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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 10.06.2002
Aktenzeichen: 10 WF 71/02
Rechtsgebiete: ZPO
Vorschriften:
ZPO § 299 Abs. 1 | |
ZPO § 329 Abs. 3 | |
ZPO § 567 | |
ZPO § 567 Abs. 1 n.F. | |
ZPO § 569 Abs. 1 n.F. | |
ZPO § 569 Abs. 1 Satz 2 n.F. |
10 WF 71/02 Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss
In der Familiensache
hat der 2. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 17. Mai 2002 gegen die Anordnung des Amtsgerichts Fürstenwalde vom 29. April 2002 betreffend das Gesuch des Antragstellers auf Akteneinsicht durch den Richter am Oberlandesgericht ... als Einzelrichter
am 10. Juni 2002
beschlossen:
Tenor:
Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Antragstellers zurückgewiesen.
Gründe:
Das als Beschwerde bezeichnete Rechtsmittel ist als sofortige Beschwerde gemäß § 567 ZPO in der seit dem 1.1.2002 geltenden Fassung aufzufassen und als solche statthaft. Denn bei Verweigerung der Akteneinsicht bzw. wenn dem Antrag auf Akteneinsicht nicht in vollem Umfang entsprochen wird, steht der Partei die sofortige Beschwerde nach § 567 Abs. 1 ZPO n.F. zu (OLG Brandenburg, - 7. Zivilsenat -, NJW-RR 2000, 1454f.; OLG Schleswig, Rpfleger 1976, 108f.; MünchKomm/Prütting, ZPO, 2. Aufl., § 299, Rz. 14f.; Stein/Jonas/Leipold, ZPO, 21. Aufl., § 299, Rz. 31; Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl., § 299, Rz. 5 a; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 24. Aufl., § 299, Rz. 2; vgl. a. BFH, NJW 1982, 200, NJW 1994, 751f.; s.a. BGH, MDR 1973, 580).
Die Zulässigkeit des Rechtsmittels begegnet auch im Übrigen keinen Bedenken. Insbesondere kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Notfrist von zwei Wochen für die Einlegung der sofortigen Beschwerde gemäß § 569 Abs. 1 ZPO n.F. versäumt ist. Zwar ist die angefochtene Anordnung des Amtsgerichts vom 29.4.2002 ausweislich des bei den Akten befindlichen "Ab-Vermerks" am 30.4.2002 an den Antragsteller versandt und sein Rechtsmittel erst am 17.5.2002 eingelegt worden. Die Notfrist von zwei Wochen beginnt aber erst mit der Zustellung der Entscheidung, § 569 Abs. 1 Satz 2 ZPO n.F. Denn Entscheidungen, die der sofortigen Beschwerde unterliegen, sind nach § 329 Abs. 3 ZPO stets zuzustellen. Die fehlende Zustellung löst den Fristbeginn nicht aus (Zöller/Gummer, a.a.O., § 569, Rz. 4; vgl. auch Baumbach/Lauterbach/Albers, ZPO, 60. Aufl., § 569, Rz. 3). Da die angefochtene Anordnung dem Antragsteller nicht förmlich zugestellt und damit die Beschwerdefrist nicht in Lauf gesetzt worden ist, muss die sofortige Beschwerde als rechtzeitig eingelegt angesehen werden.
Das Rechtsmittel ist jedoch unbegründet. Der Antragsteller hat kein weitergehendes Akteneinsichtsrecht, als vom Amtsgericht angenommen.
Gemäß § 299 Abs. 1 ZPO können Parteien die Prozessakten einsehen und sich aus ihnen durch die Geschäftsstelle Ausfertigungen, Auszüge und Abschriften erteilen lassen. Die Parteien können nur Einsicht auf der Geschäftsstelle beanspruchen (BGH, NJW 1961, 559; BFH, NJW 1968, 864; BSG, MDR 1977, 1051; Zöller/Greger, a.a.O., § 299, Rz. 4 a; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, a.a.O., § 299, Rz. 13). Ob Akten zur Einsichtnahme herausgegeben oder nach auswärts versandt werden, steht im Ermessen des Vorsitzenden des Prozessgerichts (BGH, NJW 1961, 559; MDR 1973, 580; BSG, a.a.O.; OLG Schleswig, a.a.O.; OLG Düsseldorf, MDR 1987, 768, 769; Stein/Jonas/Leipold, a.a.O., § 299, Rz. 10; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, a.a.O., § 299, Rz. 13; vgl. zum Verwaltungsgericchtsprozess auch § 100 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Die Aktenversendung nach auswärts, auch an einen dortigen Anwalt, kommt regelmäßig nur an das örtlich zuständige Amtsgericht zur Gewährung der Einsicht auf der dortigen Geschäftsstelle in Betracht, wobei wegen der Versendungskosten KV Nr. 9003 gilt (Zöller/Greger, a. a. O., § 299, Rz. 4 a; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, a. a. O., § 299, Rz. 11). Eine Pflicht, dem vertretenden Rechtsanwalt in großzügiger Ermessensausübung die Akten in seine Kanzlei zu übersenden, besteht nicht (BGH, NJW 1961, 559; OLG Brandenburg, - 1. Zivilsenat -, OLG-NL 1999, 238, 239; a. A. OLG Hamm, FamRZ 1991, 93f.; Thomas/Putzo/Reichold, a. a. O., § 299, Rz. 1). Dies gilt ungeachtet der Stellung des Rechtsanwalts als Organ der Rechtspflege (BGH, NJW 1961, 559; BFH, a.a.O.). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist nicht zu beanstanden, dass der Richter am Amtsgericht sein Ermessen dahin ausgeübt hat, dem Antragsteller Akteneinsicht nur bei dem für seinen Wohnsitz zuständigen Amtsgericht W. zu gewähren. Ein Ermessensfehlgebrauch ist nicht ersichtlich. Der Richter am Amtsgericht hat sich, wie seiner Nichtabhilfeentscheidung vom 30.5.2002 zu entnehmen ist, davon leiten lassen, dass es Praxis des Amtsgerichts sei, Akten zum Zwecke der Einsichtnahme im Regelfall der Geschäftsstelle des auswärtigen Amtsgerichts zu übersenden. Daher kann insbesondere ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, Art. 3 Abs. 1 GG (vgl. hierzu BVerfG, BRAK-Mitteilungen 1998, 282; BFH, NJW 1994, 751, 752), nicht angenommen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Ende der Entscheidung
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