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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss verkündet am 20.08.1998
Aktenzeichen: 10 Wx 5/97
Rechtsgebiete: BGB, FGG


Vorschriften:

BGB § 203
FGG § 20 Abs. 1
FGG § 27
FGG § 29
FGG § 29 Abs. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1. wird der Beschluß des Landgerichts Cottbus vom 15. August 1996 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen, das auch über die Kosten der weiteren Beschwerde zu entscheiden hat.

Der Wert der weiteren Beschwerde wird auf 50.000,00 DM festgesetzt.

Der Wert der Beschwerde wird in Abänderung des angefochtenen Beschlusses des Landgerichts Cottbus ebenfalls auf 50.000,00 DM festgesetzt.

Gründe:

I. Der Erblasser errichtete am Tage seines Freitods, dem 16.04.1958, ein Testament, durch welches er seinen gesamten Grundbesitz sowie die Maschinen und Werte seiner Dachsteinfabrikation der LPG "Neuer Weg" in Z... "vermachte". Das staatliche Notariat Luckau stellte aufgrund des Testaments am 23.05.1958 einen Erbschein aus, welcher die LPG als Alleinerbin ausweist.

Der Beteiligte zu 1., dessen Mutter J... R... Schwester des Erblassers gewesen sein soll, hat mit Schreiben vom 10.03.1995 die Einziehung des erteilten Erbscheins sowie die Ausstellung eines Erbscheins "auf der Grundlage der gesetzlichen Erbfolge" beantragt. Zur Begründung hat er ausgeführt, das Testament sei unter Zwang zustande gekommen.

Durch Beschluß vom 27.03.1995 hat das Amtsgericht den Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, die Anfechtung sei unwirksam, weil die Anfechtungsfrist von 30 Jahren nach Eintritt des Erbfalles bereits am 16.04.1988 abgelaufen sei.

Mit der gegen diesen Beschluß gerichteten Beschwerde hat der Beteiligte zu 1. vorgetragen, er habe im Mai 1970 die Kopie des Testaments bei E... H... in Westberlin abgeholt und dieses Testament im Juni 1970 handschriftlich angefochten, hierauf aber nie eine Antwort erhalten.

Durch den angefochtenen Beschluß hat das Landgericht die Beschwerde zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die persönliche Anfechtungsberechtigung des Beteiligten zu 1. habe nicht festgestellt werden können. Der Beteiligte zu 1. habe eine gerichtliche Verfügung unbeantwortet gelassen, in der er aufgefordert worden sei, das Sterbedatum seiner Mutter mitzuteilen. Damit habe nicht festgestellt werden können, ob die Mutter zum Zeitpunkt der behaupteten Anfechtungserklärung vom 15.06.1970 bereits weggefallen sei. Der Beteiligte zu 1. habe damit der ihm auch unter der Herrschaft des Amtsermittlungsgrundsatzes obliegenden Mitwirkungspflicht nicht genügt. Das Beschwerdegericht treffe eine Pflicht zur selbständigen Ermittlung nicht, wenn der Beschwerdeführer es in erster Linie in der Hand habe, die notwendigen Erklärungen abzugeben und zu belegen.

Gegen diesen Beschluß wendet sich der Beteiligte zu 1. mit der weiteren Beschwerde. Er trägt vor:

Das Landgericht habe seiner Amtsermittlungspflicht nicht genügt, indem es ohne weitere Nachfrage das Sterbedatum seiner Mutter als nicht festgestellt angesehen und unter diesem Gesichtspunkt die Beschwerde zurückgewiesen habe. Inzwischen befinde sich eine Urkunde über das Versterben seiner Mutter in der Gerichtsakte. Da ihm bei Testamentsanfechtung im Jahre 1970 eine Aufhebung der letztwilligen Verfügung unmittelbar zugute gekommen wäre, sei er anfechtungsberechtigt. Er habe auch die Anfechtungsfrist gewahrt. Bereits mit der Beschwerde habe er eine Erklärung der Frau E... H.... vom 05.09.1995 vorgelegt, worin diese bestätige, daß er, der Beteiligte zu 1., das Testament im Mai 1970 bei ihr abgeholt habe. Darüber hinaus sei gerade im vorliegenden Fall eine Hemmung der Anfechtungsfrist nach § 203 BGB wegen Stillstands der Rechtspflege anzunehmen. Es handele sich hier um einen Fall mit politischem Bezug, wie bereits im Protokoll über die Testamentseröffnung vom 23.05.1958 deutlich werde. Dort sei festgehalten, daß als gesetzliche Erbin lediglich die Schwester des Erblassers, die Mutter des Beteiligten zu 1., vorhanden sei, die jedoch "Republikflucht" begangen habe. Daß hier seitens der DDR-Behörden Rechtsverweigerung betrieben worden sei, zeige sich insbesondere auch daran, daß er, der Beteiligte zu 1., auf seine Anfechtungserklärung aus dem Jahre 1970 nie eine Antwort erhalten habe.

