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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 18.11.2003
Aktenzeichen: 11 U 129/02
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 133
BGB § 157
ZPO § 141
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

11 U 129/02 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 18.11.2003

Verkündet am 18.11.2003

in dem Rechtsstreit

hat der 11. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ...

auf die mündliche Verhandlung vom 1. Juli 2003

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 4. Juli 2002 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam (2 O 44/02) wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Die Beschwer des Klägers beträgt 22.345,59 €.

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um Honoraransprüche des Klägers aus seiner früheren Tätigkeit als freier Mitarbeiter einer Anwaltssozietät, der ehemals auch die beiden Beklagten angehörten.

Das Beschäftigungsverhältnis des Klägers wurde durch einen zwischen den Partnern der Sozietät und ihm geschlossenen Vertrag vom 15.06.1999 mit Wirkung vom 30.06.1999 einvernehmlich aufgelöst.

Unter anderem ist darin eine Regelung des Inhalts getroffen, dass der Kläger Mandanten, deren Fälle er bislang bearbeitet hat, schriftlich über sein Ausscheiden aus der Kanzlei informieren werde. Im Übrigen wird wegen des Vertragsinhalts auf die Textkopie Bl. 14 ff. d. A. Bezug genommen, was insbesondere für die Ziffer 3 Abs. 2 des Vertrages gilt.

In der Folgezeit entschloss sich ein Teil der Mandanten auf ein entsprechendes Anschreiben des Klägers hin zu einer Weiterbearbeitung ihrer Angelegenheiten durch ihn. Die Sozietät übersandte ihm dazu die Handakten.

Auch die Honorarforderungen des Klägers in diesen Fällen sind beglichen worden. Hiervon ausgenommen und zwischen den Parteien streitig sind die Honorare aus weiteren fünf Mandaten. Darüber hinaus begehrt der Kläger den Ersatz ihm angeblich entgangenen Honorars der A... AG, die ihre ursprünglich ihm gegenüber gemachte Zusage, er könne Verfahren weiter bearbeiten, nach einem Anruf des Beklagten zu 2. zurückzog.

Die Streithelfer der Beklagten sind ihnen mit Schriftsatz vom 17.05.2002 beigetreten.

Der Kläger hat behauptet, er habe vor der Unterzeichnung des Vertrages vom 15.09.1999 mit dem Verhandlungsführer auf Seiten der Anwaltssozietät, Rechtsanwalt ..., besprochen, Ziffer 3. der Vereinbarung sei so zu verstehen, dass eine weitere Bearbeitung durch ihn, den Kläger, als stattgefunden angenommen werden solle, sobald ein Mandant die Übergabe eines Vorganges an ihn wünschen werde, unabhängig vom Umfang noch erforderlich werdender anwaltlicher Tätigkeit.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagten zu verurteilen, an ihn als Gesamtschuldner 43.704,18 DM nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 19.02.2001 zu zahlen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Streithelfer der Beklagten haben ebenfalls beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben die Auffassung vertreten, der Kläger habe keinen Anspruch auf die Auskehrung der Honorare, da die streitgegenständlichen Mandate zum Zeitpunkt der Vereinbarung abgeschlossen gewesen seien, jedenfalls was anwaltliche Tätigkeit angehe.

Gleiches gelte für das Mandat der A...AG. Schon deshalb, so die Beklagten, könne dem Kläger ein Schadenersatzanspruch nicht zustehen. Sie verweisen in diesem Zusammenhang u. a. darauf, dass das erstinstanzliche Urteil in dieser Angelegenheit bereits am 09.12.1998 ergangen sei.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Wegen der Begründung wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

Hiergegen richtet sich das Rechtsmittel des Klägers, mit dem er seinen erstinstanzlichen Antrag in vollem Umfang weiterverfolgt.

Er wiederholt und vertieft seinen erstinstanzlichen Vortrag und vertritt insbesondere nach wie vor die Auffassung, "weitere Bearbeitung" im Sinne der Ziffer 3. des Vertrages vom 15.09.1999 umfasse nach dem übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien die bloße Bearbeitung durch ihn in kostenrechtlicher bzw. zwangsvollstreckungsrechtlicher Hinsicht.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil seinem erstinstanzlichen Antrag gemäß abzuändern.

