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Gericht: Brandenburgisches Oberlandesgericht
Urteil verkündet am 30.01.2001
Aktenzeichen: 11 U 3/00
Rechtsgebiete: ZPO, BGB, AGBG
Vorschriften:
ZPO § 543 Abs. 1 | |
ZPO § 97 | |
ZPO § 708 Nr. 10 | |
BGB § 631 Abs. 1 | |
BGB § 343 | |
AGBG § 9 Abs. 1 | |
AGBG § 9 | |
AGBG § 10 | |
AGBG § 11 |
Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil
11 U 3/00 Brandenburgisches Oberlandesgericht 4 O 198/99 Landgericht Cottbus
Anlage zum Protokoll vom 30.01.2001
Verkündet am 30.01.2001
Justizsekretärin als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
hat der 11. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 16. Januar 2001 durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Goebel, den Richter am Oberlandesgericht Groß und den Richter am Landgericht Hüsgen
für Recht erkannt:
Tenor:
Das Versäumnisurteil des Senates vom 20.6.2000 wird aufrechterhalten.
Der Kläger trägt auch die weiteren Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Wert der Beschwer für den Kläger wird auf DM 12.366 festgesetzt.
Ohne Tatbestand gemäß § 543 Abs. 1 ZPO
Entscheidungsgründe:
Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung des Klägers, über die der Senat auf den form- und fristgerecht eingelegten Einspruch des Klägers zu befinden hatte, bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Die Klage ist unbegründet.
Wie das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausgeführt hat, hatte der Kläger gegenüber dem Beklagten einen Anspruch auf die Zahlung des vereinbarten Werklohns für die unter Pkt. 2.3 beschriebenen Arbeiten des Erschließungsvertrages vom 13.6.1994 in Höhe von DM 12.366 gemäß § 631 Abs. 1 BGB in Verbindung mit der Bestimmung in Ziffer 3 des genannten Vertrages. Der Zahlungsanspruch ist indes durch die Aufrechnung des Beklagten erloschen.
Der geltend gemachte Vergütungsanspruch stand dem Kläger zu.
Der zwischen der Gemeinschuldnerin und dem Beklagten geschlossene Erschließungsvertrag ist wirksam.
Er ist zunächst wirksam geschlossen worden. Der Wirksamkeit des Vertrages steht auch nicht entgegen, dass die in Ziffer 6 des Vertrages vorgesehene Wirksamkeitsvoraussetzung, die Bestätigung des Bebauungsplanes für den Mittelschlag - Waldsiedlung der Gemeinde........, nicht erfolgt ist, da ein derartiger Bebauungsplan nicht aufgestellt wurde.
Auf den Nichteintritt dieser Bedingungen kann sich keine der Parteien berufen, weil die tatsächlichen Voraussetzungen, die dazu geführt haben, dass die Parteien diese Bedingungen in den Vertrag aufnahmen, sich später geändert haben. Infolge der Änderung ist die Aufnahme der Bedingung in den Vertrag offensichtlich sinnlos geworden.
Aus dem vertraglichen Regelungszusammenhang ergibt sich, dass es Sinn der hier im Streit stehenden vertraglichen Bestimmung war, die Vertragsdurchführung an die Bebaubarkeit der Grundstücke zu koppeln, da ohne eine entsprechende Bebaubarkeit die von der Gemeinschuldnerin geschuldeten Erschließungsleistungen für ihre Vertragspartner ohne Wert war. Wenn die Parteien, entsprechend dem damaligen Planungsstand der Gemeinde, die Bebaubarkeit an den Erlass des beabsichtigten Bebauungsplanes in der vertraglichen Regelung angebunden haben, die Gemeinde von dem Erlass eines Bebauungsplanes dann jedoch absieht und einzelne Baugenehmigungen erteilt, so hat sich die Grundlage der vertraglichen Vereinbarung geändert, der Vertragszweck ist aber nicht entfallen, da der Vertragspartner der Gemeinschuldnerin, hier der Beklagte, das erstrebte Ziel, die Bebaubarkeit des Grundstücks, auf anderem Wege erreicht hat.
