Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 30.06.2005
Aktenzeichen: 10 WF 94/05
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 78
ZPO § 114
ZPO § 127 Abs. 2 Satz 2
ZPO § 572 Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

Die gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Entscheidung. Dem Antragsgegner kann Prozesskostenhilfe nicht aus den vom Amtsgericht angeführten Gründen versagt werden. Die Sache ist gemäß § 572 Abs. 3 ZPO an das Amtsgericht zurückzuverweisen, da dort noch Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Antragsgegner nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen in der Lage ist, die Kosten der Prozessführung aufzubringen, § 114 ZPO (vgl. auch Verfahrenshandbuch Familiensachen - FamVerf -/Gutjahr, § 1, Rz. 197). Denn das vom Amtsgericht für den Antragsgegner angelegte Beiheft Prozesskostenhilfe enthält nur eine Abschrift des angefochtenen Beschlusses. Das Amtsgericht wird den Antragsgegner daher auffordern, eine aktuelle Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst entsprechenden Belegen einzureichen. Auf dieser Grundlage wird das Amtsgericht unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats prüfen, ob die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe gemäß § 114 ZPO gegeben sind und danach erneut über den Antrag des Antragsgegners entscheiden.

Die Rechtsverteidigung des Antragsgegners ist entgegen der Auffassung des Amtsgerichts nicht mutwillig. Dabei kann dahinstehen, ob dem Antragsgegner vorbehaltlich der Bedürftigkeitsprüfung Prozesskostenhilfe schon deshalb zu bewilligen ist, weil er sich dem Scheidungsverfahren nicht entziehen kann. Allerdings ist bei der Prüfung der Prozesskostenhilfebewilligung für den Antragsgegner im Scheidungsverbundverfahren dessen zwingend vorgesehene Verfahrensbeteiligung grundsätzlich zu beachten. Selbst wenn er nicht die Absicht hat, durch eigene Anträge auf den Verfahrensablauf einzuwirken, muss ihm diese Möglichkeit gleichwohl durch Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts eingeräumt werden. Denn die Notwendigkeit einer Einflussnahme auf das Verfahren kann sich erst im Laufe des Rechtsstreits ergeben, sodass alsdann auch für den Antragsgegner der in § 78 ZPO vorgesehene Anwaltzwang zu beachten ist (Senat, NJ 1996, 262; FamVerf/Gutjahr, § 6, Rz. 107; Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 3. Aufl., Rz. 433). Ob dies auch dann gilt, wenn Gegenstand des Verfahrens die Scheidung einer so genannten Scheinehe ist, bedarf keiner Entscheidung. Denn vom Vorliegen einer solchen Scheinehe kann hier entgegen der Auffassung des Amtsgerichts nicht ausgegangen werden.

