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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 05.07.2001
Aktenzeichen: 10 WF 49/01
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 127 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 114
ZPO § 127 Abs. 4
BGB §§ 1601 ff.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

10 WF 49/01 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In der Familiensache

hat der 2. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die Beschwerde des Beklagten vom 3. April 2001 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Fürstenwalde vom 7. März 2001 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Schael, den Richter am Oberlandesgericht Gutjahr und den Richter am Amtsgericht Werth

am 5. Juli 2001

beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

Die gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige Beschwerde führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Entscheidung. Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts kann der Rechtsverteidigung des Beklagten die hinreichende Erfolgsaussicht nicht gänzlich abgesprochen werden. Da das Amtsgericht noch keine Feststellungen zur Bedürftigkeit des Beklagten im Sinne des § 114 ZPO getroffen hat und das diesbezügliche Prozesskostenhilfeheft dem Senat nicht vorliegt, ist der Senat an einer abschließenden Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch des Beklagten gehindert. Das Amtsgericht wird über den Antrag des Beklagten auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats erneut befinden.

Bei der Bemessung der Unterhaltsansprüche der beiden minderjährigen Kinder der Parteien gemäß §§ 1601 ff. BGB ist zunächst vom tatsächlichen Einkommen des Beklagten, das unstreitig rund 1.875 DM beträgt, auszugehen. Allerdings muss der Unterhaltspflichtige seine Arbeitskraft entsprechend seiner Vorbildung, seinen Fähigkeiten und der Arbeitsmarktlage in zumutbarer Weise bestmöglich einsetzen (Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 7. Aufl., Rz. 614). Dass es beim Beklagten hieran fehlt, hat das Amtsgericht aber nicht hinreichend begründet. Der bloße Hinweis darauf, der Beklagte sei aufgrund seines tatsächlichen Einkommens nicht einmal in der Lage, den von der Klägerin geforderten Unterhalt, der unterhalb der Regelbeträge liege, zu leisten, reicht insoweit nicht aus. Vielmehr sind Überlegungen dahin anzustellen, welches Einkommen der Beklagte nach Vorbildung und Fähigkeiten erzielen könnte (BGH FamRZ 1996, 345; Kalthoener/Büttner/Niepmann, a.a.O., Rz. 633; Eschenbruch/Mittendorf, Der Unterhaltsprozeß, 2. Aufl., Rz. 5341 m. w. N.). Dabei kommt es darauf an, welche schulische und berufliche Ausbildung der Beklagte absolviert hat, welche Berufe er danach ausgeübt und welche Einkünfte er hierbei erzielt hat. Soweit derartige Erwägungen die Annahme rechtfertigten, der Beklagte sei in der Lage, ein höheres Einkommen zu erzielen, bedeutete dies ebenfalls noch nicht zwingend, dass seine Rechtsverteidigung ohne Aussicht auf Erfolg bliebe. Vielmehr wäre ihm dann das aufgrund seiner Fähigkeiten erzielbare Einkommen fiktiv anzurechnen und auf dieser Grundlage der Unterhaltsanspruch der Kinder zu ermitteln. Nur dann, wenn dieser Unterhaltsanspruch den Klageantrag in vollem Umfang rechtfertigte, bestände keine Erfolgsaussicht für die Rechtsverteidigung des Beklagten.

Bei der im Prozesskostenhilfeverfahren gebotenen summarischen Prüfung (vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 22. Aufl., § 114, Rz. 19) kann entgegen der Auffassung der Klägerin nicht davon ausgegangen werden, dass dem Beklagten fiktiv Einkünfte aus einer Nebenbeschäftigung anzurechnen sind. Vielmehr muss angenommen werden, dass der Beklagte bereits eine vollschichtige Tätigkeit ausübt. Dann aber genügt er nach der ständigen Rechtsprechung des Senats seiner Erwerbsobliegenheit auch gegenüber minderjährigen Kindern. Nähere Feststellungen dazu mag das Hauptverfahren ergeben.

