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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 09.07.2002
Aktenzeichen: 11 U 187/01
Rechtsgebiete: ZPO, EGZPO, BGB, VOB/B, AGBG


Vorschriften:

ZPO § 301 Abs. 1
ZPO § 539 a. F.
EGZPO § 26 Nr. 5 S. 1
BGB § 398
VOB/B § 2
VOB/B § 2 Nr. 5
VOB/B § 2 Nr. 6
VOB/B § 2 Nr. 7 Abs. 1 S. 2
VOB/B § 2 Nr. 8 Abs. 2 S. 1
VOB/B § 2 Nr. 8 Abs. 2 S. 2
VOB/B § 16 Nr. 3 Abs. 1 S. 3
AGBG § 9 a. F.
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil

11 U 187/01 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 09.07.2002

Verkündet am 09.07.2002

in dem Rechtsstreit

hat der 11. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 18. Juni 2002 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ...

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 24. Oktober 2001, Az.: 3 O 319/00, einschließlich des zugrunde liegenden landgerichtlichen Verfahrens aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird an das Landgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Berufung, zurückverwiesen.

Beschwer beider Parteien: 37.549,08 € (= 73.439,61 DM)

Tatbestand:

Der Kläger verlangt Werklohn.

Der Beklagte beauftragte ihn auf der Grundlage eines am 07.12.1998 in Gestalt eines verpreisten Leistungsverzeichnisses vom 30.11.1998 abgegebenen Angebotes, aufgrund von Vertragsverhandlungen vom 26.01.1999, auf der Grundlage eines weiteres von dem Kläger verpreisten Leistungsverzeichnisses vom 07.01.1999 und nach weiteren Vertragsverhandlungen vom 05.03.1999 gemäß einem Verhandlungsprotokoll vom 06.05.1999 als Subunternehmer mit Zimmererarbeiten auf einem zweiteiligen Bauvorhaben (Altbau, Neubau) F...straße 11 - 14 in B.... Vereinbart waren die Geltung der VOB/B sowie ein Pauschalpreis von 127.000,00 DM netto, der sich aus den einzelnen verpreisten Leistungsverzeichnissen mit entsprechenden prozentualen Preisnachlässen herleitet (wegen der Einzelheiten hierzu verweist der Senat auf die Ablichtungen Bl. 25 und 27 d. GA).

Der Kläger beendete vor vollständiger Ausführung aller Leistungen seine Bautätigkeit. Er erstellte unter dem 07.06.2000, getrennt nach Alt- und Neubau, zwei Schlussrechnungen über einen insgesamt noch offenen Werklohn von 123.576,87 DM (vgl. Bl. 90 ff d GA). Die am 28.06.2000 übermittelte Schlussrechnung enthielt Rechnungspositionen über 73.479,61 DM für Nachtragsforderungen.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, Vergütungen für diese Leistungen zusätzlich zu seinem anteilig verdienten Werklohn beanspruchen zu können. Hierzu hat er sich u. a. auf eine vom Beklagten am 30.04.1999 unterschriebene Holzliste gestützt, aus der sich ein Holzmehrbedarf von 29,42 m³ ergibt, weiter auf eigene Nachtragsangebote aus der Zeit zwischen dem 03.05. und 08.06.1999 sowie auf eine Äußerung des Beklagten gegenüber dem klägerischen Bauleiter, dem der Beklagte mitgeteilt habe, sämtliche Nachträge gegenüber dem Bauherrn "durchgeboxt" zu haben, und demgegenüber er deren Bezahlung an den Kläger angekündigt habe.

Der Kläger hat neben einem Feststellungsantrag, hinsichtlich dessen der Senat auf die Wiedergabe in der angefochtenen Entscheidung verweist, beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 123.576,47 DM nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz ab dem 15.01.2001 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen,

widerklagend,

den Kläger zu verurteilen, an ihn 128.227,78 DM nebst 4 % Zinsen ab dem 10.01.2001 zu zahlen.

