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Beginn der Entscheidung

Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 06.11.2007
Aktenzeichen: 11 U 177/05
Rechtsgebiete: AGBG, BGB


Vorschriften:

AGBG § 5
AGBG § 9
BGB § 812 Abs. 1 S. 1
BGB § 812 Abs. 1 S. 1 1. Alt.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

11 U 177/05 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 06.11.2007

Verkündet am 06.11.2007

in dem Rechtsstreit

hat der 11. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 18. September 2007 durch

den Richter am Oberlandesgericht Hütter, den Richter am Oberlandesgericht Ebling und den Richter am Oberlandesgericht Pliester

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 17. November 2005 verkündete Urteil des Landgerichts Neuruppin - Az.: 2 O 441/04 - abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen werden der Klägerin auferlegt. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Streitwert für das Berufungsverfahren, zugleich Wert der Beschwer der Klägerin: 478.513,97 €

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Rückzahlung von Werklohn wegen einer von ihr behaupteten Überzahlung.

Das ... Autobahnamt schrieb im August 1993 Brückenbauarbeiten aus (Ausschreibungstext Bl. 9 d. A.). Den Zuschlag erhielt die A... GmbH/S... N... GmbH. Die B... GmbH schied auf Grund der Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens am 1. April 1996 aus der A... aus. Die Beklagte ist Rechtsnachfolgerin der S. N. GmbH.

Die Parteien des Werkvertrags vereinbarten eine Lohngleitklausel (Bl. 15, 16 d. A.). Die Klausel (HVA-StB-Lohngleitklausel 06/92) enthält unter anderem folgende Festlegung: "Maßgebender Lohn ist der Gesamttarifstundenlohn (Tarifstundenlohn und Bauzuschlag) des Spezialbaufacharbeiters gemäß Berufsgruppe III 2, wenn der Auftraggeber in der Leistungsbeschreibung nichts anderes angegeben hat."

Unter Anwendung des Änderungssatzes von 0,214 %o (Entsprechend dem Schreiben der Beklagten vom 20. September 1993; Bl. 106 d. A.) stellte die Beklagte einen Betrag von 28.981.836,57 DM netto in Rechnung (Schlussrechnung vom 6. Oktober 1998; Bl. 31 d. A.), der von Seiten der Beklagten im Wesentlichen bezahlt wurde. Für die Berechnung der Lohngleitklausel hat die Beklagte den Gesamttarifstundenlohn für den Spezialfacharbeiter der Metall- und Elektroindustrie Berlin und Brandenburg, Tarifgebiet II, angesetzt.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, es sei für die Berechnung der Lohngleitklausel der Gesamttarifstundenlohn der Berufsgruppe III/2 der Bauindustrie im Tarifgebiet West anzusetzen. Weil die Lohnsteigerungen insoweit - unstreitig - geringer ausgefallen sind, hat die Klägerin einen überzahlten Betrag in Höhe von 827.769,15 DM zzgl. Umsatzsteuer errechnet. Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf die Klageschrift (Bl. 1, 6 d. A.) Bezug genommen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 486.716,39 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 30. Dezember 2003 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat ausgeführt:

Für die Lohngleitklausel sei nicht der Gesamttarifstundenlohn der Berufsgruppe III/2 für das Baugewerbe maßgeblich, sondern der Ecklohn in der Metall verarbeitenden Industrie gemäß dem Tarifvertrag der Metall- und Elektroindustrie in Berlin (Ost) und Brandenburg, Stand 1. September 1993. Dies sei in dem Vergabegespräch vom 4. Januar 1994 im Einzelnen erläutert und von der Klägerin akzeptiert worden.

Die Beklagte hat ihre Auffassung im Wesentlichen wie folgt begründet: Der von den Parteien vereinbarte Faktor von 0,214 sei dadurch zu Stande gekommen, dass der mit 12,07 DM/Stunde wesentlich geringere Stundenlohn in die Berechnungsformel eingebracht worden sei. Noch nach dem Zuschlagsschreiben vom April 1994 sei dieses anlässlich einer Besprechung bestätigt worden.