Die Anfechtung sei auch begründet, da der Erblasser durch Drohung und Gewaltanwendung zur Abfassung des Testaments in der vorliegenden Form veranlaßt worden sei. Bereits aus einem noch vorzulegenden Briefwechsel zwischen dem Erblasser und seiner Schwester ergebe sich, daß dieser zu keinem Zeitpunkt den Wunsch gehabt habe, freiwillig aus dem Leben zu scheiden. Der Erblasser habe zunächst "Republik-flucht" begangen und sei dann wieder in die DDR zurückgekehrt, weil man ihm versprochen habe, ihm werde nichts geschehen. Der Erblasser sei jedoch dann in der DDR erheblichen und schweren Verhören unterzogen worden. Er habe Stasi-Kontakte gehabt und sei in den Spionage-Fall "Valier" verwickelt gewesen. Dies ergebe sich aus der den Erblasser betreffenden Akte der "Gauck-Behörde", deren Beziehung angeregt werde. Der Erblasser habe den Tod durch Erhängen gefunden. Eine Frau habe seinem, des Beteiligten zu 1., Bruder, J... R..., mitgeteilt, daß die Leiche im Gesicht "völlig zerkratzt" gewesen sei. Es sei völlig unwahrscheinlich, daß der Erblasser, der laut Testament den Freitod gewählt habe, sich zunächst das Gesicht zerkratzt und dann den Tod durch den Strang gesucht habe. Ein solches Verhalten sei völlig unüblich, wie durch medizinisches Sachverständigengutachten bewiesen werden könne. Schon daraus ergebe sich, daß der Tod des Erblassers nicht auf seinen freien Willen zurückzuführen sei. Gleiches gelte für die Ausstellung des am Todestage gefertigten Testaments. Dieses sei durch Zwang und unter Drohungen vom Erblasser verfaßt und unterschrieben worden.

II. Das Rechtsmittel des Beteiligten zu 1. ist als weitere Beschwerde gem. §§ 27, 29 FGG zulässig. Die fälschliche Benennung des Rechtsmittels als "Beschwerde" ist unschädlich (RGZ 170, 385, 387; Zöller/Gummer, ZPO, 20. Aufl., vor § 511, Rz. 35; Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 13. Aufl., § 19, Rz. 73).

Der Beteiligte zu 1. ist auch gem. § 29 Abs. 4 FGG in Verbindung mit § 20 Abs. 1 FGG beschwerdeberechtigt. Eine Beschwerdeberechtigung besteht nämlich bereits dann, wenn die Erstbeschwerde gegen den beeinträchtigenden Beschluß des Amtsgerichts zurückgewiesen oder verworfen worden ist (BGH, FamRZ 1989, 602, 603; BayObLGZ 1963, 58, 64; 1964, 137, 139; 1965, 331, 332; 1986, 118,120; Keidel/Kuntze/Winkler, aaO., § 27, Rz. 10).

Der Zulässigkeit der weiteren Beschwerde steht ferner nicht entgegen, daß sie mit einem über die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses hinausgehenden Antrag, gerichtet auf Erteilung eines anderweitigen Erbscheins, verbunden ist.

Ein erst beim Beschwerdegericht gestellter Antrag auf Erteilung eines Erbscheins ist allerdings unzulässig (OLG Hamm, OLGZ 1968, 332, 333; Keidel/Kuntze/Winkler, aaO., § 19, Rz. 115 und § 23, Rz. 3; Soergel/Damrau, BGB, 12. Aufl., § 2353, Rz. 26 m. w. N.). Denn das Beschwerdegericht darf eine Entscheidung nur insoweit treffen, als das Gericht erster Instanz einen Beschluß erlassen hat. Der angefochtene erstinstanzliche Beschluß bildet den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens. Diesen Gegenstand darf das Beschwerdegericht nicht einschränken, erweitern oder auswechseln. Es hat vielmehr grundsätzlich über denselben Gegenstand zu entscheiden wie das erstinstanzliche Gericht. Deshalb sind im Beschwerdeverfahren neue Anträge, welche die Angelegenheit zu einer anderen machen, als es diejenige gewesen ist, die Gegenstand der amtsgerichtlichen Entscheidung war, unzulässig (OLG Hamm, aaO.). Diese Grundsätze gelten erst recht für neue Anträge im Verfahren der weiteren Beschwerde. Denn hier hat das angerufene Gericht allein die Entscheidung des Beschwerdegerichts im Rahmen des Gegenstands des Beschwerdeverfahrens auf Rechtsfehler zu überprüfen. Demnach kann der Senat über den erstmals mit der weiteren Beschwerde gestellten Antrag des Beteiligten zu 1. ungeachtet des Umstands, daß das Beschwerdegericht und das Gericht der weiteren Beschwerde einen Erbschein nie selbst erteilen, sondern nur das Nachlaßgericht zur Erteilung eines bestimmten Erbscheins anweisen können (vgl. Palandt/Edenhofer, BGB, 57. Aufl., § 2353, Rz. 14), nicht befinden. Er hat ihn unbeachtet zu lassen (Keidel/Kuntze/Winkler, aaO., Rz. 14), da der neue Antrag nur wieder beim Gericht erster Instanz gestellt werden kann (Keidel/Kuntze/Winkler, aaO., § 23, Rz. 3).

Die weitere Beschwerde ist auch begründet. Der angefochtene Beschluß beruht auf einem Rechtsverstoß. Das Landgericht ist seiner Pflicht zur Ermittlung des Sachverhalts von Amts wegen gem. §§ 12 FGG, 2358 Abs. 1 BGB nicht gehörig nachgekommen. Da das Gericht der Rechtsbeschwerde die Ermittlung nicht nachholen kann, muß die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses zur anderweitigen Behandlung und neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen werden (Senat, FamRZ 1998, 59, 60; BayObLG, FamRZ 1982, 634, 637; Keidel/Kuntze/Winkler, aaO., § 27, Rz. 66).

Allerdings hat das Landgericht zutreffend die Zulässigkeit der Erstbeschwerde bejaht. Insbesondere war der Beteiligte zu 1. insoweit beschwerdeberechtigt. Sein Recht war durch den Beschluß des Amtsgerichts beeinträchtigt, § 20 Abs. 1 FGG. Beschwerdeberechtigt ist nämlich, wer behauptet, Erbe einer erbrechtlich beeinträchtigten Person zu sein (vgl. Keidel/Kuntze/Winkler, aaO., § 20, Rz. 13). Der Beteiligte zu 1. hat zumindest konkludent behauptet, seine Mutter, die ihrerseits gesetzliche Erbin nach dem Erblasser gewesen sei, beerbt zu haben. Diese Behauptung reicht aus, um die Zulässigkeit der Beschwerde zu bejahen. Die Frage, ob sie tatsächlich zutrifft, ist der Sachprüfung zu überlassen (vgl. auch BayObLG, FamRZ 1990, 1037).