Wenn sich die Parteien dann in dieser Situation entschließen, den Vertrag weiter durchzuführen, so kann sich keine der Parteien mehr auf die ursprüngliche, auf der Grundlage anderer tatsächlicher Verhältnisse vereinbarte Bedingung berufen.
Bei der dann gebotenen Anpassung des Vertrages wäre allein zu erwägen, ob der Beklagte von seiner Verpflichtung, die in 2.1 vorgesehenen Leistungen des Gemeinschuldners zu bezahlen, frei wird, mit der Folge, dass sich der Zahlungsanspruch des Klägers entsprechend ermäßigt. Dies kann für die Entscheidung des Rechtsstreits indes dahinstehen, da die Zahlung der Rate 2.1 zwischen den Parteien nicht im Streit steht.
Die weiteren Voraussetzungen für den Zahlungsanspruch nach Pkt. 2.3 des Vertrages sind gegeben. Der Gemeinschuldner hat die vertraglich vorgesehenen Leistungen erbracht und diese auch richtig abgerechnet. Einwendungen werden insoweit von dem Beklagten nicht erhoben.
Der Vergütungsanspruch des Klägers in Höhe von DM 12.266,00 ist indes durch die Aufrechnung mit der Vertragsstrafe, die die Parteien in Ziffer 4 des Erschließungsvertrages vereinbart haben, erloschen.
Die Voraussetzungen für die Geltendmachung der Vertragsstrafe liegen vor. Nach den vertraglichen Vereinbarungen sollte die Leistung zum 31.8.1994 fertiggestellt sein. Wie das Landgericht zu Recht ausgeführt hat, ist die Fertigstellung der Leistung, und auch hier nur die Leistung nach Punkt 2.3 des Vertrages, frühestens im April 1995 und damit wenigstens 7 Monate zu spät erfolgt. Die Höhe der Vertragsstrafe berechnet sich dann auf mindestens DM 16.03 0,00 (7 Monate x 4 Wochen x 0,5 DM/m²/Woche x 1145 m²).
Die Vertragsstrafe ist wirksam vereinbart. Bedenken gegen die Wirksamkeit lassen sich nicht aus den Vorschriften des AGBG herleiten, da der Gemeinschuldner selbst Verwender der AGBG war und damit durch die Vorschriften des Gesetzes nicht geschützt wird. Der Gesetzgeber hat durch die Formulierung des § 9 Abs. 1 AGBG klar zum Ausdruck gebracht, dass allein die Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders zur Unwirksamkeit von Vertragsbestimmungen nach den §§ 9, 10, 11 AGBG führen kann. Jenseits dieser Grenzen ist es jeder Vertragspartei gestattet, sich durch ihr selbst nachteilige Geschäftsbedingungen zu binden (BGH NJW 1998, 2280, 2281; NJW 1987, 837, 838; Wolf in Wolf/Horn/Lindacher, AGBGB, 4. Aufl. 1999, § 9 Rn. 56).
Die vereinbarte Vertragsstrafe ist auch nicht so unverhältnismäßig hoch, dass ihre Herabsetzung nach § 343 BGB geboten wäre. Die Vertragsstrafe beträgt für jede Woche der Verzögerung ca. 1,62 % der gesamten vertraglich vereinbarten Vergütung, was im Ergebnis dazu führt dass bei einer Verzögerung von mehr als 14 Monaten der Vergütungsanspruch durch die Vertragsstrafe aufgezehrt wäre. Bei der gebotenen Gesamtabwägung (vgl. hierzu Palandt/Heinrichs, BGB, 60. Aufl. § 343 Rn. 7 m. w. Nachw.) ist aber insoweit zu berücksichtigen, dass die Vertragsstrafe mit weniger als 600,- DM im Monat in absoluten Zahlen nicht existenzgefährdend hoch ist, umgekehrt aber dem Beklagten bei einer Verzögerung der Leistung der Gemeinschuldnerin und einer damit einhergehenden Verzögerung des gesamten Bauvorhabens ganz erhebliche wirtschaftliche Nachteile entstehen konnten.
Der gegen den Vertragsstrafenanspruch erhobene Einwand des Klägers, dieser setze gemäß der Formulierung in Nr. 4 der vertraglichen Vereinbarung die vollständige Bezahlung der ersten drei Teilrechnungen voraus, greift nicht durch.