Die Klägerin habe diese Einigung auch als maßgeblich zu Grunde gelegt. Dieses ergebe sich insbesondere aus dem Umstand, dass die Abschlagsrechnungen, in denen - unstreitig - die Lohnsteigerungen nach dem Tarif der Metall- und Elektroindustrie berechnet worden seien, beanstandungslos beglichen habe. Vor dem Hintergrund des Zeitablaufs von fünf Jahren zwischen der Schlusszahlung (1998) und dem Rückforderungsverlangen (2003) hat sich die Beklagte auf Verwirkung berufen.

Hilfsweise hat die Beklagte den Rückzahlungsanspruch der Höhe nach bestritten (Klageerwiderung S. 12 ff.; Bl. 101 ff. d. A. sowie Schriftsatz vom 21. April 2005; Bl. 231 d. A.).

Weiterhin hilfsweise hat die Beklagte für den Fall, dass der Tarif der Bauindustrie maßgeblich sei, geltend gemacht: Die Formulierung der Lohngleitklausel sei insoweit unbestimmt, als nicht deutlich zum Ausdruck komme, ob der Tarif Bau "Ost" oder "West" maßgeblich sein solle. Diese Unklarheit sei gem. § 5 AGBG nicht zu ihren, der Beklagten, Lasten auszulegen.

Aus der Nennung der Berufsgruppe III/2 ließen sich keine Rückschlüsse im Hinblick auf die Frage gewinnen, ob die Klausel auf das Tarifgebiet "Ost" oder "West" Bezug nehme. Im Mai 1992 habe es in beiden Tarifgebieten die Berufsgruppe des Spezialbaufacharbeiters III/2 gegeben, wie sich insbesondere aus § 2 des Überleitungstarifvertrags (Anlage B 17; Bl. 271 d. A.) ergebe. Unter Zugrundelegung der Steigerungssätze des Tarifvertrags Bau "Ost" sei ein Erstattungsanspruch der Klägerin nicht gegeben; im Gegenteil könnte sie, die Beklagte, dann noch eine Nachzahlung in Höhe von 91.013,38 € fordern. Wegen der Einzelheiten der Berechnung wird auf den Schriftsatz vom 21. April 2005 (S. 12 ff.; Bl. 242 ff. d. A.) Bezug genommen.

Weiter hat sie ein Zurückbehaltungsrecht geltend gemacht und hierzu ausgeführt: Die Klägerin sei im Besitz der Bürgschaftsurkunde Nr. 235.609/KV Nr. 96-13-4550 der G... Konzern AG vom 13. Dezember 1995 (Kopie Bl. 128 d. A.). Nachdem die Fa. B... GmbH - als Schuldnerin der verbürgten Forderung - in Folge des Eintritts der Insolvenz aus der A. ausgeschieden sei, sichere diese Forderung ihre, der Beklagten, Rückgriffsforderung gegen die Fa. B. GmbH, sodass die Bürgschaftsurkunde an sie herauszugeben sei.

Wegen des Vorbringens der Parteien in erster Instanz wird ergänzend auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Das Landgericht hat Beweis erhoben nach Maßgabe des Beschlusses vom 17. Februar 2004 (Bl. 152 d. A.) durch uneidliche Vernehmung der Zeugen J..., H... und E... Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsprotokolle vom 1. Juni 2005 (Bl. 354 ff. d. A.) und 28. September 2005 (Bl. 591 ff. d. A.) Bezug genommen.

Sodann hat das Landgericht die Beklagte zur Zahlung von 478.513,97 € nebst Zinsen verurteilt, Zug um Zug gegen Übergabe der Bürgschaftsurkunde, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt:

Der Klägerin stehe ein Rückzahlungsanspruch gem. § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. BGB zu. Die Beklagte sei als Rechtsnachfolgerin der Fa. M. S. GmbH passiv legitimiert, weil sie das einzige verbleibende Mitglied der A., der Auftragnehmerin, sei.

