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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 25.03.2003
Aktenzeichen: 11 U 126/02
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, GG, ZVG
Vorschriften:
ZPO § 540 Abs. 1 Ziff. 1. | |
BGB § 839 Abs. 1 | |
BGB § 839 Abs. 3 | |
GG Art. 34 | |
ZVG § 83 Nr. 6 |
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil
11 U 126/02 Brandenburgisches Oberlandesgericht 012
Anlage zum Protokoll vom 25.03.2003
Verkündet am 25.03.2003
in dem Rechtsstreit
hat der 11. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ...
auf die mündliche Verhandlung vom 11. März 2003
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das am 19. Juni 2002 verkündete Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Cottbus (5 O 290/01) wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger ist gestattet, die Vollstreckung des Beklagten gegen die Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, soweit nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Die Beschwer des Klägers beträgt 123.732,64 €.
Gründe:
I.
Der Kläger nimmt das beklagte Land wegen angeblicher Amtspflichtverletzung auf Schadenersatz in Anspruch.
Am 22.09.1998 erhielt er im Rahmen einer beim Amtsgericht Cottbus betriebenen Zwangsversteigerung den Zuschlag für ein bebautes Villengrundstück in F... . In seinem Gutachten zum Stichtag 14.09.1997 hatte der Sachverständige T... einen Verkehrswert in Höhe von 260.000,00 DM ermittelt. In diesen Wert ist eine als "Denkmalpflegeleistungen" bezeichnete Position zu 20.000,00 DM eingeflossen. Unter Ziffer 4.3. des Gutachtens hat der Sachverständige ausgeführt, das Gebäude habe "fast denkmalwürdigen" Charakter.
Vor dem Versteigerungstermin hat der Kläger das Objekt besichtigt und Einsicht in das Gutachten genommen.
Mit Schreiben vom 22.06.1998 fragte die zuständige Denkmalschutzbehörde, das Landesamt für Denkmalpflege, beim Grundbuchamt des Amtsgerichts Cottbus nach dem Grundstückseigentümer und bat um Grundbuchauszüge. Jenes Schreiben gelangte am 02.07.1998 zur Grundakte, die wiederum rund zwei Monate später, nämlich am 27.07.1998, der Zwangsversteigerungsakte beigefügt wurde.
Im Versteigerungstermin vom 22.09.1998 fragte der Kläger die zuständige Rechtspflegerin mündlich danach, ob das Grundstück Denkmalcharakter habe. Diese verwies ihn auf den Inhalt des Gutachtens und erklärte darüber hinaus, von Denkmalschutz sei ihr nichts bekannt.
Zuvor, nach Einsichtnahme in das Verkehrswertgutachten, nämlich im August 1998, hatte sich der Kläger telefonisch an die Denkmalschutzbehörde gewandt, wo ihm indessen unter Hinweis auf "datenschutzrechtliche Gründe" eine erschöpfende Auskunft verweigert wurde.
Mit Schreiben vom 19.10.1998 teilte das Landesamt für Denkmalpflege dem Kläger mit, die Erhebung des von ihm inzwischen erworbenen Gebäudes zum Denkmal sei beabsichtigt.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die die Versteigerung durchführende Rechtspflegerin habe ihre Amtspflichten dadurch verletzt, dass sie ohne hinreichende Informationsgrundlage die Auskunft erteilt habe, ihr sei von einem Denkmalschutz des Gebäudes nichts bekannt.
Dem ist der Beklagte in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht entgegengetreten.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes erster Instanz sowie der die angefochtene Entscheidung tragenden rechtlichen Ausführungen der Kammer nimmt der Senat gemäß § 540 Abs. 1 Ziff. 1. ZPO auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils Bezug.
