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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 29.07.2008
Aktenzeichen: 11 U 121/07
Rechtsgebiete: ZPO, StGB, BGB, InsO


Vorschriften:

ZPO § 256 Abs. 1
ZPO § 522 Abs. 2
ZPO § 688 Abs. 1
ZPO § 775 Nr. 4
ZPO § 794 Abs. 1 Nr. 1
ZPO § 850 f Abs. 2
StGB § 14
StGB § 246
StGB § 266 a
StGB § 266 a Abs. 1
BGB § 779
BGB § 823
BGB § 823 Abs. 1
BGB § 823 Abs. 2
InsO § 157
InsO § 174 Abs. 2 n. F.
InsO § 175
InsO § 175 Abs. 2 n. F.
InsO § 184
InsO § 302
InsO § 302 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

11 U 121/07 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 29.07.2008

Verkündet am 29.07.2008

In dem Rechtsstreit

hat der 11. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 24. Juni 2008 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Goebel, den Richter am Oberlandesgericht Hütter und den Richter am Oberlandesgericht Pliester

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 8. Mai 2007 verkündete Urteils der 3. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Frankfurt (Oder), Az.: 13 O 277/06, abgeändert.

Es wird festgestellt, dass der Teilwiderspruch des Beklagten unbegründet ist, der sich gegen den von der Klägerin im Insolvenzverfahren über sein Vermögen vor dem Amtsgericht Frankfurt (Oder), Az.: 3.3 IN 269/05, zur Tabelle zur lfd. Nr. 14 angegebenen Rechtsgrund "aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung" für einen Teilbetrag in Höhe von 5.600,00 € der angemeldeten Schadensersatzforderung wendet. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte darf die Vollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe:

I.

Die Klägerin hatte den Beklagten vor dem Landgericht Berlin wegen der Nichtabführung von Arbeitnehmeranteilen zur Sozialversicherung in Anspruch genommen. Dort verglichen sich die Parteien dahin, dass der Beklagte an die Klägerin 7.600,00 € zu zahlen habe, davon 5.600,00 € als Gesamtschuldner neben dem gesondert verklagten N.... Die Klägerin hat im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beklagten als Hauptforderung diesen Betrag in Höhe von 7.600,00 € mit dem Forderungsattribut "Schadensersatzanspruch wegen vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung" zur Tabelle angemeldet. Der Beklagte hat dieser Qualifizierung in Höhe von 5.600,00 € widersprochen; in Höhe von 2.000,00 € nicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und den Berichtigungsbeschluss vom 06.06.2007 Bezug genommen. Das Landgericht hat mit dem der Klägerin am 22.05.2007 zugestellten Urteil die Klage abgewiesen. Insoweit wird auf die Entscheidungsgründe verwiesen. In der Parallelsache gegen N... hat das Landgericht Berlin (Az.: 24 O 369/06) der Klage der Klägerin stattgegeben. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf das am 30.10.2007 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin Bezug genommen.

Die Klägerin hat mit einem am 20.06.2007 bei dem Brandenburgischen Oberlandesgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und das Rechtsmittel mit einem am Montag den 23.07.2007 eingegangenen Schriftsatz begründet.

Mit Beschluss vom 01.02.2008 hat der Senat unter anderem darauf hingewiesen, dass er dazu neige, entgegen der vom Landgericht Frankfurt (Oder) vertretenen Auffassung dem Feststellungsbegehren der Klägerin stattzugeben. Unter dem 07.03.2008 hat das Kammergericht im Parallelverfahren angekündigt, dass es beabsichtige, die Berufung des dortigen Beklagten gem. § 522 Abs. 2 ZPO durch Beschluss zurückzuweisen. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die Verfügung des Kammergerichts vom 07.03.2008 Bezug genommen (Anlage zum Schriftsatz der Klägerin vom 20.03.2008, Bl. 182 bis 188 d. A.).

Die Klägerin wendet sich unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens gegen die Entscheidung des Landgerichts. Im Übrigen verweist sie auf die Hinweise des Kammergerichts und führt noch aus, der Anspruchsgrund (Anspruch auf Schadensersatz aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung) müsse sich nicht ausdrücklich aus dem Titel selbst ergeben, welcher vorliege und der der Forderung zur Insolvenztabelle zugrunde liege. Es genüge, wenn die Auslegung des Titels ergebe, dass er auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung beruhe. Da es keinen anderen Schuldgrund geben könne, sei der (Teil-) Widerspruch des Beklagten unbegründet. Eine richterliche Schlüssigkeitsprüfung habe auf jeden Fall stattgefunden; ausweislich des Protokolls des Landgerichts Berlin vom 06.06.2005 (vgl. Bl. 101 ff der Beiakten 24 O 7/05 LG Berlin) habe das Landgericht den Sach- und Streitstand mit den Parteien erörtert. Wenn der Beklagte hinsichtlich der rückständigen Arbeitnehmeranteile der S... AG der Ansicht gewesen sein sollte, sich wegen dieser Arbeitnehmeranteile nicht schadensersatzpflichtig gemacht zu haben, hätte er auf den Vergleichsabschluss verzichten müssen.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des am 08.05.2007 verkündeten Urteils der 3. Zivilkammer - Einzelrichter - des Landgerichts Frankfurt (Oder) festzustellen, dass der Teilwiderspruch des Beklagten unbegründet ist, der sich gegen den von der Klägerin im Insolvenzverfahren über sein Vermögen vor dem Amtsgericht Frankfurt (Oder), Az.: 3.3 IN 269/05, zur Tabelle zur lfd. Nr. 14 angegebenen Rechtsgrund "aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung" für einen Teilbetrag in Höhe von 5.600,00 € der angemeldeten Schadensersatzforderung wendet.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil und greift insbesondere die Argumente aus dem Hinweisbeschluss des Kammergerichts an.

