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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 07.03.2007
Aktenzeichen: 10 WF 55/07
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 114
ZPO § 127 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 323 Abs. 1
ZPO § 572 Abs. 3
BGB §§ 1570 bis 1576
BGB § 1573 Abs. 2
BGB § 1578 Abs. 1
BGB § 1580
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

10 WF 55/07 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In der Familiensache

hat der 2. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die sofortige Beschwerde der Klägerin vom 27. Dezember 2006 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Nauen vom 5. Dezember 2006 durch den Richter am Oberlandesgericht Gutjahr als Einzelrichter

am 7. März 2007

beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Gründe:

Die gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Entscheidung. Der Klägerin kann Prozesskostenhilfe nicht aus den vom Amtsgericht angeführten Gründen versagt werden.

1.

Zu Unrecht hat das Amtsgericht der von der Klägerin beabsichtigten Rechtsverfolgung die hinreichende Aussicht auf Erfolg, § 114 ZPO, abgesprochen. Im Prozesskostenhilfeverfahren kann davon ausgegangen werden, dass der Klägerin der geltend gemachte Auskunftsanspruch nach § 1580 BGB zusteht. Insbesondere kann bei der gebotenen summarischen Prüfung (vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 26. Aufl., § 114, Rz. 19; Verfahrenshandbuch Familiensachen - FamVerf -/Gutjahr, § 1, Rz. 254) angenommen werden, dass die für das Bestehen des Auskunftsanspruchs erforderlichen Voraussetzungen gegeben sind, nämlich dass zwischen den Parteien dem Grunde nach eine Unterhaltspflicht besteht und die begehrte Auskunft für die Bemessung des Unterhalts erheblich sein kann (vgl. Johannsen/Henrich/Büttner, Eherecht, 4. Aufl., § 1580, Rz. 3).

a)

Vom Ausgangspunkt her zutreffend ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für einen Unterhaltsanspruch ohne zeitliche Lücke gegeben sein müssen.

Ein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt besteht nur, wenn die Voraussetzungen eines der sieben Unterhaltstatbestände der §§ 1570 bis 1576 BGB vorliegen (Wendl/Pauling, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Aufl., § 4, Rz. 44). Die Voraussetzungen für jeden dieser Tatbestände müssen zu bestimmten Einsatzzeitpunkten gegeben sein (Wendl/Pauling, a.a.O., § 4, Rz. 48). Sind die Tatbestandsvoraussetzungen einer Anspruchsnorm bereits im Zeitpunkt der Scheidung erfüllt, so handelt es sich um einen originären Unterhaltsanspruch, der auf den vollen eheangemessenen Unterhalt, § 1578 Abs. 1 BGB, geht. Sind die Voraussetzungen der jeweiligen Anspruchsnorm erst zu einem späteren Zeitpunkt, einem maßgeblichen Einsatzzeitpunkt, erfüllt, so besteht ein Anspruch auf Anschlussunterhalt (Wendl/Pauling, a.a.O., § 4, Rz. 49). Dieser Anspruch setzt aber auch voraus, dass der Tatbestand eines vorangehenden Unterhaltsanspruchs bis zum Einsatzzeitpunkt durchgehend erfüllt war (BGH, FamRZ 2001, 1291, 1294). Demnach müssen sich die einzelnen vorangehenden Unterhaltsansprüche ohne zeitliche Lücke nahtlos aneinander anschließen. Werden die Voraussetzungen für einen Anschlussunterhalt erst später erfüllt, entsteht kein Unterhaltsanspruch mehr (Wendl/Pauling, a.a.O., § 4, Rz. 49).

b)

Eine zeitliche Lücke zwischen verschiedenen Unterhaltstatbeständen ist im vorliegenden Fall schon deshalb nicht festzustellen, weil das abzuändernde Urteil (vgl. zu der Möglichkeit, die Abänderungsklage als Stufenklage zu erheben, FamVerf/Schael, § 1, Rz. 383) nicht mit hinreichender Deutlichkeit erkennen lässt, auf der Grundlage welches Unterhaltstatbestands der Klägerin mit dem Scheidungsverbundurteil Unterhalt ab Rechtskraft der Ehescheidung zuerkannt worden ist.

Im Scheidungsverbundurteil ist ausgeführt, der Ehemann habe gemäß §§ 1570, 1577 BGB Aufstockungsunterhalt von 238 DM an die Ehefrau zu zahlen. Weitere Ausführungen zur Anspruchsgrundlage finden sich ebenso wenig wie eine konkrete Berechnung des Unterhaltsanspruchs. Der Umstand, dass die Vorschrift des § 1570 BGB genannt wurde wie auch der Umstand, dass das gemeinsame Kind der Parteien seinerzeit im Haushalt der Klägerin lebte, sprechen zwar dafür, dass der Klägerin Unterhalt wegen Betreuung eines Kindes, § 1570 BGB zuerkannt werden sollte. Da andererseits aber auch von Aufstockungsunterhalt die Rede ist, kann Grundlage dieser Verurteilung ebenso ein Anspruch nach § 1573 Abs. 2 BGB sein.