Mit seiner dagegen gerichteten Berufung rügt der Kläger zum einen verfahrensrechtlich, die Kammer habe nicht darauf hingewiesen, dass sie dem Schreiben der Denkmalschutzbehörde vom 22.06.1998 entscheidende Bedeutung zumesse. Im Übrigen vertritt der Kläger nach wie vor die Auffassung, gerade jenes Schreiben belege, da es sich bei der zum Versteigerungsverfahren beigezogenen Grundakte befunden habe, die Pflichtverletzung der Rechtspflegerin, denn sie habe den Inhalt des Schreibens jedenfalls grob fahrlässig nicht zur Kenntnis genommen, was zu einer unzutreffenden Auskunft geführt und schließlich ihn, den Kläger veranlasst habe, sich im Versteigerungstermin um den Zuschlag zu bemühen.
In diesem Zusammenhang trägt der Kläger nochmals vor, er habe - sinngemäß - einen Hinweis der zuständigen Rechtspflegerin vermisst, dass ihr von Denkmalschutzerwägungen nichts bekannt sei, indessen immer ein solches Risiko bestehe, es allein Sache des Klägers sei, sich hierüber Gedanken zu machen und Nachforschungen anzustrengen. Dann, so die Argumentation des Klägers, wäre er "alarmiert gewesen" und hätte davon abgesehen mitzubieten.
Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.
II.
1.
Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
2.
In der Sache bleibt das Rechtsmittel jedoch ohne Erfolg. Das Landgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
Das Klagevorbringen trägt die Feststellung einer Amtspflichtverletzung gemäß § 839 Abs. 1 BGB i.V.m. Art. 34 GG zulasten des Beklagten nicht.
Indessen scheitert der Klageerfolg nicht bereits an der Vorschrift des § 839 Abs. 3 BGB. Danach tritt eine Ersatzpflicht dann nicht ein, wenn der Verletzte vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden.
Wie der Kläger vorträgt und sich auch der Beiakte (... K .../96 - Amtsgericht Cottbus) entnehmen lässt, hat er gegen den Zuschlagbeschluss ein Rechtsmittel eingelegt, welches das Landgericht Cottbus als "außerordentliche Beschwerde" gewertet, wegen fehlenden Grundes gemäß § 83 Nr. 6 ZVG aber bereits als unzulässig behandelt hat. Die dagegen gerichtete sofortige weitere Beschwerde hat der 8. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts mit Beschluss vom 07.10.1999 zurückgewiesen.
Allerdings trägt der Kläger bereits die erste Voraussetzung des von ihm geltend gemachten Schadenersatzanspruchs, nämlich eine Amtspflichtverletzung der Rechtspflegerin, nicht schlüssig vor.
Es ist die Pflicht eines Beamten, der die Erteilung von Rat und Auskunft übernommen hat, diese richtig, klar, unmissverständlich und vollständig zu erteilen, selbst wenn eine Pflicht zur Auskunftserteilung nicht bestand (vgl. BGH NJW 1991, 3027; Palandt/Thomas, 62. Aufl., Rn. 44 zu § 839 BGB).
Für die Beantwortung der Frage, ob die Auskunft den an den Beamten zu stellenden Anforderungen genügt, kommt es entscheidend darauf an, wie sie vom Empfänger aufgefasst wird und werden kann und welche Vorstellungen zu erwecken sie geeignet ist (vgl. BGH a.a.O.).
Maßgebend für die Beurteilung des Streitfalls ist somit, wie der Kläger die - unstreitige - Auskunft der Rechtspflegerin, von "Denkmalschutz sei nichts bekannt", auffassen konnte angesichts des zusätzlichen Hinweises auf das dem Kläger bereits bekannt gewesene Grundstücksbewertungsgutachten mit dem u. a. unter I. bezeichneten Inhalt.
Der Senat tritt im Ergebnis der Bewertung des Landgerichts bei, dass der Kläger unter Berücksichtigung aller ihm bekannt gewesenen Umstände ungeachtet der ihm erteilten Auskunft nicht hinreichend sicher davon ausgehen durfte, eine Belegung des von ihm zu ersteigernden Grundstücks mit Denkmalschutz werde nicht in Betracht kommen.