Kern der Auseinandersetzung seien vermeintliche Ansprüche der Klägerin wegen seiner persönlichen Haftung als Vorstand der S... AG. Bereits im Prozess 24 O 7/05 vor dem Landgericht Berlin habe er eingewandt, dass er die Schutznorm des § 266 a StGB nicht verletzt habe. Auch habe er bestritten, dass der Klägerin ein Schaden in der von ihr behaupteten Höhe entstanden und dass sein Verhalten kausal für einen etwaigen Schaden gewesen sei. Im Übrigen habe er die teilweise Unrichtigkeit der von der Klägerin vorgelegten Abrechnungen geltend gemacht. In der mündlichen Verhandlung habe die Kammer des Landgerichts Berlin deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie die Angelegenheit sehr differenziert beurteilen werde und sie insbesondere erhebliche Bedenken im Hinblick auf die Berechtigung der geltend gemachten Forderungen habe. Dabei sei der Anspruch "nicht völlig in Abrede gestellt worden". Vor diesem Hintergrund hätten sich die Parteien verglichen. Dabei habe er trotz seiner Auffassung, dass ein Anspruch der Klägerin im Zusammenhang mit der S... AG nicht bestanden habe, eine Zahlungsverpflichtung in Höhe von 5.600,00 € eingegangen. Die Klägerin habe in dem dortigen Verfahren auf die von ihr darüber hinaus geltend gemachten Zahlungsansprüche und die Feststellung, dass die Zahlungsverpflichtung des Beklagten aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung stamme, verzichtet. Nach Abschluss jenes Vergleichs schulde er 7.600,00 € als Verbindlichkeit ohne besondere Qualifizierung des Schuldgrundes. Der Vergleich stelle eine abschließende Regelung dar. Besondere Wirkung in der Zwangsvollstreckung bzw. auch hinsichtlich des Ausschlusses der Forderung aus einer Restschuldbefreiung ergäben sich nur, wenn der besondere Schuldgrund im Titel aufgeführt sei. § 823 BGB i.V.m. § 266 a StGB sei nicht die alleinige in Betracht kommende Anspruchsgrundlage bzw. das einzige Motiv für den Vergleichsabschluss gewesen. Er sei im Zusammenhang mit den Beitragsrückständen der Gemeinschuldnerin noch weiteren Haftungsrisiken ausgesetzt gewesen: So hätten für ihn insbesondere ungeklärte Risiken aus persönlichen Bürgschaften, die er gegenüber der Klägerin übernommen habe, um Zahlungsaufschübe, Vollstreckungsverschonungen und Stundungen für die Insolvenzschuldnerin zu erreichen, bestanden. Daneben hätte seine persönliche Haftung für uneingelöste Schecks der Insolvenzschuldnerin, die er ohne Vertretungszusatz gezeichnet habe, im Raume gestanden. Diese Ansprüche seien zwar nicht konkret Streitstoff im Verfahren vor dem Landgericht Berlin gewesen, weil die Klägerin sich darauf nicht gestützt hätte. Solche Ansprüche seien aber ebenfalls Motiv für den Vergleichsabschluss gewesen.

Wegen der Angriffe des Beklagten gegen den Hinweis des Kammergerichts wird ergänzend auf den Schriftsatz vom 09.04.2008 (Bl. 189 ff) nebst Anlagen Bezug genommen. Die Akten 24 O 7/05 Landgericht Berlin lagen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

1.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

2.

Das Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg. Entgegen der Auffassung des Landgerichts dringt die Klägerin mit ihrem Klagebegehren durch.

a) Zutreffend ist das Landgericht zunächst von der Zulässigkeit des Feststellungsantrags ausgegangen. Der Klägerin steht jedenfalls angesichts der vorliegend noch maßgeblichen Rechtslage (§ 184 InsO in der bis zum 30.06.2007 geltenden Fassung; vgl. Art. 103 c Abs. 1 EGInsO) ein rechtlich anerkanntes Interesse im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO an der begehrten Feststellung zu.

