ab Januar 2008 nur noch 100 € (= 1.00 € - 900 €) für den Kindesunterhalt zur Verfügung. Ausgehend davon, dass die Beklagte ferner den Unterhalt für die Tochter aus ihrer neuen Verbindung sichern muss, ist eine Mangelverteilung vorzunehmen, in welche die Regelbeträge bzw. Mindestbeträge einzustellen sind. Auf den Kläger entfällt im Jahr 2007 ein Betrag von rund 106 €. Im Jahr 2008 beträgt der Gesamtbedarf 490 € [= (365 € - 77 €) + (279 € - 77 €)], auf den Kläger entfällt ein Betrag von rund 59 € [= (365 € - 77 €) x 100 € : 490 €].

Allerdings hat der Kläger am ....6.2008 das 18. Lebensjahr vollendet, sodass seine Eltern anteilig nach ihren Erwerbs- und Vermögensverhältnissen haften, § 1606 Abs. 3 BGB. Der Kläger muss neben seinem Bedarf und seiner Bedürftigkeit die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des anderen Elternteils, also seines Vaters, darlegen und beweisen (vgl. Kalthoener/Büttner/Niepmann, a.a.O., Rz. 974). Da er dies bisher nicht getan hat, bietet seine Rechtsverfolgung insoweit keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Die Nebenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.

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