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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 29.05.2007
Aktenzeichen: 11 U 130/02
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 538 Abs. 2 Nr. 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Grund-Urteil

11 U 130/02 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 29.05.2007

Verkündet am 29.05.2007

In dem Rechtsstreit

hat der 11. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 24. April 2007 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Goebel, den Richter am Oberlandesgericht Hütter und den Richter am Oberlandesgericht Ebling

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 3. Juli 2002 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Potsdam (4 O 226/01) aufgehoben.

Die Klage ist dem Grunde nach gerechtfertigt.

Der Rechtsstreit wird zur weiteren Verhandlung und Entscheidung über die Höhe des Klageanspruchs an das Landgericht zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens wird dem Landgericht vorbehalten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Die Beschwer des Beklagten beträgt 7.639,38 €.

Gründe:

I.

Von der Darstellung des Sachverhalts im Einzelnen wird abgesehen. Die Zulassung der Revision kann angesichts des Wertes der Beschwer nicht erzwungen werden.

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

III.

1.

In der Sache führt das Rechtsmittel zur Aufhebung des angefochtenen und die Klage abweisenden Urteils nach § 538 Abs. 2 Nr. 4 ZPO. Denn der Klageanspruch ist entgegen der Auffassung des Landgerichts dem Grunde nach zu bejahen. Der Höhe nach war und ist er allerdings streitig und noch nicht zur Entscheidung reif.

Der Kläger verlangt von dem Beklagten die Zahlung eines Schmerzensgeldes mit der Begründung, dieser habe ihm am 18.03.2001 einen Fußtritt versetzt und dadurch einen Bruch sowohl seines rechten Sprunggelenks als auch seines rechten Wadenbeins verursacht. Der Geschehensablauf ist zwischen den Parteien streitig. Die Kammer hat die Klage abgewiesen, weil sie für nicht ausgeschlossen gehalten hat, dass sich der Kläger die Verletzungen bei einer anderen Gelegenheit zugezogen hat oder sie von einer anderen Person verursacht worden sind. Das ist das Ergebnis einer Würdigung der in erster Instanz erhobenen Zeugenbeweise.

Inzwischen ist der Beklagte wegen Körperverletzung zum Nachteil des Klägers strafrechtlich rechtskräftig verurteilt worden.

2.

Der Senat hat die Zeugen H..., Sch..., S..., A... und E... erneut vernommen; zusätzlich die bereits in erster Instanz von dem Kläger benannten Zeugen Hi... und B.... Von der nochmaligen Anhörung der Zeugen R... und Se..., deren Aussagen offenkundig unergiebig waren, wurde abgesehen.

Die im Berufungsrechtszug durchgeführte Beweisaufnahme hat zu einem abweichenden Ergebnis geführt. Der Senat teilt die Bewertung der Zeugenaussagen durch das Landgericht in einem entscheidenden Punkt nicht.

Der Zeuge Hi... half seiner Bekundung nach lediglich, den Kläger zum Krankenhaus zu transportieren. Ebenso der Zeuge H..., der außerdem noch angegeben hat, er habe zuvor gesehen, dass Kläger und Beklagter umgefallen seien. Auch der Zeuge B... sah, so seine Schilderung, beide Parteien "auf dem Boden liegen", woraufhin der Kläger auch schon weg getragen worden sei. Von dem sonstigen Geschehen, insbesondere der angeblichen Tätlichkeit des Beklagten, haben alle drei ihren übereinstimmenden Aussagen zufolge nichts wahrgenommen. Letzteres gilt ebenso für den Zeugen S.... Seine Angaben und die des Zeugen H... decken sich im Übrigen mit denen, die sie bereits vor der Zivilkammer gemacht haben.

Zusammenfassend ist das so zu werten, dass keiner dieser Zeugen die behauptete Tätlichkeit als solche hat bestätigen können. Jedoch haben immerhin zwei von ihnen den Abtransport des verletzten Klägers erlebt und zwar unmittelbar nach seiner Begegnung mit dem Beklagten.

Hingegen hat die Zeugin Sch..., wie schon vor dem Landgericht, bekundet, der Beklagte habe den Kläger, weil er sich wohl von ihm provoziert gefühlt habe, gepackt und ihm heftig gegen den rechten Innenknöchel getreten. Der Kläger sei daraufhin gefallen und habe weder aus eigener Kraft aufstehen noch gehen können. Sie, die Zeugin, habe den Beklagten sogleich aufgefordert, sich zu entschuldigen, der darauf lediglich erwidert habe, er befürchte nun, Ärger zu bekommen, was er sich nicht leisten könne, da er Frau und Kind habe.

Die Aussage ist glaubhaft. Sie wird weder, wie noch auszuführen sein wird, durch die Darstellung eines anderen Zeugen noch durch objektive Tatsachen widerlegt. Die Zeugin ist aufgrund des von ihr gewonnenen persönlichen Eindrucks nach der Einschätzung des Senats auch glaubwürdig, ungeachtet des Umstands, dass sie zum Zeitpunkt des streitigen Vorfalls die Lebensgefährtin des Klägers war. Sie hatte offenkundig von allen Zeugen die beste Sichtposition, um das Geschehen beobachten zu können.

Das Landgericht hat demgegenüber die anders lautende Bekundung des Zeugen A... als gleichwertig erachtet und darauf die Annahme eines non liquet zu Lasten des beweispflichtigen Klägers gegründet. Dem vermag sich der Senat nicht anzuschließen.

