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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 08.03.2007
Aktenzeichen: 10 WF 57/07
Rechtsgebiete: ZPO, BGB


Vorschriften:

ZPO § 114
ZPO § 127 Abs. 2 Satz 2
BGB §§ 1601 ff.
BGB § 1606 Abs. 3 Satz 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Beschluss

10 WF 57/07 Brandenburgisches Oberlandesgericht

In der Familiensache

hat der 2. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die sofortige Beschwerde des Klägers vom 12. Januar 2007 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Strausberg vom 8. Januar 2007 durch den Richter am Oberlandesgericht Gutjahr als Einzelrichter

am 8. März 2007

beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.

In Ergänzung des Beschlusses des Amtsgerichts Strausberg vom 16. Dezember 2005 wird klargestellt, dass sich die Bewilligung von Prozesskostenhilfe auf den sich aus der Auskunft ergebenden Unterhaltsanspruch und damit auf einen Betrag von insgesamt 2.033,67 € für die Zeit von Juli 2005 bis Juli 2006 erstreckt.

Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

Die gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist begründet. Es ist festzustellen, dass sich die durch Beschluss des Amtsgerichts vom 16. Dezember 2005 bewilligte Prozesskostenhilfe auf den nach Erteilung der Auskunft durch den Beklagten nun vom Kläger mit Schriftsatz vom 6. Dezember 2006 geltend gemachten Betrag von 2.033,67 € für die Zeit von Juli 2005 bis Juli 2006 erstreckt.

1.

Dass das Amtsgericht durch den angefochtenen Beschluss nun, nachdem der Kläger auf der Grundlage der vom Beklagten erteilten Auskunft seinen Unterhaltsanspruch beziffert hat, in Ausfüllung des die Prozesskostenhilfe bewilligenden Beschlusses vom 16.12.2005 klargestellt hat, auf welchen Umfang sich die Prozesskostenhilfebewilligung erstreckt, ist nicht zu beanstanden.

Wird Unterhalt im Wege der Stufenklage geltend gemacht und für die Klage Prozesskostenhilfe beantragt, so ist bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 114 ZPO Prozesskostenhilfe nicht allein für die erste Stufe, sondern sogleich für die gesamte Stufenklage zu bewilligen (Senat, FamRZ 1998, 1177; OLG Hamm, FamRZ 2000, 429 f.; Johannsen/Henrich/Thalmann, Eherecht, 4. Aufl., § 114, Rz. 23; Verfahrenshandbuch Familiensachen - FamVerf -/Gutjahr, § 1, Rz. 263). Die Bewilligung ist dann auf einen Antrag, der sich aus der aufgrund der ersten Stufe zu erteilenden Auskunft ergibt, beschränkt; eine Mehrforderung ist von der Bewilligung nicht gedeckt (OLG Düsseldorf, FamRZ 2000, 101; Zöller/Philippi, ZPO, 26. Aufl., § 114, Rz. 37 a.). Nach Bezifferung des Zahlungsantrages durch den Kläger kann das Amtsgericht, wie hier geschehen, durch Beschluss klarstellen, in welchem Umfang der Antrag von der Bewilligung erfasst ist (OLG Karlsruhe, FamRZ 1997, 98; OLG Nürnberg, FamRZ 1997, 100, 101; FamVerf/Gutjahr, a.a.O.).

2.

Bei der Prüfung, in welcher Höhe ein Unterhaltsanspruch des Klägers gegen den Beklagten nach §§ 1601 ff. BGB besteht, hat das Amtsgericht unter Zugrundelegung der Einkünfte des Beklagten und der Mutter des Klägers, wie sie im Schriftsatz vom 6.12.2006 dargelegt sind, die auf den Beklagten nach § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB entfallende Haftungsquote mit 92,52 % zutreffend ermittelt. Zu Recht hat das Amtsgericht hierbei nur die Einkünfte, soweit sie oberhalb des jeweiligen Selbstbehaltes liegen, berücksichtigt. Denn die Haftungsanteile beider Elternteile gegenüber dem volljährigen Kind bestimmen sich nach dem Verhältnis ihrer den jeweiligen Selbstbehalt übersteigenden Einkommen (Nr. 13.3 der Unterhaltsleitlinien des Brandenburgischen Oberlandesgerichts, Stand: 1.7.2005).

3.