Auch derjenige Gläubiger, der - wie die Klägerin - vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens bereits einen Titel gegen den späteren Insolvenzschuldner erwirkt hatte, muss seine Forderung zur Tabelle anmelden, wenn er am Insolvenzverfahren teilnehmen will. Wird kein Widerspruch erhoben, gilt die Forderung als festgestellt (§ 178 Abs. 1 InsO). Durch den Auszug aus der Tabelle, aus dem nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens die Zwangsvollstreckung betrieben werden kann (§ 201 Abs. 2 InsO), wird der frühere Titel "aufgezehrt" (vgl. BGH, Urteil vom 18.05.2006, Az.: IX ZR 187/04 m.w.N). Das gilt jedoch nicht, wenn der Schuldner der Feststellung widersprochen hat. Ein Widerspruch des Schuldners steht zwar der Feststellung der Forderung zur Tabelle nicht entgegen (§ 178 Abs. 1 Satz 2 InsO). Aus dem Tabellenauszug kann jedoch dann, wenn der erhobene Widerspruch nicht beseitigt ist, die Zwangsvollstreckung nicht betrieben werden (§ 201 Abs. 2 Satz 1 und 2 InsO). Insoweit kann der Gläubiger auf den vorab erwirkten Titel zurückgreifen (BGH, a.a.O., m.w.N.). Die Existenz eines solchen Titels allein lässt das Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin für die jetzige Feststellungsklage jedoch nicht entfallen (vgl. BGH, a.a.O., m.w.N.). Die Klägerin will ihre titulierte Forderung spätestens nach Ende der Wohlverhaltensperiode durchsetzen, und zwar auch dann, wenn dem Beklagten Restschuldbefreiung erteilt worden sein sollte. Der Teilwiderspruch des Beklagten gegen die Einordnung eines Teils der Forderung als solche aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung macht deutlich, dass dieser eine - nach § 302 Nr. 1 InsO grundsätzlich zulässige - Zwangsvollstreckung wegen dieses Forderungsteils nicht hinzunehmen bereit ist.

Dabei ist der Teilwiderspruch des Beklagten, der sich nur gegen die Qualifizierung des Forderungsgrundes wendet, nicht unbeachtlich. Dass ein beschränkter Widerspruch möglich ist, ergibt sich jedenfalls aus den Änderungen, die durch das Gesetz zur Änderung der Insolvenzordnung und anderer Gesetze vom 26.10.2001 (BGBl. I S. 2710) vorgenommen wurden. Nach § 174 Abs. 2 InsO n. F. hat der Gläubiger bei der Anmeldung der Forderung "die Tatsachen (anzugeben), aus denen sich nach Einschätzung des Gläubigers ergibt, dass ihr eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung des Schuldners zugrunde liegt". Ob dieses Erfordernis Sinn macht, wenn der Schuldner ohnehin nur gegen die Forderung insgesamt Widerspruch einlegen könnte, erscheint bereits zweifelhaft. Ist der Gläubiger seiner Darlegungslast entsprechend vorgegangen, hat das Insolvenzgericht nach § 175 Abs. 2 InsO n. F. "den Schuldner auf die Rechtsfolgen des § 302 und auf die Möglichkeit des Widerspruchs hinzuweisen". In vielen Fällen wird die angemeldete Forderung als solche von dem Schuldner nicht bestritten werden können; Widerstand wird er nur gegen deren Einordnung als aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung herrührend leisten wollen. Dass der Gesetzgeber hier nur die Möglichkeit eines aussichtslos weit gehenden, nämlich gegen die Forderung insgesamt gerichteten Widerspruchs habe gewähren wollen, ist nicht anzunehmen (BGH, Urteil vom 18.01.2007, Az.: IX ZR 176/05).

Das Verhalten des Beklagten lässt eine Vollstreckungsgegenklage (§ 767 ZPO) erwarten, sobald die Klägerin nach Erteilung der Restschuldbefreiung aus ihrem Titel vorgeht. Wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte damit zu rechnen ist, dass gegen einen vollstreckbaren Titel Vollstreckungsgegenklage erhoben werden wird, hat der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ergänzende Feststellungsklagen zugelassen (z. B. BGHZ 98, 127, 128; BGH, Urt. v. 22.09.1994 - IX ZR 165/93, NJW 1994, 3225, 3227). So liegt auch der vorliegende Fall. Der Widerspruch des Beklagten stellt einen ausreichenden Anhaltspunkt dafür dar, dass es früher oder später zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung über die Zulässigkeit der Zwangsvollstreckung aus dem vor dem Landgericht Berlin geschlossenen Vergleich kommen wird. Es besteht kein sachlicher Grund dafür, den Streit über die Rechtsnatur der angemeldeten und trotz des Teilwiderspruchs des Beklagten zur Tabelle festgestellten Forderung auf die Zeit nach Erteilung der Restschuldbefreiung zu verschieben, im Ergebnis also dem Rechtsstreit über eine vom Schuldner zu erhebende Vollstreckungsgegenklage zu überlassen. Die Klärung dieser Frage möglichst noch vor der Entscheidung über die Ankündigung der Restschuldbefreiung (§ 291 InsO) dürfte regelmäßig im Interesse sowohl des Gläubigers als auch des Schuldners liegen [BT-Drucks. 14/5680, S. 27; vgl. hierzu auch Hattwig/Richter, ZVI 2006, 373 ff (374) m.w.N.].

b) Der Feststellungsantrag erweist sich auch als in der Sache begründet.