Zu Recht hat das Landgericht die Prüfung unterlassen, ob der Beteiligte zu 1. berechtigt war, einen Antrag auf Einziehung des Erbscheins zu stellen. Da das Nachlaßgericht einen unrichtigen Erbschein gem. § 2361 Abs. 1 BGB von Amts wegen einzuziehen hat, ist ein von einem Beteiligten gestellter Einziehungsantrag ohnehin lediglich als Anregung zur Einziehung zu verstehen (vgl. auch Palandt/Edenhofer, aaO., § 2361, Rz. 1 und 7).

Das Landgericht konnte auch ohne weitere Ausführungen davon ausgehen, daß das Amtsgericht Lübben als Nachlaßgericht für die Überprüfung der Richtigkeit des erteilten Erbscheins zuständig ist. Denn für die etwa erforderliche Einziehung des Erbscheins ist nur dasjenige Nachlaßgericht zuständig, das den Erbschein erteilt hatte (BayObLGZ 1977, 59, 62; OLG Hamm, OLGZ 1972, 352, 353; Palandt/Edenhofer, aaO., § 2361, Rz. 8). Für die Einziehung des in der früheren DDR vom inzwischen aufgelösten staatlichen Notariat Luckau erteilten Erbscheins ist das für den damaligen Notariatsbezirk errichtete Amtsgericht Lübben zuständig (vgl. auch Palandt/Edenhofer, aaO.).

Ebenfalls zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, daß im vorliegenden Fall das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) in der bis zum Jahre 1975 in der DDR geltenden Fassung anzuwenden ist.

Gem. Art. 235 § 1 Abs. 1 EGBGB bleibt für die erbrechtlichen Verhältnisse das bisherige Recht maßgebend, wenn der Erblasser vor dem Wirksamwerden des Beitritts der DDR zur Bundesrepublik Deutschland gestorben ist. Als rein intertemporale Norm regelt diese Vorschrift allerdings nicht, ob auf einen früheren Erbfall das in der ehemaligen DDR oder das im bisherigen Bundesgebiet geltende Recht zur Anwendung kommt, sondern setzt eine Zuordnung des erbrechtlichen Verhältnisses zu einer der beiden Teilrechtsordnungen bereits voraus. Nach der deshalb stets erforderlichen interlokalen Vorprüfung richtet sich die Rechtslage von Todes wegen nach einem deutschen Erblasser nach den Bestimmungen derjenigen Teilrechtsordnung, deren räumlichem Geltungsbereich der Erblasser durch seinen gewöhnlichen Aufenthalt angehörte (vgl. BGHZ 124, 270, 273; Limmer, ZEV 1994, 290, 291; Palandt/Edenhofer, aaO., EGBGB 235, § 1, Rz. 5). Dementsprechend bestimmt sich vorliegend die Frage der Wirksamkeit des Testaments nach dem Recht der ehemaligen DDR. Denn der Erblasser ist am 16.04.1958 und damit weit vor dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland am 03.10.1990 verstorben. Anzuwenden ist das BGB in der 1958 in der DDR in Kraft befindlichen Fassung, das bis zum Inkrafttreten des Zivilgesetzbuches (ZGB) der DDR am 01.01.1976 auch in der DDR galt. Denn nach § 8 Abs. 1 EGZGB bestimmte sich die Regelung erbrechtlicher Verhältnisse nach dem vor Inkrafttreten des ZGB geltenden Recht, wenn der Erbfall vor diesem Zeitpunkt eingetreten war. Dies ist vorliegend der Fall. Auf die Frage, ob die hier auch zur Beurteilung ausstehende Testamentsanfechtung vom 10.03.1995 als die Aufhebung der Verfügung von Todes wegen i. S. von Art. 235 § 2 EGBGB betreffend anzusehen ist und sich deshalb nach dem bisherigen Recht beurteilt (vgl. hierzu Senat, FamRZ 1998, 59) kommt es vorliegend nicht an, da wegen des Todes des Erblassers vor dem Wirksamwerden des Beitritts bereits nach Art. 235 § 1 Abs. 1 EGBGB das bisherige Recht maßgebend bleibt.

Das Landgericht ist aber ohne ausreichende Ermittlungen davon ausgegangen, daß der am 23.05.1958 erteilte Erbschein richtig ist.

Es ist allerdings rechtlich nicht zu beanstanden, daß das Landgericht ohne weitere Ausführungen davon ausgegangen ist, daß das am 16.04.1958 errichtete Testament formwirksam ist und die Einsetzung der LPG "Neuer Weg" in Z..., der Rechtsvorgängerin der Beteiligten zu 2., als Alleinerbin enthält.

Anhand der Akte, deren Inhalt der Senat seiner Entscheidungsfindung zugrunde legen kann (Keidel/Kuntze/Winkler, aaO., § 27, Rz. 59), ergibt sich zwar, daß der Erblasser das Testament mit Bleistift niedergeschrieben hat. Dies berührt indessen die Formwirksamkeit des Testaments nicht. Ist nämlich die volle Eigenhändigkeit gewahrt, kommt es nicht mehr auf die äußerliche Form des Schreibens, das Material und das verwendete Schreibmittel an (Palandt/Edenhofer, aaO., § 2247, Rz. 5).

