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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 12.02.2008
Aktenzeichen: 11 U 138/07
Rechtsgebiete: BGB, ZPO


Vorschriften:

BGB § 158 Abs. 1
BGB § 162
BGB § 781
ZPO § 139
ZPO § 531 Abs. 2 Nr. 2
ZPO § 538 Abs. 2 Nr. 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

11 U 138/07 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 12.02.2008

Verkündet am 12.02.2008

In dem Rechtsstreit

hat der 11. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 22. Januar 2008 durch

den Richter am Oberlandesgericht Hütter, den Richter am Oberlandesgericht Ebling und den Richter am Oberlandesgericht Pliester

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 30. Mai 2007 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Cottbus (4 O 18/07) abgeändert.

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 40.600,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22. März 2006 zu zahlen.

Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Den Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Beiden Parteien wird gestattet, die Sicherheitsleistung in der Form einer unbeschränkten, unbefristeten, selbstschuldnerischen Bürgschaft eines auf dem Gebiet der Europäischen Union ansässigen Kreditinstituts zu erbringen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Das Urteil beschwert die Beklagten um 40.600,00 €. Der Streitwert des Berufungsverfahrens ist ebenso hoch.

Gründe:

I.

Der Kläger nimmt die Beklagten aus einem Schuldanerkenntnis auf Zahlung eines Betrages von 35.000,00 € zzgl. Umsatzsteuer, mithin 40.600,00 € brutto, in Anspruch. Die übereinstimmenden Anerkenntniserklärungen existieren in zwei Schriftbildern, wovon eines der beiden dem von den Parteien als "Originalpapier" bezeichneten Dokument zuzuordnen ist.

Letzteres trägt jedoch nur den gedruckten Anerkenntnistext, nicht aber die Unterschriften der beiden Beklagten.

Mit der Klage ist zunächst lediglich ein von allen drei Parteien unterzeichnetes Exemplar ohne sichtbaren handschriftlichen Zusatz vorgelegt worden, das den Beklagten als Fax zugegangen ist. Ob es zu diesem Zeitpunkt bereits die Unterschrift des Klägers trug, war in erster Instanz noch streitig. In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht legte der Kläger ein jenem Faxschreiben in Druck- und Unterschriftbild identisches Exemplar vor, das allerdings den vom Beklagten zu 1. stammenden handschriftlichen Zusatz enthält: "bitte erst auf Originalpapier, erst dann ist das Schreiben rechtsgültig". Es zeigt die einzige authentische Endversion jenes Schreibens, wie inzwischen feststeht.

Entsprechend der Aufforderung der Beklagten hat der Kläger ihnen das bereits erwähnte "Original" auf dem Postweg zugesandt. Es ist nicht unterzeichnet worden.

Der Kläger hat behauptet, er habe die Anerkenntnisurkunde in der Gestalt des Faxschreibens erst unterzeichnet, nachdem es ihm von den Beklagten, mit deren beider Unterschriften versehen, zurückgegeben worden sei.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 40.600,00 € nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.03.2006 zu zahlen

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben zunächst die Echtheit ihrer Unterschriften in Abrede gestellt. Davon haben sie in der mündlichen Verhandlung Abstand genommen, aber weiter den Standpunkt vertreten, sie hätten, wie der handschriftliche Zusatz belege, ohne Rechtsbindungswillen gehandelt, mithin noch kein wirksames Anerkenntnis abgegeben.

Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, das Anerkenntnis sei von den Beklagten unter einer nicht eingetretenen aufschiebenden Bedingung abgegeben worden. Wegen der Rechtsausführungen der Kammer im Einzelnen nimmt der Senat auf das angefochtene Urteil Bezug.

Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers. Er verfolgt sein erstinstanzliches Klagebegehren in vollem Umfang weiter.

Zur Begründung rügt er das Verfahren der Kammer als fehlerhaft und vertritt in diesem Zusammenhang die Auffassung, auf die rechtliche Qualität des handschriftlichen Zusatzes auf dem Faxschreiben als Bedingung und die daraus zu ziehende Konsequenz hätte das Landgericht hinweisen müssen. So aber sei das angefochtene Urteil überraschend.

In der Sache selbst argumentiert er zum einen rechtlich, zum anderen trägt er - innerhalb der Berufungsinstanz wiederholt - tatsächlich neu vor.

Mit seiner Berufungsbegründung hat er den Standpunkt vertreten, die Kammer habe verkannt, dass die Beklagten sich rechtsmissbräuchlich auf den Nichteintritt der Bedingung, nämlich die Unterzeichnung auch des "Originals", beriefen. Denn immerhin hätten sie bereits einmal den Willen zum Anerkenntnis durch ihre Unterschrift bekundet. Er, der Kläger, habe alles von ihm zu Erwartende getan, um die nach Auffassung des Landgerichts von den Beklagten gestellte Bedingung zu erfüllen, indem er ihnen den Text auf dem Postweg nochmals habe zukommen lassen. Es handele sich um einen Fall des § 162 BGB.