Die Klägerin hat dargetan, dass ihrer zur Tabelle angemeldeten Forderung insgesamt eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung zugrunde liegt.

(1)

Die gebotene Auslegung des zwischen den Parteien am 06.06.2005 in dem Verfahren 24 O 7/05 vor dem Landgericht Berlin geschlossenen gerichtlichen Vergleichs insbesondere unter Berücksichtigung des mit dem Vergleich verfolgten Zwecks und der beiden Parteien bei Vergleichsabschluss bekannten Umstände ergibt sicher, dass sich die Parteien dahin verständigt haben, dass die Forderung, zu deren Erfüllung sich der Beklagte schließlich im Vergleichswege bereit fand, insgesamt eine solche aus vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen war (§§ 133, 157 BGB).

Als Vergleich ist ein Vertrag anzusehen, der den Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt. Es ist nicht erforderlich, dass der von einer Seite erhobene Anspruch wirklich besteht. Für die Ungewissheit genügen subjektive Zweifel tatsächlicher oder rechtlicher Art, die den Bestand des sog. Ausgangsrechtsverhältnisses betreffen, wobei dieser Begriff weit zu fassen ist (vgl. BGH, Urt. vom 06.11.1991, XII ZR 168/ 90). In diesem Sinne haben sich die Parteien im Verfahren vor dem Landgericht Berlin verglichen.

Zwischen den Parteien bestanden hinsichtlich Grund und Höhe der von der Klägerin geltend gemachten Forderung im Hinblick auf die S... AG völlig unterschiedliche Auffassungen. Die Klägerin hat - wie sich bereits aus dem ersten Satz ihrer Klagebegründung im Verfahren 24 O 7/05 Landgericht Berlin ergibt - im Hinblick auf beide Unternehmen ausschließlich Ansprüche aus §§ 823 Abs. 2 BGB, 266 a StGB geltend gemacht.

Der Beklagte hat in der Klageerwiderung vom 30.03.2005 ausgeführt, hinsichtlich des Unternehmens D... GmbH den geltend gemachten Anspruch in Höhe von 2.013,02 € nebst Zinsen anerkennen zu wollen. Er ist aber dem Vorbringen der Klägerin entgegengetreten, soweit diese ihn als alleinvertretungsberechtigtes Vorstandsmitglied in Anspruch genommen hat, weil er gegen die Verpflichtung für die bei der S... AG beschäftigten und bei der Klägerin versicherten Arbeitnehmer zumindest die Arbeitnehmeranteile zur Gesamtsozialversicherung und zur Bundesanstalt für Arbeit an die Klägerin als zuständige Einzugsstelle abzuführen, verstoßen habe. Er hat sich unter näherer Darlegung auf den Rechtsstandpunkt gestellt, insoweit nicht gegen § 266 a StGB verstoßen zu haben; auch sei der Klägerin kein Schaden in der von ihr genannten Höhe entstanden.

Die Ungewissheit im Hinblick auf die Frage, ob der Beklagte dem Grund und der Höhe nach auch zur Zahlung verpflichtet war, soweit er die Forderungen der Klägerin nicht anerkannt hatte, haben die Parteien im Wege gegenseitigen Nachgebens dadurch beseitigt, dass sich der Beklagte nur in einer deutlich geringeren Höhe als von der Klägerin klageweise begehrt, zur Zahlung verpflichtete.

Entgegen der Auffassung des Beklagten können aus Sicht eines objektiven Empfängers die Willenserklärungen des Beklagten, die schließlich (mit) zum Vergleichsschluss führten, nicht dahin verstanden werden, dass dieser sich nur unter Aufrechterhaltung seiner bis dahin vertretenen Rechtsposition, er hafte im Hinblick auf die S... AG nicht aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung, vergleichen wollte und verglichen hat.

Der von den Parteien geschlossene Prozessvergleich ist unter Berücksichtigung des Grundsatzes einer möglichst nach beiden Seiten hin interessengerechten Auslegung auszulegen (vgl. BGH, Urt. vom 11.05.1995, Az.: VII ZR 116/94 m.w.N.).

Danach konnte die Klägerin angesichts der hier obwaltenden Umstände nur davon ausgehen, dass der im Vergleichswege anerkannte Anspruch allein auf den §§ 823 Abs. 1 und 2 BGB, § 246 StGB basierte.

Mitentscheidend für dieses Auslegungsergebnis ist, dass die Klägerin den Beklagten im Verfahren vor dem Landgericht Berlin ausschließlich wegen Forderungen aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung in Anspruch genommen hatte. Zwar sind bei der Auslegung eines Vergleichs die persönlichen Vorstellungen der Parteien zu berücksichtigen. Dies gilt aber nur dann, soweit sie nach außen getreten und somit Gegenstand der Verhandlungen geworden sind. Dass sich ein Anspruch der Klägerin unter anderen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten hätte ergeben können, war dem beiderseitigen Parteivorbringens nicht ansatzweise zu entnehmen. Die vom Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit betonten angeblich Risiken aus persönlichen Bürgschaften, gegenüber der Klägerin und die Frage seiner persönlichen Haftung für uneingelöste Schecks der Insolvenzschuldnerin, die er ohne Vertretungszusatz gezeichnet haben will, waren gerade nicht Streitgegenstand des Rechtsstreits und auch nicht Gegenstand der Vergleichsverhandlungen, wie der Beklagte selbst ausführt. Die Klägerin hat die Zahlungsansprüche gerade nicht auf unterschiedliche Sachverhalte gestützt.