Auf Grund der Vertragsunterlagen sei davon auszugehen, dass die Parteien als Grundlage für die Bemessung der Lohngleitung den Gesamttarifstundenlohn des Spezialbaufacharbeiters der Berufsgruppe III/2 der alten Bundesländer zu Grunde gelegt hätten. Dass es sich um eine übereinstimmende Falschbezeichnung gehandelt hätte, habe die Beweisaufnahme nicht ergeben. Der maßgebliche Empfängerkreis, hier die potenziellen Bieter, habe aus seiner Sicht nicht annehmen können, der Tarif der Metall- und Elektroindustrie in Berlin und Brandenburg sei maßgeblich. Der Umstand, dass die Klägerin selbst bei der Vertragsdurchführung zunächst den Tarif der Metall- und Elektroindustrie in Berlin und Brandenburg angewandt habe, stelle kein hinreichendes Indiz für das vertraglich Gewollte dar. Auch weise die HVA-StB-Lohngleitklausel (06/92) ausweislich ihrer Überschrift schon darauf hin, dass sie für Bauverträge im Straßen- und Brückenbau heranzuziehen sei; aus diesem Leistungsspektrum stammten aber die vertraglich geschuldeten Leistungen. Die Schlussrechnungsprüfung durch die Klägerin sei ebenfalls nicht entscheidend; die Mitteilung eines öffentlichen Auftraggebers entfalte keine Anerkenntniswirkung, da dieser Kreis von Auftraggebern der staatlichen Rechnungsprüfung unterliege.

Die Auslegung führe aber auch nicht dazu, dass der Tarifstundenlohn Ost des Spezialbaufacharbeiters zu Grunde zu legen sei. Dies folge nicht aus dem Sitz des Bundesautobahnamtes; zudem nehme die Lohngleitklausel in Ziffer 2 Abs. 2 auch explizit auf die Berufsgruppe III 2 des Spezialbaufacharbeiters Bezug; hierdurch werde ein hinreichender Zusammenhang mit dem in den alten Bundesländern geltenden Tarifstundenlohn hergestellt. Hieran habe sich nichts dadurch geändert, dass der BRTV gem. § 2 des Überleitungstarifvertrages auf das Beitrittsgebiet erstreckt worden sei. Denn gem. § 6 Abs. 1 S. 2 des Überleitungsvertrages vom 11. Februar 1991 sei lediglich auf die Berufsgruppe III des Spezialbaufacharbeiters Bezug genommen worden.

Die Vereinbarung der so verstandenen Lohngleitklausel sei auch nicht gemäß § 9 AGBG unwirksam, da das Risiko der weiteren Lohnentwicklung bei beiden Parteien gelegen habe.

Der Anspruch der Klägerin sei nicht verwirkt. Es fehle schon am Zeitmoment. Im Zeitpunkt der erstmaligen Geltendmachung der Rückforderungsansprüche im Oktober 2003 sei erst ein Zeitraum von ca. fünf Jahren verstrichen gewesen. Da die Rechnungsprüfung erfahrungsgemäß mehrere Jahre nach der Schlussrechnung durchgeführt werde und die Verjährung des Anspruchs 30 Jahre betrage, fehle es hier an der Zeitdauer, nach deren Ablauf die Beklagte nicht mehr mit der Inanspruchnahme habe rechnen müssen. Unter Berücksichtigung der Leistungsstände und der maßgeblichen Anpassungssätze bemesse sich der Anspruch auf 478.513,97 €.

Nachdem der Sicherungszweck der Bürgschaft der G -AG nicht mehr bestehe, könne die Beklagte dem Zahlungsanspruch im Wege des Zurückbehaltungsrechts einen Herausgabeanspruch entgegenhalten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des landgerichtlichen Urteils, welches der Beklagten am 21. November 2005 zugestellt worden ist, wird auf die bei den Akten befindliche Leseabschrift (Bl. 640 ff.) Bezug genommen. Die Beklagte hat gegen das Urteil am 19. Dezember 2005 Berufung eingelegt und das Rechtsmittel am 19. Januar 2006 - jeweils Eingang beim Brandenburgischen Oberlandesgericht - begründet. Die Klägerin hat innerhalb der bis zum 31. März 2006 verlängerten Berufungserwiderungsfrist eine Anschlussberufung nebst Begründung eingelegt.