In tatsächlicher Hinsicht trägt er, um seine Argumentation zu untermauern, in der Berufungsinstanz erstmals vor, die Parteien hätten sich vor der Erstellung des Anerkenntnistextes auf den - stark reduzierten - Pauschalbetrag in Höhe von 40.000,00 € netto zzgl. Umsatzsteuer geeinigt. Das sei sowohl telefonisch als auch bei einer gemeinsamen Besprechung in seinen Büroräumen geschehen. Der Kläger tritt Beweis an durch Antrag auf die Parteivernehmung der beiden Beklagten sowie seiner selbst.

Es handele sich, so behauptet er, allein um Honorar aus anwaltlicher Tätigkeit in den Jahren 2003 bis 2006. In Wahrheit belaufe sich seine Forderung auf eine viel höhere Summe. Entsprechend der Einigung habe er den Text gefertigt und den Beklagten übersandt.

Erstmals in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Beklagte sodann vorgetragen: Es habe verschiedene Gespräche zwischen den Parteien gegeben. Deren Ergebnis sei die Einigung auf den Pauschalbetrag von netto 35.000,00 € gewesen. Er habe den Beklagten dann Anfang März 2006 das Schriftstück per Fax übersandt. Der Beklagte zu 1. sei darauf hin allein mit dem von beiden Ehepartnern - in blauer Schrift - bereits unterzeichneten Papier in seinen Büroräumen erschienen. Seine Unterschrift habe er, der Kläger, erst an diesem Tag im Beisein des Beklagten hinzu gesetzt. Mit ihm habe er sich sodann noch über die Angelegenheit unterhalten. In diesem Zusammenhang habe der Beklagte den Wunsch geäußert, ein Schriftstück mit Originalbriefkopf zu erhalten, jedoch nicht als Telefax. Er, der Kläger, sei daraufhin zu seiner Mitarbeiterin in einem benachbarten Büroraum gegangen, ohne die bereits von den Beklagten unterzeichnete Urkunde mitzunehmen, um ihr die entsprechenden Anweisungen zu erteilen. Der Text sei auf PC gespeichert gewesen und habe der Mitarbeiterin daher ohne weiteres zur Verfügung gestanden. In der Zwischenzeit müsse der Beklagte den erwähnten handschriftlichen Zusatz auf dem Schreiben aufgebracht haben. Dies habe er, der Kläger, bei seiner Rückkehr in das Zimmer, in dem er sich zuvor mit dem Beklagten unterhalten habe, nicht bemerkt. Die Akte habe auf seinem Tisch gelegen und sei seiner Erinnerung nach zugeschlagen gewesen. Er habe damals keine Veranlassung gesehen, sie zu öffnen und nach der Urkunde zu sehen. Der Beklagte habe sich sodann umgehend mit dem Bemerken entfernt, er sei in Eile, das Originalschreiben solle ihm mit der Post zugesandt werden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 30.05.2007 (4 O 18/07) abzuändern und die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 40.600,00 € nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.03.2006 zu zahlen;

hilfsweise,

das Urteil des Landgerichts aufzuheben und zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurück zu verweisen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil. Mit der Berufungserwiderung haben sie ihrerseits neu vorgetragen.

Sie bestreiten, dass der in dem Anerkenntnisschreiben genannte Betrag das Resultat eines Gesprächs über die Höhe der von dem Beklagten verdienten Honorare wiedergebe, und behaupten, der Kläger habe ihnen das Fax bereits von ihm unterschrieben zukommen lassen. Daraufhin hätten sie den Kläger zur Rede gestellt. Er habe ihnen dabei versichert, aus dem Anerkenntnis nicht gegen sie vorgehen zu wollen. Deshalb hätten sie unterschrieben, "um sich dem Druck des Klägers zu entziehen".

Die "Unverbindlichkeit" der von ihnen abgegebenen Erklärung, so ihr Argument, hätten sie durch den bereits zitierten, unstreitigen Zusatz auf der Urkunde "dokumentiert".

Der Darstellung, die der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat abgegeben hat, sind sie indessen nicht entgegengetreten. Vielmehr hat der Beklagtenvertreter dazu lediglich erklärt, die Darstellung seiner Mandanten sei ihm bislang nicht zu hundert Prozent klar geworden.

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

III.

Auch in der Sache hat das Rechtsmittel des Klägers Erfolg. Er hat gegen die Beklagten einen Anspruch auf die verlangte Zahlung.

1.