Maßgeblich ist weiterhin, dass ein Vergleich im Sinne von § 779 BGB regelmäßig nicht schuldumschaffend wirkt (BGH Urteil vom 24.06.2003, IX ZR 228/02 m.w.N.). Das gilt grundsätzlich auch für Prozessvergleiche im Sinne von § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Zwar haben diese zusätzlich zur Regelung der materiellen Rechtslage zum Ziel, ein anhängiges Verfahren zu beenden und für die Zukunft einen Vollstreckungstitel zu schaffen. Dazu ist es aber im Zweifel ebenso wenig wie bei einem streitmäßigen Urteil nötig, eine neue, selbständige Grundlage für das Rechtsverhältnis zu schaffen. Vielmehr ist jeder titulierte Anspruch gleichermaßen nachträglichen Einwendungen ausgesetzt, die zu Vollstreckungsgegenklagen (§ 767 ZPO), Abänderungsklagen (§ 323 ZPO) oder auch weiterführenden Feststellungs- oder sogar erneuten Leistungsklagen führen können. Der Einfluss derartiger späterer Veränderungen wird sich meist nur unter Berücksichtigung auch des ursprünglichen Schuldgrundes zutreffend beurteilen lassen. Erst recht spricht nichts dafür, dass ein Gläubiger rechtliche Vorteile durch einen Vergleichsschluss einbüßen will (vgl. BGH a.a.O.). Dies gilt auch soweit es -wie vorliegend - um die Qualifizierung eines Rechtsgrundes handelt. Die Novation eines Schuldverhältnisses stellt demgegenüber eine Ausnahme dar und setzt daher einen entsprechenden eindeutig feststellbaren übereinstimmenden Willen der Parteien voraus.

Ein von der vorstehend dargestellten Regel abweichendes Verständnis lässt sich dem Inhalt des streitgegenständlichen Prozessvergleichs vom 06.06.2005 und seinen näheren Umständen nicht entnehmen.

Es ist nicht ersichtlich, dass die Parteien mit dem Vergleichsschluss ein neues, vom bisherigen Schuldgrund unabhängiges Schuldverhältnis schaffen wollten. Im Gegenteil: Gerade weil von Anbeginn des Rechtstreits vor dem Landgericht Berlin (24 O 7/05) Einigkeit zwischen den Parteien darüber herrschte, dass der anerkannte Forderungsteil aus einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung resultierte, hätte der Beklagte darauf bestehen müssen, dass hinsichtlich des streitig gebliebenen Teils der Wortlaut des Vergleichs hinreichend verdeutlichte, dass er insoweit an seiner bisherigen Rechtsauffassung festhalten wollte. Dies hätte er beispielsweise dadurch zum Ausdruck bringen können, dass er sich über die anerkannte Forderung hinaus nur "ohne Anerkennung einer Rechtspflicht" zur Zahlung bereit erklärte. Da keine anderen Anspruchsgrundlagen im Verfahren vor dem Landgericht Berlin streitgegenständlich waren, machte die vergleichsweise Regelung über den vom Beklagten anerkannten Forderungsteil hinaus ohne eine solche Klarstellung aus objektiver Sicht nur dann Sinn, wenn er dem Rechtsgrund in dieser Höhe nicht mehr entgegentreten wollte. Gerade dann, wenn die wirtschaftliche Situation des Beklagten angespannt war, hätte er keinen Anlass gehabt, eine Forderung ohne Rücksicht auf einen Schuldgrund anzuerkennen. Die Klägerin hatte demgegenüber keinen Anlass, auf ihre Privilegien, die mit der Rechtsnatur des Schuldverhältnisses als einem solchen aus unerlaubter Handlung verbunden sind, zu verzichten.

Die Auffassung des Beklagten, ein Prozessvergleich enthalte regelmäßig keine Anerkennung einer Rechtspflicht, es sei denn, dies werde ausdrücklich zum Inhalt des Vergleichs gemacht, ist in dieser Allgemeinheit nicht zutreffend. Eine Überinterpretation des von den Parteien geschlossenen Vergleichs läge angesichts der dargestellten Sachlage vor, wenn man den Vergleich im Sinne der Auffassung des Beklagten auslegte. Dies würde die dargestellten Interessen der Klägerin in nicht vertretbarer Weise verkürzen.

Demgegenüber kommt dem Umstand, dass der Beklagte strafrechtlich nicht verurteilt worden ist, entgegen der von ihm vertretenen Auffassung, keine entscheidende Bedeutung zu.