Nachdem sich das Kind der Parteien nach den Angaben der Klägerin seit zwei Jahren im Haushalt des Beklagten befindet, stützt diese ihren Unterhaltsanspruch jedenfalls nicht mehr auf die Vorschrift des § 1570 BGB, sondern verweist vor allem auf das erhebliche Einkommensgefälle zwischen den Parteien. Grundlage eines Unterhaltsanspruchs kann daher jetzt vorrangig die Vorschrift des § 1573 Abs. 2 BGB sein. Da nach dem Vorstehenden nicht ausgeschlossen ist, dass die Verurteilung im abzuändernden Urteil ebenfalls auf der Grundlage von § 1573 Abs. 2 BGB erfolgt ist, kann im Prozesskostenhilfeverfahren zu Gunsten der Klägerin davon ausgegangen werden, dass ein einheitlicher Unterhaltsanspruch gegeben ist. Ein Anspruch auf Auskunfterteilung ist somit ohne weiteres gegeben.

c)

Selbst wenn man auf Grund des Umstands, dass im abzuändernden Urteil die Vorschrift des § 1570 BGB genannt ist, von einem titulierten Unterhalt wegen Kindesbetreuung ausgeht, besteht für das Begehren der Klägerin dennoch hinreichende Aussicht auf Erfolg.

Die Vorschrift des § 1573 Abs. 2 BGB, aus der sich ein zukünftiger Anspruch der Klägerin insbesondere ergeben könnte, enthält nach ihrem Wortlaut anders als die übrigen Tatbestände des nachehelichen Unterhalts keine ausdrücklich genannte Einsatzzeit. Dennoch wird überwiegend davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen des originären Aufstockungsunterhalts bereits zur Zeit der Scheidung oder doch im zeitlichen Zusammenhang mit der Scheidung vorliegen müssen (vgl. Wendl/Pauling, a.a.O., § 4, Rz. 126). Dies hat, wenn der Anspruch auf Aufstockungsunterhalt lediglich als Anschlussunterhalt geltend gemacht wird, zur Folge, dass mit dem Wegfall der Voraussetzungen für den vorangegangenen Unterhaltsanspruch unmittelbar die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Aufstockungsunterhalt gegeben sein müssen. Dies ist vorliegend bei summarischer Betrachtung anzunehmen.

Nach dem Vorbringen in der Beschwerdeschrift lebt die gemeinsame Tochter der Parteien bereits seit zwei Jahren beim Beklagten. Der Obhutswechsel ist demnach wohl im Jahr 2004 erfolgt. Mit der Beschwerde hat die Klägerin gleichzeitig vorgetragen, dass der Beklagte bereits im Jahr 2004/2005 ein mindestens dreimal so hohes Einkommen wie sie selbst gehabt habe. Dieser Vortrag lässt ohne weiteres den Schluss zu, dass ein Anspruch auf Aufstockungsunterhalt nach § 1573 Abs. 2 BGB bereits in dem Zeitpunkt, als das Kind den Haushalt der Klägerin verlassen hat und ein vorher möglicherweise gegebener Anspruch nach § 1570 BGB weggefallen ist, bestanden hat.

2.

Die Klägerin begehrt Anhebung des titulierten Unterhalts im Wege der Stufenklage. Unabhängig davon, ob sich etwa nach erteilter Auskunft überhaupt eine die Abänderung rechtfertigende wesentliche Veränderung der Verhältnisse, § 323 Abs. 1 ZPO, ergibt, ist, wenn die Voraussetzungen im Übrigen vorliegen, Prozesskostenhilfe nicht allein für die erste Stufe, sondern sogleich für die gesamte Stufenklage zu bewilligen (Senat, FamRZ 1998, 1177; OLG Hamm, FamRZ 2000, 429 f.; Johannsen/Henrich/Thalmann, a.a.O., § 114, Rz. 23). Diese Bewilligung ist aber auf einen Antrag, der sich auf Grund der ersten Stufe zu erteilenden Auskunft ergibt, beschränkt; eine Mehrforderung ist von der Bewilligung nicht gedeckt (OLG Düsseldorf, FamRZ 2000, 101; Zöller/Philippi, a.a.O., § 114, Rz. 37 a). Nach Bezifferung des Zahlungsantrags durch die Klägerin kann das Amtsgericht durch Beschluss klarstellen, in welchem Umfang der Antrag von der Bewilligung erfasst ist (OLG Karlsruhe, FamRZ 1997, 98; OLG Nürnberg, FamRZ 1997, 100, 101; FamVerf/Gutjahr, § 1, Rz. 263).

3.

Die Sache ist gemäß § 572 Abs. 3 ZPO an das Amtsgericht zurückzuverweisen, da dort noch Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Klägerin nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen in der Lage ist, die Kosten der Prozessführung aufzubringen, § 114 ZPO (vgl. auch FamVerf/Gutjahr, § 1, Rz. 197). Denn bislang liegt lediglich eine Erklärung der Klägerin über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 23.10.2006 vor, wobei die dortigen Angaben nicht vollständig belegt sind. Das Amtsgericht wird die Klägerin auffordern, eine aktuelle Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst entsprechenden Belegen einzureichen. Zu belegen sind unabhängig von der Frage, ob etwa Leistungen nach dem SGB II oder nach dem SGB XII bezogen werden, nach der ständigen Praxis des Senats auch die Wohnkosten und die Höhe etwaiger Spar- oder Girokonten. Auf der Grundlage der Angaben der Klägerin wird das Amtsgericht unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats prüfen, ob die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe gemäß § 114 ZPO gegeben sind und danach erneut über den Antrag der Klägerin entscheiden.

4.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.

Ende der Entscheidung

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