Auch konnte das Landgericht ohne nähere Feststellungen davon ausgehen, daß mit dem Testament, obwohl es Zuwendungen zugunsten einer Vielzahl von Personen enthält, die Einsetzung der Rechtsvorgängerin der Beteiligten zu 2. als Alleinerbin erfolgen sollte. Der Erblasser hat offensichtlich die der LPG zugewendeten Gegenstände als seinen wesentlichen Nachlaß angesehen. Dafür, daß der Erblasser in der LPG seine wirtschaftliche Stellung fortgesetzt wissen wollte, was ebenfalls für eine Erbeinsetzung spricht (vgl. OLG Köln, FamRZ 1989, 549; Palandt/Edenhofer, aaO., § 2087, Rz. 3 ff.), spricht auch der Umstand, daß die LPG laut Testament eine noch offene Forderung der Frau Sch... begleichen und einen Betrag an Frau Kö... auszahlen sollte. Auch vom Beteiligten zu 1. wird nicht in Zweifel gezogen, daß nach dem Testament die LPG zur Alleinerbin berufen ist.

Zu Unrecht ist das Landgericht aber ohne weitere Ermittlungen davon ausgegangen, daß das Testament nicht infolge Anfechtung durch den Beteiligten zu 1. unwirksam ist. Insbesondere hätte es nicht, ohne zuvor nähere Feststellungen getroffen zu haben, davon ausgehen dürfen, daß der Beteiligte zu 1. nicht zur Anfechtung berechtigt ist. Insoweit war es nicht ausreichend, dem Beteiligten zu 1. eine Frist zur Mitteilung des Sterbedatums seiner Mutter zu setzen und nach ergebnislosem Fristablauf zu seinen Ungunsten zu entscheiden.

Im Erbscheinsverfahren gilt gem. §§ 12 FGG, 2358 Abs. 1 BGB der Amtsermittlungsgrundsatz, d. h. das Gericht hat von Amts wegen den maßgeblichen Sachverhalt zu erforschen. Vorliegend durfte das Landgericht dem Beteiligten zu 1. auch nicht unter Hinweis auf die Entscheidung BGH, NJW 1988, 1839 seine unterbliebene Mitwirkung vorhalten. Die genannte Entscheidung betraf nämlich das Verfahren über den Versorgungsausgleich, eine echte Streitsache der freiwilligen Gerichtsbarkeit, bei der die Parteien ihnen vorteilhafte Umstände von sich aus vorbringen müssen (BGH, NJW 1988, 1839, 1840). Das Erbscheinseinziehungsverfahren ist hingegen ein Amtsverfahren (vgl. Keidel/Kuntze/Winkler, aaO., § 12, Rz. 4 f.), bei dem die Mitwirkungspflicht der Beteiligten im Unterschied zum Antragsverfahren und insbesondere zum echten Streitverfahren erheblich schwächer ausgestaltet ist (vgl. Keidel/Kuntze/Winkler, aaO., § 12, Rz. 88 ff.).

Vorliegend hätte das Landgericht den Versuch unternehmen müssen, das Sterbedatum der Mutter des Beteiligten zu 1. anderweitig, etwa durch Anfrage bei der Beteiligten zu 2. in Erfahrung zu bringen. Jedenfalls aber hätte es prüfen müssen, ob die gerichtliche Verfügung den Beteiligten zu 1. überhaupt erreicht hat.

Die angefochtene Entscheidung beruht auch auf der Gesetzesverletzung, § 27 Abs. 1 Satz 1 FGG. Je nach Ausgang weiterer Ermittlungen ist es nämlich nicht ausgeschlossen, daß der Beteiligte zu 1. das Testament wirksam angefochten hat mit der Folge, daß gesetzliche Erbfolge eingetreten ist.

Der Beteiligte zu 1. beruft sich darauf, daß der Erblasser durch Drohung und Gewaltanwendung zur Abfassung des Testaments in der vorliegenden Form veranlaßt worden sei, macht also einen Anfechtungsgrund gem. § 2078 Abs. 2 BGB geltend. Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß er insoweit gem. § 2080 Abs. 1 BGB anfechtungsberechtigt ist.

Gem. § 2080 Abs. 1 BGB ist zur Anfechtung derjenige berechtigt, welchem die Aufhebung der letztwilligen Verfügung unmittelbar zustatten kommen würde. Danach sind zunächst anfechtungsberechtigt die nächsten gesetzlichen Erben bei Erbeinsetzung eines Dritten (vgl. Palandt/Edenhofer, aaO., § 2080, Rz. 2; MünchKomm/Leipold, BGB, 3. Aufl., § 2080, Rz. 4). Gesetzliche Erbin nach dem Erblasser soll nach dem Eröffnungsprotokoll vom 23.5.1958 dessen Schwester, die Mutter des Beteiligten zu 1., gewesen sein. Ob dies tatsächlich zutrifft, bedarf näherer Feststellungen. Es muß ermittelt werden, ob J... R... überhaupt Schwester des Erblassers war und welche Angehörigen des Erblassers bei Eintritt des Erbfalls vorhanden waren. Sollte sich dann herausstellen, daß J... R.... als Schwester des Erblassers (alleinige) gesetzliche Erbin ist, wovon die Beteiligten übereinstimmend auszugehen scheinen, wäre zu prüfen, ob ein ihr zustehendes Anfechtungsrecht auf den Beteiligten zu 1. übergegangen ist. Eine der hierfür notwendigen Voraussetzungen ist erfüllt. J... R... ist, wie sich aus der nunmehr bei der Akte befindlichen Sterbeurkunde des Standesamts Grünberg/Hessen ergibt, am 09.02.1962 verstorben. Soweit der Beteiligte zu 1. auf Seite 6 seiner Beschwerdeschrift vom 05.05.1997 ausführt, seine Mutter sei am 09.02.1992 verstorben, handelt es sich offensichtlich um einen Schreibfehler. Das Landgericht wird noch zu prüfen haben, ob der Beteiligte zu 1. infolge des Wegfalls seiner Mutter das Anfechtungsrecht ausüben konnte.