(2)

Angesichts dieses klaren Auslegungsergebnisses hat der Senat nicht weitergehend zu prüfen, ob vor Abschluss des Vergleiches die tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für die Qualifizierung auch hinsichtlich des streitigen Forderungsteils vorgelegen haben. Auch wenn dem Vergleichsschluss keine abschließende materiell-rechtliche richterliche Prüfung vorausgegangen ist und es auch als fraglich erscheint, ob eine richterliche Schlüssigkeitsprüfung zuvor erfolgte (das Protokoll der öffentlichen Sitzung vom 06.06.2005 vor dem Landgericht Berlin, Bl. 101/102 der Beiakten 24 O 7/05 verhält sich zu dieser Frage nicht), ist der zwischen den Parteien geschlossene Vergleich in dem sich aus seiner Auslegung ergebenden Sinn geeignet, die weit reichenden Folgen des § 302 Nr. 1 InsO zu begründen. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Vollstreckungsbescheid (Urteil vom 18.05.2006, Az.: IX ZR 187/04) kann nach Auffassung des Senats nicht auf den Fall eines Prozessvergleichs im Anwaltsprozess übertragen werden. Der BGH hat ausgeführt:

"Bei der Beurteilung der Frage, ob der Klägerin gegen den Beklagten ein Anspruch aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung zusteht, ist das Berufungsgericht nicht an den Vollstreckungsbescheid vom ... gebunden. Wie der Bundesgerichtshof zu § 850 f Abs. 2 ZPO bereits entschieden hat (Beschl. v. 05.04.2005 - VII ZB 17/05, WM 2005, 1326), ist der auf einem Mahnbescheid beruhende Vollstreckungsbescheid nicht geeignet, die rechtliche Einordnung des in ihm geltend gemachten Anspruchs festzulegen. Der Mahnbescheid beruht auf den einseitigen, vom Gericht nicht materiell-rechtlich geprüften Angaben des Gläubigers. Das entspricht dem Sinn und Zweck des Mahnverfahrens, das wegen eines Anspruchs auf Zahlung einer bestimmten Geldsumme eingeleitet wird (§ 688 Abs. 1 ZPO) und dem Gläubiger schnell und kostengünstig zu einem Vollstreckungstitel verhelfen soll. Will der Gläubiger nicht nur vollstrecken, sondern weitergehend das Vollstreckungsprivileg des § 850 f Abs. 2 ZPO in Anspruch nehmen, muss er ein Feststellungsurteil erwirken, das im ordentlichen Verfahren ergeht und mindestens eine Schlüssigkeitsprüfung durch einen Richter voraussetzt (vgl. BGH, Beschl. v. 05.04.2005, a.a.O., S. 1327). Die Anwendung der Vorschrift des § 302 Nr. 1 InsO, nach der Verbindlichkeiten aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung von der Erteilung der Restschuldbefreiung nicht berührt werden, wird den Schuldner oft härter treffen als eine Herabsetzung der Pfändungsfreigrenzen nach § 850 f Abs. 2 ZPO. Für sie kann daher nichts anderes gelten.

Dass im Vollstreckungsbescheid ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 a Abs. 1, § 14 StGB tituliert ist, ändert im Ergebnis nichts (entgegen OLG Hamm ZinsO 2005, 1329, 1330 f). Wird ein Geschäftsführer persönlich wegen nicht an den Sozialversicherungsträger abgeführter Arbeitnehmeranteile in Anspruch genommen, kommt zwar ein anderer Rechtsgrund als derjenige einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung nicht in Betracht. Für den Schuldner stellt sich im Mahnverfahren also nicht die Frage, ob er Widerspruch oder Einspruch nur deshalb einlegen soll, um eine Abänderung der rechtlichen Einordnung der Forderung zu erreichen (vgl. BGH, Beschl. v. 05.04.2005, a.a.O.). Die Folgen, welche die Titulierung einer derartigen Forderung in einem späteren Restschuldbefreiungsverfahren nach sich zieht, wird der Schuldner in der Regel jedoch nicht überblicken. Für eine Belehrung nach § 175 Abs. 2 InsO besteht im Mahnverfahren noch kein Anlass. Der Schuldner könnte deshalb aus Nachlässigkeit oder auch in der Erwartung eines ihm bevorstehenden Insolvenzverfahrens einen Vollstreckungsbescheid rechtskräftig werden lassen, ohne dessen Folgen - die bei Annahme einer Bindungswirkung wegen § 302 Nr. 1 InsO insoweit nicht eintretende Restschuldbefreiung - zu überblicken. Entgegen Hattwig (ZinsO 2004, 636, 640) verlangt Art. 103 Abs. 1 GG zwar nicht die Unwirksamkeit jeglicher Titel, die ein Gläubiger wegen einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung des Schuldners vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens und damit ohne eine Belehrung nach § 175 Abs. 2 InsO erwirkt hat. Titel, die ohne eine richterliche Schlüssigkeitsprüfung aufgrund einseitiger Angaben des Gläubigers ergangen sind, vermögen die weit reichenden Folgen des § 302 Nr. 1 InsO jedoch nicht zu rechtfertigen"