Die Beklagte vertieft mit der Berufung ihre Auffassung, der wirkliche Wille der Parteien sei auf eine Abrechnung auf der Basis des Tarifvertrages für die Metall- und Elektroindustrie in Berlin und Brandenburg gerichtet gewesen. Die Tatsache, dass die Klägerin die Abrechnung bewusst auf dieser Basis vorgenommen habe, sei vom Landgericht nicht ausreichend berücksichtigt worden. Es sei kaum anzunehmen, dass die Klägerin, obgleich über die Lohngleitung unstreitig ein Gespräch geführt worden sei, bei der Abrechnung unbewusst einen falschen Tarif akzeptiert hätte.

Weiter rügt die Berufung die Beweiswürdigung des Landgerichts als ergebnisorientiert. Die Aussage der Zeugen sei vor dem Hintergrund, dass der Tarifstundenlohn der Metall- und Elektroindustrie Berlin und Brandenburg in Höhe von 12,07 DM Gegenstand der Erörterungen gewesen sei, nicht hinreichend gewürdigt worden.

Im Hinblick auf ihr Hilfsvorbringen wendet sich die Beklagte gegen die Beurteilung des Landgerichts, die Parteien hätten sich auf den Tarifvertrag West geeinigt. Die Bezugnahme auf die Berufsgruppe III 2 des Spezialbaufacharbeiters stelle keinen hinreichenden Zusammenhang mit dem Tarif West dar. § 5 Nr. 2 des Bundesrahmentarifvertrages 1992/93 bezeichne eindeutig die Gruppen III 1 bis III 3 für das gesamte Bundesgebiet, wie sich aus § 2 des Überleitungsvertrages ableiten lasse. Diese Rechtslage habe nicht nur zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses am 1. Februar 1994, sondern bereits zum Ausschreibungszeitpunkt bestanden. Auf den Umstand, dass der Tarifvertrag für das Beitrittsgebiet einen Ecklohn der Berufsgruppe III des Spezialbauarbeiters vorsehe, komme es nach der vereinbarten Lohngleitklausel nicht an. Weiter lasse das Landgericht unberücksichtigt, dass im Lohntarifvertrag - sowohl für das Tarifgebiet Ost als auch für das Gebiet West - ein eigenständiger Lohn für die Berufsgruppe III 2 nicht ausgewiesen worden sei; auch unter diesem Gesichtspunkt sei die Lohngleitklausel mehrdeutig. In diesem Zusammenhang erhebt die Beklagte eine Verfahrensrüge: Das Landgericht habe ein Rechtsgespräch im Zusammenhang mit ihrem Hilfsvorbringen nicht geführt und ihr keine Gelegenheit zu ergänzenden Ausführungen gegeben.

Die Klägerin sei nicht mehr im Besitz der Bürgschaft, wie sich erst nach Verkündung des erstinstanzlichen Urteils herausgestellt habe. Anstelle des Zurückbehaltungsrechts mache sie, die Beklagte, nunmehr die Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch gegen die Klägerin geltend. Diese sei nämlich nicht berechtigt gewesen, die Bürgschaftsurkunde an die Bürgin herauszugeben. Hierdurch sei ihr, der Beklagten, die Möglichkeit genommen worden, bei der Bürgin Regress zu nehmen. Die Klägerin sei insbesondere deshalb verpflichtet gewesen, die Bürgschaft nicht vorzeitig herauszugeben, weil sie bereits im Jahre 2002 mit der Möglichkeit von Rückzahlungsansprüchen gerechnet habe.