Die Beklagten und ihre Streithelfer beantragen

die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil und wiederholen und vertiefen ihrerseits ihren erstinstanzlichen Sachvortrag sowie ihre bisherige rechtliche Argumentation.

Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung vom 01.07.2003 den vom Kläger benannten Zeugen G... zu Hergang und Inhalt der dem Vertragsschluss vom 15.09.1999 vorausgegangenen Verhandlungen vernommen.

II.

Das Rechtsmittel des Klägers ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

III.

In der Sache bleibt die Berufung ohne Erfolg.

Die angefochtene landgerichtliche Entscheidung ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Der Kläger hat den ihm obliegenden Beweis nicht erbracht, dass ihm die streitgegenständlichen Anwaltshonorare nach Ziffer 3. Abs. 2 des mit der Sozietät geschlossenen Vertrages vom 15.06.1999 zustehen sollten.

Entgegen der vom Kläger in erster Linie vertretenen Auffassung ist der Wortlaut der Vereinbarung nicht in seinem Sinne eindeutig, sondern einer Auslegung zugänglich. Dies wird schon daran deutlich, dass das Landgericht, wie die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils zeigen, zu einem Textverständnis gelangt ist, das der Position des Klägers widerspricht.

Es sei hier nur auf das tragende Argument des Landgerichts hingewiesen, dass auf den letzten Absatz der Ziffer 3 des Vertrages vom 15.6.1999 Bezug nimmt, worin es heißt, "die Akte" werde "nach Beendigung des Mandats durch Rechtsanwalt K...abgerechnet". Schon diese Formulierung, so das Landgericht, lege die Deutung nahe, dass einer bloßen Abrechnung des Mandatsverhältnisses bis dahin noch nicht abgeschlossene "anwaltliche Fallbearbeitung", so die Formulierung der Kammer, voraus zu gehen habe, solle ein Honoraranspruch des Klägers ausgelöst werden.

Dieses Verständnis vom Inhalt der streitigen Vereinbarung lässt jedenfalls einen Verstoß gegen Denkgesetze nicht erkennen, sondern stellt - neben der vom Kläger vertretenen - eine durchaus möglich erscheinende Deutung des übereinstimmenden Willens beider Vertragsparteien dar.

Mangels Eindeutigkeit der Vereinbarung wäre es somit Sache des Klägers gewesen, Umstände darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, die zu einer Auslegung in seinem Sinne zwingen. Dies ist ihm nicht gelungen.

Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben es mit Rücksicht auf die Verkehrssitte erfordern, wobei der wirkliche Wille der Vertragsparteien zu erforschen ist, §§ 133, 157 BGB.

Zu Recht beanstandet der Kläger indessen in diesem Zusammenhang, dass es dem Landgericht angesichts des Sach- und Streitstandes nicht gestattet gewesen sei, sich auf die Sozietätsvereinbarung als ihm, dem Kläger, bekannt zu stützen, worin klargestellt ist, dass dem ausscheidenden Sozius das Honorar nicht zustehen solle, falls lediglich die "Abrechnung" mit dem Mandanten ausstehe. Der Kläger hat nämlich stets bestritten, den Sozietätsvertrag zu kennen. Er selbst war nur angestellt.

Andererseits ist, gerade weil nicht feststeht, dass die Sozietätsvereinbarung überhaupt Gegenstand der zwischen dem Kläger einerseits und den Zeugen G... andererseits geführten Verhandlungen war, die anders lautende Formulierung der Vereinbarung vom 15.06.1999 kein Beleg dafür, dass es übereinstimmender Wille der Vertragsparteien gewesen sei, ihn besser zu stellen als einen ausscheidenden Sozius, wie der Kläger im Rahmen seiner Berufungsbegründung geltend macht.