Ist ein Anfechtungsberechtigter nach dem Erbfall verstorben, ohne angefochten zu haben, und beruhte sein Anfechtungsrecht auf einer vererblichen Rechtsposition, dann geht es auf seine Erben über (Palandt/Edenhofer, aaO, § 2080, Rz. 7; MünchKomm/Leipold, aaO., § 2080, Rz. 10; RGRK/Johannsen, BGB, 12. Aufl., § 2080, Rz. 8; Soergel/Loritz, aaO., § 2080, Rz. 22; Staudinger/Otte, BGB, 13. Aufl., § 2080, Rz. 13; Kipp/Coing, Erbrecht, 12. Aufl., § 24, IV 1 c, Seite 125; Lange/Kuchinke, Lehrbuch des Erbrechts, 4. Aufl., § 36 VI 2, Seite 807; Schlüter, Erbrecht, 13. Aufl., Rz. 242). Denn hätte er angefochten, so wäre er Erbe geworden, und seine Erben hätten die Erbschaft erhalten, so daß ihnen nunmehr die Anfechtung unmittelbar zustatten kommt (Soergel/Loritz, aaO.; Staudinger/Otte, aaO.). Danach sind zunächst Feststellungen zu der Frage zu treffen, ob der Beteiligte zu 1. Erbe nach seiner Mutter geworden ist, wovon er offensichtlich ausgeht, was aber nicht etwa durch Vorlage eines ihn ausweisenden Erbscheins belegt ist. Sollte von der Erbenstellung des Beteiligten zu 1. auszugehen sein, wäre weiterhin zu prüfen, ob das Anfechtungsrecht zur Zeit des Todes seiner Mutter noch bestanden hat.

Das einmal entstandene Anfechtungsrecht geht nur dann zusammen mit der Erbschaft auf den Erben über, wenn es beim Tode des zunächst Anfechtungsberechtigten noch nicht erloschen ist (vgl. RGRK/Johannsen, aaO., der auf den Tod des "Erblassers" abstellt, damit aber offensichtlich den Tod des Anfechtungsberechtigten meint, da § 2080 BGB ohnehin nur die Anfechtung nach Eintritt des Erbfalls betrifft, vgl. MünchKomm/Leipold, aaO., § 2080, Rz. 2). Insofern kann für die Vererblichkeit des Anfechtungsrechts nach § 2080 BGB nichts anderes gelten als für das Recht auf Ausschlagung der Erbschaft, dessen Vererblichkeit in § 1952 BGB ausdrücklich geregelt ist. Für letzteres ist allgemein anerkannt, daß es beim Tod des Erben nur dann auf den Erbeserben übergeht, wenn es der Erbe seinerseits nicht bereits zuvor dadurch verloren hat, daß er die Erbschaft entweder angenommen hat oder aber die Ausschlagungsfrist abgelaufen ist (MünchKomm/Leipold, § 1952, Rz. 2; Soergel/Stein, aaO., § 1952, Rz. 1; Staudinger/Otte, aaO., § 1952, Rz. 1). Die Interessenlage ist im Falle des § 2080 BGB keine andere. Hat etwa der Erbe von einem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt, die Anfechtungsfrist des § 2082 BGB aber ungenutzt verstreichen lassen, kann das Anfechtungsrecht nicht infolge des Todes des Erben zugunsten des Erbeserben wiederaufleben. Demnach wäre vorliegend zu prüfen, ob das Anfechtungsrecht im Zeitpunkt des Todes der Mutter des Beteiligten zu 1. nicht bereits erloschen war. In Betracht kommt insoweit, daß für die bis zum 09.02.1962 gem. § 2080 Abs. 1 BGB anfechtungsberechtigte Mutter des Beteiligten zu 1. die Anfechtungsfrist bereits abgelaufen war.

Gem. § 2082 kann die Anfechtung nur binnen Jahresfrist erfolgen, wobei die Frist mit dem Zeitpunkt beginnt, in welchem der Anfechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrunde Kenntnis erlangt. Ob ein Testament rechtzeitig angefochten wurde, darf erst entschieden werden, wenn der Anfechtungsgrund klargestellt ist (BayObLG, FamRZ 1990, 322, 323; FamRZ 1990, 1037, 1038). Dies bedeutet allerdings nicht, daß der Prüfung der Einhaltung der Anfechtungsfrist stets die Prüfung, ob ein Anfechtungsgrund tatsächlich gegeben ist, vorauszugehen hat. Vielmehr reicht es aus festzustellen, worauf der Anfechtende sein Anfechtungsrecht stützt. Denn dann läßt sich ermitteln, wann er von diesen, von ihm behaupteten Umständen Kenntnis erlangt hat. Vorliegend geht es, wie bereits ausgeführt, um eine Anfechtung gem. § 2078 Abs. 2 BGB. Es ist also zu fragen, wann der Anfechtungsberechtigte, hier also zunächst die Mutter des Beteiligten zu 1., Kenntnis von den Tatsachen erlangt hat, die dafür sprechen, daß der Erblasser durch Drohung oder Gewaltanwendung zur Errichtung des Testaments bestimmt worden ist.