Der Zeuge hat vor der Kammer ausgesagt, er habe lediglich wahrgenommen, wie der neben ihm stehende Kläger geschimpft habe. Dabei habe er jedoch nicht verletzt gewirkt. Es sei auch nicht notwendig gewesen, ihn zu stützen. Den streitigen Vorfall selbst habe er, der Zeuge, nur "aus dem Augenwinkel" mitbekommen.

Ihrem objektiven Gehalt nach ist diese Schilderung - für sich betrachtet - zur Entlastung des Beklagten nur zum Teil geeignet, nicht aber vollständig, denn eine zuverlässige Beobachtung des Geschehens zwischen den Parteien dieses Rechtsstreits fehlt. Außerdem ist nicht ohne weiteres nachzuvollziehen, worauf sich der Eindruck des Zeugen gründete, der Kläger sei in Wahrheit nicht verletzt gewesen.

Entscheidend spricht aber gegen die Richtigkeit der Aussage des Zeugen A..., dass sie in Widerspruch nicht nur zu der Bekundung der Zeugin Sch... steht, sondern auch zu denen der Zeugen H... und B.... Diese haben immerhin, wie bereits ausgeführt, glaubhaft geschildert, dass der Kläger verletzungsbedingt habe weg getragen werden müssen. Und beide haben gesehen, dass in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang damit sowohl der Kläger als auch der Beklagte am Boden lagen.

Der Zeuge A... ist in zweiter Instanz nicht von seiner Darstellung abgerückt, sondern hat vor dem Senat erklärt, er wisse zu dem streitigen Vorgang überhaupt nichts zu sagen, nicht einmal mehr, worum es dabei gegangen sei. Er könne lediglich annehmen, dass er vor dem Landgericht so ausgesagt habe, wie es protokolliert worden sei, und dass dies seiner damaligen Erinnerung entsprochen habe.

Aus den dargelegten Gründen kommt es für die Entscheidung auf die Glaubwürdigkeit des Zeugen nicht mehr an. Sie müsste allerdings insgesamt, das heißt bezogen auf sein Aussageverhalten in beiden Instanzen, beurteilt werden, und zwar mit negativem Ergebnis. Der Senat hätte daher aufgrund des bei der Vernehmung gewonnenen persönlichen Eindrucks selbst dann erhebliche Zweifel, dem Zeugen zu folgen, wenn nicht bereits die erwähnten Umstände sie objektiv unglaubhaft erscheinen ließen. Denn unverkennbar hat der Zeuge A... es gezielt und in dem Bemühen um Vertuschung vermeiden wollen, an einer Klärung des Sachverhaltes mitzuwirken. Er hat sich im Verlauf seiner Vernehmung wiederholt darauf zurückgezogen, es gebe für ihn Wichtigeres als den streitigen Vorgang, und er habe sich von dem "ganzen Umfeld", so seine Formulierung, entfernt.

Die Bekundung des Zeugen E... ist ebenfalls nicht geeignet, den vom Kläger geführten Beweis zu entkräften. Bereits das Landgericht ist ihr nicht gefolgt.

Auch er hat erklärt, sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr an die streitigen Geschehnisse erinnern zu können, er gehe aber davon aus, dass er die von der Kammer protokollierte Aussage gemacht und dass sie seiner damaligen Erinnerung entsprochen habe.

In dem angefochtenen Urteil wird im Einzelnen dargelegt, welche Gründe gegen die Glaubhaftigkeit der erstinstanzlich gemachten Aussage sprechen, insbesondere dass sie in sich widersprüchlich sei und der Zeuge versucht habe, Fragen des Gerichts auszuweichen. Insoweit schließt sich der Senat der Beweiswürdigung der Kammer an.

Somit ist die Glaubwürdigkeit auch dieses Zeugen nicht mehr von entscheidender Bedeutung. Indessen gelten gegen ihn die gleichen Bedenken wie gegen den Zeugen A.... Auch er hat die deutliche Tendenz erkennen lassen, dem Gericht einen Beitrag zur Klärung des streitigen Geschehens vorzuenthalten. Das wird nicht nur durch den Inhalt der vom Landgericht aufgenommenen Vernehmungsniederschrift belegt, sondern auch durch sein ausweichendes Verhalten während seiner Aussage vor dem Senat.

3.

Damit steht die widerrechtliche und vorsätzliche Körperverletzungshandlung des Beklagten zum Nachteil des Klägers fest.

Gleiches gilt für den vom Beklagten in beiden Instanzen in Abrede gestellten haftungsbegründenden Kausalzusammenhang zwischen der Tathandlung einerseits und den beim Kläger in der Folge festgestellten physischen Folgen andererseits. Insoweit folgt der Senat, ebenso wie schon die Strafkammer des Landgerichts Potsdam in dem gegen den Beklagten durchgeführten Strafverfahren, dessen Akten beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind, dem ärztlichen Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen Sem....

IV.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens ist dem Landgericht vorzubehalten.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO sind nicht gegeben. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Schwierige Rechtsfragen stellen sich nicht. Das Urteil des Senats beruht entscheidend auf der Würdigung der in beiden Instanzen erhobenen Beweise und damit auf der Bewertung der besonderen Umstände des Streitfalls. Die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern auch nicht eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs. Der Senat weicht nicht von höchstrichterlicher oder anderer obergerichtlicher Rechtsprechung ab.

Ende der Entscheidung

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