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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 26.02.2008
Aktenzeichen: 11 U 164/07
Rechtsgebiete: BGB, FStrG


Vorschriften:

BGB § 823 Abs. 1
BGB § 823 Abs. 2
FStrG § 8
FStrG § 8a
FStrG § 8a Abs. 3
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

11 U 164/07 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 26.02.2008

Verkündet am 26.02.2008

In dem Rechtsstreit

hat der 11. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 15. Februar 2008 durch den Richter am Oberlandesgericht Pliester als Einzelrichter

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das am 06. September 2007 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt/Oder - Az.: 14 O 49/07 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht zuvor die Beklagten Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leisten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert für das Berufungsverfahren, zugleich Wert der Beschwer der Klägerin: 79.829,21 €.

Gründe:

I.

Die Klägerin, Erbbauberechtigte des Grundstücks ... Chaussee 105 A (Bundesstraße B ...) in B... begehrt von den Beklagten als Eigentümern des Nachbargrundstücks ... Chaussee 105 Schadensersatz für Baumaterial, welches anlässlich einer Überschwemmung des Grundstücks 105 A zerstört worden ist. Das Grundstück 105 ist von der B ... aus über eine den Straßengraben überquerende Zufahrt zugänglich. Diese Zufahrt steht am Beginn der Wegeparzelle mit der Flurstücksnummer 2, welche zivilrechtlich im Eigentum der Stadt B... steht, wie jedenfalls in zweiter Instanz unstreitig geworden ist. Diese Wegeparzelle ist nur in dem zur B ... liegenden Abschnitt als Weg zu erkennen; weiter hinten befinden sich Baumanpflanzungen und ein Acker. Auf die von der Klägerin im Senatstermin vom 15. Februar 2008 überreichte Fotografie ("Auszug Geodatenbestand Landkreis Ba..."; Bl. 384 d. A.) wird zur Beschreibung der Örtlichkeit ergänzend Bezug genommen.

Nach einer längeren Frostperiode, die auch dem Gericht noch in unangenehmer Erinnerung ist, bildete sich am 08. Februar 2008 Schmelzwasser in ungewöhnlich großer Menge. Da die Rohrdurchführung im Bereich des o. g. Straßengrabens der B ... defekt war, konnte das Tauwasser nicht wie sonst in Richtung Norden zu einem Entwässerungsraben ablaufen, sondern staute sich. Der Rückstau überflutete - möglicherweise neben weiterem, von hinten andrängendem Wasser - das Grundstück 105 A. Klagegegenstand ist Schadensersatz für die durch das Wasser zerstörten und beschädigten Gegenstände, die auf dem Grundstück 105 A gelagert waren. Wegen der Einzelheiten der klägerischen Schadensberechnung wird auf die Aufstellung in dem klägerischen Schriftsatz vom 21. Juni 2007 (Bl. 93 ff. d. A.) nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagten seien für den Zustand der Überfahrt, insbesondere für den Zustand der Rohrdurchführung, als Nutzer verantwortlich. Diese Verantwortlichkeit ergebe sich auch aus dem Umstand, dass der Beklagte, wie er Dritten gegenüber eingeräumt habe, das Rohr selbst verlegt habe.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an sie 79.829,21 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01. April 2006 zu zahlen.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben bestritten, dass der Beklagte zu 1 das Rohr verlegt habe. Vielmehr sei die Durchführung bereits Ende der 60-er Jahre durch die LPG erneuert worden, weil das zuvor eingebaute - noch engere - Rohr nur noch aus Trümmern bestanden habe. Die Beklagten haben den Schaden auch der Höhe nach in Abrede gestellt.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt:

Ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB unter dem Gesichtspunkt der Schaffung einer Gefahrenlage bestehe nicht. Die Zufahrt als solche sei nicht durch die Beklagten hergestellt worden. Der - nur vage vorgetragene - Einbau eines unterdimensionierten Rohres durch den Beklagten zu 1 könne eine Haftung der Beklagten zu 2 ohnehin nicht begründen. Selbst wenn man die Durchführung einer Maßnahme durch den Beklagten zu 1 annehme, so läge hierin keine Schaffung einer Gefahrenlage, sondern die Verminderung einer solchen; denn in diesem Falle hätte der Beklagte zu 1 den bis dahin nicht bestehenden Durchfluss erst wieder ermöglicht.

Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht nach §§ 8, 8a des Bundesfernstraßengesetzes durch die Beklagten sei ebenso wenig festzustellen. Es fehle schon an der erforderlichen Erlaubnis einer Sondernutzung. Die Benutzung der öffentlichen Überfahrt, die nicht im Eigentum der Beklagten stehe, sei als Gemeingebrauch, nicht als Sondernutzung, anzusehen.