Die Anfechtungsfrist beginnt frühestens mit der Kenntnis des Anfechtungsberechtigten vom Erbfall und vom Testament (Palandt/Edenhofer, aaO., § 2082, Rz. 2). Demnach ist zunächst festzustellen, wann die Mutter des Beteiligten zu 1. vom Erbfall und vom Testament erfahren hat. Im Zeitpunkt der Eröffnung des Testaments am 23.05.1958 und damit vermutlich bereits bei Eintritt des Erbfalls am 26.04.1958 befand sie sich offensichtlich in der Bundesrepublik Deutschland. Der Inhalt des Testaments dürfte ihr zunächst nicht bekannt geworden sein, da ihr Aufenthalt laut Eröffnungsprotokoll nicht bekannt war. Sie mag aber dennoch Kontakt zu Freunden oder Verwandten gehabt haben, die ihr vom Tode ihres Bruders berichtet haben. Möglicherweise hat sie auf diesem Wege auch vom Inhalt des Testaments erfahren. Dies bedarf einer näheren Klärung. Sollte die Mutter des Beteiligten zu 1. mehr als ein Jahr vor ihrem Ableben von Erbfall und Testament erfahren haben, stellt sich weiterhin die Frage, ob sie auch Kenntnis von Umständen erlangt hat, die für die Anfechtbarkeit des Testaments wegen Drohung bzw. Gewaltanwendung sprechen.

Für den Fall, daß sich nicht mehr aufklären läßt, ob die Mutter des Beteiligten zu 1. ihrerseits das Anfechtungsrecht hätte ausüben können mit der Folge, daß es im Zeitpunkt ihres Todes bereits erloschen war und nicht mehr auf den Beteiligten zu 1. übergehen konnte, ist nach den Regeln über die Feststellungslast davon auszugehen, daß der Beteiligte zu 1. das Anfechtungsrecht erlangt hat, allerdings - wie bereits ausgeführt - nur unter der Voraussetzung, daß er seine Mutter beerbt hat.

Im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit gibt es zwar wegen der Amtsermittlungspflicht gem. § 12 FGG keine Beweislast der Beteiligten im Sinne einer formellen oder subjektiven Beweislast (Beweisführungslast). Das gilt auch im Erbscheinsverfahren (vgl. § 2358 BGB). Gleichwohl muß es auch in der freiwilligen Gerichtsbarkeit Regeln geben, nach denen zu verfahren ist, wenn sich die Richtigkeit oder Unrichtigkeit einer rechtserheblichen Tatsache bei Ausschöpfung aller Erkenntnisquellen nicht feststellen läßt, also Regeln dafür, welcher Verfahrensbeteiligte die Folgen solcher Unaufklärbarkeit trägt (materielle oder objektive Beweislast; Feststellungslast; vgl. KG, NJW 1963, 766, 768; OLGZ 1991, 144, 147; Keidel/Kuntze/Winkler, aaO., § 12, Rz. 190). Die Grundsätze für die Verteilung der Feststellungslast ergeben sich aus dem materiellen Recht (KG, OLGZ 1991, 144, 148).

Die Feststellungslast für die früher erlangte Kenntnis und damit den Ausschluß des Anfechtungsrechts durch Zeitablauf trägt der Anfechtungsgegner (BayObLGZ 1963, 260, 265; BayObLG, FamRZ 1983, 1275, 1278; Palandt/Edenhofer, aaO., § 2082, Rz. 1; MünchKomm/Leipold, aaO., § 2082, Rz. 11; a. A. RGRK/Johannsen, aaO., § 2082, Rz. 16). Dies muß wegen der gleichen Interessenlage auch für die Frage gelten, ob das Anfechtungsrecht für den zunächst Berechtigten durch Zeitablauf erloschen und der nunmehr Anfechtende deshalb zur Anfechtung nicht mehr berechtigt ist. Eine etwaige Nichterweislichkeit der Kenntnis der Mutter des Beteiligten zu 1. vom Anfechtungsgrund über ein Jahr vor ihrem Tode würde demnach zu Lasten der Beteiligten zu 2. gehen. Es wäre davon auszugehen, daß der Beteiligte zu 1. noch anfechtungsberechtigt war.

Soweit von einem Anfechtungsrecht des Beteiligten zu 1. gem. § 2080 Abs. 1 BGB auszugehen ist, bedarf es der weiteren Prüfung, ob er dieses Anfechtungsrecht auch wirksam ausgeübt hat. Das setzt voraus, daß er innerhalb der Anfechtungsfrist eine Anfechtungserklärung abgegeben hat und auch ein Anfechtungsgrund gegeben war. Hierzu bedürfte es weiterer tatsächlicher Feststellungen des Landgerichts.

Fraglich ist insbesondere das Vorliegen einer Anfechtungserklärung. Dabei kommt es entscheidend darauf an, ob der Beteiligte zu 1. das Testament, wie von ihm behauptet, mit Erklärung vom 15.06.1970 angefochten hat.

Der mit Schreiben vom 10.03.1995 erklärte "Widerspruch" gegen das Testament konnte zu einer wirksamen Anfechtung schon deshalb nicht führen, weil insoweit offensichtlich die Anfechtungsfrist abgelaufen ist. Die Anfechtung ist nämlich gem. § 2082 Abs. 3 BGB ausgeschlossen, wenn seit dem Erbfall 30 Jahre verstrichen sind. Danach war die Anfechtungsfrist, wie das Amtsgericht im Ausgangsbeschluß zutreffend festgestellt hat, in jedem Fall am 16.04.1988 abgelaufen. Die 30-Jahres-Frist des § 2082 Abs. 3 BGB kann nicht gehemmt werden (OLG Frankfurt, OLGZ 1993, 461, 468; Palandt/Edenhofer, aaO., § 2082, Rz. 1; MünchKomm/Leipold, aaO., § 2082, Rz. 10). Denn die systematische Stellung der Bestimmung im Anschluß an § 2082 Abs. 2 Satz 2 BGB, wonach auf den Lauf der Anfechtungsfrist die für die Verjährung geltenden Vorschriften der §§ 203, 206, 207 BGB entsprechende Anwendung finden, zeigt, daß nur eine Hemmung der Jahresfrist gem. § 2082 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BGB, nicht aber der eigenständig in Abs. 3 geregelten 30-Jahres-Frist möglich ist. Es kann deshalb dahinstehen, ob der Beteiligte gemäß § 203 BGB bzw. dem insoweit vergleichbaren § 477 Abs. 1 Nr. 4 ZGB infolge der Rechtsverhältnisse in der DDR an der Rechtsverfolgung gehindert war (vgl. hierzu BGH, ZIP 1996, 850, 851). Im übrigen wäre nach dem eigenen Vorbringen des Beteiligten zu 1. auch die 1-Jahres-Frist des § 2082 Abs. 1 BGB im Zeitpunkt der Erklärung vom 10.03.1995 verstrichen, da der Beteiligte zu 1. bereits im Jahre 1970 Kenntnis vom Anfechtungsgrund gehabt haben will.