Die Beklagte beantragt,

die angefochtene Entscheidung abzuändern und die Klage abzuweisen; hilfsweise, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit an das Landgericht zurückzuverweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

und im Wege der unselbstständigen Anschlussberufung,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie 478.513,97 € nebst 4 % Zinsen seit dem 30. Dezember 2003 zu zahlen; hilfsweise,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 318.211,18 € nebst 4 % Zinsen seit dem 30. Dezember 2003 sowie weitere 160.302,79 € nebst 4 % Zinsen seit dem 30. Dezember 2003, Zug um Zug gegen Übergabe der Bürgschafftsurkunde Nr. 235.609 KV.-Nr. 96-13-4550 der G -AG vom 13. Dezember 1995 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Anschlussberufung zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt die angefochtene Entscheidung nach Maßgabe der Berufungserwiderung vom 31. März 2006 (Bl. 839 d. A.). Im Hinblick auf den in der Berufungsinstanz im Wege der Aufrechnung geltend gemachten Schadensersatzanspruch verweist die Klägerin auf den Vertrag aus dem Jahre 1996 (Bl. 854 d. A.), nach dem alle Recht und Pflichten aus dem A...Vertrag auf die Rechtsvorgängerin der Beklagten hätten übergehen sollten. Dieserhalb bestehe ein Rückgriffsanspruch nicht. Die Anschlussberufung begründet die Klägerin mit der Unmöglichkeit der Rückgabe der Bürgschaft; hilfsweise macht sie geltend, dass das Zurückbehaltungsrecht nur in Höhe des Bürgschaftsbetrages geltend gemacht werden dürfe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

II.

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, insbesondere in der gesetzlichen Form und Frist (§§ 517, 519, 520 ZPO) eingelegt und begründet worden. In der Sache hat das Rechtsmittel Erfolg. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Rückzahlungsanspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Alt. BGB, der einzigen hier in Betracht zu ziehenden Anspruchsgrundlage. Die Klägerin kann von der Beklagten keine Rückerstattung verlangen, da sie auf Grund des Bauvertrages keine Überzahlung geleistet hat. Unter Berücksichtigung der maßgeblichen Lohngleitklausel bestand ein Werklohnanspruch der Beklagten jedenfalls in Höhe der geleisteten Zahlungen.

1.

In Übereinstimmung mit der Rechtauffassung des Landgerichts geht der Senat allerdings davon aus, dass der Ecklohn in der Metall verarbeitenden Industrie gemäß dem Tarifvertrag der Metall- und Elektroindustrie in Berlin (Ost) und Brandenburg nicht für die Ermittlung der Lohngleitklausel herangezogen werden kann.

Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt, wäre eine Falschbezeichnung der Lohngleitklausel unbeachtlich, wenn sich ein übereinstimmender Wille der Vertragsparteien feststellen ließe, an Stelle der genannten Klausel (Bauindustrie) sei in Wirklichkeit die Bezugnahme auf den Tarif der Metall- und Elektroindustrie gemeint gewesen. Solches hat indes die erstinstanzliche Beweisaufnahme - auch unter Berücksichtigung der von der Beklagten in der Berufungsbegründung aufgezeigten weiteren Umstände - nicht ergeben. Das Landgericht hat die Aussagen der vernommenen Zeugen J..., H... und E... nachvollziehbar und überzeugend dahin gewürdigt, dass eine konkrete Willensübereinstimmung mit dem Inhalt, es solle der Tarif der Metall- und Elektroindustrie als Bezugsgröße gewählt werden, nach den von den Zeugen geschilderten Gesprächen gerade nicht feststellbar sei. Die Inbezugnahme des Ausgangsstundenlohns von 12,07 DM (welches der Basisstundenlohn der Metall- und Elektroindustrie war) und des hierdurch ermittelten Änderungssatzes von 0,214 ist auch nach der Auffassung des Senats kein eindeutiges Indiz für einen solchen Willen. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang, dass keiner der Zeugen bekundet hat, die Berechnung des Änderungssatzes von 0,214 sei zum Gegenstand der Erörterungen gemacht worden. Wenn auch bei nachträglicher Betrachtung ein Rückschluss von dem Änderungssatz (0,214) auf den Stundenlohn (12,07 DM) und damit indirekt auf den Tarif der Elektro- und Metallindustrie logisch erscheint, so fehlt es doch an hinreichenden Anzeichen dafür, dass die Parteien diesen Schluss bereits im Zuge der vertraglichen Vereinbarungen gezogen hätten; allein Letzteres wäre für die Auslegung der Willenserklärungen maßgeblich.