Der Bundesgerichtshof hat in der zitierten Entscheidung zugleich klargestellt, dass solche Titel keine Bindungswirkung für das Gericht eines Feststellungsprozesses nach § 184 InsO haben. Der zitierten Auffassung des Bundesgerichtshofs schließt sich der Senat, soweit es sich um einen Vollstreckungsbescheid handelt, an: Die Auswirkungen des § 302 Nr. 1 InsO übersteigen noch diejenigen des § 850 f Abs. 2 ZPO. Würde man für im Wege des Mahnverfahrens titulierte deliktische Forderungen eine Bindungswirkung bejahen, so könnte eine zweimalige Unachtsamkeit des Schuldners bei einer hohen Forderung zur Konsequenz haben, dass dieser nach Erteilung der Restschuldbefreiung womöglich lebenslang einer Zwangsvollstreckung in den Vorrechtsbereich ausgesetzt wäre. Dies ließe sich mit dem Zweck des Restschuldbefreiungsverfahrens kaum in Einklang bringen, das dem Schuldner eine Zukunftsperspektive geben soll, die es ihm ermöglicht, nicht in die Schattenwirtschaft abzugleiten oder sich mit einem Leben am Rande der Pfändungsgrenzen zu begnügen [vgl. Hattwig/Richter, ZVI 2006 373 ff, (375) m.w.N.].

Die Ausführungen des Bundesgerichtshofs betreffen unmittelbar nur das Mahnverfahren, in dem gemäß § 688 Abs. 1 ZPO lediglich Zahlungsverpflichtungen und keine Feststellungsansprüche tituliert werden können. Hieran anknüpfend wird indes auch die Auffassung vertreten, dass neben Vollstreckungsbescheiden auch weitere, ohne materiell-rechtliche Befassung des Prozessgerichts ergangene Titel nicht geeignet seien, die weit reichenden Folgen des § 302 Nr. 1 InsO und eine Bindungswirkung im Feststellungsprozess zu begründen. Hierzu könnten z. B. gerichtliche Vergleiche, notarielle Schuldanerkenntnisse oder Anerkenntnis-und Versäumnisurteile zählen und zwar auch dann nicht, wenn mit ihnen zugleich die Feststellung des Haftungsgrundes der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung tenoriert worden sei. Denn auch bei diesen Titeln finde eine materiell-rechtliche Befassung des Prozessgerichts nicht statt. Die rechtliche Einordnung des Anspruchs beruhe - soweit es sich um Versäumnis- und Anerkenntnisurteile handele - lediglich auf einseitigen Angaben des Gläubigers, die vor der Titulierung regelmäßig nicht bzw. allenfalls auf ihre Schlüssigkeit geprüft worden seien [vgl. hierzu Hattwig/Richter, ZVI 2006, 373 ff, (375) m.w.N.]. Ob diese Auffassung hinsichtlich notarieller Schuldanerkenntnisse, Anerkenntnis- und Versäumnisurteile zutrifft, bedarf vorliegend keiner Entscheidung durch den Senat. Für einen im Anwaltsprozess geschlossenen Prozessvergleich vermag der Senat jedenfalls diesen Schluss nicht zu ziehen:

Der maßgebliche Unterschied zu dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall besteht vorliegend darin, dass die Sache vor dem Landgericht Berlin verhandelt worden und der Beklagte anwaltlich vertreten war, bevor der Vergleich geschlossen wurde. Anders als beim Vollstreckungsbescheid, bei dem der Titel ohne vorherige richterliche Schlüssigkeitsprüfung und auch aus Nachlässigkeit des Schuldners mangels Widerspruchseinlegung rechtskräftig werden kann, bedurfte es im vorliegenden Fall einer aktiven Handlung des anwaltlich vertretenen Beklagten, nämlich der Zustimmungserklärung zum Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs, damit überhaupt ein Titel entstehen konnte. Auch das weitere Argument, der rechtsunkundige Schuldner sei sich regelmäßig nicht über Konsequenzen einer solchen Anerkennung für die Restschuldbefreiung sofort im Klaren, greift deshalb vorliegend nicht.

Die beim Vollstreckungsbescheid bestehende Gefahr, dass Gläubiger auch ohne Rechtsgrund das Vorliegen einer unerlaubten Handlung behaupten, besteht bei einem gerichtlichen Vergleichsschluss gerade nicht (vgl. in diesem Zusammenhang auch Gaul a.a.O., S. 291 ff) Jedenfalls ist - anders als im Fall des Vollstreckungsbescheid - der Titel gerade nicht auf Grund einseitiger Angaben der Gläubigerin , d. h. der Klägerin ergangen (für den Fall eines Anerkenntnisurteils ebenfalls in diese Richtung gehend, aber im Ergebnis offen gelassen, Brandenburgisches Oberlandesgericht, Urteil vom 14.02.2008, Az.: 12 U 89/07). Der Vollstreckungstitel basiert allein auf einem Dispositionsakt der Parteien. Ihre Verantwortung wirkt sich bei diesem Titel maßgebend aus.