Ob der Beteiligte zu 1. im Jahre 1970 eine Anfechtungserklärung abgegeben hat, bedarf der weiteren Aufklärung. Das von ihm mit der Beschwerdeschrift vom 20.05.1995 in Kopie beigelegte Schreiben vom 15.06.1970 befindet sich nicht als Original in der Nachlaßakte. Wirksam ist die empfangsbedürfigte Willenserklärung erst mit Zugang (§ 130 BGB) beim örtlich und sachlich zuständigen Nachlaßgericht (Palandt/Edenhofer, aaO., § 2081, Rz. 3; MünchKomm/Leipold, aaO., § 2081, Rz. 8). Es sind deshalb weitere Ermittlungen darüber anzustellen, ob dem staatlichen Notariat Luckau als damals zuständigem Nachlaßgericht die Erklärung vom 15.06.1970 zugegangen ist. Auf der vom Beteiligten zu 1. vorgelegten Kopie ist als Anschrift angegeben "Nachlaßgericht Am Markt Luckau Bez. Cottbus N./L. DDR". Falls der Beteiligte zu 1. dieselbe Anschrift auf dem Briefumschlag angegeben hat, könnten schon wegen der Unbestimmtheit der Anschrift und weil das Schreiben an das "Nachlaßgericht" und nicht an das "Staatliche Notariat" gerichtet war, Zweifel darüber bestehen, daß ein solches Schreiben an das zuständige Staatliche Notariat gelangt ist. Zu den weiteren Ermittlungen gehört aber auch eine Überprüfung der vom Amtsgericht Lübben als nunmehr zuständigem Nachlaßgericht aus dem Bestand des früheren Staatlichen Notariats Luckau übernommenen Akten darauf hin, ob dort, gegebenenfalls unter einem anderen Aktenzeichen als jenem dieses Nachlaßverfahrens, die genannte Anfechtungserklärung vorhanden ist.

Läßt sich ein Zugang der Erklärung vom 15.06.1970 beim Staatlichen Notariat Luckau nicht feststellen, so wäre, da die Feststellungslast für den Zugang der Anfechtungserklärung den Anfechtenden trifft (Staudinger/Otte, aaO., § 2082, Rz. 18; MünchKomm/Leipold, aaO., § 2082, Rz. 11), zu Lasten des Beteiligten zu 1. davon auszugehen, daß er eine Anfechtungserklärung nicht abgegeben hat.

Sollten aber die Ermittlungen ergeben, daß die Erklärung des Beteiligten zu 1. vom 05.06.1970 dem Staatlichen Notariat Luckau zugegangen ist, wäre von einer wirksamen Anfechtungserklärung im Sinne von § 2081 BGB auszugehen. Die inhaltlichen Anforderungen, die an die Anfechtungserklärung zu stellen sind, liegen nämlich vor. Insoweit ist ausreichend, wenn im Wege der Auslegung zu erkennen ist, daß die Erklärung auf die Rechtsfolge einer Anfechtung hinzielt und welche Verfügung betroffen sein soll (Palandt/Edenhofer, aaO., § 2081, Rz. 2). Der Grund der Anfechtung muß dagegen noch nicht angegeben werden (BayObLGZ 1962, 47, 52; 1989, 327, 330; Palandt/Edenhofer, aaO.; RGRK/Johannsen, aaO., § 2081, Rz. 2; abweichend MünchKomm/Leipold, aaO., § 2081, Rz. 16).

Für den Fall, daß vom Zugang einer wirksam unter dem 15.06.1970 abgegebenen Anfechtungserklärung auszugehen ist, wäre weiterhin die Einhaltung der Anfechtungsfrist gem. § 2082 BGB zu prüfen. Hier wäre der Behauptung des Beteiligten zu 1. näher nachzugehen, er habe erst im Mai 1970 eine Kopie des Testaments von Frau E... H... erhalten. Wenn er zuvor tatsächlich von dem Testament nicht erfahren hätte, hätte die Anfechtungsfrist frühestens in diesem Zeitpunkt begonnen. In diesem Zusammenhang wird näher aufzuklären sein, ob der Beteiligte zu 1. nicht bereits früher, etwa durch Kontakt mit seiner Mutter oder mit anderen Verwandten und Freunden, vom Erbfall und möglicherweise auch von der Errichtung des Testaments erfahren hat. Hierbei sollte auch ermittelt werden, warum der Beteiligte zu 1. gerade kurze Zeit nach Aushändigung des Testaments durch Frau H... Anlaß zu der Annahme hatte, sein Onkel, der Erblasser, habe das Testament unter dem Einfluß von Drohung und Gewalt errichtet. Insoweit bietet sich die persönliche Anhörung des Beteiligten zu 1.