Der Beklagte hat sich gegen die Prüfbarkeit der Schlussrechnung gewandt und die den Nachtragspositionen zugrunde gelegten Leistungen für ohnehin geschuldet erachtet.

Wegen des Vorbringens zur Widerklage, deren Abweisung der Kläger erbeten hat, verweist der Senat auf die diesbezüglichen Ausführungen im Tatbestand der angefochtenen Entscheidung.

Das Landgericht hat einen den Nachtragsforderungen entsprechenden Teil der Klageforderung durch Teilurteil abgewiesen. Hierzu hat es ausgeführt, der Kläger habe nicht substanziiert vorgetragen, wer die Zusatzaufträge erteilt habe, und sei hierfür jedenfalls beweislos geblieben.

Mit seiner hiergegen gerichteten Berufung verfolgt der Kläger im Umfang der Teilabweisung sein Zahlungsbegehren weiter und beantragt,

unter Abänderung des Teilurteils des Landgerichts Cottbus vom 24.1O2001, Az.: 3 O 319/00, den Beklagten zu verurteilen, an ihn 73.439,61 DM nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 15.01.2001 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung ist insoweit erfolgreich, als das angefochtene Urteil gemäß den §§ 539 ZPO a. F., 26 Nr. 5 S. 1 EGZPO aufzuheben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückzuverweisen ist.

I.

Das Teilurteil des Landgerichts ist unzulässig. Ein Teilurteil ist nach § 301 Abs. 1 ZPO nur zulässig, wenn der Streitgegenstand teilbar, nur ein Teil entscheidungsreif und die Gefahr widersprechender Entscheidungen ausgeschlossen ist (Schellhammer, Zivilprozess, 9. Aufl., Rn. 920,m.w.N.). Vorliegend ist der Streitgegenstand nicht teilbar und die Gefahr widersprechender Entscheidungen nicht ausgeschlossen.

1. Fehlende Teilbarkeit

Der Kläger klagt einen Schlussrechnungssaldo ein, und die hierin aufgenommenen Nachtragsforderungen bilden nur unselbständige Rechnungsposten. Bei ihnen handelt es sich nicht um Forderungen i.S.v. § 398 BGB. Forderungen in diesem Sinne sind bei einem VOB-Vertrag lediglich die Schlussrechnungssalden, also die Ansprüche auf restliche Vergütung aus dem Vertrag. Beim VOB/B-Vertrag ist der gemäß der Schlussrechnung offene Betrag ein Saldo, in der Terminologie der VOB/B ein "Guthaben", § 16 Nr. 3 Abs. 1 S. 3 VOB/B (BGH in ständiger Rechtsprechung, zuletzt NJW 1999, 417).

Dieser Saldo ergibt sich bei dem hier vorzeitig beendeten Pauschalpreisvertrag aus der Summe der nach der Urkalkulation berechneten Leistungspositionen (Aktivposten) abzüglich der Summe der Abschlagszahlungen (vgl. Bl. 102 d. GA). Die Abschlagszahlungen können also nicht auf die einzelnen Leistungspositionen des Vertrages bezogen werden, für die sie ursprünglich als Abschlag gefordert worden sind (vgl. BGH NJW 1997, 1444). In Bezug auf den Schlussrechnungssaldo sind auch die Leistungspositionen des vorzeitig beendeten Pauschalpreisvertrages sowie etwaiger Nachträge lediglich Rechnungsposten. Der Saldo hat demgemäß keinen inhaltlichen Bezug zu den einzelnen Leistungspositionen, er ist nicht die Vergütung der Einzelpositionen. Deren Bedeutung für den Saldo ist nicht bestimmt und auch nicht bestimmbar, eben weil sie lediglich Rechnungspositionen darstellen (vgl. BGH NJW 1999, 417).

So wenig wie ein als Einzelposition geltend gemachter Betrag einer Schlussrechnungsforderung einen isoliert abtretbaren Forderungsteil darstellt (vgl. BGH a.a.O.), so wenig ist er auch im Übrigen sonderrechtsfähig; namentlich ist er einer gesonderten Tenorierung unzugänglich, (vgl. ebenso Kniffka in Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 12. Teil, Rn. 46 m.w.N.).