Das Amtsgericht hat den Bedarf des in B... lebenden Klägers auf der Grundlage der 3. Altersstufe der B... Tabelle bestimmt. Für diese Handhabung spricht, dass sich der Bedarf grundsätzlich nach dem Wohnort des Unterhaltsberechtigten, die Leistungsfähigkeit (Selbstbehalt) hingegen nach dem Wohnort des Unterhaltspflichtigen richtet (vgl. auch Nr. 25 der Unterhaltsleitlinie des Brandenburgischen Oberlandesgerichts, Stand 1.7.2005). Andererseits ist zu beachten, dass die D... Tabelle, anders als die B... Tabelle, für volljährige Unterhaltsberechtigte eine 4. Altersstufe vorsieht. Mit Ausnahme des Kammergerichts und der Oberlandesgerichte Naumburg und Rostock geben alle anderen Oberlandesgerichte in ihren Unterhaltsleitlinien eine Unterhaltstabelle unter Einschluss der 4. Altersstufe wieder (vgl. auch Wendl/Scholz, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Auflage, § 2, Rz. 383). Angesichts dessen ist es vertretbar, die Frage, ob im Haushalt eines Elternteils lebende volljährige Unterhaltsberechtigte einen höheren Bedarf als minderjährige Unterhaltsberechtigte, die der 3. Altersstufe angehören, haben, als eine Rechtfrage zu betrachten, die losgelöst vom konkreten Wohnort des Unterhaltsberechtigten zu beantworten ist. Sieht man die Bedarfsmessung im vorliegenden Fall als eine Rechtfrage an, so darf diese im Prozesskostenhilfeverfahren nicht zu Lasten des Klägers beantwortet werden.

Soweit es bei der Frage, ob das Begehren der Prozesskostenhilfe nachsuchenden Partei hinreichende Erfolgsaussicht bietet, um die Rechtslage geht, reicht es aus, dass der Standpunkt des Antragstellers zumindest vertretbar ist. Um die Chancengleichheit der bedürftigen und der bemittelten Partei zu wahren, dürften schwierige Rechtsfragen nicht bereits im Prozesskostenhilfeverfahren zu Lasten des Antragstellers entschieden werden. Denn auch der Bedürftige muss die Chance haben, die Frage obergerichtlich klären zu lassen (vgl. BVerfG, NJW 1991, 413; FamRZ 2002, 665; BGH, FamRZ 2003, 671; Senat, FamRZ 2000, 1033, 1035; Zöller/Philippi, a.a.O., § 114, Rz. 21; FamVerf/Gutjahr, § 1, Rz. 257). Vor diesem Hintergrund ist zu Gunsten des Klägers anzunehmen, dass sein Bedarf nach der 4. Altersstufe der Unterhaltstabelle als Anlage der Unterhaltsleitlinie des Brandenburgischen Oberlandesgerichts, Stand 1.7.2005, zu bemessen ist.

Bei einem Gesamteinkommen der Eltern des Klägers in Höhe von rund 3.217 € ergibt sich nach der Einkommensgruppe 10 für die 4. Altersstufe ein Unterhaltsbedarf von 570 €. Ob mit Rücksicht darauf, dass der Beklagte offenbar nur einer Person zum Unterhalt verpflichtet ist, eine Höherstufung in Betracht kommt (vgl. dazu Nr. 11.2 der genannten Leitlinien), kann dahinstehen. Denn auch ohne Höhergruppierung kann der Kläger bei der im Prozesskostenhilfeverfahren gebotenen summarischen Prüfung (vgl. Zöller/Philippi, a. a. O., § 114, Rz. 19; FamVerf/Gutjahr, § 1, Rz. 254) zumindest den mit seinem Schriftsatz vom 6. Dezember 2006 geltend gemachten Unterhalt verlangen, wie die weitere Berechnung zeigt.

4.

Von dem Bedarf des Klägers in Höhe von 570 € ist das volle Kindergeld von 154 € abzusetzen (vgl. BGH, FamRZ 2006, 99), sodass ein ungedeckter Bedarf von 416 € verbleibt. Auf den Beklagten entfallen insoweit rund 385 € (= 416 € x 92,52 %).

5.

Bei einem monatlichen Unterhaltsanspruch des Klägers von 385 € ergeben sich für den geltend gemachten Zeitraum von Juli 2005 bis Juli 2006 insgesamt 5.005 €. Geleistet hat der Beklagte nach dem Vorbringen des Klägers im Schriftsatz vom 6.12.2006 bisher 2.290 € (= 5 x 100 € + 2 x 280 € + 6 x 205 €). Es bleibt daher noch ein Betrag übrig, der jedenfalls den geltend gemachten Betrag von 2.033,67 € übersteigt.

6.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.

Ende der Entscheidung

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