Die Motive des Gesetzgebers, die zur Novellierung des § 175 Abs. 2 InsO geführt haben, stützen im Übrigen dieses Ergebnis.

Durch das InsOÄndG 2001 wurde bei § 175 ein neuer Absatz 2 angefügt. Der Rechtsausschuss führt zur Begründung u. a. aus (vgl. BT-Drucks. 14/6468 vom 27.06.2001):

"Die vom Ausschuss vorgeschlagene Belehrung ist im Interesse der häufig rechtsunkundigen Schuldner geboten. Sie ist Ausdruck der besonderen Fürsorge gegenüber rechtlich wenig informierten Schuldnern, für die das Insolvenzverfahren und die anschließende Restschuldbefreiung existenzielle Bedeutung haben."

Hieraus folgt, dass der Gesetzgeber den rechtsunkundigen Schuldner schützen wollte. Die dargestellten Motive des Gesetzgebers sind daher nicht auf die Situation übertragbar, wenn wie vorliegend in einem Anwaltsprozess von den Parteien ein Vergleich geschlossen wird. Ob gleiches zu gelten hätte, wenn ein gerichtlicher Vergleich ohne anwaltliche Beratung und auch nicht auf gerichtlichen Vorschlag hin geschlossen worden wäre, bedarf hier keiner Entscheidung durch den Senat.

Zudem sprechen die Erwägungen des Bundesgerichtshofs im Beschluss vom 26.09.2002 (Az.: IX ZB 180/02) für die hier vertretene Auffassung. Dort führt der Bundesgerichtshof im Zusammenhang mit § 850 f Abs. 2 ZPO unter Hinweis auf § 775 Nr. 4 ZPO aus, falls der Gläubiger einen Anspruch aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung mit Aussicht auf Erfolg erst aufgrund von Erkenntnissen, die ihm nach Erwirken des Titel zuwachsen, geltend zu machen vermöge, könne das Vollstreckungsgericht dem Antrag auf eine privilegierte Pfändung stattgegeben, wenn der Gläubiger eine Urkunde vorlege, in welcher der Schuldner einer solchen Pfändung zustimme. [a. A. insoweit Gaul, FS für Gerhardt, S. 259 ff (281 ff)].

Hieraus folgt, dass auch nach der Auffassung des Bundesgerichtshofes nicht in jedem Fall eine materiell-rechtliche Prüfung durch ein Gericht geboten ist, um dem Gläubiger die Privilegierung - dort im Rahmen der Pfändung - zuzubilligen.

Im Übrigen sprechen gerade auch Sinn und Zweck eines Vergleichsschlusses gegen die Rechtsauffassung des Beklagten, wie bereits das Kammergericht in seinem Hinweis zutreffend betont hat. Ein Vergleich kommt auf Grund eines gegenseitigen Nachgebens und nach einem Austausch der beiderseitigen Positionen im Rahmen der Privatautonomie zustande. Mit dem Vergleich haben es die Parteien in der Hand, einen Streit über ein Rechtsverhältnis ohne eine abschließende Klärung durch ein Gericht beizulegen. Diese Vorgehensweise hat den Zweck, zukünftigen Streit über dieselbe Sache zu vermeiden, wobei jede Partei auf ihren Maximalstandpunkt verzichtet. Dem stünde es entgegen, wenn im Nachhinein der Streit wieder aufgenommen werden müsste, sofern nicht im Rahmen des § 779 BGB beachtliche Gründe vorgetragen werden könnten, was hier indes nicht der Fall ist.

Der Senat schließt sich auch der vom Kammergericht im dortigen Hinweis vertretenen Auffassung an, dass der Umstand, dass eine Belehrung gemäß § 157 InsO nicht stattgefunden hat, nicht dazu führt, dass der Vergleich, der nach beiderseitiger Prüfung und einem Austausch der tatsächlichen und rechtlichen Argumente unter anwaltlicher Beratung zustande gekommen ist, im gerichtlichen Feststellungsverfahren nach einer Auslegung des Vergleichsinhaltes nicht bindend sein kann. Auch in einem Rechtsstreit über eine Forderung aus unerlaubter Handlung, die mit einem streitigen Urteil endet, erfolgt keine entsprechende Belehrung.

Abschließend ist klarstellend darauf hinzuweisen, dass die im Rahmen der vorliegenden Feststellungsklage vom Senat zu entscheidende Frage, welche Aussage der Vergleich über die zugrunde liegende Forderung enthält, davon zu unterscheiden ist, ob der Vergleich für sich genommen als Titel im Sinne von § 302 Nr. 1 InsO ausreichen würde, um das Vollstreckungsprivileg zu erhalten, was insoweit, sofern nicht der Schuldgrund ausdrücklich einbezogen ist, zu Recht verneint wird (vgl. z. B. Schuhmacher in Münchener Kommentar, InsO § 184 Rn 8 c).

3.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ist die Revision zuzulassen, da die Rechtssache nach Auffassung des Senats grundsätzliche Bedeutung hat.

Streitwert für das Berufungsverfahren: 5.600,00 €

Beschwer für den Beklagten: 5.600,00 €

Ende der Entscheidung

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