2. Gefahr widersprechender Entscheidungen

Das Urteil ist zudem unzulässig wegen der Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen in dem verbliebenen Teilverfahren. Die Widerspruchsfreiheit zwischen ihnen muss über den gesamten Instanzenzug gewährleistet sein, namentlich unter Einbeziehung der Möglichkeit abweichender Entscheidungen der verschiedenen Instanzgerichte (vgl. BGH WM 2000, 380; Kniffka in Kniffka/Koeble, a.a.O.). Demgegenüber liegt die Gefahr widersprechender Entscheidungen hier auf der Hand, denn im Berufungsverfahren könnte auch nach einer klägergünstig verlaufenden Beweisaufnahme der Klage im Umfang des angefochtenen Urteils unter dessen Aufhebung nicht stattgegeben werden, ohne dass im Berufungsverfahren weitere Fälligkeitsvoraussetzungen neu, erstmals und eigenständig positiv zu beurteilen wären, namentlich die vom Beklagten erstinstanzlich bestrittene und für das gesamte Verfahren maßgebliche Prüfbarkeit der Schlussrechnung, die damit in beiden nunmehr getrennten Verfahren gleichzeitig im Streit stünde und unterschiedlich bewertet werden könnte.

II.

Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

Die Verneinung von Nachtragsforderungen wegen unsubstanziierten Klägervortrages zur Erteilung der Zusatzaufträge erscheint nicht tragfähig. Abgesehen davon, dass eine zumindest konkludente Leistungsanordnung im Sinne der Nr. 5 oder der Nr. 6 des § 2 der VOB/B regelmäßig dann vorliegen dürfte, wenn ein Auftraggeber in Kenntnis geänderter Umstände erweiterte Bauleistungen widerspruchslos geschehen lässt (vgl. Kniffka in Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 6. Teil, Rn. 16), kommt es für die Vergütung geänderter oder zusätzlich erbrachter Bauleistungen bei zahlreichen weiter zu prüfenden Anspruchsgrundlagen auf eine Nachtragserteilung nicht einmal an, wie etwa im Falle einer Vergütung nach § 2 Nr. 8 Abs. 2 S. 1 VOB/B, auf den sich der Kläger vorliegend sogar ausdrücklich berufen hat. Eine Auftragserteilung ist ferner entbehrlich bei Ansprüchen aus § 2 Nr. 8 Abs. 2 S. 2 VOB/B, bei Ansprüchen aus Geschäftsführung ohne Auftrag (vgl. § 2 Nr. 8 Abs. 3 VOB/B in der hier maßgeblichen Fassung für 1999), oder - bei Pauschalpreisverträgen naheliegenderweise ohnehin zu prüfen - bei Ansprüchen aus § 2 Nr. 7 Abs. 1 S. 2 VOB/B. Schließlich lässt sich ein Schadensersatzanspruch des Auftragnehmers bei schuldhafter Fehleinschätzung des Auftraggebers in der Ausschreibung sogar aus den Grundsätzen über das Verschulden bei Vertragsverhandlungen herleiten (vgl. Kniffka in Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 6. Teil, Rn. 101).

Entscheidend für die Anwendbarkeit all dieser Anspruchsgrundlagen und dementsprechend den - vom Landgericht bisher nicht geprüften - Kern des Rechtsstreits bildend ist regelmäßig, wie auch hier, die Frage, ob die zusätzlich vergütet verlangten Leistungen nicht schon ohnehin geschuldet waren. Diese Frage ist mit normalen Auslegungsmethoden zu beantworten, wobei das Landgericht bei ordnungsgemäßem Parteivortrag, auf den es hinzuwirken hat, voraussichtlich das hierzu maßgebliche Auslegungsmaterial, also die vor Vertragsabschluss bekannten und heranzuziehenden Vertragsunterlagen, zur Kenntnis zu nehmen, zu sichten und zu beurteilen haben wird.