Als weiteres Einkommen des Beklagten ist jedoch der Wohnvorteil für mietfreies Wohnen im eigenen Haus zu berücksichtigen. Ein solcher Wohnvorteil ist grundsätzlich auch beim Kindesunterhalt auf Seiten des Unterhaltspflichtigen zu berücksichtigen (Wendl/Gerhardt, Unterhaltsrecht, 5. Aufl., § 1, Rz. 297). Der Wohnwert der unstreitig rund 100 m² großen Wohnung kommt aber seit dem Auszug der Klägerin nicht mehr in vollem Umfang zum Tragen. Denn der ursprünglich der Klägerin zuzurechnende Teil der Wohnungsnutzung wird seit ihrem Auszug nicht mehr gezogen. Dieser Anteil hat daher als "totes Kapital" bei der Unterhaltsbemessung außer Betracht zu bleiben. Der verbleibende Gebrauchswert der insgesamt für den die Wohnung weiternutzenden Ehegatten an sich zu großen Wohnung wird in der Regel danach zu bestimmen sein, welchen Mietzins der Ehegatte auf dem örtlichen Wohnungsmarkt für eine dem ehelichen Lebensstandard entsprechende angemessene kleinere Wohnung zahlen müsste (BGH, NJW 1998, 2821). Diese für den Trennungsunterhalt des Ehegatten entwickelten Grundsätze gelten auch beim Kindesunterhalt (Wendl/Gerhardt, a.a.O., § 1, Rz. 302). Mit Rücksicht darauf, dass die Klägerin den in Bad Saarow zu leistenden Mietzins unbestritten mit 10 DM/m² angegeben hat, schätzt der Senat den dem Beklagten anzurechnenden Wohnwert mit rund 500 DM. Dieser Wert ist dem Beklagten aber nur als weiteres Einkommen anzurechnen, soweit er die Belastungen übersteigt, die durch allgemeine Grundstückskosten und -lasten, Zins- und Tilgungsleistungen und sonstige verbrauchsunabhängige Kosten entstehen (BGH, a. a. O.). Vorliegend trägt der Beklagte die Kreditraten für das Haus von monatlich 570 DM und den Straßenausbaubeitrag von monatlich 100 DM jeweils zur Hälfte, zahlt also insgesamt 335 DM (= (570 DM + 100 DM) : 2). Es verbleibt ein anrechenbarer Wohnvorteil von 165 DM (= 500 DM - 335 DM). Das bereinigte Einkommen des Beklagten beträgt somit 2 040 DM (= 1875 DM + 165 DM).

Ein Abzug für berufsbedingte Aufwendungen kommt nicht in Betracht. Die Annahme einer Pauschale von 5 % des Nettoeinkommens scheidet aus, da ein Mangelfall vorliegt, der die Darlegung und den Nachweis sämtlicher Aufwendungen im Einzelfall erfordert (Nr. 7 der Unterhaltsleitlinien des Brandenburgischen Oberlandesgerichts, Stand 1.7.1999 und 1.7.2001). Dass die vom Beklagten behaupteten Kosten für Fahrten zur Arbeit notwendig sind und nicht etwa die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel in Betracht kommt, hat der Beklagte nach entsprechendem Bestreiten durch die Klägerin nicht substantiiert dargelegt.

Der Pkw-Kredit kann ebenfalls nicht vom Einkommen abgesetzt werden. Dabei kann dahinstehen, ob es sich um einen bei der gebotenen Interessenabwägung berücksichtigungsfähigen Kredit auch im Rahmen des Kindesunterhalts handelt (vgl. hierzu Wendl/Scholz, a. a. O., § 2, Rz. 158). Denn jedenfalls hat der Beklagte auf entsprechendes Bestreiten der Klägerin hin nicht belegt, überhaupt Raten auf diesen Kredit zu zahlen.

Nach alledem ist von einem bereinigten Einkommen des Beklagten von 2.040 DM (= 1875 DM + 165 DM) auszugehen. Bei einem notwendigen Selbstbehalt von 1.370 DM (Nr. 10 der Unterhaltsleitlinien des Brandenburgischen Oberlandesgerichts, Stand 1.7.1999) verbleibt für Unterhaltszwecke ein Betrag von 670 DM, der hälftig auf die beiden der dritten Altersstufe angehörenden Kinder aufzuteilen ist, so dass auf jedes von ihnen 335 DM entfallen. Ab 1.7.2001 macht der notwendige Selbstbehalt 1.515 DM aus (Nr. 10 der Unterhaltsleitlinien des Brandenburgischen Oberlandesgerichts, Stand 1.7.2001), so dass noch ein Betrag von 525 DM zur Verteilung steht. Auf jedes der beiden Kinder entfallen rund 263 DM.

Mit Rücksicht darauf, dass die Klägerin für die beiden gemeinsamen Kinder ab 1.9.2000 eine monatliche Unterhaltsrente von 283,33 DM, jedoch ab Zustellung der Klageerweiterung mit Schriftsatz vom 29.3.2001, die am 10.4.2001 erfolgt ist, eine solche von je 465 DM begehrt, bietet die Rechtsverteidigung des Beklagten hinreichende Aussicht auf Erfolg, soweit er sich für die Zeit ab 1.4.2001 gegen die Verurteilung zur Zahlung höheren Kindesunterhalts als 335 DM bzw., für die Zeit ab 1.7.2000, als 263 DM, jeweils monatlich je Kind, wendet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.

Ende der Entscheidung

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