Dessen Grundlage ist das von den Beklagten unter dem Datum vom 21.03.2006 übereinstimmend schriftlich erklärte Schuldanerkenntnis über die Klagesumme. Dabei bedarf es keiner abschließenden Beurteilung der Frage, welche Rechtsnatur die rechtsgeschäftlichen Erklärungen haben. Der Kläger geht von einem konstitutiven Anerkenntnis aus, trägt allerdings in zweiter Instanz vor, die Parteien hätten sich vor dem Hintergrund einer nach seiner Darstellung in Wahrheit deutlich höheren Forderung auf den Betrag von 35.000,00 € zuzüglich Umsatzsteuer geeinigt, was für ein lediglich deklaratorisches Anerkenntnis spricht. Da die Beklagten die nach § 781 BGB im Falle eines konstitutiven Schuldanerkenntnisses zu wahrende Schriftform eingehalten haben, kann dieser rechtliche Gesichtspunkt offen bleiben.

2.

Allerdings steht der Klageerfolg erst als Ergebnis der mündlichen Verhandlung zweiter Instanz fest. Sie hat zu einer weiteren Klärung des Sachverhaltes geführt, die indessen bereits dem Landgericht möglich gewesen wäre und ihm auch oblegen hätte.

Das Verfahren der Kammer ist in wesentlichen Punkten fehlerhaft, so dass die Aufhebung des angefochtenen Urteils nach § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO in Betracht zu ziehen war. Allerdings hat sich eine umfangreiche oder aufwändige Beweisaufnahme als nicht erforderlich gezeigt.

Das Verhandlungsprotokoll des Landgerichts lässt nicht erkennen, ob mit den Parteien überhaupt die Rechtslage erörtert worden ist, die sich nach Vorlage des mit dem handschriftlichen Zusatz versehenen Faxschreibens darbot, nachdem die Parteien jedenfalls darüber Einvernehmen erzielt hatten, dass dies das einzige war, das die Beklagten unterzeichnet haben. Hatte das Gericht aber vor, mit seiner späteren Begründung zu Lasten des Klägers zu entscheiden und sich dabei auf die Gestaltung der Urkunde, insbesondere den Wortlaut des handschriftlichen Zusatzes der Beklagten, zu stützen, so hätte es dem Kläger einen entsprechenden Hinweis nach § 139 ZPO erteilen und ihm Gelegenheit zu weiterem Sachvortrag einräumen müssen. Somit beanstandet der Kläger zu Recht das angefochtene Urteil als Überraschungsentscheidung.

Darüber hinaus lag es angesichts der sich im Termin zur mündlichen Verhandlung neu bietenden Sachlage auf der Hand, die Beklagten zu fragen, wieso sie nicht auch das auf ihre Bitte ihnen vom Beklagten übersandte "Originalexemplar" des Anerkenntnisses unterzeichneten.

Mithin ist nach der Vorschrift des § 531 Abs. 2 Nr. 2 ZPO in der Berufungsinstanz der neue Vortrag des Klägers zuzulassen, mit dem er zum Zustandekommen des Anerkenntnisses vorträgt. Sobald man in Betracht zieht, dass die Klage nicht mit Erfolg auf das Anerkenntnis gestützt werden kann, besteht für den Kläger Anlass, zu eventuellen Abreden der Parteien ebenso vorzutragen wie zu den Umständen, unter denen es zu dem handschriftlichen Zusatz auf der Urkunde gekommen ist.

Aus denselben Gründen musste den Beklagten Gelegenheit zu weiterem - erwiderndem - Vortrag gegeben werden.

3.

Es ist in der Berufungsinstanz unstreitig geworden, dass die von beiden Beklagten auf das Faxschreiben des Klägers unter dem Datum vom 21.03.2006 gesetzten Unterschriften bereits vorhanden waren, bevor dieser es selbst unterzeichnete. Entscheidend ist indessen, dass nach ebenfalls unbestrittener Darstellung des Klägers auch der handschriftliche Zusatz des Beklagten zu 1. erst nach vollständiger Unterschriftsleistung beider Beklagter auf die Urkunde gelangte. Nach der Auffassung des Landgerichts ist sein Inhalt als aufschiebende Bedingung im Sinne von § 158 Abs. 1 BGB zu werten. Näher läge hingegen die Annahme, dass die Beklagten, hätten sie den Vorbehalt vor Unterschriftsleistung erklärt, damit das Fehlen ihres Rechtsbindungswillens zum Ausdruck gebracht hätten. Der nunmehr feststehende Sachverhalt lässt keine der beiden Wertungen mehr zu. Vielmehr hat der Beklagte zu 1. nach wirksam erklärtem Anerkenntnis beider Beklagter den rechtlich unbeachtlichen Versuch unternommen, sich davon wieder zu distanzieren. Der bereits entstandene Anspruch des Klägers ist davon unberührt geblieben.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO sind nicht gegeben. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Denn die Entscheidung des Senats beruht auf der Bewertung der tatsächlichen Besonderheiten des Streitfalls. Auch erfordern weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Der Senat weicht nicht von einer Rechtsauffassung des Bundesgerichtshofs oder eines anderen Obergerichts ab.

Ende der Entscheidung

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