Vom vertraglichen Regelungszweck her hatte diese Bestimmung Ähnlichkeiten mit einem Aufrechnungsverbot. Sie schützte die Liquidität des Auftragnehmers, hier also des Gemeinschuldners. Dieser würde durch die vertragliche Regelung davor bewahrt, aus der Vertragsstrafenabrede in Anspruch genommen zu werden, bevor nicht der Auftraggeber seinerseits den ganz überwiegenden Teil der Vergütung (29.541 DM von 35.266 DM) gezahlt hatte. Wirtschaftlich das gleiche Ziel wäre erreichbar, indem man durch vertragliche Abrede dem Auftraggeber die Aufrechnung mit der Vertragsstrafenforderung gegenüber den vertraglich geschuldeten Abschlagszahlungen verwehre. Die von den Parteien gewählte Form des Wirksamkeitshindernisses ist dann nur insoweit stärker als ein Aufrechnungsverbot, als durch die hier gewählte Regelung dem Auftraggeber bis zur Zahlung der 3. Teilrate auch die Möglichkeit verwehrt wird, unabhängig von einer Aufrechnung die Vertragsstrafenforderung aktiv, also, etwa im Klagewege, geltend zu machen.
Ist aber damit die durch die vertragliche Bestimmung geregelte Interessenlage der Parteien derjenigen bei der Vereinbarung eines Aufrechnungsverbotes vergleichbar, so können zur Bestimmung der Fallgestaltungen, in denen sich eine Vertragspartei auf die Regelung nicht mehr berufen kann, die Grundsätze herangezogen werden, nach denen die Rechtsprechung einem Vertragspartner die Berufung auf ein vertraglich vereinbartes Aufrechnungsverbot verwehrt.
Diese finden ihre Grenze in dem Grundsatz von Treu und Glauben. Die Berufung auf ein Aufrechnungsverbot ist treuwidrig, wenn der Gegenanspruch rechtskräftig festgestellt oder aber schlüssig und begründet, also entscheidungsreif ist und der Rechtsstreit, in dem sich der Schuldner auf die Aufrechnung beruft, durch die Berufung auf die Aufrechnung nicht verzögert wird. Vor allem ist die Berufung auf das Aufrechnungsverbot aber ausgeschlossen, wenn ein Vermögensverfall oder Konkurs des Gegners droht oder eingetreten ist. Die Berufung auf das Aufrechnungsverbot würde dann, da die eigenständige Durchsetzung der Aufrechnungsforderung wirtschaftlich nicht mehr möglich ist, den Verlust der Aufrechnungsforderung herbeiführen (Werner Pastor, Der Bauprozess, 8. Aufl. Rn. 2573; BGH NJW-RR 1991, 971, 972, RGZ 124, 8, 10; OLG Hamm MDR 1976, 577). Etwas anderes kann nur unter besonderen Umständen gelten, etwa dann, wenn das Aufrechnungsverbot nicht dem Schutz des Hauptvertragspartners sondern dem Schutz eines Dritten dienen soll, etwa weil die Forderung als Mittel der Kreditsicherung verwandt wurde und der Kreditgeber darauf sollte vertrauen dürfen, dass er seine Sicherheit nicht durch eine Aufrechnung verliert (OLG Hamm ZIP 2000, 925;926).
Der Berufung auf die Klausel steht daher der Umstand entgegen, dass sich die Gemeinschuldnerin im Konkurs befindet. Würde dem Kläger die Berufung auf die vertragliche Abrede der Entstehung des Vertragsstrafenanspruchs erst nach Zahlung der 3. Rate zugebilligt, so führte das dazu, dass der Beklagte die streitige Restforderung begleichen müsste, ohne seinerseits irgendeine wirtschaftlich sinnvolle Perspektive zu haben, die Vertragsstrafenforderungen noch durchzusetzen. Besondere Umstände, die es gebieten würden, dem Kläger dennoch die Berufung auf die Vertragsklausel zu gestatten, sind nicht ersichtlich und werden auch nicht geltend gemacht.
Dem Beklagten ist daher die Aufrechnung zuzubilligen, mit der Folge, dass die Werklohnforderung erlischt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10 ZPO.
Ende der Entscheidung
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