Der Kläger stützt sich bei seiner Argumentation wesentlich auf die Formulierung des ersten Satzes der Ziffer 3. Abs. 2 der Vereinbarung vom 15.06.1999. Danach besteht zwischen den Rechtsanwälten der Sozietät und dem Kläger Einigkeit darüber, dass in den Angelegenheiten, in denen der Mandant sich für eine "weitere Bearbeitung" durch den Kläger entscheidet, diesem das gesamte Rechtsanwaltshonorar aus dem Mandat zusteht.

Dem Kläger ist einzuräumen, dass die vom Landgericht im Wege der Auslegung hinzugedachte Einschränkung einer "wesentlichen" rechtsanwaltlichen Tätigkeit fragwürdig erscheint, weil sich damit allein die Deutung, es könne damit auch reine kostenrechtliche Abwicklung des Mandats gemeint sein, nicht ausschließen lässt. Der Kläger weicht in diesem Zusammenhang darauf hin, dass, was nicht von der Hand zu weisen ist, etwa im Kostenfestsetzungsverfahren schwierige Fragen zu klären sein können, die nicht nur an das Kanzleipersonal des Anwalts, sondern auch an ihn selbst herangetragen werden.

Gleichwohl verbietet sich - umgekehrt - die vom Kläger der Vertragsformulierung beigegebene Bedeutung als zwingend oder auch nur naheliegend, dass nämlich die Parteien des Vertrags zwecks Vereinfachung der Angelegenheit ausschließlich von der Entscheidung des Mandanten abhängig machen wollten, wer das Mandat weiter bearbeiten sollte und zwar unabhängig vom Bearbeitungsstand. Der Begriff der Bearbeitung ist mehrdeutig. Sein Verständnis erschließt sich mit dem bloßen Hinweis auf die Wahlmöglichkeit des Mandanten nicht.

Der Kläger verweist - insoweit sachlich zutreffend - darauf, die Beklagten hätten vorgetragen, Rechtsanwalt G... sei es gewesen, der sämtliche Korrespondenz mit dem Kläger über einzelne von diesem herausverlangte Akten geführt habe. In Einzelfällen sei es G... gewesen, der in Zweifelsfällen entschieden habe, ob dem Kläger eine bestimmte Akte herausgegeben werde oder nicht. Tatsächlich, so der Kläger, seien ihm die Akten zu den hier streitgegenständlichen Vorgängen herausgegeben worden, was im Übrigen unstreitig ist.

Indessen vermag auch dies nicht ohne Weiteres die Position der Beklagten zu entkräften und umgekehrt die des Klägers zu stützen. Der Vortrag der Beklagten kann nur so verstanden werden, dass es Rechtsanwalt G... überlassen blieb zu entscheiden, ob bestimmte Mandate bzw. die ihnen zuzuordnenden Handakten als Gegenstand der Ziffer 3. der Vereinbarung vom 15.6.1999 in Betracht kamen. Die Aushändigung einer Akte an den Kläger ermöglichte diesem gerade erst, die schriftliche Anfrage bei dem betreffenden Mandanten, ob er, der Kläger, die Sache weiter bearbeiten solle.

Angesichts dieser nicht wenigstens überwiegend für den Kläger sprechenden Indizienlage verblieb ihm ausschließlich die Möglichkeit, sein Vertragsverständnis mittels der Aussage des Zeugen G... als zutreffend zu beweisen.

Der Kläger hat in diesem Zusammenhang ausdrücklich gerügt, dass das Landgericht, ausgehend von der Auffassung, der Vertrag sei in dem entscheidungserheblichen Punkt auslegungsbedürftig, die ihm angebotene Beweiserhebung prozessordnungswidrig unterlassen habe.

Der Senat hat den Zeugen, der auf Seiten der Sozietät mit dem Kläger verhandelt hat, vernommen und eingehend befragt.

Auch mit dieser Aussage gelingt dem Kläger der ihm obliegende Beweis nicht. Es bleiben vielmehr Zweifel, die mit dem Ergebnis des Prozessverlustes zu seinen Lasten gehen.