Offenkundig hat der Kläger selbst den ihm schon vor dem Versteigerungstermin bekannt gewesenen Sachverhalt nicht in diesem Sinne eingeschätzt. Denn er hat sich unstreitig bereits im August 1998 - jedenfalls telefonisch - mit der Denkmalschutzbehörde in Verbindung gesetzt, also durchaus Anlass gesehen, der Frage nach einer Denkmalschutzfähigkeit des Grundstücks bzw. Gebäudes nachzugehen. Das Risiko zunächst fehlender Erledigung seiner an die Behörde gerichteten telefonischen Anfrage hat der Kläger zunächst in Kauf genommen und nunmehr zu tragen.
Entgegen der Auffassung des Klägers hat somit die Rechtspflegerin auf der Grundlage des ihr zum Zeitpunkt des Versteigerungstermins bekannt gewesenen Akteninhalts, das Schreiben vom 22.06.1998 ausgenommen - weder eine unzutreffende, noch eine unvollständige Auskunft erteilt. Vielmehr hat sie dem Kläger auf seine entsprechende Frage hin ihr gesamtes Wissen offenbart.
Anlass zu weiteren Nachforschungen hatte die Amtsträgerin nicht.
Zwar befand sich das Schreiben der Denkmalschutzbehörde vom 22.06.1998 - mit der Grundakte - zum Zeitpunkt des Versteigerungstermins bei der Zwangsversteigerungsakte, war der Rechtspflegerin also objektiv zugänglich.
Eine Amtspflichtverletzung kann nach Auffassung des Senats indessen auch nicht darin gesehen werden, dass die Rechtspflegerin sich vom Inhalt jenes Schreibens, welches sich nicht bei dem Hauptvorgang selbst, sondern lediglich bei einer Beiakte befand, keine Kenntnis verschaffte. Die Rechtspflegerin war nämlich nicht verpflichtet, die Beiakte gleichsam zu "durch-forsten", sich also unter sämtlichen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten auch aus der Beiakte umfassend zu informieren. Die Anfrage der Denkmalschutzbehörde war, wie ausgeführt, ausschließlich an das Grundbuchamt, nicht aber an das Zwangsversteigerungsgericht, adressiert.
Selbst dann aber, wenn man die Frage nach einer Amtspflichtverletzung, den Standpunkt des Klägers einnehmend, abweichend beurteilte, müsste zu seinen Lasten jedenfalls die haftungsbegründende Kausalität einer angeblichen Amtspflichtverletzung verneint werden.
Unterstellt, die zuständige Rechtspflegerin hätte dem Kläger die von ihm vermisste, unter I. inhaltlich dargestellte, Auskunft seiner nunmehr aufgestellten Forderung entsprechend erteilt, wäre diese angesichts des unstreitigen Sachverhalts im Übrigen nicht geeignet gewesen, den Kläger von dem Vorhaben, das Grundstück zu ersteigern, abzubringen.
Denn die von ihm postulierte Auskunft, "von Denkmalschutzerwägungen sei nichts bekannt", wäre angesichts des Inhalts des selbst dem Kläger bekannt gewesenen Verkehrswertgutachtens objektiv falsch gewesen. Der vom Kläger vermisste Hinweis darauf, dass stets "solch ein Risiko" bestehe, hätte sich in einem Allgemeinplatz erschöpft, der von der Rechtspflegerin nicht zu erwarten war.
Wenn der Kläger schließlich die Auffassung vertritt, die Rechtspflegerin habe ihn darauf hinweisen müssen, es sei an ihm, sich über die Frage des Denkmalschutzes Gedanken zu machen und Nachforschungen anzustrengen, setzt er sich sowohl mit seinem eigenen Vortrag als auch mit seinem eigenen vorangegangenen Handeln in Widerspruch. Denn unstreitig hat es ja der Kläger unternommen, bei der Denkmalschutzbehörde Nachforschungen anzustellen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision sind nicht gegeben. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, da ihre Entscheidung von keiner Beantwortung einer höchstrichterlich bisher noch nicht entschiedenen Frage abhängt. Sie gibt auch keine Veranlassung, in den berührten Rechtsgebieten neue Leitsätze aufzustellen, Gesetzeslücken zu füllen oder von höchst- oder obergerichtlicher Rechtsprechung abzuweichen.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 123.732,64 €
Ende der Entscheidung
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