Der Tatrichter bestimmt grundsätzlich den Umfang der Ermittlungen nach pflichtgemäßem Ermessen (Keidel/Kuntze/Winkler, aaO., § 12, Rz. 85). Dabei ist die Anhörung Beteiligter im Interesse sachgemäßer Ermittlungen grundsätzlich immer erforderlich (Keidel/Kuntze/Winkler, aaO., Rz. 163). Sie kann im allgemeinen schriftlich oder mündlich erfolgen. Die persönliche Anhörung ist jedoch vielfach zweckmäßig, zumal ein persönlicher Eindruck nur hierauf gestützt werden könnte (Keidel/Kuntze/Winkler, aaO., Rz. 166). Wenn die Beteiligten im Anhörungstermin präsent sind, besteht zudem die Möglichkeit, diese gegebenenfalls in entsprechender Anwendung des § 448 ZPO zu vernehmen, was grundsätzlich zu erwägen ist (BayObLGZ 1961, 132, 139).

Sollte die Anfechtungsfrist als gewahrt anzusehen sein, müßte weiter untersucht werden, ob ein Anfechtungsgrund gem. § 2078 Abs. 2 gegeben ist, ob also der Erblasser durch Drohung oder Gewaltanwendung zur Errichtung des Testaments bestimmt worden ist. Hierbei wird das Landgericht den in der Beschwerdeschrift vom 05.05.1997 genannten Beweismitteln, etwa der Vorlage des Briefwechsels zwischen dem Erblasser und seiner Schwester und der Beiziehung der sog. "Gauck-Akte", nachzugehen haben, soweit hierdurch eine erfolgversprechende Sachaufklärung möglich ist. Zwar können neue Tatsachen und Beweise in bezug auf die Sache selbst im Verfahren der weiteren Beschwerde grundsätzlich nicht eingeführt werden (Keidel/Kuntze/Winkler, aaO., § 27, Rz. 43). Da der Sachverhalt jedoch, wie bereits ausgeführt, ohnehin nicht hinreichend aufgeklärt ist, können diese nunmehr erfolgten Beweisangebote zumindest als Anregung dafür dienen, in welche Richtung weiter zu ermitteln ist. Das Landgericht wird, etwa nach Anhörung bzw. Vernehmung des Beteiligten zu 1., auch zu erwägen habe, E... H... bzw. die von ihr in der Erklärung vom 09.05.1995 (Bl. 18) genannten Personen zu den näheren Umständen der Testamentserrichtung zu vernehmen, aber auch zur Frage, ob später Anhaltspunkte dafür erkennbar waren, daß das Testament unter Einwirkung von Drohung oder Gewaltanwendung errichtet worden ist. Auch der vom Liquidator der Beteiligten zu 2. im Beschwerdeverfahren benannte Herr K... H..., der mit dem Erblasser persönlich bekannt gewesen sein soll, kann möglicherweise zur weiteren Sachaufklärung beitragen. Schließlich kommen grundsätzlich auch die im Eröffnungsprotokoll vom 23.05.1958 benannten Personen als weitere Zeugen in Betracht.

Der Senat weist vorsorglich darauf hin, daß es im Ermessen des Landgerichts steht, welche der vorstehend für erforderlich gehaltenen Ermittlungen es zunächst anstellt. Es gibt nämlich bei Prüfung der Frage, ob eine wirksame Testamentsanfechtung vorliegt, keine logisch zwingende Prüfungsreihenfolge dahin, daß zunächst die Anfechtungsberechtigung, dann das Vorliegen einer Anfechtungserklärung und die Einhaltung der Anfechtungsfrist und schließlich der Anfechtungsgrund festzustellen ist. Das Landgericht kann daher nach Zweckmäßigkeitserwägungen die Tatsachenfeststellung zunächst auf einen der genannten Problembereiche konzentrieren, aber auch, etwa soweit es um die Beiziehung von Akten geht, den Ermittlungen zu unterschiedlichen Fragestellungen gleichzeitig/parallel Fortgang geben. Sollte sich dabei erweisen, daß es an einem Erfordernis für eine wirksame Anfechtung fehlt, können die Ermittlungen eingestellt werden, weil dann die Beschwerde des Beteiligten zu 1., mit der er die Einziehung des erteilten Erbscheins weiterverfolgt, keinen Erfolg haben kann.

Am weiteren Verfahren wird das Landgericht auch den vom Beteiligten zu 1. als Zeugen benannten J... R... zu beteiligen haben. Er ist materiell beteiligt, da seine Rechte und Pflichten durch die Regelung der Angelegenheit, also durch die zu erwartende oder bereits erlassene gerichtliche Entscheidung, unmittelbar betroffen werden oder betroffen werden könnten (Keidel/Kuntze/Winkler, aaO., § 6, Rz. 18). Denn durch den erteilten Erbschein wird die Rechtsstellung seiner Mutter, deren (gesetzlicher) Erbe er mutmaßlich neben seinem Bruder, dem Beteiligten zu 1., ist, berührt. Diese wäre nämlich bei Unwirksamkeit des Testaments gesetzliche Erbin nach dem Erblasser.

Bei der Bemessung des Beschwerdewerts ist entgegen §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 1, 107 Abs. 2 Satz 1 KostO nicht auf den Nachlaßwert im Zeitpunkt des Erbfalls, sondern auf den Wert per 03.10.1990, den Tag des Beitritts der DDR zur Bundesrepublik Deutschland, abzustellen (BayObLG, FamRZ 1995, 1370 f.; FamRZ 1996, 189).

Der Wert des Nachlasses wird nach dem Akteninhalt maßgeblich vom Wert der Grundstücke bestimmt. Deren Wert per 03.10.1990 nimmt der Senat mit 50.000,00 DM an.

Da der Wert der Erstbeschwerde ebenso zu bemessen ist, wird die im angefochtenen Beschluß vorgenommene Wertfestsetzung von Amts wegen gem. § 31 Abs. 1 Satz 2 KostO geändert.

Ende der Entscheidung

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