Wegen der weiteren Einzelheiten der angefochtenen Entscheidung, die der Klägerin am 20. September 2007 zugestellt worden ist, wird ergänzend auf die bei den Akten befindliche Leseabschrift (Bl. 309 d. A.) Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin, welche am 10. Oktober 2007 beim Brandenburgischen Oberlandesgericht eingegangen ist. Die Klägerin hat das Rechtsmittel durch einen am 20. November 2007 eingegangenen Schriftsatz wie folgt begründet:

Bei der Überfahrt handele es sich nicht um den Teil eines öffentlichen Weges, sondern um einen solchen, der nur dem Grundstück der Beklagten diene; die Beklagten treffe schon deshalb eine Unterhaltungspflicht. Zudem sei der Beklagte zu 1 für den Zustand des Rohres selbst verantwortlich, da er dieses eingebaut habe; diesbezüglich sei das Vorbringen, der Beklagte habe dies selbst gegenüber Dritten geäußert, im Gegensatz zu der Rechtsauffassung des Landgerichts ausreichend. Für den Zustand der Überfahrt und der Rohrdurchführung seien die Beklagten als Nutzer gem. § 8a Abs. 3 FStrG auch dann verantwortlich, wenn sie keine Erlaubnisnehmer seien.

Die Klägerin beantragt,

die angefochtene Entscheidung abzuändern und die Beklagten zu verurteilen, als Gesamtschuldner an sie 79.829,21 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01. April 2006 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigen die angefochtene Entscheidung nach Maßgabe der Berufungserwiderung vom 10. Januar 2008 (Bl. 356 d. A.) und verweisen insbesondere darauf, dass der Verkehrsweg, der den Straßengraben überquere, im Eigentum der Stadt B... stehe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

II.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden (§§ 517, 519, 520 ZPO). In der Sache bleibt das Rechtsmittel ohne Erfolg, denn das Landgericht hat die Klage im Ergebnis mit Recht abgewiesen.

1.

Im Ergebnis zutreffend hat das Landgericht einen Anspruch wegen Verletzung eines Schutzgesetzes, aus welchen gemäß § 823 Abs. 2 BGB gegebenenfalls ein deliktischer Anspruch auf Schadensersatz folgen könnte, verneint. Insbesondere lässt sich die Verletzung einer Anlagenunterhaltungspflicht nicht aus §§ 8, 8a Bundesfernstraßengesetz herleiten. Diese Vorschriften sehen eine Unterhaltungspflicht zwar auch ohne Bestehen einer Sondernutzungserlaubnis vor; Voraussetzung hierfür ist jedoch (§ 8 Abs. 1 Bundesfernstraßengesetz) das Vorliegen einer "Zufahrt" oder eines "Zugangs" zur Bundesstraße, soweit sich diese außerhalb der Ortsdurchfahrt befinden. Hiermit ist die unmittelbare Anliegerstellung gemeint: Die Nutzung des Grundstücks muss in einem solchen Fall nur unter unmittelbarer Inanspruchnahme der Zufahrt von der Fernstraße aus möglich sein. Im Streitfall wird das Grundstück 105 nicht von der B ... aus erschlossen, sondern von der Gemeindestraße (Flurstück 2).

Zu Unrecht stellen die Kläger in Abrede, dass es sich bei dem Flurstück 2 um eine öffentliche Straße handelt. Unstreitig diente diese Straße ursprünglich der Erschließung der anliegenden Grundstücke. Noch im Jahre 2006 ist die Fläche als "Straße" im Liegenschaftskataster erfasst. Anhaltspunkte dafür, dass die ursprüngliche Widmung als öffentliches Straßenland durch einen staatlichen Akt aufgehoben worden wäre, bestehen nicht. Allein die Tatsache, dass der Beklagte zu 1 im Verlauf der Straße etwa in Höhe der auf dem Grundstück 105 stehenden Gebäude einen Schlagbaum aufgestellt hat, welches die Stadt B... offenbar hingenommen hat, kann zu einer Entwidmung in diesem Sinne nicht führen.

2.

Weitere Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB sind nicht zu ersehen; solche werden von den Parteien auch nicht benannt.

3.

Im Ergebnis aus den gleichen Gründen ist ein schuldrechtlicher Anspruch wegen Verletzung einer Pflicht aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis ausgeschlossen. Die Unterlassung der Unterhaltung der Rohrdurchführung stellt eine solche Pflichtverletzung schon deshalb nicht dar, weil das Rohr nicht durch die Beklagten, sondern durch den Unterhaltspflichtigen - ob dies die Gemeinde oder der Bund sein könnte, ist hier nicht zu entscheiden - zu reparieren war.

4.

Schließlich hat das Landgericht eine Haftung der Beklagten im Hinblick darauf, dass sie - oder wenigstens der Beklagte zu 1 - das Rohr vor unbestimmter Zeit ersetzt haben sollen, verneint. Selbst wenn man zu Gunsten der Klägerin davon ausgeht, der Beklagte zu 1 habe sich (vielleicht in den 1960-er Jahren) der Reparatur des Rohres beteiligt, so lässt sich hieraus eine - über Jahrzehnte fortbestehende - Unterhaltungspflicht schon deshalb nicht herleiten, weil das Gesetz, wie ausgeführt, eine solche Pflicht von (indirekten) Anliegern im Übergang von Bundes- zu Gemeindestraßen gerade nicht vorsieht.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Das Urteil ist gem. § 708 Nr. 10 ZPO für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Die Anordnung der Abwendungsbefugnis hat ihre Grundlage in § 711 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor; grundsätzliche Fragen werden durch die Entscheidung nicht berührt.

Ende der Entscheidung

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