Die Tatsache, dass die Klägerin bei der Freigabe der Abschlagszahlungen und der Schlusszahlung nicht bereits darauf bestanden hat, die - nach ihrer jetzigen Auffassung allein maßgebliche - Lohngleitung nach dem Tarif Bau (West) zu Grunde zu legen, ist, wie das Landgericht weiterhin zutreffend ausgeführt hat, nicht als Anerkenntnis zu werten. Auch lässt sich hieraus nicht rückwirkend auf einen dahingehenden Willen der Vertragsparteien schließen. Dem genannten Umstand kann schon deshalb nicht einmal eine Indizwirkung beigemessen werden, weil die Zahlungen nicht von der für Vertragsabschlüsse zuständigen Abteilung der Klägerin, sondern von einer anderen Stelle geprüft worden sind.

2.

Das Rückzahlungsverlangen der Klägerin wäre auch nicht verwirkt. Den diesbezüglichen Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung (S. 15 unten/S. 16 des Urteilsumdrucks) tritt der Senat vollumfänglich bei.

3.

Der Senat folgt allerdings dem in zweiter Linie geltend gemachten Verteidigungsvorbringen der Beklagten, für die Lohngleitklausel sei der Tarif der Bauindustrie (Tarifgebiet Ost) heranzuziehen.

a.

Die Lohngleitklausel lässt dem Wortlaut nach keinen eindeutigen Schluss auf das maßgebliche Tarifgebiet zu. Die Auslegung der Klausel ergibt, dass diese mehrdeutig ist, da sowohl die Geltung des Tarifvertrags Bau West als auch die des Tarifvertrages Bau Ost in Betracht kommt. Die Berufung verweist in diesem Zusammenhang mit Recht darauf, dass - wovon im Übrigen die angefochtene Entscheidung auch ausgeht - der Bundesrahmentarifvertrag, der die Berufsgruppen und die Grundsätze der Eingruppierung der Mitarbeiter in die einzelnen Gruppen festlegt, seit dem 19. Mai 1992 (Überleitungsvertrag Bl. 271 d. A.) auch im Beitrittsgebiet wirksam war.

b.

Auch wenn man stattdessen auf den Lohntarifvertrag, der die tatsächliche Lohnhöhe regelt, abstellen wollte, lasse sich für die Auslegung der Lohngleitklausel nichts gewinnen. Wie die Beklagte zutreffend ausgeführt hat, unterschieden die Tarife in den Gebieten "Ost" und "West" sich zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses auch insoweit nicht; beide Tarife (Anlagen B 19, B 20; Bl. 275 ff. d. A.) weisen jeweils einheitliche Löhne für die Tarifgruppe III (ohne Unterdifferenzierung) aus. Auf den weiteren Umstand, dass in § 5 des genannten Überleitungstarifvertrages (Bl. 266 d. A.) als Bundesecklohn der Tarifstundenlohn des Spezialbaufacharbeiters der Berufsgruppe III 2 bestimmt ist, kommt es für die Auslegung nicht mehr an, weil die Lohngleitklausel auf einen Ecklohn gerade nicht Bezug nimmt. Die Klägerin verweist in diesem Zusammenhang zu Unrecht auf das Senatsurteil vom 11. April 2006 (11 U 128/05); jenem Urteil lag ein Streit über eine andere Lohngleitklausel zu Grunde, in der explizit auf den Bundesecklohn Bezug genommen worden war.

c.