Als Scheinehe wird eine Ehe bezeichnet, die nur, in der Regel gegen Bezahlung, eingegangen wird, um dem ausländischen Partner ein Bleiberecht in Deutschland zu ermöglichen (vgl. Zimmermann, Prozesskostenhilfe in Familiensachen, 2. Aufl., Rz. 202; Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, aaO., Rz. 464; Johannsen/Henrich/Jaeger, Eherecht, 4. Aufl., § 1565 BGB, Rz. 17). Es wird die Auffassung vertreten, dass in einem solchen Fall das Scheidungsbegehren nicht isoliert betrachtet, sondern als Gesamtplan gewürdigt werden müsse und wenn die Parteien schon bei der Heirat die Aufhebung oder Scheidung der Ehe beabsichtigt und gewusst hätten, dass sie die Scheidung nicht bezahlen können, Prozesskostenhilfe wegen Mutwillens bzw. Rechtsmissbrauchs zu versagen sei (OLG Koblenz, FamRZ 2004, 548; OLG Naumburg, FamRZ 2004, 548; OLG Hamm, FamRZ 2000, 1092; OLG Stuttgart, FamRZ 1992, 195; Zöller/Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 114, Rz. 45; Johannsen/Henrich/Thalmann, aaO., § 114 ZPO, Rz. 25; Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, aaO., Rz. 464; Zimmermann, aaO., Rz. 202; Zimmermann, ZPO, 6. Aufl., § 114, Rz. 13; Künzl/Koller, Prozesskostenhilfe, 2. Aufl., Rz. 346; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 63. Aufl., § 114, Rz. 124; vgl. auch Schneider, MDR 1985, 441, 442). Nach der Gegenansicht wird Mutwillen bei Scheidung einer Scheinehe verneint, wobei insbesondere auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 18.7.1984 (FamRZ 1984, 1206) verwiesen wird, in der die Auffassung von vier Verfassungsrichtern wiedergegeben ist, wonach die Annahme von Mutwillen eine Benachteiligung der bedürftigen Partei gegenüber einer bemittelten Partei darstelle (OLG Frankfurt, FamRZ 2004, 1882; OLG Stuttgart, FamRZ 2002, 890; OLG Hamm, FamRZ 2001, 1081; OLG Naumburg, FamRZ 2001, 629; OLG Frankfurt, FamRZ 1996, 615; OLG Nürnberg, FamRZ 1996, 615; OLG Karlsruhe, FamRZ 1986, 680; FamRZ 1988, 91; FamRZ 2003, 1760; Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 26. Aufl., § 114, Rz. 8 a; Musielak/Fischer, ZPO, 4. Aufl., § 114, Rz. 32; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., § 114, Rz. 50; Johannsen/Henrich/Jaeger, aaO., § 1565 BGB, Rz. 18; MünchKomm/Wax, ZPO, 2. Aufl., § 114, Rz. 140; Wax, FamRZ 1985, 10, 11). Welcher dieser beiden Auffassungen zu folgen ist, kann offen bleiben. Dabei kommt es nicht darauf an, dass die angeführten Gerichtsentscheidungen, soweit ersichtlich, sämtlich in Bezug auf das Prozesskostenhilfegesuch des Antragsstellers bzw. der Antragstellerin für das Scheidungsverfahren ergangen sind, während sich die Problematik für den Antragsgegner, wie bereits angeführt, etwas anders darstellt. Denn vorliegend kann schon nicht angenommen werden, dass zwischen der Antragstellerin und dem Antragsgegner nur eine Scheinehe bestanden hat.

Die Parteien haben am 28.10.1998 in der Republik Mazedonien geheiratet. Die Trennung der Parteien ist nach den Angaben der Antragstellerin, denen der Antragsgegner nicht entgegengetreten ist, im Februar 2003 erfolgt. Demnach haben die Parteien über vier Jahre als Ehepartner zusammengelebt. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts, wie sie in dem Schreiben vom 23.12.2004 dargestellt sind, hat es sich aus Sicht der Antragstellerin nicht um eine Scheinehe gehandelt. Damit wird erkennbar, dass die Antragstellerin den Antragsgegner nicht etwa deshalb nur geheiratet hat, um ihm ein Bleiberecht in Deutschland zu verschaffen und sie insbesondere auch kein Entgelt für die Eheschließung erhalten hat (vgl. zu der Frage, welche Auswirkungen die Zahlung eines solchen Entgeltes bei Eingehung einer Scheinehe auf die Bedürftigkeit der um Prozesskostenhilfe nachsuchenden Partei hat, BVerfG, FamRZ 1984, 1205; OLG Stuttgart, FamRZ 2002, 890; OLG Hamm, FamRZ 2000, 1092; OLG Schleswig, OLGR 1997, 10; OLG Nürnberg, FamRZ 1995, 1502; Musielak/Fischer, aaO.; Wax, FamRZ 1985, 10, 11). Lässt sich aber nicht feststellen, dass schon bei Eheschließung die Scheidung beabsichtigt war, ist das Betreiben des Scheidungsverfahrens nicht mutwillig (FamVerf/Gutjahr, § 6, Rz. 108; vgl. auch Zöller/Philippi, aaO., § 114, Rz. 45 a. E.). So liegt es hier mit Rücksicht auf die Einlassungen der Antragstellerin. Auf die vom Amtsgericht in seinem Schreiben vom 23.12.2004 ebenfalls angesprochene Frage, ob der Antragsgegner die Antragstellerin seinerzeit zur Eingehung der Ehe gedrängt habe und nach der Trennung erklärt habe, dass er die Scheidung wolle und nun die unbefristete Aufenthaltserlaubnis habe, kommt es nicht an. Denn welche Motive der Antragsgegner bei der Eheschließung auch gehabt haben mag, so liegt eine Ehe, die nur zu dem Zwecke eingegangen worden ist, ihm ein Bleiberecht zu sichern, nicht vor. Vielmehr haben die Parteien mehr als vier Jahre die Ehe tatsächlich vollzogen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 127 Abs. 4 ZPO.

Ende der Entscheidung

Zurück