Bei der Beurteilung der Schlüssigkeit sowie maßgeblich der Darlegungs- und Beweislast wird das Landgericht zu berücksichtigen haben, dass im vorliegenden Fall die Angebotssumme zunächst nach Einheitspreisen und Mengen aufgeschlüsselt und nach Addition die Summe der Einzelpositionen lediglich kräftig nach unten abgerundet wurde. Diese Umstände können bereits für einen Willen der Partei zum Abschluss eines Einheitspreisvertrages sprechen (vgl. Werner/Pastor, Bauprozess, 9. Aufl., Rn. 1181 m.w.N.). Sollte dessen ungeachtet der im Verhandlungsprotokoll vom 06.05.1999 festgehaltene Vertragspreis eine Pauschale darstellen, so spricht allerdings vieles dafür, insoweit lediglich einen sogenannten Detailpauschalvertrag anzunehmen, bei dem vom Leistungsverzeichnis nicht erfasste Arbeiten nicht von der Pauschalvereinbarung erfasst sind.

Im Übrigen streitet auch dann, wenn der Auftragnehmer die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt, dass es sich bei den streitigen Leistungen um eine vom Pauschalpreis nicht umfasste, sondern um eine gesondert zu vergütende Bauleistung handelt, jedenfalls zu seinen Gunsten die Vermutung, dass alle im Leistungsverzeichnis nicht festgelegten Leistungen im Zweifelsfalle nicht mit dem Pauschalpreis abgegolten sind (vgl. Werner/Pastor, Bauprozess, 9. Aufl., Rn. 1197 m.w.N.). Daher könnte es zur Schlüssigkeit des Vertrages des Klägers zunächst genügen, wenn dieser lediglich vorträgt, keine Position des Leistungsverzeichnisses habe die späteren Leistungen umfasst. Erst wenn der Beklagte ausführe, inwiefern der Vertrag, namentlich welche Position des Leistungsverzeichnisses, die vom Kläger zusätzlich vergütet verlangte

Leistung bereits ohnehin umfasst haben sollte, hätte der Kläger darzulegen und zu beweisen, dass dies nicht der Fall sei.

Unter Beachtung dieser Grundsätze erscheint der Klägervortrag derzeit schlüssig und der Beklagtenvortrag, der bislang noch keine konkreten positionsbezogenen Ausführungen zu dem Leistungsverzeichnis enthält, dürfte wegen fehlenden qualifizierten Bestreitens derzeit unerheblich sein. Der Beklagtenvortrag, der Kläger habe unmittelbar vor Angebotsabgabe eine ganze Kiste voller Pläne erhalten, lässt sich keiner konkreten Position des Leistungsverzeichnisses zuordnen.

Der vom Beklagten zur Rechtsverteidigung herangezogenen Vollständigkeitserklärung des Klägers im Bauvertrag (vgl. Bl. 14 d. GA) dürften AGB-rechtliche Bedenken entgegenstehen, und diese Vollständigkeitserklärung dürfte, jedenfalls bei einem Detailpauschalvertrag, wegen Verstoßes gegen § 9 AGBG a. F. infolge Unangemessenheit unwirksam sein (vgl. Werner/ Pastor, Bauprozess, 9. Aufl., Rn. 1196 am Ende; Kniffka in Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 6. Teil, Rn. 128 ff).

Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass selbst bei Annahme eines Pauschalpreisvertrages das damit übernommene Mengenrisiko des Auftragnehmers dem Auftraggeber keine Freiheit für kostenlose Planungsänderungen eröffnet, namentlich, dass diesbezügliche Ausführungsänderungen nicht unter dem Aspekt von Mehrmengen (§ 2 Nr. 7 VOB/B) zu beurteilen sind, sondern nach § 2 Nr. 5 oder Nr. 6 VOB/B (vgl. Kniffka in Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 6. Teil, Rn. 99).

III.

Die Kostenentscheidung ist dem Landgericht vorzubehalten.

Streitwert: 37.549,08 € (= 73.439,61 DM)

Ende der Entscheidung

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