Auch unter Berücksichtigung der weiteren Umstände lässt sich die Frage, wie die nach dem Ausgeführten mehrdeutige Lohngleitklausel zu verstehen ist, ebenfalls nicht beantworten. Zieht man die weiteren für die Parteien erkennbaren Umstände ergänzend heran, so ist zunächst festzustellen, dass das Bauwerk im Beitrittsgebiet errichtet werden sollte. Beide Mitglieder der A... auf Auftragnehmerseite waren im Beitrittsgebiet ansässig; gleiches gilt für den Landesbetrieb Straßenwesen Brandenburg, der die Funktionen der Klägerin als Auftraggeberin wahrgenommen hat. Neben diesem sachlichen und personellen Bezug auf das Beitrittsgebiet könnte aber insbesondere das erkennbare wirtschaftliche Interesse der A.-Partner dafür sprechen, dass nur der im Ostteil der Bundesrepublik geltende Tarif und dessen Änderungen zum Bezugspunkt für die Lohngleitklausel gewählt werden sollte. Die zu erwartenden Lohnsteigerungen, die die A... im Wege der Vergütungsanpassung auf die Klägerin sollte abwälzen können, errechneten sich prozentual nach dem Tarif im Beitrittsgebiet, welcher für die Arbeitnehmer der A.. .-Partner galt. Aus der Sicht der Beklagten, die nach ihrem Vorbringen mit einem stärkeren Lohnanstieg in Ostdeutschland als in Westdeutschland gerechnet haben mag, könnte es auch wenig sinnvoll gewesen sein, den West-Tarifvertrag zu Grunde zu legen; denn dann ließe sich der mit der Lohngleitklausel beabsichtigte Zweck, die durch Tarifanpassung zu erwartenden Mehrkosten der Klägerin aufzubürden, nicht oder nur zum Teil erreichen. Auf solche subjektiven Einschätzungen kann die Auslegung der Klausel indessen schon deshalb nicht gestützt werden, weil der Vertrag in Folge einer Ausschreibung zu Stande gekommen ist. An dieser Ausschreibung konnten sich auch Firmen aus dem Gebiet der "alten" Bundesrepublik beteiligen; die gebotene Auslegung aus der objektiven Sicht des Bieterkreises ließe sich nicht mit der Berücksichtigung von Umständen in Einklang bringen, die nur bei einem Teil der Bieter gegeben sind.

d.

Nach alledem stellt sich die Lohngleitklausel als mehrdeutig dar. Nach dem hier noch geltenden § 5 AGBG darf diese Mehrdeutigkeit nicht zu Lasten des Vertragspartners des Verwenders gehen. Bei dem Formblatt "HVA-StB-Lohngleitklausel (06/92)" (Bl. 16 d. A.) handelt es sich um Allgemeine Geschäftbedingungen der Klägerin, die damit Verwenderin der Klausel ist. Daher ist Ziffer (2) Abs. 2 des Formblatts zur Lohngleitklausel so auszulegen, dass die Klausel die Wirkung entfaltet, die nicht zu Lasten der Beklagten gehen darf.

Wie sich bereits aus den Ausführungen zu lit. c ergibt, ist für die A... als Auftragnehmer eine Auslegung günstiger, die auf ihre Kostenstruktur Rücksicht nimmt und ihrer subjektiven Erwartung - die sich später bestätigt hat - Rechnung trägt, die Löhne in Ostdeutschland könnten deutlicher steigen als im übrigen Bundesgebiet.

4.

Die Beklagte hat im Rahmen ihrer hilfsweise geltend gemachten Ausführungen (Schriftsatz v. 21. April 2005, Bl. 242 ff., S. 6 ff.; Berufungsbegründung v. 19. Januar 2006, S. 23 ff. = Bl. 788 d. A.) im Einzelnen dargetan, dass sich bei der Zugrundelegung des Tarifvertrages Bau (Ost) keine Rückzahlungsansprüche der Klägerin ergeben. Dem diesbezüglichen nachvollziehbaren Rechenwerk der Beklagten ist die Klägerin nicht in erheblicher Weise entgegengetreten.

III.

Da die Klage nach dem oben Dargelegten der Abweisung unterliegt, bedarf es - auch wenn die Rückgabe der Bürgschaftsurkunde wegen Unmöglichkeit nunmehr ausgeschlossen ist - keines Ausspruchs mehr zur Anschlussberufung.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Das Urteil ist gem. § 708 Nr. 10 ZPO für vorläufig vollstreckbar zu erklären. Die Anordnung der Abwendungsbefugnis hat ihre Grundlage in § 711 ZPO. Der Senat lässt die Revision nicht gem. § 543 Abs. 2 ZPO zu. Der Rechtsstreit hat keine grundsätzliche Bedeutung. Die Entscheidung beruht auf einer Würdigung der Umstände des Einzelfalls; eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist zur Fortbildung des Rechts nicht erforderlich.

Ende der Entscheidung

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