Der Zeuge G..., der nach der Darstellung beider Parteien um einen Ausgleich zwischen ihnen bemüht war und das Vertrauen beider Seiten genoss, hat, insoweit abweichend von der Darstellung des Klägers, bekundet, diesem seien generell die Handakten ausgehändigt worden, die er herausverlangt habe, und sei es nur, dass er sie benötigt habe, um sich selbst zunächst nochmals deren Inhalt zu vergewissern und zu prüfen, ob er sie behalten wolle. Bei den Verhandlungen, so der Zeuge weiter, sei klar gewesen, dass abgeschlossene Akten hätten außen vor bleiben sollen. Es sei allein um die Vorgänge gegangen, in denen ein Rechtsanwalt noch etwas zu tun gehabt habe. Diese Akten habe der Kläger erhalten sollen, wenn ein Mandant deren weitere Bearbeitung durch ihn, den Kläger, gewünscht habe. Der Kläger habe die Möglichkeit erhalten sollen, die Mandanten anzuschreiben und für den Fall deren Entscheidung für ihn die Vorgänge weiter zu bearbeiten.

Der Zeuge hat sodann auf Frage des Senats bekundet, er sei sicher, mit dem Kläger ausdrücklich darüber gesprochen zu haben, dass nur solche Verfahren an diesen übergehen sollten, in denen noch eine juristische Tätigkeit erforderlich gewesen sei. Erwähnt worden sei in diesem Zusammenhang auch, dass etwa Kostenfestsetzungstätigkeit dazu nicht gehöre.

Die Bekundung des Zeugen ist somit bereits ihrem objektiven Gehalt nach nicht geeignet, die anspruchsbegründende und damit entscheidungserhebliche Behauptung des Klägers zum gemeinsamen Verständnis der Vertragsparteien von den Voraussetzungen seines Honoraranspruchs zu bestätigen. Somit bedarf es eines Eingehens auf die Frage der Glaubwürdigkeit des Zeugen nicht.

IV.

Auch ein Schadenersatzspruch steht dem Kläger nicht zu. Ein solcher Anspruch stand ohnehin von Anfang an nur in Frage, soweit er gegen den Beklagten zu 2. gerichtet wird. Denn für eine Gesamtschuldnerschaft der beiden Beklagten bietet sich insoweit keine Grundlage. Der Kläger beanstandet angebliches Fehlverhalten lediglich des Beklagten zu 2. Auch insoweit dringt er indessen mit dem Klagebegehren nicht durch. Es wird in diesem Zusammenhang auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts Bezug genommen.

V.

Der Kläger hat seine eigene Vernehmung als Partei beantragt. Dem ist nicht stattzugeben. Insbesondere gebietet der Grundsatz der Waffengleichheit im Prozess ein solches Vorgehen nicht. Denn der Kläger verfügt über ein klassisches Beweismittel, nämlich die Aussage des Zeugen G.... Er selbst hat ihn bereits in erster Instanz benannt. Es handelt sich um einen auch nach Darstellung des Klägers neutralen Zeugen, den er gerade deshalb als Verhandlungspartner akzeptiert hat. Mit diesem Beweismittel gelingt den Kläger der Prozesserfolg nicht. Dies geht zu seinen Lasten, ohne dass es eine prozessrechtliche Handhabe gibt, ihn selbst zu vernehmen.

Gerade weil der Kläger selbst den Zeugen benannt hat, handelt es sich nicht um einen der höchstrichterlich behandelten Fälle, in denen das Bedürfnis nach Waffengleichheit der Prozessparteien zumindest die gemäß § 141 ZPO protokollierte Anhörung einer im Übrigen beweislosen Partei gebietet.

VI.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Entscheidung des Falles beruht maßgeblich auf der Bewertung von Einzelumständen. Eine bislang vom Bundesgerichtshof oder einem anderen Obergericht abweichend beurteilte Rechtsfrage stellt sich nicht. Der Rechtsstreit hat auch im Übrigen keine grundsätzliche Bedeutung.

Ende der Entscheidung

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